1/6 (Grundlagen, Tatbestand) Flashcards

1
Q

Kausalität (Äquivalenztheorie)

A

Kausal ist jede Bedingung, die nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele

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2
Q

Handlung (im strafrechtlichen Sinne)

A

= vom menschlichen Willen beherrschte oder beherrschbare Verhaltensweise, die soziale Erheblichkeit besitzt

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3
Q

Lehre von der gesetzmäßigen Bedingung

A

Kausal für den Erfolg ist eine Handlung dann,
wenn sie nach den uns bekannten Naturgesetzen
mit ihm notwendig verbunden ist.

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4
Q

Objektive Zurechenbarkeit

A

Der Erfolg ist objektiv zurechenbar, wenn der Täter durch sein Handeln eine rechtlich missbilligte Gefahr geschaffen (oder erhöht hat), die sich in dem Erfolg konkret niedergeschlagen hat

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5
Q

Fallgruppen zum Ausschluss der objektiven Zurechenbarkeit: Fehlendes rechtlich relevantes Risiko

A
  1. Schadenseintritt außerhalb des menschlichen Beherrschungsvermögens
  2. Sozialadäquates Verhalten (ausdrücklich gestattetes Verhalten, Unerheblichkeit des des Schadens, geringe Schadenwahrscheinlichkeit)
  3. Risikoverringerung (eines ansonsten schwereren Schadens, ohne dass der Täter eine neue Gefahr geschaffen hätte)
    - > eA: keine rechtliche Missbilligung, wenn RGVerletzungen abgeschwächt werden sollen
    - > aA: auf Rechtswidrigkeitsebene zu lösen
    pro: Möglichkeit des Betroffenen, der Umlenkung des Kausalverlaufs zu widersprechen
    - > bei bloßer Risikoersetzung besteht objektive Zurechenbarkeit
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6
Q

Fallgruppen zum Ausschluss der objektiven Zurechenbarkeit: Fehlender Risikozusammenhang

A
  1. Verwirklichung eines an sich neutralen Risikos (allgemeines Lebensrisiko, erlaubtes Verhalten Dritter)
  2. atypischer Kausalverlauf (außerhalb aller Lebenserfahrung, sodass damit vernünftigerweise nicht gerechnet werden muss)
  3. Risikoverwirklichung außerhalb des Schutzbereichs der verletzten Verhaltensnorm (bspw. soll Geschwindigkeitsbegrenzung nach StVO nicht davor schützen, dass Fahrer zu einer bestimmten Zeit nicht an einem bestimmten Ort sind)
  4. Schaffung einer völlig neuen Gefahr
  5. eigenverantwortliche Selbstgefährdung (nicht strafbar, wenn sich das mit der Selbstgefährdung bewusst eingegangene Risiko realisiert; strafbar bei besserer Risikoeinschätzung durch überlegenes Wissen)
    - > Eigenverantwortlichkeit (P)
    - > “Tatherrschaft” über Selbstschädigung
  6. Verdrängung des Erstrisikos durch ein neues Zweitrisiko durch dieselbe Person
  7. Eigenverantwortliches Dazwischentreten Dritter (aber Grundsatz: Auftrennen nach Verantwortungsbereichen)
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7
Q

Kumulative Kausalität

A

Mehrere Täter setzen unabhängig voneinander Bedingungen, die erst in ihrem Zusammenwirken für den Erfolg kausal sind

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8
Q

Alternative Kausalität

A

Modifizierte csqn-Formel: von mehreren Bedingungen, die zwar alternativ, aber nicht kumulativ hinweggedacht werden können, ohne dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele, ist jede für den Erfolg ursächlich

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9
Q

Vorsatzformen

A
  1. Absicht (dolus directus I. Grades)
  2. Wissentlichkeit (dolus directus II. Grades)
  3. Eventualvorsatz (dolus eventualis)
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10
Q

Absicht (dolus directus I. Grades)

A

Absicht ist gegeben, wenn es dem Täter gerade darauf ankommt, den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges herbeizuführen oder den Umstand zu verwirklichen, für den das Gesetz absichtliches Handeln voraussetzt

