A-Gutachten Flashcards
Aufbau: Wahlfeststellung vs. Postpendenz
- Wahlfeststellung erfordert zweiseitige Sachverhaltsungewissheit
= innerhalb der prozessualen Tat ist nach Erschöpfung aller Beweismöglichkeiten es nicht so eindeutig aufklärbar, dass ein bestimmter Tatbestand festgestellt werden kann, aber es ist sicher festzustellen, dass der Täter einen von mehreren möglichen Tatbeständen verwirklicht hat und andere als die wahlweise festgestellten Handlungen ausscheiden
-> klassisch: Diebstahl und Hehlerei
-> (-) bei Stufenverhältnis (Privilegierung/Qualifikation/Regelbeispiel/Versuch-Vollendung/Vorsatz-Fahrlässigkeit) -> Anklage wegen des dem Täter günstigeren Sachverhalts, der rechtliches Minus begründet - Postpendenz erfasst die einseitige Sachverhaltsungewissheit
= wenn von zwei Sachverhalten der zeitlich frühere nur möglicherweise, der zeitlich spätere aber sicher gegeben ist
-> Sicheres Bestehen des zweiten Sachverhalts schließt Wahlfeststellung aus
Beweiswürdigung: Beweismittel
- Einlassung des Beschuldigten
-> ggü einem Mitbeschuldigten: regelmäßig geringerer Beweiswert - Zeugen
-> nur eigene Wahrnehmungen, keine Schlüsse des Zeugen berücksichtigen - Sachverständige
-> Befundtatsachen: Ermittlung aufgrund von Sachkunde als Sachverständiger
-> Zusatztatsachen und Zufallstatsachen: Zeugeneigenschaft (bspw. Geständnis des Beschuldigten ggü Sachverständigen) - Urkunden
- Abgrenzung zum Augenscheinsbeweis
-> dient nur der Ermittlung des gedanklichen Inhalts eines Schriftstücks - Augenschein
Verfahrenshindernisse: Rechtskraft und Strafklageverbrauch: Persönliche Reichweite: P: Verfahren gegen Beschuldigten unter falschen Personalien
- keine materielle Rechtskraft in persönlicher Hinsicht
- BGH: Angabe falscher Personalien steht strafrechtlichen Urteil nicht entgegen (kein Verfahrenshindernis), wenn
-> gegen die richtige Person Anklage erhoben wurde und
-> diese tatsächlich vor Gericht stand
Verfahrenshindernisse: Rechtskraft und Strafklageverbrauch: Sachliche Reichweite
= wenn Vorverurteilung vorliegt, die den im vorliegenden Verfahren beschriebenen einheitlichen Lebenssachverhalt zum Gegenstand hat (Tatbegriff des § 264 StPO)
- Voraussetzung für Tatidentität ist nicht nur eine äußere zeitliche Verknüpfung, sondern zusätzlich eine Verknüpfung dergestalt, das der Unrechts- und Schuldgehalt der einen Handlung nicht ohne die Umstände, die zu der anderen Handlung geführt haben, gewürdigt werden kann
Verfahrenshindernisse: Strafantrag
- Absolutes Antragsdelikt: Strafantrag zwingende Verfolgungsvoraussetzung
-> bei Fehlen: Verfahrenshindernis (dennoch rechtswidrige Haupttat) - Relatives Antragsdelikt: Strafantrag durch besonderes öffentliches Interesse ersetzbar
-> Definitionshilfe (für § 223 StGB und übertragbar auf andere relative Antragsdelikte): Nr. 234 I S. 1 RiStBV - Wirksamkeit des Strafantrages nach §§ 77 ff. StGB iVm § 158 II StPO (schriftlich bei zuständiger Behörde)
-> nicht jede Strafanzeige ist auch ein Strafantrag!
Verfahrenshindernisse: Verjährung
- §§ 78 ff. StGB
- ggf. zu prüfen sind Unterbrechungen der Verjährung
-> BGH: Beschuldigtenvernehmung wirkt nur gegen den Beschuldigten, Beschlagnahme- und Durchsuchungsanordnungen wirken gegen alle Tatverdächtigen
Tat im prozessualen Sinn (§ 264 StPO)
- nach tatsächlichen Kriterien abzugrenzen
= den durch die Anklage dem Gericht unterbreiteten geschichtlichen Vorgang soweit er nach der Lebensauffassung eine Einheit bildet
Verfahrenshindernisse: Rechtskraft und Strafklageverbrauch: Sachliche Reichweite: andere Erledigungen des früheren Verfahrens außer Verurteilung
- Einstellung grds. kein Strafklageverbrauch
Verfahrenshindernisse: weitere
- § 19 StGB: Schuldunfähigkeit von Kindern
-> Verfahrenshindernis (nicht erst auf Schuldebene prüfen)
-> Bei Teilnahme an tatbestandsmäßigem und rechtswidrigem Handeln eines Kindes: Inzidentprüfung!
