3/6 (Schuld, Irrtumslehre) Flashcards

1
Q

Notwehrexzess Schema

A
  1. Notwehrexzesslage
  2. 1 Intensiver Notwehrexzess: Notwehrlage
  3. 2 Nachzeitiger extensiver Notwehrexzess (streitig): Phase direkt nach einer Notwehrlage
  4. Notwehrexzesshandlung
  5. 1 Intensiver Notwehrexzess: Überschreitung der Erforderlichkeitsgrenze oder Gebotenheitsgrenze
  6. 2 Nachzeitiger extensiver Notwehrexzess: Überschreitung der Gegenwärtigkeitsgrenze
  7. Asthenischer Affekt als Überschreitungsgrund
  8. 1 Zustand der Schwäche: Verwirrung, Furcht, Schrecken
  9. 2 (Mit-) Ursächlichkeit des Zustands (“aus”)
  10. 3 Problem des bewussten Notwehrexzesses
  11. Verteidigungswille mit Verteidigungsabsicht (str.)
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2
Q

P: (nachzeitiger/vorzeitiger) extensiver Notwehrexzess

A
  • eA: (-) (Rspr.)
    pro: gem. Wortlaut muss eine Notwehrlage tatsächlich vorhanden sein: diese fehlt beim extensiven Notwehrexzess
    pro: ohne Notwehrlage fehlt Grund für Unrechtsminderung
    con: präventive Bestrafungsnotwendigkeit (wie bei intensivem) ist auch bei extensivem NWE nicht gegeben; schlichte Vergeltung ist durch asthenisches Affekterfordernis eingeschränkt
  • aA: Anwendung des NWE auch bei extensiver Ausgestaltung
    con: nicht bei vorzeitigem: hier besteht entgegen dem Wortlaut keine Notwehrlage (begrifflich ist keine Überschreitung möglich)
  • hM (Rengier): Anerkennung nur des nachzeitigen extensiven NWE
    pro: bei unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang besteht
    Anknüpfung an unrechtsmindernde Notwehrlage
    pro: Wortlaut des § 33 kann auch Überschreiten in zeitlicher Hinsicht meinen, wenn Notwehrlage erst einmal gegeben
    pro: durch das Vorliegen eines asthenischen Affekts kann die Gesamtsituation idR nicht zeitlich streng aufgeteilt werden
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3
Q

Definition der asthenischen Affekte

A
  1. Verwirrung: ein außer Ordnung geratener, seelischer oder geistiger Zustand aus dem Affekt der Bedrohung, der zu einer nicht mehr überlegten Gegenwehr führt
  2. Schrecken: Reaktion auf eine überraschende Bedrohung oder einen Reflex auf überraschende Sinnenreize, die zu impulsiven und unkontrollierten Reaktion führen könne
  3. Furcht (“Panik”): gesteigerte Form der Angst als ein Denken und Wollen beherrschendes Gefühl, einer subjektiv empfundenen Bedrohung ausgesetzt zu sein (Todesangst nicht erforderlich)
    => der asthenische Affekt muss einen Störungsgrad aufweisen, bei dem der Täter das Geschehen nur noch in erheblich reduziertem Maße verarbeiten kann, wobei er nicht die alleinige oder auch nur überwiegende Ursache für die Notwehrüberschreitung gewesen sein muss
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4
Q

P: bewusster Notwehrexzess

A
  1. mM: rein unbewusster NWE, bei dem der Täter einen so hochgradigen Erregungszustand haben muss, sodass er die Übermäßigkeit seiner Notwehrhandlung entweder gar nicht erkennt oder falsch einschätzt
    con: Wortlaut § 33, der keine Einschränkung kennt; einschränkende Auslegung wäre als nachteilige Auslegung für den Täter gem. 103 II GG verfassungswidrig
    con: Historie: ursprüngliche Differenzierung zwischen bewusster und unbewusster Form wurde verworfen
    con: ansonsten erforderliche Abgrenzung zwischen bewusster und unbewusster Form durch Vorsatz vs. Fahrlässigkeit dürfte praktisch kaum umsetzbar sein
  2. hM: auch bewusster NWE, bei dem der Täter als das Überschreiten gedanklich umfasst, fällt unter § 33
    pro: auch wer weiß, was er tut, kann sich in einer psychischen Ausnahmesituation empfinden, aus der heraus ihm sein Handeln nicht vorgeworfen werden kann
    pro: an die Ausnahmesituation der Notwehrlage dürfen keine übermäßig erhöhten Anforderungen gestellt werden, da die Notwehrhandlung mit einem gewissen Fehlschlagrisiko behaftet ist und eine effektive Angriffsabwehr gesichert sein soll
    - > besonders sorgfältige Prüfung der Beeinflussung durch asthenischen Affekt (“aus”) und Verteidigungsabsicht
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5
Q

Entschuldigender Notstand Schema

A
  1. Voraussetzungen
  2. 1 Notstandslage
  3. 1.1 Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit
  4. 1.2 des Täters, eines Angehörigen oder einer anderen nahestehenden Person
  5. 1.3 Gegenwärtigkeit der Gefahr
  6. 2 Notstandshandlung
  7. 2.1 Begehen einer rechtswidrigen Tat
  8. 2.2 Erforderlichkeit (“nicht anders abwendbar”)
  9. 3 Rettungsabsicht
  10. Zumutbarkeit der Gefahrenhinnahme
  11. 1 Selbstverursachung der Gefahr
  12. 2 Bestehen eines besonderen Rechtsverhältnisses
  13. 3 Sonstige Fälle (Beschützergaranten mit besonderen Obhutspflichten aus privatem Rechtsverhältnis; gewisse Proportionalität)
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6
Q

Notstandslage (§ 35)

A
  1. Notstandsfähige Rechtsgüter
  2. 1 Leben: physische Existenz (auch ungeborenes Leben nach hM)
  3. 2 Leib: aus Systematik (mit Leben) wird drohende schwerwiegende Beeinträchtigung angenommen
  4. 3 Freiheit: aus Systematik (Körperbezogenheit) physische Bewegungsfreiheit, nicht Freiheit der Willensbetätigung
  5. Rettungsfähige Personen
  6. 1 Angehörige (in § 11 I Nr. 1 legaldefiniert)
  7. 2 Andere nahestehende Person (Bestehen eines auf Dauer angelegten zwischenmenschlichen Verhältnisses, das über die alltäglichen Sozialkontakte hinaus reicht und einem Verwandtschaftsverhältnis der Intensität nach vergleichbar ist)
  8. Gegenwärtige Gefahr (auch Dauergefahr)
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7
Q

