3/4 (BT, BR, Parteien, Bundeswehr, Verfassungsänderung, Schutz der Verfassung) Flashcards
P: Ist ein einzelner Bundesminister berechtigt, allgemeine Verwaltungsvorschriften gem. Art 84 II, 85 II 1 GG zu erlassen?
Dogmatik: Bundesregierung im Sinne dieser Artikel als Kollegium gemeint?
I. Ermächtigungstheorie: einzelner BM kann aVV erlassen, wenn er durch Bundesgesetz mit Zustimmung des BRates dazu ermächtigt ist
pro: Art. treffen Schutz zur Eigenständigkeit der Länderverwaltung; insofern aber erfüllen sie ihre Funktion und zielen auf kein Verbot ab, einzelne BM durch Gesetz zu ermächtigen
pro: BRat kann sich einfacher einzelnem BM widersetzen als einem Kabinettsbeschluss: so wird der föderative Schutzzweck sogar “leichter” erfüllt
pro: Exekutive als Kollegium der BReg hätte mehr Vertrauen als Legislative, die ja Gesetz über Einzelermächtigung an BM beschlossen hat
pro: Art 80 I ermöglicht die Ermächtigung einzelner BM zum Erlass von RVOen - Übertragung auf aVV
pro: Art 86 S. 1: Ermächtigung der BReg zu aVV bei der bundeseigenen Verwaltung meint wohl nicht Kollegium, da dies dem Ressortprinzip der einzelnen BM zuwiderlaufen würde (Art 65 S. 2) -> Übertragung auf Art 84, 85
II. Theorie des Verbots der Ermächtigung
pro: Art. 30 / 83: Grundsatz der Länderzuständigkeit, daher alle anderen Normen strikt auszulegen (im Zweifel ist daher gem. Art 62 das Kollegium gemeint)
pro: Einfachgesetzliche Regelung nicht ausreichend, wenn ansonsten zur Abweichung von den Grundsätzen in Art 30/83 Regelungen von Verfassungsrang nötig wären (Normenhierarchie)
pro: Blankettermächtigung des Bundesrates, da die Länder nach Zustimmung zur Ermächtigungsgrundlage überhaupt keine weiteren Einflussmöglichkeiten mehr besäßen
pro: e contrario: Sonderermächtigung (bspw. an Bundesoberbehörden, Art. 87 b II 2, 120 a I) ist explizit normiert; wo nicht festgelegt, somit strikt auszulegen
pro: aus RVO-Erlassmöglichkeit ergibt sich kein Schluss auf Art 84 II, 85 II, da sich RVO und aVV grundsätzlich in ihrer Vorzeichnung im Gesetz unterscheiden (RVO: nach Inhalt, Zweck und Ausmaß; aVV: beliebig aktualisierbar)
Parteien: Begriff und Bedeutung
= Personenvereinigungen, deren Zweck es ist, im Sinne bestimmter politischer Ziele an der Vertretung des Volkes in den Parlamenten von Bund und Ländern mitzuwirken
- > Selbständig zu bestimmen aus der Stellung und Verankerung in Art. 21 GG
- > Wesentliche Begriffselemente in § 2 PartG
- Bedeutung:
- > Mitwirkung an der politischen Willensbildung des Volkes, Art. 21 GG
- > Verknüpfung des Volkswillens und der staatlichen Organe
- > Besondere Mittlerposition (Schnittpunkt) zwischen Staat und Gesellschaft
- > Status: verfassungsrechtliche Institution, aber keine staatliche Institution, nur in besonderer Nähe zum Staat (stRspr)
- -> Staatsnähe je nach Sachzusammenhang zu bestimmen: bspw. spezifische Nähe zum Staat als Staatszugehörigkeit bei der Frage nach Rundfunkfreiheit (kommt Parteien nicht zu, BVerfG)
Parteien: Verfassungsmäßige Rechte
- Freiheit, Art. 21 I S. 2: Gründung und Betätigung
