FLB II - AKs Flashcards
Netzwerkmodell der Depression (30P)
1. Drei Hauptkomponenten nennen und beschreiben
- Dorsales Kompartment (involviert in Prozesse von Aufmerksamkeit
und Kognition, die in der Erkrankung verändert sind)
> Dorsolateraler präfrontaler Kortex (DLPFC, BA 9/46), dorsaler Teil des Gyrus cinguli (dCG), inferiorer Parietalkortex (BA 40), Striatum - Ventrale Sektion: Paralimbische und subkortikale Areale (Hypothalamus, Insula, subgenuales Cingulum), Regionen des Hirnstamms
> Kompartment wird mit vegetativen Symptomen der Depression (Schlaf, Appetit, etc.) in Verbindung gebracht - Rostrales Cingulum: Cytoarchitektonische Verbindungen ins dorsale und ventrale anteriore Cingulum und seiner «Potenz», die Ansprechbarkeit auf pharmakologische antidepressive Therapie vorhersagen zu können
> Wichtige regulatorische Rolle (Vermittlung) in Interaktion des dorsalen mit ventralen Kompartments
Netzwerkmodell der Depression (30P)
2. Unterschiedliche Netzwerke/Regelkreise beschreiben
- Limbisch-kortikale Netzwerke bei Depression
> PET-Studie (Positronen-Emissions-Therapie) zur Testung limbisch-kortikaler Dysfunktion bei Depression - Verminderte metabolische Aktivität in dorsalen kortikalen Arealen vs. gesteigerte Aktivität in ventralen paralimbischen Arealen
> Bei akut depressiven Patienten und nach experimentell induzierter Traurigkeit bei gesunden Probanden - Abnormes Aktivierungsmuster zeigt sich abhängig von der Schwere der Erkrankung
> Je stärker ausgeprägt die limbische Hyper- und frontale Hypoaktivierung, desto schwerer die Beeinträchtigungen von Psychomotorik und kognitiven Leistungen - Bei Remission: Umkehr dieses Aktivierungsmusters
> Verstärkte kortikale Aktivierung => Verbesserte kognitive Leistungen - In kortikalen Strukturen: Normalisierung der depressionsbedingten Hypofrontalität, während verminderte Aktivierung in (para-)limbischen Strukturen einer Reduktion unter das normale Niveau (vgl. mit Kontrollgruppe) entspricht
- Zudem: Sowohl bei akut depressiven als auch Patienten in Remission wiesen bei induzierter Traurigkeit eine verminderte Aktivierung im medialen PFC auf
- Remittierte Patienten zeigen zusätzlich verminderte Aktivierung im rostralen Cingulum (evtl. «trait marker» der Depression)
Netzwerkmodell der Depression (30P)
3. Wie verändern sich die Strukturen bei Genesung bzw. erfolgreicher Behandlung und welche Strukturen (spez. Hirnstrukturen) sind daran beteiligt?
- Antidepressive Behandlung: Psychotherapeutische und pharmakologische Interventionen bewirken an unterschiedlichen Wirkorten eine funktionelle Normalisierung
- Antidepressiva (Fluoxetin): Induzierte Effekte weisen keinen statischen Verlauf auf
> Nach einwöchiger Therapie: Metabolische Veränderungen in subkortikalen und (para-)limbischen Strukturen, kein antidepressiver Effekt (Symptomreduktion) nachweisbar
> Nach sechswöchiger Therapie: Verhaltensmäßige Manifestation und entgegengesetztes Aktivierungsmuster in subkortikalen + (para-)limbischen Strukturen, metabolische Veränderungen im Sinne gesteigerter Aktivierung in kortikalen Arealen
» Nur bei Patienten, die auf antidepressive Behandlung ansprachen (Responder)
» Non-Responder zeigten auch nach sechs Wochen ein unverändertes Aktivierungsmuster - Metabolismus im rostralen Cingulum vor Behandlungsbeginn scheint Ansprechen auf antidepressive Behandlung zu prädiktieren
- Psychotherapeutische Behandlung (Kognitiv-behaviorale Therapie, CBT) resultierte im Gegensatz zur pharmakologischen Behandlung in verminderter kortikaler Aktivierung
- Spezifische Wirkorte der CBT: Medialer und orbitaler PFC
- … der Pharmakotherapie: Hirnstamm und Thalamus
- Funktionelle Modulation durch Antidepressiva scheint von Projektionen des Hirnstamms und subkortikalen Arealen zu kortikalen Strukturen auszugehen («bottom-up»), während psychotherapeutische Behandlung im Sinne eines «top-down»-Prozesses eine kortikal vermittelte Veränderung in (para-)limbischen Strukturen induziert
Netzwerkmodell der Depression (30P)
4. Gruppenmerkmale/Netzwerke der Aktivierung für Antidepressiva-Responder, Non-Responder, CBT-Responder nennen und exemplarische Strukturen nennen.