Verdachtsgrade
- Anfangsverdacht = aufgrund konkreter tatsächlicher Anhaltspunkte ist das Vorliegen einer verfolgbaren Straftat nach kriminalistischer Erfahrung möglich (geringe Wahrscheinlichkeit genügt)
- > erforderlich für Einleitung eines Ermittlungsverfahrens (§ 152 II StPO)
- hinreichender Tatverdacht = nach Abschluss der Ermittlungen erscheint die Verurteilung des Beschuldigten wahrscheinlich (dh wahrscheinlicher als ein Freispruch)
- > erforderlich für Anklageerhebung und für Eröffnung des Hauptverfahrens (§ 170 StPO)
- dringender Tatverdacht = nach aktuellem Ermittlungsstand besteht die hohe Wahrscheinlichkeit, dass der Beschuldigte eine Straftat schuldhaft begangen hat
- > erforderlich insb. für U-Haft
Beweisverfahren: Reichweite des § 252 StPO über ein bloßes Verlesungsverbot hinaus
- hL: § 252 als allgemeines Verwertungsverbot
pro: bereits § 250 S. 2 StPO sieht ein Verlesungsverbot vor - > somit sind auch die Einführung von Aussagen des Zeugnisverweigerungsberechtigten durch Vernehmung der Person, die ihn vernommen hat, untersagt
- Rspr.: Differenzierung
- > bei nichtrichterlichen Vernehmungen: allgemeines Verwertungsverbot
- > bei richterlichen Vernehmungen
pro: Gesetz bringt richterlichen Vernehmungspersonen größeres Vertrauen entgegen, §§ 251, 254 StPO
pro: für Zeugen hat Vernehmung durch Richter erkennbar höhere Bedeutung - -> somit Richter als Zeuge von Hörensagen zulässig, wenn:
1. Zeugnisverweigernder wurde als Zeuge (nicht als Beschuldigter) vernommen
2. Zeugnisverweigerungsrecht bestand schon zu diesem Zeitpunkt
3. Belehrung über Zeugnisverweigerungsrecht
4. Wirksamer Verzicht auf dieses Recht - Anschlussproblem: qualifizierte Belehrung dergestalt erforderlich, dass Richter als Zeuge über Vernehmung vernommen werden darf, auch wenn Zeuge später sich auf sein Zeugnisverweigerungsrecht beruft?
- > eA: Zeuge kann Tragweite seiner Aussage nicht richtig einschätzen
- > Großer Senat: nicht erforderlich
pro: Belehrungen über die Verwendungsmöglichkeiten von Zeugenaussagen sind systemfremd
pro: selbst Beschuldigter muss nicht entsprechend qualifiziert belehrt werden
-> öffentliches Interesse an Strafverfolgung überwiegt, wenn nach Belehrung bewusst Verzicht auf Auskunftverweigerung erklärt wird und dies in der verfahrensrechtlich herausgehobenen Form der richterlichen Vernehmung geschieht
Beweisverfahren: Reichweite des § 252 StPO über ein bloßes Verlesungsverbot hinaus: Aufhebung des allgemeinen Verwertungsverbots bei nichtrichterlicher Vernehmung durch Zustimmung des Zeugen
- eA: (-)
pro: Zeuge könnte über Unmittelbarkeitsgrundsatz disponieren
pro: Zeuge könnte sich konfrontativer Befragung durch Verteidiger entziehen - Rspr: (+), wenn wirksame Gestattung der Verwertung nach Zeuge ordnungsgemäß über die Konsequenzen seiner Tuns belehrt
- > Verwertungshindernis nach § 252 StPO beseitigt, aber nicht allgemeines Verlesungsverbot nach § 250 S. 2 StPO, sodass nur Vernehmender als Zeuge von Hörensagen vernommen werden kann
Beweisverfahren: Reichweite des § 252 StPO über ein bloßes Verlesungsverbot hinaus: Erstreckung auf Aussagen aus nichtförmlichen Vernehmungen
- auch bei vernehmungsähnlichen Situationen:
- > informatorische Befragungen durch Polizei
- > außergerichtliche Gespräche des Verteidigers mit Zeugen
- (-) aber bei Spontanäußerungen und bei Gesprächen mit V-Leuten
pro: Telos des § 252 soll sein, dem Zeugen den Konflikt zwischen Wahrheitspflicht in der Vernehmung und familiärer Bindung zu ersparen -> nicht einschlägig, wenn Zeuge freiwillig ggü nichtamtlich auftretender Person Aussagen tätigt - > Ausnahme, wenn V-Mann gerade der Umgehung des Zeugnisverweigerungsrechts dient (§ 252 analog)
Beweisverbote: Beweiserhebungsverbote: Arten
- Beweisthemenverbote: Verbot der Aufklärung bestimmter SV
- Beweismittelverbote: Untersagung bestimmter Beweismittel (bspw. Ersetzung des Personalbeweises durch Urkundenbeweis, § 250 S. 2)
- Beweismethodenverbote: v.a. nicht abschließender Katalog der verbotenen Vernehmungsmethoden, § 136a
Beweisverbote: Beweiserhebungsverbote: Arten: Beweismethodenverbote: Abgrenzung von Täuschung und (zulässiger) “kriminalistischer List”
- “Stimmenfalle”: Vergleich der Stimme des Verdächtigen wird ohne dessen Wissen ermöglicht
- > BGH: grds. zulässig, es sei denn, Verdächtiger hat zuvor Stimmvergleich explizit abgelehnt oder Verhör dient allein dem Zweck des Stimmvergleichs
Beweisverbote: Beweiserhebungsverbote: Arten: Beweismethodenverbote: Täuschungsbedingte Selbstbezichtigung außerhalb von Vernehmungen
- §§ 136, 136a: (-), da mangels amtlichem Auftreten der Personen (bspw. V-Leute) keine Vernehmung
- §§ 136, 136a analog: (-), da kein § 136a vergleichbarer Schweregrad der Beeinträchtigung der Willensentschließungs- und betätigungsfreiheit (hM - Person weiß, dass sie sich nicht zu äußern braucht)
- Verstoß gegen nemo-tenetur-Grundsatz?
