4/4 (BReg, BK, BPräs, BVerfG, Organstreit) Flashcards

1
Q

P: Was sind gegenzeichnungsbedürftige “Anordnungen und Verfügungen” des Bundespräsidenten iSv Art. 58 S. 1 GG?

A

Dogmatik: Telos der Gegenzeichnung von Anordnung und Verfügungen des BP durch den BK: einheitliche Regierungspolitik

I. Rechtsakttheorie: alle auf rechtliche Verbindlichkeit angelegten Akte des BP

pro: Wortlaut gegen extensive Auslegung
pro: Rechtsfolge der Gültigkeit passt nur zu rechtsverbindlichen Akten
pro: extensive Auslegung würde auf Totalüberwachung des BP hinauslaufen
pro: BP hat eigenständige, übertagespolitische Integrationsaufgabe (regierungsunabhängig)
pro: praktisch unmöglich für alle Amtshandlungen gegenzuzeichnen
pro: BT kann sich mit Äußerungen des BP befassen, auch wenn sie nicht solche iSd Art 58 S. 1 sind

II. Theorie des weiten Anordnungs- und Verfügungsbegriffs: alle präsidialen Amtshandlungen, auch Realakte, soweit sie im Zusammenhang mit dem Amt erfolgen und politische Wirkung entfalten

pro: umfassende Bindung an die Politik des BK als telos zur Vermeidung einer Doppelexekutive
pro: will durch Gegenzeichnungspflicht politische Verantwortung vom BP nehmen
pro: auch durch nicht-rechtsförmige/verbindliche Akte kann der BP politisch wirken, was als eigenständige Politik durch Art. 58 verhindert werden soll
pro: erst durch Verantwortungsübernahme durch BRegMitglieder wird die Möglichkeit eröffnet, dass sich der BT mit den Handlungen und Äußerungen des BP umfassend befasst

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2
Q

P: Steht dem BP ein materielles Prüfungsrecht vor der Gesetzesausfertigung zu?

A

Dogmatik: unstr. sind formelles Prüfungsrecht (Wortlaut Art 82 I 1 “nach den Vorschriften dieses GG zustande gekommen”; Systematik: Art 82 im VII Abschnitt und chronologisch als abschließender Regelungsgehalt des Gesetzgebungsverfahrens); kein politisches PrüfungsR (unzulässiger Eingriff in Staatsleitung durch Parlament und BReg)

I. Theorie des umfassenden Prüfungsrechts

pro: Art 82 I schränkt das Prüfungsrecht nicht ein; es umfasst auch die materiellen Normen des GG
pro: Art 82 I knüpft an Art 70 WRV an, der ReichsP ein umfassendes PrüfungsR zugestand (jedoch historisch war die verfassungsgerichtliche Kontrolle hier de facto noch nicht vorhanden)
pro: Amtseid des BP: Art 56 S. 1: “GG wahren und verteidigen” (-> deutet auf umfassendes PrüfungsR hin)
pro: BP gehört bei Ausfertigung funktionell zur Legislative und ist als solche wie als Staatsgewalt umfassend an die verfassungsmäßige Ordnung gem. Art 20 III und an die GR gebunden gem. Art 1 III
pro: verfassungsgewohnheitsrechtlich gefestigt (con: Problem, ob es überhaupt Verfassungsgewohnheitsrechts gibt)
pro: Dass es das BVerfG gibt, macht materiellrechtliche Prüfung des BP nicht entbehrlich: BVerfG muss angerufen werden; zudem Verfahren langwierig, bis durch BVerfG Verfassungsmäßigkeit festgestellt wäre; schließlich würde auch die Letztentscheiderungskompetenz des BVerfG angetastet (wohl aber, wenn das Gesetz gar nicht wirksam werden würde, dann könnte das BVerfG nämlich nicht die Verfassungsmäßigkeit feststellen, da BP und BVerfG nicht parallel tätig sein können)
pro: Auflösung der Grenze von formellem und materiellem Prüfungsrecht: da jedes materiell verfassungswidrige Gesetz ein die Verfassung änderndes Gesetz sei, verstößt es aber gegen Art 79 I 1 (“Wortlaut des GG ausdrücklich ändert oder ergänzt”), was formelle Verfassungswidrigkeit bedeutet -> nicht sinnvoll zu trennen
pro: es kann doch wohl nicht sein … dass ein Verfassungsorgan eine Maßnahme oder Entscheidung trifft, ohne vollumfänglich die Verfassungsmäßigkeit zu prüfen (was ist das für 1 Argument vong Empörung her!!1!!)