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11
Q

Wissentlichkeit (dolus directus II. Grades)

A

Wissentlichkeit liegt vor, wenn der Täter weiß oder als sicher voraussieht, dass er den gesetzlichen Tatbestand verwirklicht

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12
Q

Bedingter Vorsatz

A

Dolus eventualis liegt vor, wenn der Täter den Erfolgseintritt als möglich erkannt und diesen billigend in Kauf genommen hat

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13
Q

Kognitive Theorien (dolus eventualis)

A
  1. Möglichkeitstheorie: Handeln trotz Erkennens der konkreten Möglichkeit der Rechtsgutsverletzung
  2. Wahrscheinlichkeitstheorie: Handeln trotz Haltens der Rechtsgutsverletzung für wahrscheinlich (nicht nur für bloß möglich)
  3. Vermeidetheorie: Handeln ohne ernsthafte Vermeidebemühungen
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14
Q

Voluntative Theorien (dolus eventualis)

A
  1. Gleichgültigkeitstheorie: Täter hat keine innerliche Einstellung zum Erfolg, da dieser ihm gleichgültig ist
  2. Ernstnahmetheorie: Täter hat die konkrete drohende Rechtsgutsverletzung erkannt, ernst genommen und sich mit ihr abgefunden
  3. Billigungstheorie: Täter hat den Erfolg als möglich und nicht ganz fernliegend erkannt und ihn gebilligt (bzw. billigend Einkauf genommen - kein Gutheißen, sondern ein Sich-Abfinden)
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15
Q

Bewusste Fahrlässigkeit

A

Liegt vor, wenn der Täter mit der als möglich erkannten Tatbestandsverwirklichung nicht einverstanden ist und ernsthaft - nicht nur vage - darauf vertraut, der tatbestandliche Erfolg werde nicht eintreten

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16
Q

P: Dolus alternativus

A

Vorsatzkombination in Bezug auf zwei oder mehrere Tatbestände, die sich gegenseitig ausschließen

  • eA: allein Vorsatz des schwereren Delikts findet Berücksichtigung (aber: unbillig, wenn nur geringeres Delikt vollendet)
  • aA: allein Vorsatz des vollendeten Delikts (kein Vorsatz bezüglich Versuch, “verbraucht”)
    con: mitunter schweres Versuchsunrecht wird vernachlässigt
  • hM: Vorsatz für das objektiv verwirklichte Delikt; Versuch für das unvollendete
    pro: Tätervorsatz (als dolus eventualis) kann sich auch auf mehrere Varianten erstrecken

-> zu diskutieren nach dem vollendeten Delikt zu Beginn der Versuchsprüfung

17
Q

Dolus cumulativus

A

Vorsatz bezüglich mehrerer, voneinander unabhängiger Deliktsverwirklichungen

18
Q

P: Objektive Zurechnung, wenn der Täter glaubt, der Erfolg sei bereits mit dem ersten Akt eingetreten, dieser jedoch erst mit dem zweiten Akt (Verdeckungshandlung) eintritt? (Vorkonstellation des dolus generalis!)

A

“Objektiv zurechenbar ist ein Erfolg, wenn der Täter eine rechtlich relevante Gefahr geschaffen hat, die sich im tatbestandsmäßigen Erfolg realisiert.”

Ansicht 1: Obj. Zur. (-)
Eine Ansicht verneint in diesem Falle die objektive Zurechnung (= Versuch + Fahrl.). Der Ersthandlung hafte nicht das spezifische Risiko des Erfolgseintritts an.

Ansicht 2: Obj. Zur. (+/-)
Zum Teil wird die objektive Zurechnung dann bejaht, wenn der Täter von vornherein vorhat, die Leiche zu beseitigen.

Ansicht 3: Obj. Zur. (+)
Die h.M. verweist auf die Voraussehbarkeit. Im Zweitakt realisiert sich noch die durch die Ersthandlung geschaffene Gefahr, da der verspätete Erfolgseintritt durch die Zweithandlung noch im Rahmen der allg. Lebenserfahrung liege. Es handelt sich um ein spezifisches Risiko, dass durch die Ersthandlung geschaffen wurde.

