Einheit 2 Menschen Flashcards
Warum wichtig über Rationalität und Präferenzen nachzudenken?
Grundsätzliche Annahme von VWL und BWL:
„Präferenzen sind exogen gegeben und unverändert”
-> Dem ist jedoch nicht so: Präferenzen sind auch abhängig vom sozialen Umfeld.
-> Siehe Social Media: Echokammern verstärken bestehende Ansichten und
verringern die Bereitschaft, andere Perspektiven zu akzeptieren.
Druck, sich den dominierenden
Meinungen anzupassen, um Zugehörigkeit und Akzeptanz zu erfahren.
Implikationen?
-Polarisierung. Wenn wir nicht mehr mit anderen diskutieren oder Kompromisse
schließen können, dann kann Demokratie nicht mehr funktionieren.
-Erosion des gesellschaftlichen Zusammenhalts
-Blockierte Entscheidungsprozesse
-Vertrauensverlust, wenn Menschen das Gefühl haben, dass Institutionen nicht fair
sind, sondern von der anderen Seite kontrolliert werden.
Definition Präferenzen
Präferenzen beschreiben die Ziele von Akteuren (also was Agenten wollen).
Präferenzen müssen schwach geordnet sein.
Die Rangfolge muss transitiv sein. A > B > C impliziert, dass A > C
Präferenzstabilität impliziert, dass Präferenzen in ökonomischen
Modellen als exogen behandelt werden. Damit ist gemeint, dass
Veränderungen in den modellierten (ökonomischen) Zusammenhängen
keine Effekte auf die Präferenzen der Akteure haben. Es wird daher auch
von exogen gegebenen Präferenzen gesprochen
Präferenzen sind nicht unbedingt exogen gegeben.
->Soziales Umfeld kann eine Rolle spielen.
->Die Frage ist dann aber, wie genau das soziale Umfeld
Präferenzen beeinflussen kann?
Definition Überzeugungen
Überzeugungen liefern hypothetische Zusammenhänge zwischen alternativen
Handlungen und ihren Konsequenzen.
Das sind Wahrscheinlichkeiten („Wenn ich X mache, dann wird wahrscheinlich Y
passieren”).
Definition Limitationen
constraints
Definieren das Set der möglichen Handlungen.
Sie können logischer, physischer oder wirtschaftlicher Natur sein
Beispiele: Budgetgrenzen, soziale Normen oder politische Institutionen.
Definition Handlungen
actions
Eine Handlung ist dann rational, wenn die bestmögliche Handlungsoption
gewählt wurde, um die Präferenzen der Person angesichts ihrer
Überzeugungen und Limitationen zu erfüllen.
Erklärung: Social Identity Theory
Grundidee
Wenn Menschen das Verlangen haben, einer Gruppe zuzugehören, dann
hat dieses Verlangen einen Einfluss auf die Präferenzen von Individuen.
Ziel
-Gruppen bieten sowohl Identität (sie sagen uns, wer wir sind) als auch
Selbstwertgefühl (sie geben uns ein gutes Gefühl).
-Wir wollen dazugehören: Wir wollen der In-Group nahe stehen und von ihr
(unbewusst) akzeptiert werden.
-Daher nehmen Individuen die Präferenzen der kollektiven Identitäten an.
Hypothese
Das menschliche Verlangen, einer Gruppe
zuzugehören, hat einen Einfluss auf die
Präferenzen der Individuen.
Harwood, J. (2020)
Im Vergleich von Menschen werden diejenigen mit starkem Verlangen,
einer Gruppe zuzugehören, eher dazu tendieren, ihre Präferenzen
denen der Gruppe anzupassen, während diejenigen mit weniger
starkem Verlangen, dazugehören zu müssen, ihre Präferenzen eher
eigenständig formulieren werden.
Kausaler Mechanismus Social Identity Theory
Kausaler Mechanismus
-Zugehörigkeit zu einer Gruppe fördert eine
emotionale Bindung, wobei die Gruppenidentität Teil des Selbstkonzepts der Person wird.