Notstandshandlung (§ 35)

A
  1. Geeignetheit (Täter muss sich auf unsicheres Mittel nicht verlassen)
  2. Relativ mildestes Mittel
    Keine Interessenabwägung!
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8
Q

Rettungsabsicht (§ 35)

A
  1. Kenntnis der Gefahr

2. Rettungsabsicht/ Gefahrabwendungswille (anders als bei §§ 32, 34 unbestritten)

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9
Q

P: Zumutbarkeit nach § 35 I S. 2

a) Notstandshelfer hat die Gefahr für Angehörigen verursacht
b) Angehöriger hat Gefahr selbst verursacht

A
  1. Notstandshelfer hat die Gefahr für Angehörigen verursacht
    - > hM: § 35 I S. 2 Alt. 1 greift nicht (nur Verursacher wird zur Hinnahme verpflichtet) und besonders hoher Motivationsdruck
    pro: Verursacher soll seinen Schaden wieder gut machen können
    - > mM: § 35 ist für denjenigen ausgeschlossen, der die Gefahrenlage verschuldet hat, unabhängig davon, wem die Notstandshandlung zugute kommen soll
    con: Wortlaut-> Regelbeispiele sind jedoch nicht zwingend (stellen nur auf den Notsstandstäter ab) und Notstandshilfefälle sind unter Rückgriff auf die übergreifende Zumutbarkeitsklausel dem Zweck des § 35 entspr. zu behandeln
  2. Angehöriger hat Gefahr selbst verursacht
    - > hM: § 35 I S. 2 Alt. 1 greift nicht (Wortlaut: Notstandstäter hat Gefahr nicht “selbst” verursacht)
    pro: auf den Motivationsdruck des Notstandstäters hat das Vorverhalten des Angehörigen keinen Einfluss
    - > mM: Notstandshelfer ist zumutbar, dass er Gefahrtragungspflicht des Verursachers hinnehme
    con: Verkürzende Auslegung führt zu einer Strafbegründung entgegen Art 103 II GG
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10
Q

Zumutbarkeit nach § 35 I S. 2 bei “besonderem Rechtsverhältnis”

A
  • Berufsspezifische Pflichten gegenüber der Allgemeinheit
  • > berufstypische Gefahren sind hinzunehmen (daraus verbietet sich auch eine Notstandshilfe zugunsten dieser Personen), bspw. Polizist
  • > jedoch: sicherer oder höchstwahrscheinlicher Tod muss nicht hingenommen werden
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11
Q

Zumutbarkeit nach § 35 I S. 2 bei weiteren “Umständen”

A
  1. Obhutsgarantenstellungen iSv § 13 (Eltern-Kind-Verhältnis; Gefahrengemeinschaften)
  2. aus Duldungspflichten (§§ 32, 34)
  3. aus Unverhältnismäßigkeit (da gerade keine Abwägung stattfindet, restriktiv zu handhaben: “krasses Missverhältnis”, insbesondere Tötung zur Gefahrabwendung von niederen Rechtsgütern nur in Ausnahmefällen, vgl. auch Haustyrannenfall)
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12
Q

Übergesetzlicher entschuldigender Notstand

A
  1. In Literatur und Rspr. grundsätzlich anerkannt (Behandlung der Euthanasie-Fälle)
  2. Notstandslage
  3. 1 Gegenwärtige Lebensgefahr für Personenkreis außerhalb von § 35
  4. 2 Entscheidungskonflikt des Täters: Tod der gefährdeten Person(en) oder Gefahrabwendung durch aktive Rechtsverletzung
  5. Notstandshandlung
  6. 1 Einziges Mittel zur Gefahrenabwehr
  7. 2 Schaden schafft ethisch geringeres Übel oder opfert ohnedies Todgeweihte (Problem der Gefahrengemeinschaft - nach hM dürfen auch vorher Ungefährdete geopfert werden, Weichenstellerfall)
  8. 3 Keine Gefahrtragungspflicht analog § 35 I S. 2
  9. Gefahrabwendungswille (Rspr. verlangt hier gewissenhafte Prüfung des Vorliegen der Notstandssituation)
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13
Q

P: Nötigungsnotstand

A

= wenn im Falle eines Notstandes die Notstandslage auf der Nötigung durch einen Dritten beruht, der Täter also zur Begehung einer Straftat genötigt wird

  • eA: Ausschluss der Rechtfertigung aufgrund übergeordneter Rechtsprinzipien
    pro: Genötigter dürfe nicht selbst “auf die Seite des Unrechts treten”. Selbst wenn das dem Genötigten angedrohte Übel das durch die Verwirklichung des Straftatbestandes verwirklichte Interesse wesentlich überwiegt, sei die Tat des Genötigten rechtswidrig. Es bliebe lediglich die Möglichkeit einer Entschuldigung unter den Voraussetzungen des § 35
    con: § 35 erfasst nur Handlungen zur Abwendung einer Gefahr von sich, einem Angehörigen oder einer anderen nahestehenden Person. Wenn dem Genötigten jedoch mit der Tötung eines Dritten gedroht wird, der nicht in den geschützten Personenkreis fällt, so wäre er, wenn er sich zur Rettung des Dritten entscheidet, wegen der abgenötigten Tat strafbar; würde er die Rettung des Dritten unterlassen, wäre er wegen unterlassener Hilfeleistung strafbar
    con: der Kreis der von § 35 geschützten Rechtsgüter ist enger gefasst, sodass bspw. die Nötigung durch Androhung von Sachbeschädigungen nie entschuldigt ist
  • aA: eine zur Abwendung eines angedrohten Übels begangene Straftat ist nach den gleichen Grundsätzen zu beurteilen wie eine Straftat zur Abwendung anderer Gefahren. Sie ist dann nach § 34 gerechtfertigt, wenn das drohende Übel das durch die Straftat beeinträchtigte Interesse wesentlich überwiegt
    pro: das Opfer der abgenötigten Handlung muss diese ebenso dulden wie sonstige Beeinträchtigungen seiner Rechtsgüter, sofern sie zum Schutz wesentlich überwiegender Interessen erforderlich sind
    con: Das Vertrauen in die Geltungskraft der Rechtsordnung würde “zutiefst erschüttert”, wenn gegen eine durch Nötigung erzwungene Tat keine Notwehr möglich sei, da der Genötigte selbst nach § 34 gerechtfertigt wäre
  • wA: differenzierend wäre grds. § 34 anzuwenden, da § 35 zu enge Voraussetzungen stellt. Erst bei durch die Nötigung erforderlichen schweren Rechtsgutseingriffen wäre § 35 anzuwenden, um ein Notwehrrecht gegen diesen Eingriff zu gewährleisten
    pro: interessensgerechte Abwägung zwischen Notlage des Handelnden und Bedürfnis nach Notwehrrecht des Dritten
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14
Q

