3/3 (Bürger und Einwohner; Bürgerbeteiligung; Öffentliche Einrichtungen; Anschluss- und Benutzungszwang; Wirtschaftliche Betätigung der Kommunen) Flashcards
Öffentliche Einrichtung, § 10 II GemO
= eine Zusammenfassung von Sach- und Personalmitteln (= Einrichtung),
die durch Widmung der allgemeinen Benutzung durch die Einwohner zugänglich gemacht wird (= öffentlich iSd § 10 II GemO)
(-) bei öffentlichen Sachen im Verwaltungsgebrauch und öffentliche Sachen im Gemeingebrauch (zB öffentliche Straßen)
Öffentliche Einrichtung, § 10 II GemO: Widmung
= öffentlich-rechtliche Willenserklärung, die eine private Sache mit einem öffentlichen Zweck verknüpft (Kreationsakt), zugleich Inhalt, Art und Umfang der Benutzung festlegt (Ausgestaltungsakt) und ein SÖR auf Benutzung begründet (anspruchsbegründender Regelungsakt)
- durch Satzung, Verwaltungsvorschrift, einfachem Gemeinderatsbeschluss, Benutzungsregelung (BeckOK) oder auch formlos oder konkludent (durch faktische Vergabepraxis)
- > Öffentliche Sache (so Ennuschat, anders aber Ehler, der die für eine Widmung zur öffentliche Sache erforderliche Grundlage in § 10 II GemO als nicht ausreichend ansieht)
- Dualismus von Privatrecht und öffentlichem Recht (Theorie des modifizierten Privateigentums): öffentliche Sache unterliegen öffentlichem Recht, soweit Widmungszweck betroffen und das öffentlich-rechtliche Regime (ÖRliche Vorschriften) reicht
Öffentliche Einrichtung, § 10 II GemO: Voraussetzungen der Errichtung
- Verbandskompetenz der Gemeinde, Art. 28 II GG
- > auch mehrörtliche Einrichtungen möglich - Erforderlichkeit, § 10 II S. 1 GemO
- Beachtung der Grenzen der Leistungsfähigkeit, § 10 II S. 1 GemO
- Kein Verstoß gegen andere Rechtsnormen, § 10 II S. 1
- > insb. Grenzen kommunalwirtschaftlicher Betätigung, §§ 102 ff. - Ermessen der Kommune
- > kein originärer Leistungsanspruch der Einwohner auf Errichtung einer öffentlichen Einrichtung
pro: § 10 II S. 2 GemO vermittelt lediglich derivativen Leistungsanspruch auf Zulassung zu bereits errichteten Einrichtungen
Öffentliche Einrichtung, § 10 II GemO: Organisationsform
- Grundsatz des kommunalen Formenwahlrechts
1) Unmittelbare Trägerschaft der Kommune:
a) Regiebetrieb: ohne jede organisatorische sowie ohne rechtliche Verselbständigung innerhalb der Gemeindeverwaltung
b) Eigenbetrieb: mit organisatorischer Verselbständigung innerhalb der Gemeindeverwaltung, aber ohne rechtliche Verselbständigung
c) unselbständige (nichtrechtsfähige) Anstalt oder Stiftung des ÖR, die organisatorisch, aber nicht rechtlich verselbständigt ist
2) Mittelbare Trägerschaft der Kommune (= unter Zwischenschaltung einer rechtlich selbständigen Drittperson)
a) Öffentlich-rechtlich: Anstalt oder Stiftung des ÖR
- > gesetzliche Grundlage erforderlich (bspw. § 102a GemO)
b) Privatrechtlich und vollständig oder mehrheitlich in kommunaler Hand
c) Privatrechtlich und nicht (überwiegend) in kommunaler Hand: idR vertragliche Basis
Öffentliche Einrichtung, § 10 II GemO: Organisationsform: Zurechnung zur Kommune bei mittelbarer Trägerschaft
- Kommune muss Pflicht zur Sicherstellung des kommunalen Einflusses hinsichtlich
1. des Leistungsangebots
2. der Zulassung der Nutzer und
3. der Ausgestaltung des Nutzungsverhältnisses
erfüllen
Öffentliche Einrichtung, § 10 II GemO: Benutzungsverhältnis (Organisationsform)
- Grundsatz der kommunalen Formwahlfreiheit
1) Öffentlich-rechtliche Organisationsform
a) Privatrechtlich: AGB, Engelt
b) Öffentlich-rechtlich: Benutzungsordnung*, Gebühr
- > lediglich Indizien, § 133 BGB analog bestimmt den wirklichen Sinn der Angaben
- > *durch Polizeiverordnung nicht regelbar (VGH), da diese nur auf Ge- und Verbote, nicht auf eine positive Regelung dessen, was erlaubt ist, abzielt (daher kommunalrechtliche Widmung entscheidend)
2) Privatrechtliche Organisationsform
a) Grds. stets privatrechtlich
b) Ausnahme: Beleihung
Schema: Zulassung zu einer öffentlichen Einrichtung, § 10 II S. 2 GemO
A. Zulässigkeit
I. Verwaltungsrechtsweg
- > § 10 II GemO als streitentscheidende Norm, wenn
1. öffentliche Einrichtung vorliegt (Inzidentprüfung)
2. Gegenstand der Streitigkeit das “Ob” der Zulassung ist (Zweistufentheorie)
II. Statthafte RSF
- > bei unmittelbarer Trägerschaft: VK bzw. § 123 VwGO
- > bei mittelbarer Trägerschaft durch privatrechtlich verfassten Dritten: ALK (hL) bzw. § 123 VwGO auf Einwirkung der Gemeinde auf den Dritten
III. Klagebefugnis
- Person einer Personengruppe nach § 10 II-IV GemO
- Parteien: § 10 II GemO iVm Art. 21 GG iVm § 5 I PartG (P)
- Sonstige Kläger/Auswärtige: Art. 3 I GG iVm Vergabepraxis
IV. Klagegegner
-> Gemeinde
V. Weitere Zulässigkeitsvoraussetzungen nach Klage/Antragsart
B. Begründetheit
I. AGL
-> richtet sich nach Personengruppe des Klägers
II. Formelle Anspruchsvoraussetzungen
- Antrag an zuständige Stelle
- Ggf. Form- und Fristvorgaben
III. Materielle Anspruchsvoraussetzungen*
- Öffentliche Einrichtung (Verweis auf A.I.)