-Individuen übernehmen Werte, Überzeugungen
und Verhaltensnormen ihrer Gruppe, um
Zugehörigkeit und Akzeptanz zu signalisieren.
-Durch Interaktionen innerhalb der Gruppe wird die angepasste Identität bestätigt und verstärkt.
-Durch Konfrontation mit konkurrierenden
Gruppen wird die Bindung zur eigenen In-Group weiter verstärkt.
Definition kausaler Mechanismus
Ein kausaler Mechanismus ist die Reihe von Zwischenschritten, durch die eine Ursache eine Wirkung hervorruft.
Um im Beispiel zu bleiben:
[Faktor X] -> (Schritt 1) -> (Schritt 2) -> (Schritt 3) -> [Verhalten A]
¬ [Faktor X] -> (Schritt 1) -> (Schritt 2) -> (Schritt 3) -> [Verhalten B]
Es geht um den Prozess!
§ Kausale Mechanismen erklären, wie und warum eine bestimmte Ursache
ein bestimmtes Ergebnis erzeugt.
Warum kausale Mechanismen?
-Spezifizierung:
Gleicher Faktor kann – je nach Mechanismus – zu unterschiedlichen
Hypothesen führen (siehe: Unternehmensgröße) .
-Testen:
Nun ist es möglich, die Annahmen der Hypothese explizit zu benennen,
und dann zu evaluieren.
Mögliche Erklärung: Kognitive Dissonanz
Grundidee
-Wenn Menschen neue Informationen erhalten, die ihren bestehenden
Überzeugungen widersprechen, entsteht Unbehagen.
Ziel
-Manche Menschen versuchen kognitive Dissonanzen zu minimieren, statt
optimale Entscheidungen zu treffen.
-Das Festhalten an Überzeugungen hängt nicht nur von ihrer logischen
Überzeugungskraft ab, sondern auch davon, wie stark sie in das
psychologische Gleichgewicht einer Person eingebunden sind.
-> Frantz Fanon: When they are
presented with evidence that works
against their core belief, the new evidence
cannot be accepted. It would create a
feeling that is extremely uncomfortable,
called cognitive dissonance. And
because it is so important to protect the
core belief, they will rationalize, ignore
and even deny anything that doesn’t fit
in with the core belief.
Hypothese und kausaler Mechanismus: kognitive Dissonanz
Hypothese
-Menschen wollen ein unangenehmes Gefühl, das entsteht, wenn bestehende Präferenzen oder Überzeugungen mit gegensätzlichen Informationen
konfrontiert werden, vermeiden.
Tavris, C., & Aronson, E. (2007).
Im Vergleich von Menschen werden diejenigen, für die die
ursprünglichen Präferenzen nicht essentiell für ihre persönliche
Identität ist, eher dazu tendieren, Präferenzen zu ändern, während
diejenigen, für die sie ein essentieller Bestandteil ihrer Identität ist,
eher an ihren Präferenzen festhalten werden.
Kausaler Mechanismus
-Unterschiedliches Dissonanzempfinden:
-> Personen mit hohen Bedürfnis nach Konsistenz und Harmonie verspüren eine intensivere Dissonanz und sind daher eher bereit, ihre Präferenzen anzupassen,
um das Unbehagen zu beseitigen.
->Andere tolerieren Widersprüche besser und spüren weniger Druck, ihre Überzeugungen zu ändern.
-Bedeutung der Überzeugung:
->Wenn eine Überzeugung für die Identität einer Person besonders wichtig ist, wird diese Person weniger geneigt sein, sie zu ändern, auch wenn sie Dissonanz erlebt.
->Menschen, deren Überzeugungen weniger fest verankert sind, neigen eher dazu, ihre Präferenzen zu ändern, um die Dissonanz zu reduzieren.
Beipsiel Eva Glawischnig kognitive Dissonanz
Eva Glawischnig: Langjährige Chefin der Grünen Partei Österreichs
Während politischer Karriere
-Warf dem Konzern Novomatic Gesetzeskauf vor.