P: Vorsätzliche alic bei Erfolgsdelikten

A

I. Voraussetzungen der alic allgemein:

  1. Begehung eines Vorsatzdeliktes im Zustand der Schuldunfähigkeit nach § 20
  2. Doppelvorsatz
    a. bezüglich der Herbeiführung des schuldunfähigkeitsbegründenden Umstandes
    b. bezüglich der im Defektzustand zu begehenden Tat

II. Problemauflösung

  • eA: Ausnahmemodell: Anknüpfungspunkt ist weiter die eigentliche Tathandlung. Allerdings macht diese Ansicht eine Ausnahme vom Koinzidenzprinzip des § 20. Demnach handelt derjenige ohne Schuld, der “bei Begehung der Tat” wegen der in § 20 aufgeführten Gründe nicht zur Unrechtseinsicht oder zum Handeln nach dieser Einsicht imstande ist
    pro: der Täter handelt rechtsmissbräuchlich, wenn er sich auf einen Strafbarkeitsmangel beriefe, den er selbst herbeigeführt hat
    con: Eine Ausnahme contra legem würde einen Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot in Art. 103 II GG darstellen
    con: auch nicht gewohnheitsrechtlich, da zum einen umstritten und zum anderen kein strafbarkeitsbegründendes Gewohnheitsrecht möglich
  • aA: Ausdehnungsmodell: Begriff “bei Begehung der Tat” ist extensiv auszulegen und bezieht den gesamten Zeitraum von Beginn des Sich-Betrinkens bis zur Vollendung der tatbestandsmäßigen Handlung mit ein
    con: Eine Legaldefinition des Begriffes “bei Begehung der Tat” gibt § 8 S. 1. Eine extensive Auslegung würde mithin ebenfalls gegen Art. 103 II GG verstoßen
    con: lediglich “terminologischer Trick” (Roxin)
    con: Systematik (§ 20 ebenso auszulegen wie §§ 16, 17)
  • hM: Tatbestands- bzw. Vorverlagerungsmodell: Lösung über die allgemeinen Zurechnungsregeln: Hierbei lässt sich das Geschehen mithilfe der conditio-sine-qua-non-Formel bis zum Zeitpunkt der Defektbegründung zurückverfolgen. Liegt in diesem Moment ein Schuldbezug vor, kann hieran der Schuldbezug geknüpft werden
    d.h. es hält bereits das Sichberauschen im Zustand der Schuldfähigkeit für tatbestandsrelevant -> Teil der Tatbegehung. Angeknüpft wird daran, dass das Merkmal „bei Begehung der Tat“ nicht das Vorliegen der Schuldfähigkeit während der gesamten Tatausführung verlangt, sondern es ausreicht, wenn der Täter zumindest bezüglich eines Teils der – mit dem Eintritt in das Versuchsstadium beginnenden – Tat schuldfähig gewesen ist.
    Frage, ob ein Täter, der sich vorsätzlich in den Zustand des § 20 versetzt und dabei die spätere Begehung einer Vorsatztat im Visier hat, schon vor dem Erreichen des Defektzustandes die Schwelle des § 22 überschreitet
    hier (+)
    (+) Parallele zur mittelbaren Täterschaft und begründet den Versuchsbeginn damit, dass der seine Schuldunfähigkeit bewusst herbeiführende Täter sich selbst als schuldlos handelndes Werkzeug zur Tatbegehung benutzt und es keinen Unterschied macht, ob er sich selbst oder einen schuldunfähigen Dritten als Werkzeug einsetzt.
    (+) Außerdem lässt sich das Erreichen des Versuchsstadiums auf einen Vergleich mit dem Täter eines beendeten Versuchs stützen, der eine Bombe auf ein bestimmtes Ziel losgeschickt und damit die Herrschaft über den Geschehensverlauf aus der Hand gegeben hat
    con: Die Kausalität ist nicht mit Sicherheit festzustellen, da nicht mit Sicherheit festgestellt werden kann, ob die Tat ohne das Sich-Betrinken nicht begangen worden wäre
    con: Sich-Betrinken als typische Vorbereitungshandlung
  • neA: Modell der mittelbaren Täterschaft: der Sich-Betrinkende macht sich selbst zum schuldlos handelnden Werkzeug, das den Tatbestand unmittelbar verwirklicht. Diese Einwirkung stellt die tatbestandliche Handlung dar (Ausgestaltung der wA)
    con: verkennt das Wesen der mittelbaren Täterschaft, wonach der mittelbare Täter aufgrund seiner Herrschaft über den Vordermann bestraft wird. Infolge des Sich-Berauschens fehlt es gerade an dieser Steuerungsmöglichkeit
  • > dagegen con: § 25 I Var. 2 wird nicht direkt angewandt, sondern nur dem Rechtsgedanken nach (-> con: verbotene täterbelastende Analogie)
  • newA: Ablehnung der alic-Konstruktion: Eine weit verbreitete Literaturmeinung lehnt die Konstruktion der a.l.i.c. aufgrund verfassungsrechtlicher Bedenken rundherum ab
    con: Dem ist mit Blick auf das Ausnahme- sowie das Ausdehnungsmodell zuzustimmen (s.o.). Hingegen wird nicht gegen das Schuldprinzip der §§ 20, 21 verstoßen, wenn der bei der eigentlichen Tathandlung vorliegenden Schuldmangel dadurch ausgeglichen wird, dass zwischen der Vorhandlung und der Tathandlung ein erforderlicher Vorwerfbarkeitszusammenhang besteht
    con: mit Blick auf die begrenzten Möglichkeiten aus § 323a besteht ein erhebliches praktisches Bedürfnis zur Bestrafung schwerer Rauschtaten

Stellungnahme:
der hM ist zu folgen. Der Vorwurf, es verletze § 25 I 2. Var., trifft nicht zu. Denn es geht um die Auslegung des § 22 und die Frage, ob der Versuch schon vor dem Übergang in den Defektzustand beginnt. Um dies zu bejahen, wird nur die Begründungsstruktur der mittelbaren Täterschaft herangezogen und insoweit deutlich gemacht, dass es relativ weit vorverlagerte Versuchsstrafbarkeiten auch in vergleichbaren anderen Konstellationen gibt. Freilich ist einzuräumen, dass die Tatbestandslösung allein bei Erfolgsdelikten passt. Denn nur wenn der wesentliche Unrechtsgehalt in der Verursachung eines Erfolges liegt, kann man sagen, dass auch schon der Beginn der Verursachung eine zum Straftatbestand gehörende Handlung darstellt.