- Neuroimaging-Studien: Auf Basis neuronaler Aktivierungsmuster wurden bei behandelten depressiv Erkrankten neurophysiol. Gruppenmerkmale als Funktion therapeutischer Interventionen charakterisiert
> Antidepressiva-Responder: Aktivierung limbisch-kortikaler Netzwerke (LPFC – subgenuales Cingulum – OMPFC – Hippocampus), im Unterschied zu Non-Respondern)
> Antidepressiva-Non-Responder: Zusätzliche Störungen limbisch-kortikaler Netzwerke (ant. Thalamus – AC – subgenuales Cingulum – OMPFC – Hippocampus)
> CBT-Responder: Aktivierung umgrenzter limbisch-kortikaler (Hippocampus – LPFC) und kortikal-kortikaler (OMPFC, OF 11 – mF 10) Netzwerke
=> Depressive Phänotypen können in Zukunft u. U. zur Entwicklung neuronal basierter Algorithmen für individuelle Behandlung Depressiver genutzt werden
Zu dem Ergebnis der Gruppe der Antidepressiva-Non-Responder
- Personen, die nicht auf Antidepressiva ansprechen
> Abnormale Aktivierung im limbisch-subkortikalen Bereich
> Theoriekonform - Bei massiv schweren affektiven Erkrankungen, bei denen keine Medikation hilft, werden manchmal gezielt limbisch-subkortikale Bereiche lädiert
> z. B. Zingulotomie
Depression
1. Was bedeutet „Abnahme des Umweltfokus“ im Zusammenhang mit der Hyperaktivität im Ruhezustand? (10P)
- Erhöhte Ruhe-Aktivität in bilateraler anteriorer Insula korrelierte positiv mit Schweregrad der Depression
Reduzierte Stimulus-Ruhe-Interaktion:
1. Exterozeptive Stimuli (ES) beeinflussen die Ruhe-Zustands-Aktivität des Gehirns nicht mehr
> Geringere Deaktivierung in Teilen der Insula durch ES
2. ES werden nicht mit Wert / Belohnung assoziiert
> Geringere Reaktion des Belohnungssystems auf ES
3. ES lösen keine kognitive Verarbeitung aus
> Zeigt sich in verminderter Aktivierung im DLPFC
- Verlagerung des Fokus vom Selbst auf Umwelt gelingt nicht
Depression
2. Wie genau ist die Aktivierung der kortikal-subkortikalen Mittellinie-Region verändert und welche exemplarischen Strukturen sind beteiligt? (5P)
- Erhöhter Selbstfokus bei Depression
> Depressive verlagern ihre Aufmerksamkeit weniger von sich selbst auf Umwelt (kreisen um sich selbst, Grübeln) - Erklärung möglicherweise:
> Neuronale Hyperaktvität im Ruhezustand in anterioren kortikalen und subkortikalen Mittellinieregionen und Hypoaktivität posteriorer kortikaler Mittellinie- und lateraler Regionen
» Aktivitätsungleichgewicht - Aktivierungsungleichgewicht: Ruhezustands-Hyperaktivität in ventralen anterioren kortikalen und subkortikalen Mittellinie-Regionen:
• Prägenualer anteriorer cingulärer Kortex (PACC)
• Ventromedialer PFC (VMPFC)
• Ventrales Striatum
• Putamen
• Mediodorsaler Thalamus
Depression
3. Wie verändern sich die Strukturen bei Genesung bzw. erfolgreicher Behandlung und welche Strukturen sind daran beteiligt?