- „Die, die halt Geld haben, Einfluss haben, wie die Novomatic, ich spreche es auch offen aus, auch wirklich Gesetze beeinflussen.“
ORF-Sendung “Im Zentrum” am 9. April 2017
-Nach der politischen Karriere
-Ab 1. März 2018 Lobbyistin für Novomatic
-> Rechtfertigung?
„Ich glaube, dass man bei der Entwicklung am besten mitbestimmen kann, wenn man selbst in einem der großen Tanker sitzt.“
->Versuch widersprüchliches Verhalten durch Rechtfertigungen zu reduzieren, anstatt ihre Positionen offen zu revidieren.
Beispiel Strache kognitive Dissonanz
Heinz-Christian Strache: ehemalige Vizekanzler und Vorsitzender der FPÖ
Vor Ibiza Skandal
-Vehementer Kritiker von Korruption und Lobbyismus.
-Betonte in öffentlichen Reden Transparenz und Schutz nationaler Interessen vor ausländischem Einfluss.
Nach Ibiza Video
-Im Gespräch mit einer vermeintlichen russischen Oligarchin bereit, politische Gefälligkeiten im Gegenzug für finanzielle Unterstützung zu erteilen.
-> Klarer Widerspruch zwischen seinen öffentlichen Aussagen und seinem Verhalten.
Rechtfertigung?
-Argumentierte, dass er keinen illegalen Deal abgeschlossen habe.
-Versuch widersprüchliches Verhalten durch Rechtfertigungen zu reduzieren, anstatt ihre Positionen offen zu revidieren.
Beispiel Raucher kognitive Dissonanz
Eine Person glaubt daran, dass es wichtig ist, gesund zu leben möglicherweise durch gesunde Ernährung, regelmäßige Bewegung und
Vorsorgeuntersuchungen.
Die Person weiß, dass Rauchen schädlich für die Gesundheit ist und zu
schwerwiegenden gesundheitlichen Problemen wie Lungenkrebs und
Herzkrankheiten führen kann.
Nachher
§ Trotz dieser Überzeugungen raucht die Person weiterhin.
Rechtfertigung?
§ Verdrängung: Die Person könnte die Informationen über die Gefahren des
Rauchens herunterspielen.
§ Rationalisierung: Die Person könnte argumentieren, dass “nicht jeder
Raucher krank wird” oder dass “sie in Maßen raucht, was weniger
schädlich ist”.
warum wichtig über soziale Bewegungen nachzudenken
Grundsätzliche Annahme von VWL und BWL:
„Individuen sind individualistisch. Wir sind einfach Inputs („L”) in der Produktionsfunktion, nur eine ökonomische Ressource.”
-> Dem ist jedoch nicht so: Menschen lediglich als Produktionsfaktoren zu
betrachten, entmenschlicht sie.
Menschen streben nach Erfüllung, Sinnhaftigkeit und zwischenmenschlichen
Beziehungen – nicht nur nach Geld und materiellen Dingen.
Implikationen?
§ Soziale Bewegungen entstehen, weil Menschen ein Bewusstsein für
soziale Ungerechtigkeiten, Missstände oder gemeinsame Ziele entwickeln
und sich kollektiv organisieren, um Veränderungen herbeizuführen.
§ Diese Fähigkeit zum kollektiven Handeln ist einzigartig menschlich und
basiert auf dem Streben nach einer besseren Gesellschaft.
§ Diese Mobilisierung für soziale Gerechtigkeit kann nicht durch die reine
Betrachtung als Produktionsfaktoren erklärt werden.
definition collective action problem
Situation
§ Mehrere Individuen würden von einem gemeinsamen Gut profitieren.
§ Das Gut ist jedoch nur durch gemeinsame Anstrengungen realisierbar.
Problem
§ Trotz des klaren Nutzens für die Gruppe kann es für Einzelpersonen
rationaler erscheinen, nicht beizutragen.
§ Anreiz als ”Trittbrettfahrer” von den Bemühungen anderer zu profitieren.
Ergebnis
§ Das Kollektivgut wird nicht produziert, da jeder auf den Beitrag der jeweils
anderen wartet.