II. Theorie des formellen Prüfungsrechts

pro: Umfangreiches Prüfungsrechts des ReichsP folgte nicht aus Art 70, sondern aus seiner insgesamt starken Stellung (außerdem: BP-Stellung in bewusstem Gegensatz zu der des RP entwickelt)
pro: Wortlaut des Amtseides nimmt Bezug auf BP zustehende Rechte und Pflichten, sagt aber nichts Materielles über sie aus (ansonsten Zirkelschluss, da es ja gerade darum geht, ob mPR Recht des BP ist)
pro: Wortlaut des 82 I uneindeutig; ein derart starker Eingriff in das Verfahren hätte jedoch explizit geregelt werden müssen und ist als non liquet somit zu verneinen
pro: kein Bedürfnis, da BVerfG lückenlose Überprüfungsmöglichkeit
pro: Art 79 I 1 geht an der Praxis vorbei, da eben keine Verfassungsänderung intendiert ist, sondern eine Gesetzesentwicklung in verfassungskonformer Weise
pro: Wieder “Es kann doch nicht sein, das ein Mann sich gegen den demokratisch legitimierten BT und den föderativ begründeten BR stellt”

III. Theorie der Evidenzkontrolle: nur bei evidenten (materiellen) Verfassungsverletzungen

pro: Gewaltenteilungsprinzip spricht dafür, dass bei Widerspruch der Einschätzungen von BP und BT (als demleg Gesetzgeber) der Einschätzung der Legislative gefolgt werden sollte (Verantwortlich für Inhalt) - BP hat außer bei evidenten Verletzungen also sich der Einschätzungsprärogative hinsichtlich der materiellen Auffassung des BT/BR Folge zu unterwerfen
pro: Hätte sonst identischen Auftrag (in dieser Hinsicht) wie BVerfG und könnte bei falschen Einschätzungen Schaden nehmen
pro: BP zuzumuten, auf die Einschätzung des BVerfG hinsichtlich der materiellen Verfassungsrechtslage zu warten

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3
Q

BVerfG: Identitätskontrolle

A

a) Anwendungsbereich
- wenn eine Hoheitsrechtsübertragung vorliegt: zumindest der Fall, wenn internationalen Stellen ermöglicht wird, für die Bürger in Deutschland unmittelbar Rechte und Pflichten zu schaffen, ohne dass es einer Umsetzung in innerstaatliches Recht bedürfte (Durchgriff) (weiter Begriff: erhebliche faktische Wirkungen der Tätigkeit internationaler Organisationen)
- auch sonstige völkerrechtliche Verträge? Verhinderung einer schleichenden Aufgabe der Grundprinzipien der Verfassung (Abstellen auf materielle Wirkungen)

b) Integrationsschranken aus dem Demokratieprinzip
- insbes. hinreichende demokratische Rückbindung an den Volkswillen (Legitimationsniveau/ -kette)
- Problematisch wäre im Hinblick auf das Demokratieprinzip allerdings, wenn durch völker-rechtlichen Vertrag geschaffene Institutionen ihre Kompetenzen selbst ausweiten könnten. Internationale Integration ist daher nach dem BVerfG nur zulässig, solange sie auf die hinrei-chend bestimmte Übertragung einzelner Kompetenzen (Prinzip der begrenzten Einzeler-mächtigung) unter Wahrung der nationalen Kompetenz-Kompetenz beschränkt bleibt. Damit läuft die Argumentation des BVerfG auf eine Bewahrung der souveränen Staatlichkeit der Bundesrepublik hinaus. Die Integration in einen europäischen Bundesstaat wird daher als Schritt bezeichnet, den nur das Volk als pouvoir constituant gehen könne, nicht die pouvoirs constitués. Von einer Aufgabe der Staatlichkeit kann freilich nicht nur beim Verlust der Kompetenz-Kompetenz gesprochen werden, sondern bereits, wenn keine hinreichenden Ge-staltungsmöglichkeiten auf nationaler Ebene mehr bestehen
- weitere Schranken: GR (Solange-Rspr.)