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15
Q

Alic bei verhaltensgebundenen Delikten

A

= solche Delikte, bei denen der Unrechtsgehalt in der eigenhändigen Tätigkeit selbst liegt. Mithin muss diese Tätigkeit selbst schuldhaft erfolgen

  • > §§ 315c, 316: das “Führen” des Fahrzeuges muss schuldhaft erfolgen
  • > Anknüpfungspunkt kann mithin nicht das schuldhafte “Verursachen des Führens” sein
  • > Folglich können die Gedanken der alic bei verhaltensgebundenen Delikten nicht übertragen werden. Allerdings sind wegen des vergleichbaren Strafrahmens des § 323a keine Strafbarkeitslücken zu erwarten
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16
Q

Fahrlässige alic

A
  • Konstellation: Fraglich ist, ob dem Täter bei der Begehung eines Fahrlässigkeitsdelikts die Berufung auf § 20 mit dem Hinweis der vorherigen Erkennbarkeit des weiteren Tatverlaufs versagt werden kann
  • Lösung:
  • > Erfolgsdelikte: keine Konstruktion über fahrlässige alic, da bei einer Strafbarkeit wegen Fahrlässigkeit jedes objektiv pflichtwidrige Verhalten in Betracht kommen kann, so es denn in objektiv zurechenbarer Weise zum Tatbestandserfolg geführt hat (bspw. kann bereits das Sichbetrinken trotz Kenntnis aggressiver Tendenzen im Zustand des § 20 als Anknüpfungspunkt für § 229 dienen)
  • > Verhaltensgebundene Delikte: bspw. § 316 II (Trunkenheit im Verkehr)
  • -> fahrlässige alic ist denselben Bedenken ausgesetzt wie vorsätzliche (bei verhaltensgebundenen Delikten)
  • -> auch mittel der Fahrlässigkeit kann nicht der frühere Handlungspunkt als Anknüpfung genommen werden, da bei verhaltensgebundenen Delikten die Strafbarkeit nur dadurch begründet wird, dass zum Zeitpunkt der strafbewährten Handlung Schuldfähigkeit vorlag (kein Erfolg, an den - wie bei Erfolgs-alic - angeknüpft werden könnte)
17
Q

Irrtum über Kausalverlauf bei mehraktigem Geschehen (Dolus-generalis-Fälle)

A

Ist auch dann von einem vorsätzlichen Handeln des Täters (§§ 15, 16) auszugehen, wenn er irrtümlich annahm, den Taterfolg bereits durch einen ersten Handlungsakt herbeigeführt zu haben, während er ihn aber tatsächlich erst durch einen zweiten Handlungsakt herbeiführt, bei welchem ihm aber wiederum die für den Vorsatz erforderliche Vorstellung fehlte, den Tod noch verursachen zu können?

  1. Lehre vom dolus generalis: in derartigen Fällen liegt ein Gesamtvorsatz bzw. genereller Vorsatz des Täters vor. Eine Differenzierung zwischen den beiden Handlungsakten ist demnach nicht erforderlich, beide Teilhandlungen stellen eine einheitliche Handlungsbegehung dar. Folglich ist auch der zweite, eigentlich erst zum Taterfolg führende Handlungsakt vom Vorsatz umfasst.
    con: widerspricht dem Grundsatz, dass jede Strafbarkeit an eine konkrete menschliche Handlung anknüpft (Koinzidenzprinzip)
    con: es wird verkannt, dass der Täter eine ganz bestimmte Art und Weise der Begehung für seine Tat ins Auge gefasst hat, dass für ihn also auch die Art der Tatbegehung und nicht nur der Taterfolg maßgeblich ist.
  2. Versuchslösung: die Teilakte müssen getrennt betrachtet werden-> strikte Trennung der Geschehensabläufe. Einem Täter, der bei der maßgeblichen Tötungshandlung und insoweit dem Zeitpunkt der „Begehung der Tat“ keinen Tötungsvorsatz habe (§ 16 I 1), könne nicht zur Last gelegt werden, (auch) durch den Erstakt (vorsätzlich) getötet zu haben. An den Erstakt dürfe nicht angeknüpft werden, wenn ein Täter beim Zweitakt davon ausgehe, dem Tatplan entsprechend den Erfolg bereits herbeigeführt zu haben. Der Täter sei bezüglich des ersten Begehungsaktes wegen Versuchs und hinsichtlich des zweiten wegen Fahrlässigkeit strafbar.
    con: ein einheitlicher Handlungskomplex liegt vor, der dann willkürlich auseinander genommen wird. Bereits die erste Handlung ist ursächlich für das schließlich zum Tode führende Geschehen. Es genügt, wenn der Vorsatz zum Zeitpunkt der tatbestandsmäßigen Handlung bestand, ein Fortwirken bis zum Erfolgseintritt ist nicht erforderlich
    con: spaltet ein einheitliches Tatgeschehen in nicht überzeugender Weise in zwei Teile auf.
    con: es stellt sich die Frage, woraus folgen soll, dass der Täter mit im Abweichungsfalle vorsatzausschließender Wirkung den zum Erfolg führenden Kausalverlauf in sein Vorstellungsbild aufgenommen haben muss
  3. Planverwirklichungstheorie: der Erfolg wird dem Täter nur dann zugerechnet, wenn er das Motiv seines Handelns war oder ihm hinsichtlich weiterer verfolgter Ziele nützt. Eine vorsätzliche Tat liegt demnach nur dann vor, wenn der Täter im Hinblick auf den Taterfolg absichtlich (also mit dolus directus 1. Grades) handelt. Liegt hingegen nur eine andere Vorsatzform bezüglich des Taterfolgs vor, so besteht lediglich eine Versuchsstrafbarkeit.
    con: es überzeugt nicht, die Frage der Wesentlichkeit oder Unwesentlichkeit von der Vorsatzform abhängig zu machen->im StGB findet sich kein Hinweis, der eine derartige Differenzierung stützt; sie erweist sich damit als willkürlich
    con: die Zurechnung eines Erfolges darf nicht davon abhängen, ob er den weiteren Zielen und Wünschen des Täters entspricht.
  4. Vollendungslösung: Lehre vom Irrtum über den Kausalverlauf: es muss danach differenziert werden, ob die Abweichung des durch die Zweithandlung tatsächlich eingetretenen vom ursprünglich vorgestellten Kausalverlauf als wesentlich oder unwesentlich anzusehen ist. Eine nur unwesentliche Abweichung und damit die Möglichkeit einer Bestrafung wegen vollendeter vorsätzlicher Tat liegt vor, wenn der Erfolgseintritt sich in den Grenzen des nach allgemeiner Lebenserfahrung Vorhersehbaren hält und auch der Blick auf den Verwirklichungswillen des Täters keine andere Bewertung rechtfertigt
    pro: der Tötungsvorsatz muss nicht bis zum Ende „durchgehalten“ werden
    pro: es liegt iRd allg. Lebenserfahrung, dass medizinische Laien bewusstlose Opfer für tot halten und Täter nach einem Tötungsdelikt durch Anschlusshandlungen die Tatspuren verwischen wollen.
    con: Eine genaue Differenzierung zwischen wesentlichen und unwesentlichen Abweichungen gestaltet sich schwierig. Insbesondere ist die Lehre vom Irrtum über den Kausalverlauf nicht in der Lage, aus sich selbst heraus Kriterien für die Bewertung der Diskrepanz zwischen vorgestelltem und realiter abgelaufenem Kausalverlauf zu nennen