19
Q

P: Handelt der Täter vorsätzlich, wenn er glaubt, der Erfolg sei bereits mit dem ersten Akt eingetreten, dieser jedoch erst mit dem zweiten Akt eintritt? Muss sich der Vorsatz auf den Erfolg auch auf die Zweithandlung beziehen?

A

Ansicht 1: Lehre vom “dolus generalis”
Hiernach ist der Täter aus dem vollendeten Vorsatzdelikt zu bestrafen. Beide Teilakte stellen ein einheitliches, von einem einzigen generellen Vorsatz getragenes Handlungsgeschehen dar, weshalb der Täter auch beim Zweitakt vorsätzlich handle.

(-), denn der Täter hat hier keine generelle, sondern meist eine ganz genaue, aber falsche Vorstellung vom Kausalverlauf

Ansicht 2: Zwei selbstständige Teilakte
Hier würde der Täter wegen versuchter Tat in Tatmehrheit (!) mit fahrlässigem Delikt bestraft.
Die Teilakte stellen zwei selbstständige, von unterschiedlichen Vorsätzen getragene Handlungen dar.

(-), denn eine isolierte Betrachtung der Zweithandlung (vorausgesetzt zur Anwendung -> Tatmehrheit!) wird dem Geschehen nicht gerecht.

Ansicht 3: Irrtum über den Kausalverlauf (h.M. Rspr.)
In Anknüpfung an die Ersthandlung entfällt der Vorsatz gem. § 16 I 1, wenn sich der Täter in rechtlich erheblicher Weise über den Kausalverlauf geirrt hat. Unerheblich ist der Irrtum dann, wenn sich der Tathergang noch innerhalb allg. Lebenserfahrung hält und auch die subj. Tätervorstellung keine andere Bewertung rechtfertigt.

(+), der unterschiedliche Erfolgseintritt rechtfertigt keine völlig andere Bewertung.

20
Q

P: Wie ist mit einer Erfolgsherbeiführung durch einen ganz atypischen Kausalverlauf umzugehen?

A
  • eA: Obj. Zur. (-) (h.L.), wenn es niemandem in der sozialen Rolle des Täters möglich gewesen wäre, den Erfolg in sener konkreten Gestalt vorherzusehen -> nicht mehr “sein Werk”, sondern das des Zufalls
  • aA: Subj. TB (-) (Rspr.) - (wie beim dolus generalis) Irrtum über den Kausalverlauf gem. § 16 I 1; dies gilt jedoch nicht, wenn der weitere Geschehensablauf noch voraussehbar war
    Bsp.:
  • Blutverlust -> Bewusstlosigkeit -> Erbrechen in Bewusstlosigkeit -> Ersticken am Erbrochenen.
  • Todeseintritt aufgrund von Wundinfektion nach Messerstichen.
  • Streitentscheid: irrelevant, da h.L. und Rspr. grds. übereinstimmen
21
Q

P: Abgrenzung bewusste Fahrlässigkeit / dolus eventualis?

