Alteuropa Flashcards

1
Q

Epochengliederung der Geschichte

A
  • Epochengrenzen sind nichts objektiv Gegebenes; sie sind ein Produkt der Geschichtsforschung.
  • Retrospektive Wahrnehmung, Standpunkt an Gegenwart und Erkenntnisinteresse gebunden
  • Historische Perioden erst aus der Distanz wahrnehmbar
  • eigene Kultur wird mit gedacht bei der Betrachtung der Vergangenheit
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2
Q

Mittelalter (Ende Antike, Renaissance) 500-1500

A

Transformation der römisch-antiken in eine germanisch-mittelalterliche Zivilisation, Völkerwanderungen (eher lose Stammesverbände mit militärischen Raubund
Eroberungszügen)

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3
Q

Frühmittelalter (500-900)

A

gesellschaftliche und politische Umschichtungen mit Christianisierung der heidnischen Barbaren, neue gentile Königreiche (Goten, Franken, Burgunder Langobarden, Vandalen)

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4
Q

Spätes Mittelalter (zweites Mittelalter, 1050-1500)

A

Schriftkulturell, technisch-wirtschaftlich und gesellschaftlich fortschrittlicher Buchdruck, Entdeckungen und Reformationen

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5
Q

Neue, modernisierungstheoretisch denkende Forschung (1800)

A

politischindustrielle Doppelrevolution, eigene Umbruchszeit zu Moderne

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6
Q

Frühe Neuzeit (1500-1800) Spezifischer Charakter

A

Ineinander von ‚alteuropäischen’ (agrarisch- monarchischen) Lebens- und Gesellschaftsformen und Konfessionalisierung, Institutionalisierung des
Staatswesens, neue Wissens- und Kommunikationskultur

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7
Q

Charakterisierung „Alteuropa“

A
  • Anlehnung an Otto Brunner nach Zweitem Weltkrieg
  • mehr als zweieinhalb Jahrtausende zwischen der griechischen Kultur der Zeit Homers und Hesiods bis zum Beginn der Französischen Revolution (ca. 750 v. Chr. bis 1789 n. Chr.).
  • strukturelle Einheit
  • gemeinsames, literarisch vermitteltes Fundament von Denkweisen und Werthaltungen
  • geistiger Traditionszusammenhang (Platon/Aristoteles bis Luther/Kant)
  • besondere sozioökonomische Verfasstheit: vormoderne „Adelswelt“, stabile agrarische Grundlage
  • sozioökonomische Basisstruktur: Verschränkung von bäuerlicher Wirtschaft und adeliger Herrschaft
  • Wirtschaft und Politik keine voneinander abgrenzbaren Sektoren, sondern tief in gesellschaftliche Strukturen eingebettet
  • In agrarischen Gesellschaften Alteuropas Unterscheidung der Menschen nicht nach Berufen, sondern nach Zugehörigkeit zu von Gott geschaffenen Ständen
  • unterschiedliches Aussehen der ständischen Ordnungen von Gesellschaft zu Gesellschaft und Jahrhundert zu Jahrhundert
  • Menschen als von Natur her ungleich eingestuft
  • Zugehörigkeit zu einem Stand durch Recht und Gewohnheit bestimmt:
    durch Geburt oder Vermögen, durch militärische Macht oder den Zugang zu christlichen Heilsmitteln
  • Otto Gerhard Oexle charakterisiert gesellschaftliches Grundprinzip durch Wendung “Ordnung durch Ungleichheit”
  • Ungleichheit in Alteuropa ist Voraussetzung für gesellschaftliche Harmonie, wurde nicht in Frage gestellt, Überzeugung
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8
Q

Einheit Alteuropas

A
  • Alteuropa als Einheit, weil agrarische Basis, fehlende Trennung zwischen Staat und Gesellschaft
  • agrarisch-gewerbliche Wirtschaftsstruktur (80-90% Landbevölkerung)
  • kein souveräner und rationaler Zwangsapparat (Staatsgewalt) mit geschlossenem Territorium (Staatsgebiet) und zugeordneter Bevölkerung (Staatsangehörige)
  • Recht war nicht territoriums-, sondern personengebunden, Herrschaft wurde punktuell und personenzentriert ausgeübt
  • Führung durch politisch, wirtschaftlich u. kulturell dominante Elite
    (Aristokratie), Rom: weltlich, Mittelalter: geistlich-weltliche Doppelspitze
  • hierarchische Struktur, Darstellung durch Gelehrte als Zusammenhang, strukturelle Einheit
  • Kontinuität sozialer Deutungsmuster, Wahrnehmung u. Deutung des Vorgefunden richtet sich an individuellen u. kollektiven Vorstellungsmustern aus, kollektive Wahrnehmungs- und Deutungsweisen formen gesellschaftliche Zustände u. leiten menschliches Handeln
  • soziale Ungleichheit Ausdruck gesellschaftlicher Ordnung u. positiv gewerteter Zustand
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9
Q