zur Prüfung: die obj. Zurechnung lieber kurz dadurch bejahen, dass ungewollte Erfolgseintritte durch Zweithandlungen verhältnismäßig oft vorkommen, somit im Rahmen des nach allgemeiner Lebenserfahrung Voraussehbaren und daher auch im Bereich des durch die Ersthandlung gesetzten Ausgangsrisikos liegen. Auf die Streitfrage geht man dann innerhalb des subjektiven Tatbestandes ein.

18
Q

Erlaubnistatbestandsirrtum

A

= Täter stellt sich Umstände lediglich vor, durch die er, wenn sie tatsächlich vorliegen würden, in seinem Handeln gerechtfertigt wäre

  1. Strenge Schuldtheorie
    = nur solche Irrtümer, die sich auf die Merkmale eines Delikttypus beziehen, sind dem § 16 unterzuordnen; ETBI fällt unter § 17
    pro: § 17 weist das Unrechtsbewusstsein der Schuld zu; die frühere Verlagerung des Unrechtsbewusstseins in den Vorsatz gem. der Vorsatztheorie widerspricht § 17
    pro: keine Strafbarkeitslücken, wenn kein Fahrlässigkeitstatbestand besteht (§ 303)
    con: Verkennung eines tragenden Wertunterschiedes: § 17 sei dadurch geprägt, dass der Handelnde die Dimensionen von Recht und Unrecht verkenne; beim ETBI will sich der Handlende jedoch rechtstreu verhalten. Es liegt somit keine fehlerhafte Rechtsauslegung vor, sondern eine Verkennung der Tatsachen
  2. Eingeschränkte Schuldtheorien
    Aus diesem Wertungsunterschied wollen verschiedene Theorien die strenge Anwendung der Verbotsirrtumsregeln einschränken
  • eA: Lehre von den negativen Tatbestandsmerkmalen: die Rechtfertigungsgründe sind Bestandteile eines Gesamt-Unrechtstatbestandes. Der Vorsatz des Täters muss daher auch das Nichtbestehen der negativen Tatbestandsmerkmale (= Rechtfertigungsvoraussetzungen) umfassen -> § 16 I 1 direkt (kein Vorsatz)
    con: In § 16 I sei mit “gesetzlicher Tatbestand” die Tatbeschreibung des Besonderen Teils gemeint, sodass eine direkte Anwendung des § 16 I ausscheide
    con: dreistufiger Verbrechensaufbau (vernachlässigt gesetzlich vorgegebene Differenzierung zwischen Typisierung des Unrechts im TB und Ausnahme des Unrechts bei Rechtfertigungsgründen)
  • aA: Vorsatzunrechtsverneinende Schuldtheorie: Irrtum über die rechtfertigende Situation sei wie ein Tatbestandsirrtum zu behandeln, weil der Täter im Einklang mit den Normen des Rechts agieren wollte und ihm daher allenfalls eventuell Fahrlässigkeit vorzuwerfen wäre -> § 16 I 1 analog, da “gesetzlicher Tatbestand” die Vorschriften des BT meint
    pro: Wertend betrachtet ist das Handlungsunrecht einer vorsätzlichen Tat nicht verwirklicht
    con: keine hinreichende Parallelität: bei einem Tatbestandsirrtum besteht keine Warnfunktion des Strafdelikts, da der Täter durch unzutreffende Erfassung des Sachverhalts keine Beziehung zum TB und dessen Warnfunktion herstellen kann; beim ETBI wird diese Beziehung jedoch hergestellt, sodass der Handelnde gehalten wäre, eine mögliche Rechtfertigung genau zu prüfen
    con: (auch gegen eA): Strafbarkeitslücken; ein bösgläubiger Tatbeteiligter kann zwar immer noch als mittelbarer Täter bestraft werden; aber eine Lücke bleibt dennoch bei eigenhändigen und Sonderdelikten sowie bei einen entfallenden Irrtumsherrschaft betrifft diese Lücke im Ergebnis aber nur Pflichtdelikte
  • wA: Rechtsfolgenverweisende/vorsatzschuldausschließende Schuldtheorie (wohl hM): § 16 I analog, sodass aber nicht der Vorsatz, sondern lediglich Vorsatzschuld entfällt. Die Vorsatzschuld als Element der Schuld wird aber als Voraussetzung für eine Bestrafung aus einem Vorsatzdelikt gewertet (Vorsatz hat Doppelfunktion: für TB, aber auch für Schuld, sodass ein Vorsatztäter per se eine höhere Schuld treffe als Fahrlässigkeitstäter). ETBI wird lediglich in den Rechtsfolgen unter § 16 I 1 subsumiert
    pro: Bestrafung eines bösgläubigen Teilnehmers ist vollumfänglich ermöglicht
    pro: auf Seiten des Täters liegt nur ein verminderter Schuldgrad (s.o. con: strenge Schuldtheorie); folgerichtig müsse die Tat in den Rechtsfolgen einer fahrlässigen Begehung gleichgestellt werden
    con: trotz der Annahme eines vorsätzlichen Handlungsunrechts wird aus einem Fahrlässigkeitsdelikt bestraft (künstliche Konstruktion, da Vorsatzschuld nur hier vorkommt)
    -> con: Vorsatzschuld komme schlichtweg nur in dieser Konstellation zum Tragen, sei aber konsequente Folge des Gedankens, dass Vorsatztäter per se eine höhere Schuld treffe als Fahrlässigkeitstäter
    => Verneinung der Strafbarkeit wegen vorsätzlichem Delikt (hM)