A
  • eA: “Möglichkeitstheorie”: Täter hat die konkrete Möglichkeit des Erfolgseintritts erkannt und gleichwohl gehandelt
    pro: Wer trotzdem handelt, akzeptiert auch den Erfolgseintritt
    con: zu nahe an der bew. Fahrl. Bei dieser hält der Täter den Erfolg auch für möglich. Das voluntative Element wird außer Acht gelassen
  • aA: “Wahrscheinlichkeitstheorie”: Täter hält den Erfolg für überwiegend wahrscheinlich
    pro: “Wahrscheinlich” ist mehr als “möglich”. Das Für-Wahrscheinlich-Halten indiziert die Billigung.
    con: unklare Abgrenzung zur Möglichkeit
    con: zu nahe an der bew. Fahrl. Bei dieser hält der Täter den Erfolg auch für möglich. Das voluntative Element wird außer Acht gelassen
  • wA: “Gleichgültigkeitstheorie”: Täter steht einer Verletzung des geschützten Rechtsguts gleichgültig gegenüber
    pro: Da Vorsatz iVgl zur Fahrl. die schwerere Schuldform ist, bedarf dieser eines besonderen “Gesinnungsunwerts”.
    con: Beschränkung auf die Wollensebene wird der Komplexität des Vorgangs nicht gerecht
    con: Vorsatz wird von Emotionen abhängig gemacht
    con: bei unerwünschten Folgen liegt eine Ablehnung des Vorsatzes nahe, da angesichts des Nachweises der Gleichgültigkeit eine Ablehnung des Erfolges wahrscheinlicher ist
  • hM: “Ernstnahme -/ Billigungstheorie” (h.L. /Rspr.): Täter hat den Erfolgseintritt als möglich erkannt und diesen billigend inkauf genommen hat (vs. bewusst fahrlässig handelt, wer den Erfolg zwar als möglich erachtet, jedoch ernsthaft (und nicht nur vage) auf dessen Ausbleiben vertraut)
    pro: Unterschied zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit liegt in der bewussten Entscheidung (oder: “willentlichen Stellungnahme”) für eine mögliche Tatbestandsverwirklichung
    pro: Wissens- und Wollenskomponenten werden in Ausgleich gebracht -> zusätzlicher Wertungsspielraum; restriktives Potential (keine Ausdehnung wie bei rein kognitiven Theorien)
22
Q

P: Strafanwendungsrecht: Tatort im Internet bei abstrakten bzw. potentiellen Gefährdungsdelikten (bspw. § 130)

A
  • eA: kein tatbestandlicher Erfolg bei diesen Delikten, an die § 9 Var. 3 StGB anknüpfen könnte
  • aA (BGH): Erfolg tritt dort ein, wo die konkrete Tat ihre Gefährlichkeit im Hinblick auf das im TB umschriebene RG entfalten könne
    pro: Erfolgsbegriff des § 13 erstreckt sich auch auf abstrakte Gefährdungsdelikte
23
Q

Ausschluss der Handlungsqualität

A
  1. vis absoluta
  2. Bewegungsvorgänge ohne Mitwirkung der Geisteskräfte (Schlaf, Ohnmacht)
  3. Reflexbewegungen
    - > jedoch (+) bei bloß automatisierten Verhaltensweisen (Reaktion bleibt dem regulierenden Zugriff des steuernden Bewusstsein offen)
24
Q

P: Kausalität bei Gremienentscheidungen

A

I. Eine Stimme Mehrheit

  • Kausalität aller Gremienmitglieder (+), die mit Ja gestimmt haben (kumulative Kausalität)