- > insbesondere Staatsfreiheit: Freiheit vor staatlichen Eingriffen (bspw. V-Mann-Einsatz)
- > Grundrechtsfähig nach Art. 19 III (bspw. Art. 14; Art. 5 I S. 2)
- > Anspruchsbegründende Freiheitsdimension möglich (bspw. Ermessenreduzierung auf Null für Sondernutzungserlaubnis bei Straßenwahlkampf aus Art. 21 I) - Gleichheit, Art. 21 I iVm Art. 3 I: Chancengleichheit (ggü. anderen Parteien) = Recht der Parteien, gleichberechtigt am Prozess der politischen Willensbildung teilzunehmen
- > im Kontext von Wahlen: speziellere passive Wahlrechtsgleichheit aus Art. 38 I S. 1 iVm Art. 21 I S. 1 iVm Art. 3 I
- > Differenzierung aus sachlichen Gründen möglich (bspw. Bedeutung der Parteien anhand früherer Wahlergebnisse)
Parteien: Parteienprivileg und Verfassungsfeindlichkeit
- Freiheitlich-demokratische Grundordnung BVerfG:
1. Anerkennung der Menschenrechte des GG
2. Grundprinzipien der Staatsorganisation (Volkssouveränität, Verantwortlichkeit der Regierung, Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, Unabhängigkeit der Gerichte)
3. Grundprinzipien der politischen Willensbildung (Mehrparteiensystem, Chancengleichheit der Parteien, Recht auf Opposition) - Art. 21 II: “darauf ausgehen” = “aktiv kämpferisches, aggressives Vorgehen gegen FDGO” (BVerfG), das der Partei zuzurechnen ist -> Gesinnung nicht ausreichend, Handlungen erforderlich
- Parteienprivileg = Solange das BVerfG eine Partei nicht verboten hat, darf diese sich frei betätigen und nicht als verfassungswidrig in ihrer Betätigung eingeschränkt werden
- > bspw. idR kein Verstoß gegen öffentliche Ordnung, auch wenn Programm Nähe zu totalitären Ideologien aufweist (Umgehung des Parteienprivilegs)
Parteien: Demokratische Binnenstruktur
- verankert in Art. 21 I S. 3
- Parteiinterne Wahlen müssen den Grundsätzen des Art. 38 I entsprechen (gleichzeitig jedoch Freiheit, eigenes Programm zu verfolgen, bspw. Frauenquoten)
- Parteiausschluss
- > Abwägung (praktische Konkordanz) zwischen Grundrechten der Mitglieder und Recht der Partei
- > bestimmte Verfahrensanforderungen (parteiinterne Schiedsgerichte), staatlicherseits: Willkürkontrolle
- Parteiaufnahme
- > Grds. im Ermessen der Partei
Parteien: Prozessuale Stellung
- Innerhalb der Partei: Zivilrechtsweg
- Partei gegenüber dem Staat - Doppelstellung
- > Verwaltungsrechtsweg, soweit Partei wie ein Bürger (Grundrechte unabhängig von Stellung als Partei) dem Staat gegenübersteht (als gesellschaftliche Organisation grundrechtsfähig), bspw. Verbot der Benutzung einer öffentlichen Einrichtung => Verfassungsbeschwerde
- > Organstreitverfahren, soweit als Institution des Verfassungslebens betroffen (“andere Beteiligte” iSd Art. 93 I Nr. 1), bspw. Ausgestaltung des Wahlrechts, passive Wahlrechtsgleichheit
Bundestag: Rechtsnatur der GOBT
- hM: autonome Satzung (im Rang unterhalb formellen Bundesrechts)
- > Geschäftsordnungsautonomie des BT, beschränkt durch die Gleichberechtigung der Abgeordneten, Art. 38 I S. 2
- -> maßgeblich auch Minderheitenschutz