=> danach: separater Prüfungspunkt des Fahrlässigkeitsdelikts

19
Q

Verbotsirrtum

A

= Täter verwirklicht in Sachkenntnis aller Umstände einen Straftatbestand, ist sich jedoch nicht über das Unrecht seiner Tat bewusst oder glaubt, dass sein Tun bzw. Unterlassen von der Rechtsordnung gebilligt ist

  • Unrechtsbewusstsein: wenn der Täter den Irrtum hätte vermeiden können, vgl. § 17 S. 1. War der Irrtum vermeidbar, so kommt lediglich eine Strafmilderung nach § 49 in Betracht, vgl. § 17 S. 2.
  • Unvermeidbarkeit: wenn es dem Täter auf Grund seiner sozialen Stellung und nach seiner individuellen Fähigkeiten auch bei der ihm zumutbaren Anspannung seines Gewissens unter Zuhilfenahme anderer möglicher Erkenntnisquellen nicht möglich war, das Unrecht der Tat einzusehen (restriktiv!)
  • > aber: wenn sich Täter auf eine vertrauenswürdige Auskunft ehrlich verlässt
20
Q

P: Putativnotwehrexzess

A

= wenn der Täter in vermeintlicher Notwehr handelt, eine Notwehrlage in Wirklichkeit aber nicht vorliegt und daneben die zulässigen Grenzen der Verteidigung überschreitet - also in der vorgestellten Konstellation gem. § 33 entschuldigt wäre

  1. Prüfung des ETBI (-)
  2. Prüfung der Schuld:

a. § 33 (-)
b. § 33 analog? -> hier Problemdiskussion
Ansicht 1: Nach herrschender Meinung kommen hier die allgemeinen Irrtumsregeln zur Anwendung (Doppelirrtum): § 17 sei anzuwenden. § 33 komme bereits deshalb nicht in Betracht, weil die Norm einen tatsächlichen Angriff voraussetze; sie beruhe auf dem Gedanken der objektiven Unrechtsminderung
pro: Notwehrlage ist einer der dogmatischen Säulen, die die Unrechtsminderung nach § 33 trägt
pro: Ansonsten würde eine Entschuldigung allein schon aufgrund eines asthenischen Affekts erfolgen

Ansicht 2: Nach anderer Auffassung komme eine analoge Anwendung des § 33 auf diese Fallgestaltung insoweit in Betracht, als das Opfer den Irrtum über die Rechtfertigungslage des Täters zu verantworten hat und der Irrende schuldlos ist - wenn also beispielsweise das Opfer einen Angriff vorgetäuscht hat.

Ansicht 3: Schuld entfällt immer analog § 33, wenn für den Täter die Notwehrlage “trotz objektiv pflichtgemäßer Prüfung” nicht erkennbar war

(+) Analogie: dafür spricht der auch durch den nur vorgestellten Angriff beim irrenden Täter ausgelöste Affekt und die intensive Überschreitung der Erforderlichkeitsgrenze.
(-) Analogie: § 33 baut auf § 32 auf und setzt daher einen tatsächlichen Angriff voraus-> die charakteristische Unrechtsminderung fehlt, weil sich die Tat nicht gegen eine Person richtet, die sich zuerst ins Unrecht gesetzt hat
(-) Opfer ist gerade kein Angreifer, der die Überreaktion veranlasst hat, und deshalb muss es gegen Exzesshandlungen durch das Recht geschützt werden.
(-) sonst nicht begründbare Besserstellung desjenigen, der nicht nur die Notwehrlage irrig annimmt (er hat nach § 16 I 2 mit einer Fahrlässigkeitsstrafe zu rechnen), sondern auch noch die Erforderlichkeitsgrenze überschreitet (er wäre analog § 33 entschuldigt)

c. § 17 bzw § 35 II analog

21
Q

P: Irrtum über persönlichen Strafausschließungsgrund

A

Persönliche Strafausschließungsgründe sind gesetzlich normierte Umstände, die zur Straflosigkeit führen, wenn sie bereits bei Begehung der Tat vorgelegen haben (§§ 36, 173 III, 257 III und 258 V, VI)

  • eA: Irrtum unbeachtlich; für die Annahme eines Strafausschließungsgrundes ist allein die objektive Sachlage entscheidend
    pro: objektive Straflosigkeitsbedingungen jenseits von Unrecht und Schuld, die daher vom Vorsatz des Täters nicht umfasst zu werden
    con: Das Schuldprinzip erfordert, dass der Täter nur nach denjenigen Voraussetzungen bestraft wird, die er in seinen Vorsatz aufgenommen hat. Bei einem Irrtum über einen persönlichen Strafausschließungsgrund sei die Schuld des Täters so gering, dass eine Bestrafung verfehlt wäre
  • aA: Tätervorstellung ist entscheidend
    pro: Persönliche Strafausschließungsgründe beruhen gerade auf Umständen, die die besondere Motivation und den Umfang der Schuld des Täters betreffen
    con: Dies widerspricht der gesetzgeberischen Intention zumindest in solchen Fällen, in denen der Strafausschließungsgrund nicht auf dem Motivationsdruck des Täters beruht, sondern nur bewirken soll, dass sich der Staat aus bestimmten persönlichen Beziehungen heraushält, z.B. beim Haus- und Familiendiebstahl (§ 247).
  • wA: Differenzierung nach Strafausschließungsgrund - auf die Tätervorstellung soll es dann ankommen, wenn der Strafausschließungsgrund gerade einer notstandsähnlichen Motivationslage und dem verminderten Schuldgehalt der Tat Rechnung tragen will. In allen anderen Fällen, in denen allein objektive Aspekte den Strafausschließungsgrund bestimmen, ist der Irrtum unbeachtlich
    con: Persönliche Strafausschließungsgründe sollen nach ihrer Funktion bestimmte Täter und nicht bestimmte Deliktsarten von der Strafbarkeit ausschließen