II. Mehr als eine Stimme Mehrheit

  • eA: conditio-sine-qua-non-Formel wäre (-), da nur die entstehenden Mehrheit (ungeachtet der konkreten Zusammensetzung) entscheidend ist
    pro: Der Erfolg in seiner konkreten Gestalt beruht auf dem tatsächlich gefassten Beschluss mit der konkreten positiven Stimmenanzahl. Jede Stimme ist Teil des ganzen Beschlusses und hat insoweit eine gesetzmäßige Bedingung für seine Wirksamkeit gesetzt. Also fließen alle Ja-Stimmen in die positive Entscheidung ein und haben sie demgemäß auch verursacht.
    => kumulative / alternative Kausalität
    -eA*: kumulative Kausalität: jede Stimme des Gremiums, obgleich sie unabhängig von den anderen Stimmen keine wirksame (Einzel-)Ursache darstellte, ist erst mit den anderen Stimmen zusammen wirksam daher kausal
    con: jede einzelne Stimme führt gerade nicht mit den anderen Stimmen zusammen den Erfolgseintritt herbei (Mehrheit - 1 wäre immer noch Mehrheit)
  • eA: alternativen Kausalität: mehrere unabhängig voneinander gesetzte Bedingungen, welche zwar alternativ, nicht aber kumulativ hinweggedacht werden können, ohne dass der Erfolg in der konkreten Gestalt entfiele
    con: auch die Gegenstimmen und Enthaltungen wären kausale Bedingungen, postulierte man nicht vorher, dass diese keine für den Erfolg relevanten Bedingungen darstellen. Denn bei alternativer hypothetischer Eliminierung jeder einzelnen Stimme entfällt der Erfolg nicht. Bei der alternativen Kausalität wirkt jede der Bedingungen alternativ, d.h. bei Wegdenken der anderen Bedingungen selbst zum Erfolg führen könnte-> die Bedingungen sind für den Erfolgseintritt nicht voneinander völlig unabhängig
    eA
    *: Kombination aus kumulativer und alternativer Kausalität
    (+) Um dem obigen Einwand, wonach hier die
    einzelne Ja-Stimme den Beschluss nicht bewirkt, entgegen zu treten, muss hier zunächst der Aspekt der kumulativen Kausalität fruchtbar gemacht werden: Jede Ja-Stimme bewirkt zwar nicht allein den Beschluss, aber jeweils kumulativ mit so vielen anderen Ja-Stimmen wie für eine Mehrheit erforderlich. Da nun wegen des Überhangs zustimmender Voten mehrere Möglichkeiten existieren, wie die erforderliche Mehrheit gebildet wird, liegt zwischen der entscheidenden mehrheitsbegründenden Stimme – als welche jede JaStimme für sich angesehen werden kann – und den überzähligen Ja-Stimmen ein Fall der alternativen Kausalität vor. Diese können zwar jeweils einzeln, nicht aber kumulativ hinweggedacht werden, ohne dass der konkrete Erfolg entfiele.
  • aA: Risikoerhöhungslehre: alle Stimmen, die einen Erfolg ermöglichten, sind kausal
    pro: aus einer ex-ante-Perspektive vergrößerte jede dieser Stimmen die Gefahr bzw. das Risiko einer Schädigung des Rechtsguts selbst dann, wenn sich eine Ja-Stimme ex-post als “überzählig” erweist
    con: die Risikoerhöhungslehre deutet contra legem Verletzungsdelikte in Gefährdungsdelikte um
    con: diese Lehre verzichtet auf eine nachweisbare Verknüpfung von erhöhtem Risiko und Erfolg und verstößt damit gegen den in-dubio-pro-reo-Grundsatz.
  • wA (Rspr., Rengier): Mittäterschaft: alle Gremiumsmitglieder haben die gemeinsame Pflicht, einen Beschluss i.S.d. Rechtsordnung zu treffen; jeder Einzelne hätte alles ihm Mögliche und Zumutbare zur Herbeiführung eines solchen Beschlusses tun müssen
    pro: keine Kausalitätsprobleme, weil dann alle Stimmen gegenseitig zugerechnet werden und damit das Gewicht der einzelnen Stimme keine Rolle spielt
    con: Zirkelschluss, da eine mittäterschaftliche Tatbegehung Kausalität des Beitrags zumindest eines Mittäters für den Erfolg voraussetzt
    con: Tatbeherrschung eines einzelnen Mitglieds über das Gremium lässt sich nicht begründen
  • neA: Lehre von der gesetzmäßigen Bedingung: das unterbliebene “richtige” Abstimmen durch jedes einzelne Gremiumsmitglied war notwendiger Bestandteil einer hinreichenden Mindestbedingung für den mehrheitlichen Beschluss
    con: diese Lehre gibt allgemein keinen konkreten Maßstab vor, wann eine “gesetzmäßige Bedingung” genau vorliegt
25
Q

P: Bestimmung der Eigenverantwortlichkeit bei der eigenverantwortlichen Selbstgefährdung