- Abweichung insbesondere durch Gesetz möglich, jedoch ist auch dieses am verfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgebot der Abgeordneten zu messen (Minderheitenbeteiligungsrechte dürfen grds. nicht ersatzlos aufgehoben werden)
Bundestag: Zusammensetzung von Ausschüssen (und anderen Gremien)
- Grundsatz der Spiegelbildlichkeit = Widerspiegelung des Stärkeverhältnisses der Fraktionen (“verkleinertes Abbild des Plenums”)
- > abgeleitet aus dem Recht der Fraktionen auf gleichberechtigte Teilhabe am parlementarischen Verfahren (aus der Gleichberechtigung der Abgeordneten, Art. 38 I S. 2)
Bundestag: Abgeordnete: Rechte des Abgeordneten im Überblick
- abgeleitet aus dem Recht auf ein freies Mandat, Art. 38 I S. 2: Recht auf Bestand und freie Ausübung
1. Bestand = Schutz vor Beendigung des Mandats
- Ausübung
a. Gleichberechtigte Teilhabe an parlamentarischer Arbeit, Art. 38 I S. 2 (Stimmrecht, Initiativrecht, Rederecht, Recht auf Fraktionszusammenschluss)
b. Recht auf Information und Fragerecht
c. Recht auf Ausschusszugehörigkeit (str.) - Spezielle Statusrechte
a. Indemnität, Art. 46 I
b. Immunität, Art. 46 II
c. Zeugnisverweigerungsrecht und Beschlagnahmeverbot, Art. 47
d. Anspruch auf Abgeordnetenentschädigung und allgemeines Behinderungsverbot, Art. 48
Bundestag: Abgeordnete: Bestand des Mandats: P: Verfassungsmäßigkeit der Beeinträchtigung durch Auflösung des Bundestages
- eA: Statusrechte aus Art 38 I 2, für vier Jahre gewählt, Art 39 I 1
- aA: Statusrechte sichern nur die Modalitäten der Mandatsausgestaltung, nicht die Beibehaltung desselben
pro: Art. 39 I 4 sieht Neuwahlen innerhalb von 60 Tagen vor -> Art 39 I will somit Legislaturperioden von mehr als vier Jahren verhindern (aus Demokratieprinzip Art 20 I: “Herrschaft auf Zeit”), nicht jedoch mindestens vier Jahre Legislaturperiode sicherstellen
con: Abgeordnete wären schutzlos: - > Statusrechte sollen den einzelnen Abgeordneten gerade einen gewissen Schutz vor der Parlamentsmehrheit und den anderen Staatsorganen gewährleisten. Könnte diese nach Belieben den Bundestag auflösen, wären die Rechte der Abgeordneten, die die Ausübung des Status betreffen, erheblich geschwächt
Bundestag: Abgeordnete: Freies Mandat und Repräsentation sowie korrespondierende Pflichten
- “Verbindungsglied zwischen Parlament und Bürger” (BVerfG)
- Abgeordneter repräsentiert das ganze Volk (Art. 38 I S. 2) -> Gleichberechtigung der Abgeordneten
- Pflichtenstellung ergibt sich aus der besonderen Bedeutung des Status des Abgeordneten (freies Mandat) für die Demokratie
- > Wahrung der Unabhängigkeit
- > Tatsächliche aktive Wahrnehmung des Mandats (Mittelpunktregelung, § 44a I AbgG)
- > BVerfG: nicht Freiheit von Pflichten, sondern Freiheit in der inhaltlichen Wahrnehmung dieser Pflichten
- > Verpflichtung zur Offenlegung von Nebentätigkeiten und Einkünften (§ 44a und b AbgG): Abwägung zwischen Verpflichtung aus Art. 38 I S. 2 und Grundrechten des Abgeordneten
Bundestag: Abgeordnete: Freies Mandat und Partei-/Fraktionszugehörigkeit
- Spannungsverhältnis zwischen freiem Mandat aus Art. 38 I S. 2 GG und parteienstaatliche Demokratie aus Art. 21 GG