Str. wie dem Rechnung zu tragen ist: über § 16 II oder 35 II analog

22
Q

Irrtum über Werkzeugeigenschaft des Vordermanns bei mittelbarer Täterschaft (Vordermann handelt ohne deliktisches Minus, Hintermann nimmt dies jedoch an)

A
  1. Ansicht: Subjektive Theorie (Rspr.): Ausreichend, dass Täter Tat als eigene will. Es reicht daher aus, dass der Hintermann subjektiv eine Beherrschung annimmt, der Irrtum über das objektiv nicht bestehende Beherrschungsverhältnis ist unerheblich. Der Hintermann kann dieser Ansicht folgend unproblematisch als mittelbarer Täter bestraft werden
  2. Ansicht: Tatherrschaftslehre (Lit.): die bloß vorgestellte Tatherrschaft genügt nicht, um Täterschaft zu begründen. Die Strafbarkeit des Hintermanns als mittelbarer Täter scheitert daher an der objektiv fehlenden Werkzeugeigenschaft des Vordermanns. Innerhalb der Vertreter der Tatherrschaftslehre ist umstritten, wie der Hintermann sich stattdessen strafbar gemacht hat:

a. bei unmittelbarem Ansetzen des Hintermanns ist eine Strafbarkeit wegen Versuchs zu bejahen. Eine Strafbarkeit als Anstifter müsse jedoch ausscheiden, da zwar eine vorsätzliche, rechtswidrige Haupttat vorliege, der Anstiftervorsatz des Hintermanns aber nicht bejaht werden könne, weil er beim vermeintlichen Werkzeug nicht den Vorsatz zur Begehung einer vorsätzlichen Tat hervorrufen wollte.
Arg: Zwischen dem Vorsatz bezüglich Täterschaft und Teilnahme besteht kein Stufenverhältnis; vielmehr ist der Vorsatz bezüglich der Täterschaft gegenüber einem Teilnahmevorsatz ein Aliud. Denn der Täter will eine eigene Tat verwirklichen, während der Teilnehmer eine fremde Tat fördern will.
con: nur versuchte Tatbegehung in mittelbarer Täterschaft bringt nicht zum Ausdruck, dass der Hintermann an einer vollendeten Tat beteiligt war

b. Hintermann als Anstifter; Anstiftervorsatz als wesensgleiches “Minus” im weitergehenden Tatherrschaftswillen enthalten
Arg.: Objektiv liegt eine Anstiftung vor
Kritik: Dies verstößt jedoch gegen das Analogieverbot gem. Art. 103 II GG und widerspricht dem Wortlaut von § 26

c. vollendete Anstiftung in Tateinheit mit versuchter Tatbegehung in mittelbarer Täterschaft
con: doppelte Anrechnung des Vorsatzes (einmal als Teilnehmervorsatz und einmal als Tätervorsatz)

23
Q

Wie ist das Zusammentreffen von vermeintlichem ETBI und indirektem Verbotsirrtum zu behandeln (i.e. “Doppelirrtum”)?

A

= wenn der Täter fälschlicherweise einen Rechtfertigungsgrund für gegeben hält, diesen nach seiner Vorstellung dann jedoch noch überschreitet

  • nach der Bejahung der RW wäre die Frage des ETBI zu prüfen, aber es liegt so ein Irrtum nicht vor, weil nach dem vorgstellten SV der RFGrund überschritten wurde. Entfällt somit der ETBI kann es keinen Doppelirrtum geben-> bei einer Überschreitung der Rechtfertigungsgrenzen bereits keine Lage gegeben wäre, die, würde sie tatsächlich vorliegen, den Täter rechtfertigen könnte
  • mangels ETBI kann kein Doppelirrtum vorliegen
  • dann, weil der Täter wegen der Fehlvorstellung kein Unrechtsbewusstsein hat, gelangt man zu einem vermeidbaren Verbotsirrtum nach § 17 über die Grenzen des RFGrunds
  • für den indirekten Verbotsirrtum folgt die unmittelbare Anwendung des § 17
24
Q

Schuldunfähigkeit: Alkoholrausch

A
  • als vorübergehende Intoxikationspsychose: krankhafte seelische Störung
  • > Gesamtabwägung im Einzelfall, in die psychodiagnostische Kriterien wie die Alkoholgewöhnung, die körperliche Konstitution, das Täterverhalten (planvolles und zielgerichtetes Agieren; Ausfallerscheinungen) und die Schwere des Delikts einfließen
  • > Promillegrenzen der Rspr: ab 2,0 verminderte, ab 3,0 aufgehobene Schuldfähigkeit
  • > bei schweren Delikten 2,2 und 3,3
  • Prüfung neben Begehung aus Vorsatzdelikt:
  • > alic
  • > § 323a
25
Q

P: error in persona bei alic (vgl.bar Bomben-/Giftfalle)

A
  • eA: Der error in persona des schuldunfähigen Täters ist für den noch schuldfähigen Täter der a.l.i.c. eine aberratio ictus. Mithin wäre aus Versuch und einem etwaigen Fahrlässigkeitsdelikt zu bestrafen.
    (+) Im Hinblick auf die Rauschtat läge zwar grundsätzlich ein unbeachtlicher error in persona vor. Da es jedoch als Tathandlung auf das Sich-Berauschen ankommt, stellt sich die Situation als eine beachtliche aberratio ictus dar. Schließlich ist das Tatgeschehen an dem im defekten Zustand gefassten Vorsatz zu messen
  • aA: Der error in persona des schuldunfähigen Täters ist für den noch schuldfähigen Täter der a.l.i.c. ebenfalls ein unbeachtlicher error in persona, sodass aus dem vollendeten Delikt zu bestrafen ist.
    (+) Der Vorsatz des Täters besteht auch in diesem Fall fort.