A
  • eA: Maßgabe der Exkulpationsregeln (§§ 20, 35 StGB, 3 JGG)
    con: Entschuldigungsgründe setzen strafbares Unrecht voraus (fehlt bei Selbstschädigungen)
    con: Fälle, in denen der Außenstehende durch das Hervorrufen von Motivirrtümern beim Opfer dessen selbstgefährdendes Verhalten erst auslöst, werden nicht erfasst
  • aA: Maßgabe der Einwilligungsregeln (Dispositionsbefugnis, Einwilligungsfähigkeit, Willensfreiheit) - bei § 216: maßgeblich ist ernstliche Einwilligung
    con: Ernstlichkeit ist weites Kriterium für Gerichte, unvereinbar mit Art. 103 II (Bestimmtheitsgebot)
26
Q

Error in persona vel obiecto

A

I. Unstreitig: Tatbestandliche Ungleichwertigkeit von vorgestelltem und verletztem Tatobjekt:

  • > Vorsatz des Täters nach § 16 I 1 ausgeschlossen, denn dem Täter fehlt die Kenntnis von der Tatbestandszugehörigkeit des verletzten Tatobjekts
  • > Versuch bezüglich des vorgestellten Objekts, ggf. in Tateinheit mit fahrlässiger Tat hinsichtlich des getroffenen Objekts

II. Unterschiedliche Begründungen, unstreitiges Ergebnis: Tatbestandliche Gleichwertigkeit: ohne Bedeutung, weil § 16 I nur auf die äußeren Umstände abstellt, nicht jedoch auf die Identität des Tatobjekts

  1. hM: stellt darauf ab, dass der Täter dasjenige Handlungsobjekt getroffen hat, auf welches sich sein Vorsatz konkretisiert hat
  2. mM: das Konkretisierungskriterium ist gesetzesfremd; die bloße tatbestandliche (“gattungsmäßige”) Gleichwertigkeit von vorgestelltem und getroffenem Tatobjekt reicht aus
27
Q

Irrtum über den Kausalverlauf

A

= (h.M., st. Rspr.) die Abweichung der Vorstellung vom tatsächlichen Geschehen ist dann unwesentlich, wenn sich die Abweichung noch innerhalb der Grenzen des nach allgemeiner Lebenserfahrung Voraussehbaren hält und keine andere Bewertung der Tat rechtfertigt

28
Q

Aberratio ictus

A

I. Unumstritten: Ungleichwertigkeit der Tatobjekte: gem. § 16 I beachtlicher Tatbestandsirrtum
-> Versuch bzgl. des anvisierten und ggf. eine dazu in Tateinheit stehende Fahrlässigkeitsstraftat in Bezug auf das tatsächlich getroffene Opfer

II. Umstritten: Gleichwertigkeit der Tatobjekte

  • > eA: Gleichwertigkeitstheorie: vorsätzlich vollendetes Delikt bzgl. des tatsächlich getroffenen Objekts (Gattungsgleichheit der Tatobjekte)
    con: unterstellt, dass eine Gattungsvorstellung Grundlage der Entscheidung des Täters war und spricht dem Tätervorsatz somit eine Objektindividualisierung ab (Vorsatzfiktion)
    con: Notwehrargument: wenn Täter in Notwehr handelt und einer aberratio ictus unterliegt, wird er womöglich aus dem Vorsatzdelikt bestraft (wollte Menschen verletzen/töten und hat dies erreicht, ist jedoch nicht gerechtfertigt)
  • > aA: Konkretisierungstheorie (hM): Versuch bzgl. des ursprünglich ins Auge gefassten Objekts und ggf. Fahrlässigkeit bzgl. des wirklich getroffenen Objekts
    pro: der auf ein bestimmtes Tatobjekt konkretisierte Vorsatz erweist sich als aliud gegenüber dem bloßen Vorsatz, irgendein Objekt der Gattung zu verletzen
    con: Strafbarkeit wegen Versuchs und Fahrlässigkeit wird dem Unrechtsgehalt der Tat nicht gerecht, da Straftatbestände Rechtsgüter ihrer Gattung nach schützen (kein Vorsatz bei Schuss in Menschenmenge)
    con: ggf. keine Fahrlässigkeitsstrafbarkeit
  • -> dagegen con: quasi nur bei Beleidigungsdelikten denkbar, dort wiederum error in persona möglich
  • wA: Differenzierende Ansicht: das Fehlgehen der Tat führt nur bei der Verletzung höchstpersönlicher Rechtsgüter, nicht aber bei übertragbaren Rechtsgütern (Eigentum und Vermögen) zum Vorsatzausschluss
    pro: die Individualität des Angriffsobjekts ist nur bei Verletzung höchstpersönlicher Rechtsgüter für das im Tatbestand vertypte Unrecht von Bedeutung.
    con: Vergleiche Kritik zu Ansicht 1
    con: Differenzierung nach höchstpersönlichen und nicht höchstpersönlichen Rechtsgütern inkonsequent
29
Q