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4
Q

Kriterien: Wahrung der Art. 79 Abs. 3, 20 Abs. 1 und 2 GG bei Hoheitsrechtsübertragung

A

a) Wahrung der Kompetenz-Kompetenz

b) Hinreichende legislative Gestaltungsmöglichkeiten auf nationaler Ebene

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5
Q

Begnadigungsrecht des Bundespräsidenten, Art. 60 II

A

Befugnis, im Einzelfall eine rechtskräftig erkannte Strafe ganz oder teilweise zu erlassen, sie umzuwandeln oder auszusetzen (BVerfG)
- „Im Einzelfall“: keine abstrakt-generelle Regelungen, wie Generalamnestien oder Verfahrensniederschlagung
- Problem: Gnade vor Recht?
• hM: nach freiem Ermessen des BP, aber Grenze des Willkürverbots (zudem: Gegenzeichnung für Akte des BP aus Art. 58 beachten)
- „für den Bund“: Bundesgericht erstinstanzlich oder nach Art. 96 IV auch Landesgericht für Bundesgerichtsbarkeit

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6
Q

Bundesregierung: Verfassungsrechtliche und politische Stellung

A
  • Zusammen mit Bundestag: Teilhabe an politischer Staatsleitung
  • Vergleichbares Spannungsverhältnis zwischen Gemeinwohlbelangsverpflichtung und Parteizugehörigkeit (wie bei Bundestagsmitgliedern)
  • Kollegialorgan aus Bundeskanzler und Bundesminister
  • > idR “die Bundesregierung” im GG als Kollegialorgan gemeint
  • Bundeskanzler hat Organisationsgewalt insb. hinsichtlich des materiellen Kabinettsbildungsrechts (keine gesetzliche Grundlage)
  • > Schranken nur durch Verfassungsrecht (bspw. zwingende Ministerien (wie Finanzministerium) oder Gewaltenteilungsprinzip, etwa hinsichtlich der Zusammenlegung von Innen- und Justizministerium)
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7
Q

Bundesregierung: Stellung der Bundesminister

A
  • Abhängig allein vom Vertrauen des Bundeskanzlers, Art. 64 I
  • > Bundespräsident prüft bei Ernennung nur die rechtliche Voraussetzungen (str., ob wegen Amtseid Ablehnung aus Gründen des Staatswohls bei schweren Zweifeln an Verfassungstreue des Ministers, eher theoretische Frage)
  • Bundestag kann durch einfachen Beschluss dem Bundesministern das Misstrauen aussprechen, hat jedoch keine rechtlichen Folgen (anders Art. 54 WRV)
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8
Q

Bundesregierung: Koalitionsvertrag

A

= gemeinsames Regierungsprogramm

  • Rechtliche Bindung
  • > hM: nicht bindende politische Absprache
    pro: typischer Inhalt entzieht sich der Verfügungsbefugnis der Parteien (bspw. Gesetzespläne)
  • Möglichkeit der Bestimmung des Inhalts über Mitgliederbefragung einer Partei?
    pro: keine Verbotsvorschrift im GG oder PartG; Beitrag zur Stärkung innerparteilicher Demokratie; Ergebnis wegen 38 I 2 auch nicht verbindlich (Abgeordnete nicht an Weisungen und Aufträge gebunden); rein parteiinterne Angelegenheit (Freiheit der Partei, Art. 21 GG)
    con: aber als Auftrag an Abg. intendiert; faktisch bindend; Entwertung der Entscheidung; keine Legitimation auf staatlicher Ebene; Entparlamentarisierung der politischen Willensbildung; faktische Schwächung des freien Mandats
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9
Q

Bundesregierung: P: Unter welchen Voraussetzungen ist der BK nach Art 68 I 1 berechtigt, eine Vertrauensfrage mit dem Ziel zu stellen, eine Auflösung des BT zu erreichen?