Statik Alteruopas

A
  • gegen Statik:
  • vormoderne Entwicklungsdynamik: Erstarrung (röm. Kaiserzeit, 10., 17. + 18. Jh.), Dynamik (Völkerwanderung, 11./12. Jh. Renaissance des Mittelalters, 15./16. Jh.), Großgruppen ab 1200 nicht mehr in
    Deutungsschemata, Denkfigur prägt Gesellschaft, keine Selbstdeutungen der Bevölkerungsmehrheit
  • ständische Binnenvielfalt: hierarchische Rangstufungen und funktionale Unterscheidungen von prinzipiell Gleichrangigen, vertikale Organisationsprinzipien (röm. Nobilität, familia) und laterale
    Vergemeinschaftungsformen (im dritten Stand, Stadt-, Dorf-, Pfarrgemeinden, Gilden, Zünfte)
  • interständische Mobilität: Klerus kein Geburtsstand (Zufuhr aus weltlicher Aristokratie, lateral), niederer Klerus, Rom: homo novus, Erstarrung der Nobilität, da keine Nachfolger
  • Dynamik vs. Erstarrung; vertikale Organisation/Hierarchie, laterale Vergemeinschaftungsformen; laterale Mobilität zw. weltlicher und geistlicher Aristokratie, Aufstieg von ganz unten
  • keine diachrone/horizontale Statik; keine synchrone/vertikale Statik
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10
Q

Ende Alteuropas

A
  • Ausgehendes 18. Jh. dauerhafte Veränderung der sozialen Strukturen und des politischen Systems, Eric Hobsbawm politische industrielle „Doppelrevolution“ aus Französischer Revolution und beginnender Industrieller Revolution
  • Ständische Gesellschaft Alteuropas beruhte auf Vorstellung, dass Ungleichheit der Gesellschaftsmitglieder sozialen Frieden garantierte, soziale Dichotomien gottgewollt und aufeinander bezogen
  • nach der Fr. Rev. waren alle selbst für sich verantwortlich
  • Prinzip des freien Marktes, „unsichtbare Hand“ (Smith)
  • Marktprinzip als Übergang von der ständischen zur Klassengesellschaft
  • Fundamental neu: scharfe Trennung zwischen Arbeit/Armut und Bedürftigkeit und die öffentliche Handhabung derselben
  • Der Arbeitende, der mit seinem Lohn nicht auskommt, hat keinen Anspruch auf direkte öffentliche Unterstützung, denn er kann und muss sich nach besser bezahlter Arbeit umsehen, mehr oder anders arbeiten, sonst muss er im „workhouse“ arbeiten, mindere Anspruchsberechtigung (less eligibility)
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11
Q

Wissenschaftliches Verständnis von Stand

A

Unter Stand versteht man eine gesellschaftliche Großgruppe von Menschen, die durch Geburt oder Privileg Anspruch auf die von der Gruppe monopolisierten Lebenschancen besitzt. Hierzu zählen die Art des Lebensunterhalts (Arbeit/ Beruf, sonstige Einkünfte), der Grad von Teilhabe an (politischer) Herrschaft, die gemeinsamen Formen der Erziehung und Lebensführung und, hierauf gründend, ein spezifisches soziales Prestige (‚Ehre’). Stände sind gegeneinander abgeschlossen und stehen in einem hierarchischen Verhältnis zueinander; ständische Unterschiede sind durch Rechtsregeln oder Gewohnheiten begründet und zugleich durch verbindliche Weltdeutungen fixiert.

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12
Q

Stand im vormodernen Verständnis

A

Eine im philosophisch-theologischen Kontext entwickelte Deutungskategorie mit metaphysischen Zügen, die im Rahmen von Ständemodellen immer wieder neu beschrieben wurde und dazu diente, die realen Lebensverhältnisse der Menschen als Ausdruck göttlichen Willens oder einer übergeordneten natürlichen Ordnung zu interpretieren. Stände galten als gegeneinander abgeschlossen und standen in einem hierarchischen Verhältnis zueinander.

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13
Q

Ständemodelle

A
theoretische Modelle („soziale Deutungsmuster“), mit
deren Hilfe die schriftkundige Elite Alteuropas die gesellschaftliche Wirklichkeit beschreiben, legitimieren, erklären oder auch ganz neu entwerfen wollte; nur Annäherung an Realität; handlungsleitend; Modelle sind idealtypisch-postulierend, nicht empirisch-beschreibend
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14
Q

„Aristokratie“

A

war eine rein ökonomische, keine rechtlich fixierte Kategorie, d.h., wer Grundbesitz hatte, von der Verpflichtung zur körperlichen Arbeit frei war und rechtlich nicht an jemanden gebunden war, der gehörte zu den „Vornehmsten“, was  ριστοκρατία auf Deutsch heißt.