Subsumtionsirrtum: Bedeutungskenntnis

A

= wer aus der Sicht eines Laien den sozialen und rechtlichen Bedeutungsgehalt des objektiven Tatbestandsmerkmals richtig erfasst (sog. Parallelwertung in der Laiensphäre)
-> Kenntnis hinsichtlich der einzelnen Definitionsmerkmale

30
Q

P: Distanzfälle (Bombenleger- & Giftfalle)

A
  • eA: Aberratio ictus-Lösung: Vorsatzkonkretisierung analog: an die Stelle der – beim sinnlich wahrgenommenen Opfer maßgeblichen – visuellen Erfassung tritt die „geistige Identitätsvorstellung“
    con: allein eine geistige Vorstellung kann nicht zu einer ausreichenden Individualisierung führen
  • aA: Error in persona-Lösung: sinnliche Wahrnehmung entscheidend; wo diese fehle, scheide eine Vorsatzkonkretisierung aus: Angriffsobjekt ist die – nicht individualisierte – Person, die als erste in die Falle gerät con: pauschale Abstellung auf sinnliche Wahrnehmung zu weit
    pro: stimmt in den Ergebnissen oft mit der h. M. überein
  • hM: Individualisierungs-Lösung: Täter, der sich nicht selbst um die Individualisierung kümmert, sondern diese dem Zufall überlässt, trägt das Individualisierungsrisiko
    pro: wer das Tatgeschehen so programmiert, dass nach dem Tatplan und dem gesetzten Ausgangsrisiko auch ein anderer Opfer werden kann, dem wird das Verwechslungsrisiko subjektiv zum Vorsatz zugerechnet wenn sich beim getroffenen Objekt der Erfolg in der für das eigentliche Zielobjekt vorgesehenen Weise realisiert
31
Q

P: “Umgekehrter dolus generalis” (der zur Tötung entschlossene Täter führt – nachdem er das Versuchsstadium erreicht hat – den Erfolg vorzeitig bereits durch die Ersthandlung und nicht, wie eigentlich geplant, durch die Zweithandlung herbei)

A
  • eA (Rspr./hM): vollendetes Vorsatzdelikt (Lehre von der (un)wesentlichen Abweichung im Kausalverlauf)
    pro: Abweichung zwischen dem vorgestellten und dem tatsächlichen Kausalverlauf unerheblich, wenn der Täter nach dem Eintritt der Tat in das Versuchsstadium den Erfolg früher als geplant und nicht erst durch die eigentlich dafür vorgesehene spätere Handlung herbeiführt
    pro: vorzeitige Erfolgsherbeiführung kann unproblematisch objektiv zugerechnet werden
  • aA: Bestrafung aus dem vollendeten Delikt setzt voraus, dass der die Todesursache setzende Täter das Stadium eines tauglichen beendeten Versuchs erreicht hat
    pro: Vollendungsstrafe verdiene der Täter nur, wenn er zum Zeitpunkt der (tauglichen) todesursächlichen Handlung „Vollendungsvorsatz“ gehabt habe
    con: unbeendeter und beendeter Versuch sind gleich behandelt
    con: Täter, der sein Opfer schon mit 3 und nicht, wie geplant, mit 5 Messerstichen tötet, wäre nicht aus dem vorsätzlichen Vollendungsdelikt zu bestrafen
    con: Unterscheidung von Versuchs- und Vollendungsvorsatz nicht im Gesetz angelegt