A

I. Theorie des umfassenden Rechts zur Vertrauensfrage: sowohl echte (auf Ausspruch gerichtet: Zweifel sollen zerstreut werden) als auch unechte (auf Auflösung gerichtet) Vertrauensfrage

pro: Wortlaut knüpft an keine zusätzlichen Voraussetzungen, insbesondere Motive
pro: wenn Recht zur unechten Vertrauensfrage verweigert wird, dann bleibt im Vorfeld nur Motivforschung
pro: selbst bei Bejahung der Motivforschung ist fraglich, was ein “missbräuchliches” Motiv sei
pro: Telos von 68: Appell an Schaffung einer klaren Mehrheitslage für oder gegen des BK - nicht ersichtlich, warum dies an zusätzliche Voraussetzungen geknüpft sein soll
pro: gegen Theorie der materiellen Auflösungslage: BK müsste sich auf einen Kurs festlegen (lassen), denn er aufgrund seiner RLK stets ändern kann

II. Theorie des Verbots der unechten Vertrauensfrage
pro: Wortlaut: Antrag des BK, ihm as Vertrauen auszusprechen -> somit nur Vertrauen suchen und finden zulässig

III. Theorie des Minderheitenkanzlers: lediglich ein MinderheitenK, bei dem also erkennbar ist, dass er keine politische Mehrheit mehr im BT besitzt, ist berechtigt, eine unechte Vertrauensfrage zu stellen

pro: Mehrheit des BT und BK könnten per Absprache zur Selbstauflösung des BT führen
pro: MehrheitsK könnte so für seine Partei günstigen Neuwahltermin herbeiführen
pro: Gefährdung der Handlungsfähigkeit der Regierung, wenn MehrheitsK ohne Not Neuwahlen herbeiführen will
pro: BP soll in GG rel zu WRV schwächeren Stellung mit explizit normierten Befugnissen (63 IV, 68, 81) haben - Anwendungsbereich des Art 68 auch auf unechte Vertrauensfrage des Mehrheitskanzlers würde erheblich erweitert und dem BP eine Schiedsrichterfunktion zugemessen, die ihm nicht zukommen sollte
pro: unechte Vertrauensfrage durch MehrheitsK liefe Systematik/Telos mit Art 67 entgegen: der Zielsetzung des Art. 67 von klaren Regierungsverhältnissen steht es entgegen, wenn ein Mehrheitskanzler “abdankt” und nicht ebenso stabile Verhältnisse hinterlässt wie durch das bevorzugenswerte, da klarer auf Stabilität und Kontinuität gerichtet Misstrauensvotum

IV. Theorie der materiellen Auflösungslage: wenn es an einer stetigen parlamentarischen Unterstützung des BK fehlt (BK steht Einschätzungsprärogative zu)

pro: Telos ist Gewährleistung der Stabilität der Regierung, Historisch wurde Art 54 WRV (destabilisierendes Parlamentsauflösungsrecht) durch ein reines Krisenregulativ ersetzt
pro: Art 68 zielt auf Wiederherstellung der Entscheidungsfähigkeit des BT; die Ermangelung derselben kann aber nicht an einfachen Abstimmungsniederlagen festgemacht werden (diverse andere Gründe denkbar; con Theorie des Minderheitenkanzlers)
pro: con Theorie des Verbots der negativen Vertrauensfrage: Wortlaut (“findet Antrag nicht Zustimmung”) setzt Zweck nicht allein in Aussprache des Vertrauens
pro: Einschätzungsprärogative ergibt sich aus politischer Leitmöglichkeit des BK
con: bei weitem Einschätzungsspielraum des BK zur materiellen Auflösungslage besteht die Gefahr eines faktischen Selbstauflösungsrecht des BT
- > Demokratie des GG ist keine Referendumsdemokratie, ein Kanzler mit Mehrheit sollte sich nicht eine noch größere Mehrheit durch taktische Neuwahlen verschaffen können dürfen

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10
Q

Bundesregierung: Interne Organisation

A
  1. Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers, Art. 65 S. 1
    = Bestimmung der grundlegenden politischen Leitentscheidungen, typischerweise als Rahmenentscheidung zur Ausfüllung innerhalb der Ressortverantwortung der Bundesminister, aber auch konkrete politische Einzelentscheidungen
    -> Bindung der einzelnen Bundesminister, jedoch nicht der Ressortbeamten (auch kein Weisungsrecht des Bundeskanzlers ggü Beamten)
    -> str. Vetorecht des Kanzlers gegen Gesetzesvorlage, die mit Mehrheit des Bundeskabinetts beschlossen wurde
    -> nur innerhalb der Regierung (nicht gegenüber anderen Verfassungsorganen)
  2. Ressortprinzip, Art. 65 S. 2
    = Umfang begrenzt durch Richtlinienkompetenz des Kanzlers
    -> Sonderrechte möglich
  3. Kollegialprinzip, Art. 65 S. 3, 4 mit Verweis auf GOBReg
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11
Q