- Neuronale Veränderungen durch Psychotherapie:
> Unterschiedliche Wirkweise psychotherapeutischer und pharmakologischer Interventionen - Bei Ansprache auf Medikation => nach 6-wöchiger Einnahme Symptomreduktion
- Wirkung neuronal:
> Dämpfung der Hyperaktivität (para-)limbischer Strukturen (Reduktion unter das normale Niveau)
> Steigerung der frontalen Aktivität (bis zur Normalisierung) - Veränderung nur wirksam, so lange die Medikation anhält
- Hirnaktivität depressiver VP vor und nach 15 bis 20 Sitzungen CBT
- Wirkung neuronal:
> Verstärkte Aktivierung in Hippocampus und dorsalem Cingulum
> Senkung der Aktivierung in dorsalem, ventralem und medialem FC
» Potenziell in Zshang mit Abnahme negativer Kognitionen
Nenne und erkläre 3 neuronale Korrelate der Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS). Teil I
- Zentrales Merkmal: Affektregulationsstörung, zeigt sich über…
1. Hohe Sensitivität für aversive emotionale Reize
> Erste Studie funktioneller Bildgebung hierzu
• N = 6 Frauen mit BPS (ohne weitere „größere“ psychische Störungen, wie z. B. Depression)
• N = 6 Kontrollprobandinnen
• fMRT-Messung bei Anschauen von Bildern: 12 negative emotionale, 12 neutrale Bilder
2. Intensive Emotionen
> Affektstimulationstest mittels Darbietung einer Kurzgeschichte zeigte bei impulsiven Patientinnen mit Selbstverletzungsverhalten erhöhte emotionale Antworten, rasche Wechsel der Affektqualität und niedrigere Schwelle, emotional zu reagieren
> Häufigere und intensivere Zustände innerer Anspannung
3. Latenz im (/Verzögerter) Rückgang zum emotionalen Ausgangsniveau
> Schwierigkeit, Aufmerksamkeit auf positive Aspekte des Erlebens und der Gefühle zu richten
> Folge: Sich selbst verstärkende negative Gedankenkreisläufe
» Entsprechend ließ sich in einem emotionalen Stroop-Paradigma eine insgesamt erhöhte Wachsamkeit mit Aufmerksamkeitsbias für negative Stimuli, v. a. bei borderlinespezifischen Themen, zeigen
» «Directed-Forgetting-Paradigma»: Zeigten Schwierigkeiten, aversive Wahrnehmungen aktiv zu unterdrücken
=> Emotionale Dysregulation bei BPS = Allgemein anerkannt als mangelhafte Hemmfunktion des PFC auf limbische Strukturen
Nenne und erkläre 3 neuronale Korrelate der Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS). Teil II
- Verminderte Konnektivität zwischen PFC und Amygdala
- Befunde zu Volumenreduktion in Amygdala, Hippocampus, Orbitofrontalkortex (OFC) und anteriorem cingulärem Kortex (ACC)
> Strukturelle Veränderungen im Frontalkortex korrelieren positiv mit Symptomen wie affektive Dysregulation, Feindseligkeit und Dissoziation
> Defizite im frontalen Bereich im jüngeren Alter könnten wegen fehlender Hemmung spätere Schädigung im Bereich von Amygdala und Hippocampus bedingen - Glutamat-Konzentration bei BPS korreliert mit Ausmaß der Impulsivität und ist signifikant höher als bei gesunden KontrollprobandInnen
Sammel- und Aufbewahrungszwang: Wie sollte die Behandlung aussehen und warum ist sie so gut von anderen Zwangsstörungen abgrenzbar?
- Für Patienten mit Sammel- und Aufbewahrungszwängen sollten modifizierte, spezifische Behandlungskonzepte entwickelt werden, da diese Patientengruppe
auf übliche kognitiv-verhaltenstherapeutische und medikamentöse Behandlungen schlechter ansprechen als Patienten mit anderen Zwangssymptomen - Inzwischen wurden entsprechend modifizierte kognitiv-verhaltenstherapeutische Konzepte in ersten Ansätzen evaluiert und erwiesen sich als erfolgreich
> Sie beinhalten folgende Bausteine:
• Psychoedukation
• Kompetenztrainings: Organisation, Entscheidungsfindung
• motivationale Interventionen
• Expositionen (Nicht-Anschaffen und Wegwerfen)
• spezifische kognitive Interventionen (emotionale «Anhaftung», Folgen
des Wegwerfens, Verantwortung, Kontrolle)
• Rückfallprophylaxe
Grenzen / Chancen der Neurowissenschaften für die Psychotherapie. Eine Chance wird genannt. (19P)