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15
Q

Otto Gerhard Oexle „Ordnung durch Ungleichheit“:

A

Ständische Gesellschaftsordnung beruhte auf der Überzeugung, dass soziale Ungleichheit als gottgewollt galt (aus Überzeugung) und Garant für sozialen Frieden darstellte; ungleich verteilte Zugangschancen zu Reichtum, Macht und Ansehen wurden akzeptiert, waren gesellschaftliche Strukturvorgaben göttlichen Ursprungs. Fundamentale Fremdheit Alteuropas durch Vorstellung, gesellschaftliche Ungleichheit als Gottgewolltes und daher Sinnvolles, gesellschaftliche Harmonie Garantierendes anzusehen

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16
Q

Bauern

A

schwieriger Begriff, keine feste Berufsbezeichnung; landarbeitende Menschen im Frühmittelalter (90% der Gesamtbevölkerung) lebten unter grundherrschaftlichen Bedingungen; starkes Bevölkerungswachstum im 11. Jh., dadurch hohe Siedlungsdichte; Landflucht in Städte; Dorf als Lebensmittelpunkt

17
Q

Stadt

A
  • 10./11. Jh.: wirtschaftliche Entwicklung Mitteleuropas mit zunehmendem Bevölkerungswachstum führte zu Verdichtung städtischer Siedlungen
  • Erlangung bestimmter Freiheiten, nicht DIE Freiheit, Handelszwänge, usw.
  • Gremien zur Einforderung von Freiheiten ab 13. Jh. als Räte
  • Stadtbürger weder sozial noch rechtlich gleichgestellt
  • Wichtiger Unterschied zwischen dem Wohnort „Stadt“ und dem Besitz von Stadtbürgerrechten
18
Q

König

A

„Deutsches Reich“ ist Wahlmonarchie (England Erbmonarchie); ab 13. Jh. Kurfürsten wählen König; Lehen, Reichsunmittelbarkeit;
Territoriumsakkumulation (Reichsfürsten), Territorialadel; König eher nomineller, denn tatsächlicher Herrscher, Integrationsfigur mit begrenzter Macht; Mitteis: „gesteigerter Adel“; „primus inter pares“; „Der Adel wählt
den König, aber der König macht den Adel.“

19
Q

Sakralkönigtum

A
  • 10./11. Jh.: Königtum „gesteigerter Adel“ (Heinrich Mitteis)
  • kein Herrschaftsapparat
  • Bibel liefert viele Belegstellen, um irdische Herrschaft als göttliche Einrichtung und Rang des Königs als Stellvertreter Gottes aufzufassen (Paulus, Römerbrief)
  • Gottesstaat („De civitate dei“) von Augustinus liefert die Begründung für die von Gott gewollte Bevorrechtung der Herrschenden: Knechtschaft der Bevölkerungsmehrheit sei eine Folge der von Adam und Eva begangenen Ursünde
  • Stellvertreter Christi, Vermittler zwischen Gott und Volk, königliche Macht von Christus aus gedacht, Kirche als Institution, Gesamtheit aller Gläubigen, Krieg als Verteidigung des Glaubens
  • König mit priesterähnlichem Rang, theologische Argumente, mittelalterliche Herrschaft war jenseitsbezogen, Sicherung der Gnade Gottes
  • Wahl des Königs: weltlicher Akt, Übertragung politisches Amt, Weihe: liturgischer Akt, Verwandlung des Wesens einer Person, Sakrament als Vereinigung von Gott und Mensch
20
Q

Ottonen

A
  • politisches Gebilde war lockeres Konglomerat größerer Herrschaftsgebiete ohne eigene Identität
  • Herzöge weitgehend unabhängig vom König
  • Heinrich I. wurde von einer Gruppe gleichrangiger Adliger gewählt, so setzte er auf das Regierungsprinzip „primus inter pares“, komplexes Netzwerk aus vielen Personen
  • Politisches Handeln nicht an schriftlich fixierte Normen ausrichten, sondern an rituell gefestigten Gewohnheiten (consuetudines), polyzentrisches Herrschaftsgebilde, universalchristlicher Herrschaftsanspruch, Wiederbelebung der christlichen Kaiseridee der Spätantike
  • Herrschaft vom Sattel, hochzeremonielle Form des Begegnungshandelns
  • Funktionsverschränkung von geistlicher und weltlicher Herrschaft, „Reichskirchensystem“, Liturgisierung
  • weltliche Herrschaft erblich, geistliche konnte frei vergeben werden
  • Heinrich II. schränkte Adel stark ein, autokratischer Herrschaftsstil, Entwicklung: Gefolgschaftskönigtum zu Individualkönigtum