Bundesregierung: Interne Organisation: Hierarchie der Prinzipien in Art. 65 GG

A
  1. Genereller Vorrang der Entscheidungen des Bundeskanzlers
  2. Vorrang der Sonderrechte vor Kollegialentscheidungen und anderen Ministerentscheidungen
  3. Vorrang von Kollegialentscheidungen vor einzelnen Ministerentscheidungen
    - Rechtsnatur: Prinzipien dienen der internen Koordination der Bundesregierung und Entscheidungen hieraus stellen keinerlei Rechtsakte dar (!)
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12
Q

Bundesregierung: P: Ist ein einzelner Bundesminister berechtigt, allgemeine Verwaltungsvorschriften gem. Art 84 II, 85 II 1 GG zu erlassen?

A

Dogmatik: Bundesregierung im Sinne dieser Artikel als Kollegium gemeint?

I. Ermächtigungstheorie: einzelner BM kann aVV erlassen, wenn er durch Bundesgesetz mit Zustimmung des BRates dazu ermächtigt ist

pro: Art. treffen Schutz zur Eigenständigkeit der Länderverwaltung; insofern aber erfüllen sie ihre Funktion und zielen auf kein Verbot ab, einzelne BM durch Gesetz zu ermächtigen
pro: BRat kann sich einfacher einzelnem BM widersetzen als einem Kabinettsbeschluss: so wird der föderative Schutzzweck sogar “leichter” erfüllt
pro: Exekutive als Kollegium der BReg hätte mehr Vertrauen als Legislative, die ja Gesetz über Einzelermächtigung an BM beschlossen hat
pro: Art 80 I ermöglicht die Ermächtigung einzelner BM zum Erlass von RVOen - Übertragung auf aVV
pro: Art 86 S. 1: Ermächtigung der BReg zu aVV bei der bundeseigenen Verwaltung meint wohl nicht Kollegium, da dies dem Ressortprinzip der einzelnen BM zuwiderlaufen würde (Art 65 S. 2) -> Übertragung auf Art 84, 85

II. Theorie des Verbots der Ermächtigung (BVerfG)

pro: Art. 30 / 83: Grundsatz der Länderzuständigkeit, daher alle anderen Normen strikt auszulegen (im Zweifel ist daher gem. Art 62 das Kollegium gemeint)
pro: Einfachgesetzliche Regelung nicht ausreichend, wenn ansonsten zur Abweichung von den Grundsätzen in Art 30/83 Regelungen von Verfassungsrang nötig wären (Normenhierarchie)
pro: Blankettermächtigung des Bundesrates, da die Länder nach Zustimmung zur Ermächtigungsgrundlage überhaupt keine weiteren Einflussmöglichkeiten mehr besäßen
pro: e contrario: Sonderermächtigung (bspw. an Bundesoberbehörden, Art. 87 b II 2, 120 a I) ist explizit normiert; wo nicht festgelegt, somit strikt auszulegen
pro: aus RVO-Erlassmöglichkeit ergibt sich kein Schluss auf Art 84 II, 85 II, da sich RVO und aVV grundsätzlich in ihrer Vorzeichnung im Gesetz unterscheiden (RVO: nach Inhalt, Zweck und Ausmaß; aVV: beliebig aktualisierbar)

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13
Q

Bundesregierung: Interne Organisation: Beschlussverfahren

A
  • nicht ausdrücklich geregelt, GOBReg nicht verbindlich
  • Verfahren muss so ausgestaltet sein, dass Beschlüsse der Bundesregierung tatsächlich als Kollegialorgan zuzurechnen sind
  • > Hinreichende Information der Regierungsmitglieder
  • > Hinreichend große Anzahl der Mitwirkenden (Quorum), vgl. § 24 I GOBReg
  • > Mehrheit von Stimmen für Beschlussfassung
  • Umlaufverfahren, § 20 II GOBReg
  • > hinreichende Beteiligung muss gewährleistet sein (Quorum) - nicht nur nach § 24 I GOBReg, sondern auch verfassungsrechtlich geboten (Zurechnung zum Kollegialorgan nur bei Quorum - Zustimmung durch Schweigen als Staatspraxis: Staatspraxis ist Gegenstand, nicht Maßstab der verfassungsrechtlichen Prüfung)
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14
Q

