Besonderer Teil I Flashcards
Aufbauschema Diebstahl § 242 StGB
I. Tatbestand
1. Objektiver Tatbestand
a) Tatobjekt: fremde bewegliche Sache
b) Tathandlung: Wegnahme
- Subjektiver Tatbestand
a) Vorsatz bzgl. des objektiven Tatbestands (§ 15 StGB)
b) Zueignungsabsicht
c) Rechtswidrigkeit der Zueignung
(1) Objektive
(2) Subjektive (§ 15 StGB)
II. Rechtswidrigkeit
III. Schuld
IV. Strafzumessung (§ 243 StGB)
V. Strafantrag (vgl. §§ 247, 248 StGB)
Definition Sache Diebstahl
Eine Sache ist jeder körperliche Gegenstand iSd § 90 BGB.
Definition beweglich Diebstahl
Eine Sache ist beweglich, wenn sie tatsächlich fortbewegt werden kann.
Definition fremd Diebstahl
Eine Sache ist fremd, wenn sie im (Allein-, Mit- oder Gesamthands-) Eigentum eines anderen steht.
Definition Wegnahme Diebstahl
Bruch fremden und Begründung neuen (nicht notwendig tätereigenen) Gewahrsams
Definition Gewahrsam Diebstahl
Tatsächliche Sachherrschaft über eine Sache, die von einem natürlichen Herrschaftswillen getragen und deren Reichweite von der Verkehrsauffassung bestimmt wird.
Definition Sachherrschaft Diebstahl
Tatsächliche Sachherrschaft liegt vor, wenn der Verwirklichung des Willens zur physisch-realen Einwirkung auf die Sache unter normalen Umständen keine wesentlichen Hindernisse entgegenstehen
Definition Bruch Diebstahl
Gewahrsamsverschiebung ohne oder gegen den Willen des ursprünglichen Inhabers
Klassische Poblemfelder des Gewahrsamsbruchs
1. Beobachtung des Gewahrsamswechsels (zB Detektiv in SB-Markt):
Kein Einverständnis des Eigentümers (arg: Diebstahl ist kein heimliches Delikt)
2. Diebesfalle:
Berechtigter, der sich auf dieses Vorgehen einlässt, muss notwendigerweise damit einverstanden sein, dass es zum Gewahrsamswechsel kommt, um Täter überführen zu können.
–> nur Diebstahlsversuch (= untauglicher Versuch wegen Einverständnisses, das Täter aber nicht kennt)
Zeitpunkt des Gewahrsamswechsel
Gewahrsamswechsel ist erfolgt, wenn der Täter die tatsächliche Herrschaft über die Sache so erlangt, dass er sie ohne Behinderung durch den bisherigen Gewahrsamsinhaber ausüben kann und dieser seinerseits nicht mehr über die Sache verfügen kann.
Die hM differenziert:
- bei kleinen, leicht fortzuschaffenden Gegenständen: Apprehensionstheorie: Begründung neuen Gewahrsams mit Ergreifung
- bei schwer zu transportierenden Gegenständen: Ablationstheorie: Verlassen des Sachherrschaftsbereichs des ursprünglichen Gewahrsamsinhabers erforderlich
Gewahrsamsenklave Diebstahl
Wenn in fremder Gewahrsamssphäre eine enge (intime) Beziehung zwischen Person und Sache entsteht, wird der Gewahrsam des Inhabers der Gewahrsamssphäre quasi verdrängt und es besteht nach der Verkehrsauffassung nur Ge- wahrsam der Person, die die enge Beziehung zu der Sache hat.
Problem: Was ist Gegenstand der Zueignung?
Problemfälle, wenn Sachsubstanz und der in der Sache verkörperte Sachwert ein getrenntes Schicksal haben.
1. Substanztheorie
Gegenstand der Zueignung ist die Sache selbst, so dass es auf einen wirtschaftlichen Wert derselben nicht ankommt.
Dagegen:
- Erfasst werden kann nicht das – als „Hülle“ zurückgegebene – Sparbuch oder die Fahrkarte.