Der Irrtum über die Person lässt die Vorsätzlichkeit der Tathandlung unberührt und schließt die Bestrafung wegen vorsätzlicher Tatbegehung nicht aus, weil er keine Abweichung der Ausführung von der Planung in einem strafrechtlichen Merkmal zur Folge hat.

  • wA: danach zu differenzieren, inwieweit der Täter noch das Individualisierungsrisiko zu tragen hat

-aA: die Bestrafung nach der nach dem aberratio ictus ist dann zweifelhaft, wenn der Täter davon ausgegangen ist, dass er im Defektzustand, d. h. wenn er zur Tatausführung schreitet, das Opfer noch identifizieren muss. Denn dann ist die spätere Identifizierung vom Vorsatz abgedeckt, und eine fehlerhafte Identifizierung ist ein unbeachtlicher Motivirrtum.
(+) Bei dem Irrtum handelt es sich um eine unwesentliche Abweichung vom Kausalverlauf.
Dies gilt zumindest, soweit aus der Sicht des noch Schuldfähigen derartige Fehlidentifizierungen als im Bereich des Möglichen liegend einzukalkulieren waren.

26
Q

P: § 35 I S. 2 (Zumutbarkeit): Selbstverursachung der Gefahr

A
  • eA: Kausalität im Sinne der Äquivalenztheorie
    con: sehr weite Einschränkung
    con: auch sozialadäquates Verhalten umfasst
  • aA: Schuldhaftes Handeln
    con: ergibt sich als strenge Anforderung nicht aus dem Gesetzeswortlaut (strafbegründende Auslegung)
  • hM: Objektive Zurechenbarkeit: Zumutbarkeit zu bejahen, wenn sich der Täter objektiv pflichtwidrig verhalten und dadurch objektiv voraussehbar die Notstandslage verursacht hat
    pro: Fallgruppen, insbesondere Auftrennung nach Verantwortungsbereichen, in Anlehnung an Kriterien der objektiven Zurechnung möglich
27
Q

P: Ist § 33 (Notwehrexzess) parallel nach den Modellen zur Notwehrprovokation einzuschränken?

A
  • hM: (-)
    pro: nicht gerechtfertigt, ein bestehendes und bereits eingeschränktes Recht auf einer anderen (Schuld-)Ebene noch weiter einzuschränken.
    pro: Systematik: § 33 enthält gerade keine Regelung wie § 35 I 2, die bei einem Vorverschulden die Berufung auf den Entschuldigungsgrund regelmäßig versagt
  • > nur wenn dem Provozierenden ausnahmsweise überhaupt kein Notwehrrecht zusteht, kann auch § 33 nicht eingreifen (seltene Fällen der Absichtsprovokation)
  • aA: (+) (frühere Rspr)
    pro: § 33 dürfe nicht zur Ausräumung eines vorwerfbaren Verhaltens herangezogen werden, das bereits vor dem Eintritt der Notwehrlage eingesetzt habe
    con: auch in Fällen schuldhaft provozierter Notwehrlagen liegt zunächst eine Notwehrlage vor und es werden lediglich die Grenzen des Zulässigen überschritten
    con: Systematik: § 33 enthält gerade keine Regelung wie § 35 I 2, die bei einem Vorverschulden die Berufung auf den Entschuldigungsgrund regelmäßig versagt
  • wA: (BGH): wie hM, jedoch scheide § 33 aus, „wenn der Täter sich planmäßig in eine tätliche Auseinandersetzung mit seinem Gegner eingelassen hat […]“
    con: wie aA
28
Q

Dogmatische Säulen des Notwehrexzesses

A
  • doppelten Schuldminderung
    1. Gedanke der Unrechtsminderung, der sich aus der Anknüpfung an eine objektiv gegebene Notwehrlage ergibt („Teilrechtfertigung“)
    2. Erschwerung der normgemäßen Willensbildung infolge eines asthenischen Affekts
29
Q

Verbotsirrtum: Klassifikation

A
  • direkter Verbotsirrtum: Irrtum über die Existenz eines Verbots
  • indirekter Verbotsirrtum (Erlaubnisirrtum): rechtliche Fehlwertung im Rechtfertigungsbereich (Irrtum über die Existenz eines Rechtfertigungsgrundes oder Irrtum über die Grenzen eines tatsächlich bestehenden Rechtfertigungsgrundes)
  • Subsumtionsirrtum (Abgrenzung zum Tatbestandsirrtum)
  • > wer sich trotz Bedeutungskenntnis (= Parallelwertung in der Laiensphäre) falsche Vorstellungen von der Einordnung seines Verhaltens unter den objektiven Tatbestand einer Strafnorm macht, unterliegt einem bloßen Subsumtionsirrtum
30
Q

P: Verbotsirrtum: Kenntnis der Sanktionierbarkeit als Voraussetzung für Unrechtsbewusstsein

A
  • mM: (+)
    pro: hM legt Unrechtsbewusstsein zulasten des Täters extensiv aus
  • hM: Unrechtsbewusstsein bedeutet, dass „der Täter weiß, dass das, was er tut, rechtlich nicht erlaubt, sondern verboten ist“
    pro: Verbot, das Rechtsgutsschutz dient, kann sich aus den Normen des Zivil- und Verwaltungsrechts ergeben (dabei muss sich das Unrechtsbewusstsein auf die spezifische Rechtsgutsverletzung des in Betracht kommenden Tatbestandes beziehen)
31
Q

Entschuldigungstatbestandsirrtum

A

= der Täter stellt sich irrig tatsächliche Umstände vor, bei deren Vorliegen er insbesondere gemäß § 35, aber ebenso auch nach § 33 oder den Regeln des übergesetzlichen Notstands, entschuldigt wäre (vgl. Katzenkönigfall)

  • > bzgl. § 35: § 35 II
  • > bzgl. anderer Entschuldigungsgründe: § 35 II analog
  • > unbeachtlich sind auf rechtlichen Fehlwertungen beruhende Irrtümer über die Existenz oder die Grenzen eines Entschuldigungsgrundes
    pro: Umkehrschluss aus § 35 II