1. Konstellation: Geständnis ggü V-Leuten - > eA: nemo-tenetur schütze nur die Freiheit von Zwang (frühere hM)
- > aA: umfassender Schutz der Freiheit, am Strafverfahren mitzuwirken
- > BGH: grds. kein Verstoß, außer wenn sich Verdächtiger schon zuvor auf sein Schweigerecht berufen hat und der V-Mann eine vernehmungsähnliche (bedrängende) Befragung durchführt
2. Konstellation: Mithören eines Gespräches durch amtliche Ermittlungsperson, dass nichtamtliche Person mit Verdächtigem führt - > BGH: Kriterien wie bei 1.: kein Verstoß, außer wenn sich Verdächtiger schon zuvor auf sein Schweigerecht berufen hat und der V-Mann eine vernehmungsähnliche (bedrängende) Befragung durchführt
- > zusätzlich BVerfG: nur rechtmäßig vor dem Hintergrund der Beeinträchtigung des APR des Verdächtigen aus Art. 2 I iVm Art. 1 I GG (Mithören), wenn zur Aufklärung besonders schwerer Straftaten
3. Konstellation: Abhören eines Gespräches einer nichtamtlichen Person mit Verdächtigem - > BGH: Kriterien aus 1.: kein vorheriges Berufen, kein vergleichbarer psychologischer Druck wie in einer Vernehmung
con: Staat dürfe sich seiner Belehrungspflicht nicht dadurch entziehen, dass er Privatpersonen vorschickt - Rechtsstaatliche Grenzen (APR, Rechtsstaatsprinzip, fair trial): jedenfalls kein Beweisverwertungsverbot bei Straftat von erheblicher Bedeutung und Erforschung des SV unter Einsatz anderer Ermittlungsmethoden erheblich weniger erfolgsversprechend
Beweisverbot: Beweisverwertungsverbot: Arten
- Selbständige Beweisverwertungsverbote: Verbot bei rechtmäßiger Beweiserhebung
- Unselbständige Beweisverwertungsverbote: Verbot bei unrechtmäßiger Beweiserhebung - Kriterien: Beweiserhebungsverbot führt zu Beweisverwertungsverbot, wenn
a. Rechtskreis (v.a. frühere BGH-Ansicht, jetzt eher zusätzliches Kriterium): die Vorschrift wesentlich dem Schutz des Rechtskreises des Betroffenen dient (vs. wenn sie nur untergeordnete Bedeutung hat)
b. Schutzzweck der Norm: sich entsprechend darstellt
c. Abwägung (heute vorrangige BGH-Methode): das Individualinteresse des Angeklagten auf Wahrung seiner Rechte schwerer wiegt als das Interesse an staatlicher Strafverfolgung
Beweisverbot: Beweisverwertungsverbot: P: Verwendbarkeit von Beweisen, die im Zuge präventiver Maßnahmen erlangt wurden
- § 161 III StPO: nur, wenn die entsprechende Vorschrift auch nach den Vorschriften der StPO hätte angeordnet werden dürfen
- P: “legendierte Kontrolle” (innerdeutsche Verkehrskontrolle (präventive Maßnahme) wird (anstatt repressiver Durchsuchung und Beschlagnahme an der Grenze) zur Erlangung von Beweismaterial durchgeführt)
- > eA: primär wird Polizei repressiv tätig -> allein StPO-Vorschriften einschlägig -> idR (mangels richterlicher Anordnung etc) rechtswidrig
- -> da rechtswidrige Maßnahme gezielt zur Umgehung der gesetzlichen StPO-Vorschriften durchgeführt wurde: Beweisverwertungsverbot
- > BGH: nicht nur repressiv, sondern auch präventiv (Aus-dem-Verkehr-Ziehen von Drogen durch Verkehrskontrolle) -> doppelfunktionale Maßnahme
- -> nach PolG rechtmäßig, als hypothetischer Ersatzeingriff nach § 161 III StPO zulässig
- –> kein Beweisverwertungsverbot