Dafür:
- Erfasst sind hingegen: entwendete Liebesbriefe, wertlose Kuscheltiere aus Kinderzeit
2. Sachwerttheorie
Gegenstand der Zueignung ist der wirtschaftliche Wert einer Sache, wenn er in ihr verkörpert ist (sog. lucrum ex re). Test: Ist Sache nach Rückgabe weniger wert?
Dafür: kann Sparbuch etc erfassen (war Grund für Erweiterung).
Dagegen: kann aber wertlose Sachen – zB Liebesbrief – nicht erfassen.
3. Vereinigungstheorie (hM)
Gegenstand der Zueignung ist die Sache selbst (Sachsubstanz) oder subsidiär auch der in der Sache verkörperte Wert (Sachwert).
4. Extensive Form der Vereinigungstheorie
Neben der Sachsubstanz und dem lucrum ex re ist auch noch der durch die Verwendung der Sache erzielbare Wert (lucrum ex negotio cum re) als Gegenstand der Zueignung anzusehen.
Test: Konnte durch die Wegnahme der Sache ein sonst durch ihre Verwendung erzielbarer Wert nicht realisiert werden?
Strittige Fallgruppen des Diebstahls
1. Rückverkauf einer entwendeten Sache an den Eigentümer unter Eigentumsleugnung (von Anfang an geplant)
- Sachsubstanz nicht entzogen
- lucrum ex re: str.
enge Ansicht: nicht entzogen, da Sache genauso viel Wert wie davor –> straflose Vorhandlung zum Betrug
aA: Dem Eigentümer wird nur Chance eingeräumt, sich eine neue Sachherrschaftsbeziehung zu erkaufen, so dass der Veräußerungswert als in der Sache verkörperter Wert entzogen ist
- lucrum ex negotio cum re (Wert, der sich durch eine Veräußerung der Sache erzielen lässt.): entzogen, da auch Verkaufswert zum Sachwert gehört
2. Rückgabe einer entliehenen Sache an Eigentümer, aber nicht durch berechtigten Ausleiher, sondern jemanden, der die entliehene Sache entwendet hat
- Dienstmützenfall
- Sachsubstanz nicht entzogen; Eigentümer erhält verliehene Sache zurück
- lucrum ex re: nicht entzogen, da Sache danach genauso viel wert wie zuvor, nur Täuschungswert wurde genutzt
- entzogen, da auch Täuschungswert zum Sachwert gehört (reicht aber nur nach weiter Sachwerttheorie aus!).
Definition Aneignung Diebstahl
Die Anmaßung einer eigentümerähnlichen Herrschaftsmacht mit dem Ziel, das Zueignungsobjekt dem eigenen Vermögen einzuverleiben.
- es genügt eine vorübergehende Aneignung
- Absicht erforderlich
Definition Enteignung Diebstahl
Die faktische Verdrängung des Eigentümers aus seiner Eigentümerstellung
- Enteignung muss auf Dauer angelegt sein
- es genügt Eventualvorsatz
Irrtumskonstellationen des Täters Diebstahl
1) Täter nimmt ein Behältnis (Turnbeutel) weg, den er sich nicht aneignen will; ihm kommt es nur auf Bargeld an, welches er darin vermutet. In Wirklichkeit sind aber nur Turnschuhe in dem Turnbeutel.
–> kein vollendeter Diebstahl bzgl Turnbeutels mangels Aneignung; nur versuchter Diebstahl (allerdings fehlgeschlagen, kein Rücktritt!) bzgl Bargeld
2) Täter nimmt Gegenstand weg und merkt später, dass diesem eine vermutete Eigenschaft fehlt.
–> Vollendung, weil es auf die Zueignungsabsicht im Moment der letzten Ausführungshandlung ankommt; etwaige spätere Änderungen der Vorstellungen sind irrelevant
Objektive Rechtswidrigkeit der Zueignung Diebstahl
Rechtswidrig ist die beabsichtigte Zueignung dann nicht, wenn der Täter (in Drittzueignungsfällen: der Täter oder der Dritte) einen fälligen und einredefreien Anspruch auf Übereignung der konkreten weggenommenen Sache hat.