Bundesregierung: Kompetenzen: Verwaltungsspitze

A
  • Im Verhältnis zu den Ländern: Aufsichts- und Weisungsbefugnisse im Rahmen der Art. 83 ff.
  • Im Verhältnis zur Bundesverwaltung: Organisationsgewalt, auch in Form von Verwaltungsvorschriften, vgl. Art. 86 GG
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15
Q

Bundesregierung: Kompetenzen: Informationsaufgabe

A
  • aus Aufgabe der Bundesregierung zur Staatsleitung, Art. 65 S. 1, 2 GG
  • konkrete Äußerungsbefugnisse in Form von Hinweisen, Empfehlungen und Warnungen
  • auch Öffentlichkeitsarbeit, auch aus dem Öffentlichkeitsgrundsatz des Demokratieprinzips, Art. 20 I, II GG = Darlegung und Erläuterung der Politik, Maßnahmen und Vorhaben sowie zukünftige Probleme der Bundesregierung
  • > Zurückhaltung bei (heißer) Wahlkampfphase
  • > Verpflichtung zu politischer Neutralität - Spannungsverhältnis zwischen Regierungsmitgliedschaft und Parteimitgliedschaft (Kontext der Äußerung, Ressourcennutzung, Inanspruchnahme regierungsamtlicher Autorität entscheidend zur Abgrenzung)
  • -> Verstoß gegen Recht auf Chancengleichheit (Art. 21 I iVm Art. 3 I iVm Art. 38 I S. 1 Var. 4) andere Parteien möglich
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16
Q

Bundesregierung: Kompetenzen: Informationsaufgabe: P: Gilt für die Informations- und Warntätigkeit der Regierung, mit denen GREingriffe verbunden sind, der Gesetzesvorbehalt?

A

Dogmatik: Liegt überhaupt ein GR-Eingriff vor, der dann dem GVB-basierten verfassungsrechtlichen Rechtfertigungserfordernis unterliegt

I. Theorie der Informations- und Warnbefugnis: verfassungsunmittelbare Warnbefugnis der BReg ohne einfach-ges. Ermächtigungsgrundlage (BVerfG)

pro: nicht explizit normierte, aber sich aus der Gesamtschau der Art 62 ff. ergebende Aufgabe der BReg, staatsleitend tätig zu werden und die Öffentlichkeit über aktuelle politische Fragen zu informieren: das Tätigsein beschränkt sich nicht auf Art 83 oÄ
pro: auch dann befugt, wenn mittelbare GRBeeinträchtigung - typische GBV-Lage (Rechtsklarheit und sicherheit) bei mittelbarer GRB nicht gegeben - gesetzliche Ermächtigungsgrundlage zu Informationshandeln müsste so allgemein sein, dass sie keine zusätzliche Information für Bürger hätte, was Rechtsklarheit etc anbelangt

II. Theorie des umfassenden Erfordernisses des Gesetzesvorbehalt

pro: BReg als Teil der vollziehenden Gewalt an GVB gebunden, wie jeder andere Teil der Exekutive auch: Verbot des Schlusses von der Aufgabe (Art. 62 ff.) auf die Befugnis im Verwaltungsrecht (besonders Polizei- und Ordnungsrecht)
pro: Unnormierbarkeit einer Befugnisnorm als Argument verfängt nicht: auch im PolizeiR existieren solche umfassenden Generalklauseln, die zumindest ein Mindestmaß an Rechtssicherheit bieten
pro: Öffentlichkeitsarbeit ist mit Warnung der Öffentlichkeit nicht gleichzusetzen (Warnung sind staatliche Aktionen, Öffentlichkeitsarbeit ist Information über staatliche Aktionen)
pro: auch eine eventuelle Schutzpflicht gibt keine ausreichende Ermächtigung, sondern könnte nur als Rechtfertigung bei dem Erlass eines entsprechenden Gesetzes angeführt werden
pro: GGText ist abstrakt gefasst und kann die vom GVB bezweckte Bestimmung und Berechenbarkeit staatlichen Handelns aufgrund Gesetzes bzw. eng umgrenzten EingriffsTB nicht ersetzen, schon gar nicht, wenn diese aus einer systematischen Gesamtschau der Art. folgen, die die BReg betreffen
pro: Ausnahme der außergewöhnlichen Not- und Gefahrenlage dennoch möglich