- > Einbindung des Abgeordneten in Partei und Fraktion durchaus vorgesehen
- Fraktion leitet ihre Rechte aus dem Recht des Abgeordneten ab, Art. 38 I S. 2, nicht umgekehrt
- Im Konfliktfall hat freies Mandat Vorrang, Art. 38 I S. 2 aE
- Fraktionsdisziplin nur bedingt justiziabel
- > Abgeordneter muss in der Lage sein, sein Mandat grds. frei auszuüben
- > bspw. (-) bei Abhängigkeit der Ausübung des Rederechts von Fraktionsvorschlag
Bundestag: Abgeordnete: Ausübung des Mandats
- Stimmrecht = Recht, an den Abstimmungen im BT teilzunehmen und frei abzustimmen
- Initiativrecht = Recht, Vorlagen - insbesondere Gesetzesvorlagen - einzubringen
- Rederecht = Recht, vor dem versammelten Parlament in einer Debatte Stellung zu nehmen
- > Grundsatz der freien Rede
- > Grundsatz der parlamentarischen Auseinandersetzung
- > Schranken
a. Redefreiheit anderer Abgeordneter
b. Arbeitsfähigkeit des Parlaments
c. Parlamentarische Ordnung und Würde des Hauses - Fragerecht bzw. Informationsanspruch
Bundestag: Abgeordnete: Spezielle Statusrechte
- Indemnität
- > gilt auch nach Beendigung des Mandats
- Immunität
- > BT hat weiten Einschätzungsspielraum bei der Aufhebung
- Zeugnisverweigerungsrecht und Beschlagnahmeverbot
- > schützt Vertrauensverhältnis zwischen Abgeordneten und Drittem und stärkt damit Recht aus freiem Mandat, Art. 38 I S. 2 GG
- > Rechtsschutz: bei behördlichen oder gerichtlichen Maßnahmen: Verwaltungsrechtsweg bzw. Verfassungsbeschwerde (kein Organstreitverfahren!)
- Observation
- > Eingriff sowohl in GR als auch in Art. 38 I 2 (freie Mandatsausübung durch (Gefahr der) Überwachungsmaßnahmen betroffen)
- > Rechtfertigbar durch Schutz der FDGO (insb. bei Vorbereitung eines Parteiverbotsverfahrens) -> “Wehrhafte Demokratie”
- > Rechtsweg: Verwaltungsrechtsweg bzw. Verfassungsbeschwerde
Bundestag: Abgeordnete: Stellung der Fraktionen
- Recht auf Zusammenschluss der Abgeordneten zu Fraktionen aus dem freien Mandat, Art. 38 I 2 (Parlamentarisches Beteiligungsrecht)
- BVerfG: “Notwendige Einrichtung des Verfassungslebens”
con: § 47 I AbgG statuiert bloße Mitwirkung, bloße Nennung in Art. 53a I S. 2 GG
pro: faktisch vollzieht sich die politische Willensbildung im Bundestag maßgeblich durch die Fraktionen - Fraktion leitet ihre Rechte aus dem Recht des Abgeordneten ab, Art. 38 I S. 2, nicht umgekehrt
- > Grundsatz formaler Gleichheit zwischen den Fraktionen (Minderheitenschutz)
- > Jedoch verfassungsrechtlich unzulässig, besondere Rechte an Minderheitenstatus/ Eigenschaft als “Oppositionsfraktion” zu knüpfen (strenge Gleichheit der Abgeordneten resultiert in strenger Gleichheit der Fraktionen)
- Differenz zu Gruppen, § 10 IV GOBT
- > jedoch vergleichbare Mitwirkungsrechte einzuräumen
- Prozessuale Stellung
- > Partei im Organstreitverfahren (mit eigenen Rechten ausgestatteter Teil des Bundestags)
- > Prozessstandschaft für den Bundestag zur Geltendmachung der Rechte des Bundestages (Effektive Gewährleistung der Opposition, wenn Mehrheit im Bundestag nicht gegen andere Bundesorgane vorgehen will)