Anspruch auf Übereignung Gattungsschuld Diebstahl
Vor Konkretisierung richtet sich der Übereig- nungsanspruch nicht auf eine konkrete Sache, sondern auf die Leistung einer Sache mittlerer Art und Güte (§ 243 I BGB), die der Schuldner (!) aus der Gattung auswählen darf. Erst mit Konkretisierung (regelmäßig durch Schuldner) beschränkt sich Schuld auf konkrete Sache.
Problem: Behandlung von Geldschulden Diebstahl
1. Wertsummentheorie
Als Wertsummenverbindlichkeit nehmen Geldschulden eine Sonderstellung ein. Der Schuldner hat einen Anspruch auf eine bestimmte Summe, losgelöst vom Geldstück oder -schein, der bloßer Träger dieser Wertsumme ist. Wer eigenmächtig Geld wegnimmt und einen entsprechenden (fälligen, einredefreien) Anspruch hat, handelt objektiv rechtmäßig.
Dafür:
- Teleologisches Argument: Bei Geld ist kein schützenswertes Auswahlrecht des Schuldners hinsichtlich der konkreten Zahlungsmittel anzuerkennen. Es gibt kein gutes oder schlechtes Geld („Sache von mittlerer Art und Güte“).
2. Rspr., hM:
Auch Geldschulden werden als Gattungsschulden behandelt, so dass der Gläubiger einer Geldschuld das Auswahlrecht des Schuldners nicht verletzen darf; ansonsten ist die Zueignung objektiv rechtswidrig.
Dafür:
- Die Wertsummentheorie bringt den Diebstahl (Eigentumsdelikt) in die Nähe eines Vermögensdelikts, da es letztlich nur darauf ankommt, ob das Opfer durch die Tat wirtschaftlich schlechter steht (darauf kommt es bei Eigentumsdelikten aber gerade nicht an).
Die Irrtumskonstellationen bei der RW der Zueignung im Zusammenhang mit Gattungsschulden (nach hM inkl. Geldschulden)
- Glaubt der Täter irrig, einen fälligen und einredefreien Anspruch auf eine konkrete Sache zu haben, irrt er über das normative Tatbestandsmerkmal „RW“ (er erfasst dessen rechtlich-sozialen Bedeutungsgehalt nicht einmal laienmäßig), so dass ein Tatbestandsirrtum (§ 16) vorliegt.
- Wer zwar nicht davon ausgeht, einen Anspruch auf eine konkrete Sache zu haben, gleichwohl aber der Ansicht ist, sich einen bestimmten Gegenstand aus der Gattung nehmen zu dürfen, handelt im Verbotsirrtum (§ 17), da er die RW der Zueignung laienmäßig erfasst (er weiß, dass er keinen Anspruch auf diese konkrete Sache hat), aber von einem vorgestellten Rechtfertigungsgrund ausgeht (Erlaubnisnormirrtum).
Definition Umschlossener Raum Diebstahl
Jedes Raumgebilde, das (zumindest auch) zum Betreten durch Menschen bestimmt und mit Vorrichtungen versehen ist, die das Eindringen Unbefugter abwehren sollen und tatsächlich nicht unerheblich erschweren.
Definition einbrechen Diebstahl
Gewaltsames, nicht notwendigerweise substanzverletzendes Öffnen einer dem Zutritt entgegenstehenden Umschließung
Definition einsteigen Diebstahl
Jedes nur unter Schwierigkeiten mögliche Eindringen durch eine zum ordnungsgemäßen Eintritt nicht bestimmte Öffnung
Definition falscher Schlüssel Diebstahl
Jeder Schlüssel, der zur Tatzeit (nach dem Willen des Verfügungsgewaltinhabers über den Raum) nicht oder nicht mehr zum Öffnen des betreffen- den Verschlusses bestimmt ist