1. Weitere Chancen nennen.
• Entlastung für Betroffene und Angehörige durch Destigmatisierung /
Enttabuisierung
• Förderung von Psychotherapieakzeptanz und -motivation
• Identifikation therapierelevanter Subgruppen
• Aufschluss über Wirkmechanismen der Psychotherapie
• Prädiktion von Wirksamkeit und Rückfallrisiken
• Neuropsychotherapie ohne technische Apparaturen
• Optimierung neurophysiologischer Behandlungsmethoden, z.B. TMS oder Deep Brain Stimulation
• Besseres Verständnis der Neurobiologie durch Psychotherapiestudien
• Gezielte Veränderung von Hirnregionen durch Echtzeitaufnahmen während der Therapie (EEG- oder fMRT-basiertes Neurofeedback)
Grenzen / Chancen der Neurowissenschaften für die Psychotherapie. Eine Chance wird genannt. (19P)
2. Zwei der genannten Chancen näher erklären.
- Entlastung für Betroffene und Angehörige durch Destigmatisierung / Enttabuisierung
> «Ich leide objektiv an einer Krankheit, bilde mir meine Symptome nicht ein.» - Förderung von Psychotherapieakzeptanz und –motivation:
• Statusgewinn in Gesundheitswesen und Gesellschaft, stärkere Anerkennung der PT als wissenschaftliche Disziplin
- Verbesserte Motivation / Compliance von Patienten
> Bahnung und Stabilisierung neuer neuronaler Muster als Motivation dafür, sich in der PT aktiv seinen Problemen zu stellen
> Zeitlicher Verlauf neurobiol. Umbauprozesse als Erklärung und Motivation für manchmal nur kleinschrittige, aber längerfristig stabile Veränderungen in Therapie - Identifikation therapierelevanter Subgruppen
- Aufschluss über Wirkmechanismen der PT, Prädiktion von Wirksamkeit und Rückfallrisiken
> Monitoring der Hirnaktivität während PT geben z. B. Hinweise auf hohe Rückfallwsk bei Alkoholabhängigen => Optimierung des Therapieansatzes
> Individuelle Auswahl des passenden Therapieansatzes, Prädiktoren für differentielle Indikation, z. B.: Psycho- vs. Pharmako- vs. Kombinationstherapie, verschiedene Pharmako- / Psychotherapieverfahren - Optimierung neurophysiologischer Behandlungsmethoden:
• Transkranielle Magnetstimulation (TMS), Deep Brain Stimulation - Gezielte Veränderung bestimmter Hirnregionen durch Echtzeitaufnahmen während Therapie:
> EEG- und fMRT-basierte Neurofeedbackverfahren, z. B. Beeinflussung der Aktivität des anterioren Cingulums von Schmerzpatienten - Neuropsychotherapie ohne technische Apparaturen
> z. B. Kognitive Verhaltenstherapie + Training des PFC bei Depressionen - Besseres Verständnis der Neurobiologie durch Psychotherapiestudien
> Bildgebende Untersuchungen vor und nach spezifischen psychotherapeut. Interventionen
Grenzen / Chancen der Neurowissenschaften für die Psychotherapie. Eine Chance wird genannt. (19P)
3. Vier Risiken nennen.
- Abschreckung von Betroffenen:
• technisierte Medizin vs. ganzheitliche Behandlung
• Reduktionismus von Therapeuten - Neurobiologie als alleinige Erklärung psychischer Erkrankungen, Vernachlässigung wichtiger anderer Aspekte, z. B.
• individuelle psychosoziale Erklärungsmodelle
• Fragebögen und Interviews
• therapeutische Beziehung
• individuelle Veränderungsziele / -motivation - Neurobiologische Sichtweise der Betroffenen trägt zur Chronifizierung
psychischer Probleme bei:
• «Ich habe eine Behinderung (Hirnstoffwechselstörung) und muss lernen sie zu akzeptieren und mit ihr zu leben.» - Unkritische, zu weit gehende Interpretationen von Wissenschaftlern, (Gesundheits-)Politikern, Medien etc., z. B.:
• simplifizierende Zuordnung komplexer Konstrukte zu einzelnen Hirnarealen (Lokalisation des «Über-Ichs» im frontalen Kortex, des «Es» in der Amygdala etc.
• neurobiologisch begründete Verneinung von Verantwortung, individueller Schuld, Willens- und Entscheidungsfreiheit - Zu große Erwartungen in die Neurobiologie, Vernachlässigung anderer aussichtsreicher Forschungsbereiche