- Persönliche Anspruchsberechtigung (Verweis auf A.III.)
- Im Rahmen der Widmung
- > beabsichtige Nutzung muss vom Widmungszweck umfasst sein - Kein Ausschlussgrund
- > rechtswidrige Nutzung, Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung
- > Kapazitätserschöpfung (P): Umwandlung in Teilhabeanspruch (gerichtet auf fehlerfreie Ausübung des Auswahlermessens)
*stets nach diesem Schema prüfen - bei Auswärtigen, die nicht direkt nach § 10 GemO anspruchsberechtigt sind, wird die fehlende Anspruchsberechtigung durch die entsprechenden Normen “überwunden”
Zulassung zu einer öffentlichen Einrichtung, § 10 II S. 2 GemO: AGL bei Zulassung zu festgesetzten Märkten
- bei Bestehen einer gewerberechtlichen Festsetzung (§ 69 GewO): § 70 I, II GewO (lex specialis)
- ohne eine solche: § 10 II S. 2 GemO
Zulassung zu einer öffentlichen Einrichtung, § 10 II S. 2 GemO: Zulässigkeit des Einheimischenprivilegs
- Konformität (+)
pro: Träger der Lasten gem. § 10 II S. 3 GemO
pro: Zulassungsanspruch für andere nach Art. 3 I GG iVm der Widmung (bzw. ständigen oder antizipierten Vergabepraxis) - > Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung, wenn tatsächlich schon einmal Auswärtige zur Benutzung der Einrichtung zugelassen wurden
- > Anspruch auf Zulassung (Ermessensreduzierung auf Null), wenn die Widmung explizit die konkret begehrte Nutzung durch Auswärtige vorsieht oder wenn die Widmung durch die tatsächliche Vergabepraxis konkludent auf die konkret begehrte Nutzung durch Auswärtige erweitert worden ist
Zulassung zu einer öffentlichen Einrichtung, § 10 II S. 2 GemO: Zulassung von Parteien
- Ortsverband: § 10 II, IV GemO
- Landes- oder Bundesverband: § 5 I PartG, Art. 21 GG (iVm Art. 3 I GG)
- > eA: nur Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung
pro: Wortlaut § 5 I PartG: nicht auf Zulassung, sondern nur auf Gleichbehandlung gerichtet - > aA: Zulassungsanspruch (wohl hM)
Zulassung zu einer öffentlichen Einrichtung, § 10 II S. 2 GemO: Im Rahmen der Widmung
- ergibt sich aus “nach gleichen Grundsätzen” oder “im Rahmen des geltenden Rechts”
- Prüfung des ursprünglichen Widmungszwecks und -umfangs
- Prüfung einer expliziten oder konkludenten Widmungsänderung
- > abzugrenzen von einem - vom Widmungszweck abweichenden und damit - schlicht rechtswidrigen Verwaltungshandeln
- > stillschweigender Wille des für die ursprüngliche Widmung verantwortlichen Organs entscheidend
pro: actus-contrarius-Theorie - Prüfung der Zulässigkeit dieser Änderung
- > rechtsmissbräuchliche Widmungsänderung (bspw. Widmungsverengung nach Antragstellung)
Zulassung zu einer öffentlichen Einrichtung, § 10 II S. 2 GemO: Kein Ausschlussgrund
- Rechtswidrige Nutzung
- Verfassungswidrigkeit (-)
pro: Parteienprivileg, Art. 21 II GG - Kapazitätserschöpfung
- > kein Anspruch auf Kapazitätserweiterung (Leistungsanspruch aus § 10 II S. 2 GemO ist derivativ, nicht originär), aber auf optimale Ressourcennutzung
- -> Anspruch auf ermessensfehlerfreie Auswahl
a) Formelle Kriterien: Priorität, Losentscheid, rollierendes System
b) Materielle Kriterien
- > Attraktivität (nach Widmungszweck)
- > “bekannt und bewährt” als nachrangiges Kriterium
- > Einschätzungsprärogative der Gemeinde
Zulassung zu einer öffentlichen Einrichtung, § 10 II S. 2 GemO: RSF bei Begehren der Einwirkung der Kommune auf einen Dritten (mittelbare Trägerschaft)
- hM und BVerwG: ALK
pro: Realakt - > pro: keine Außenwirkung der Einwirkung auf den Antragsteller
con: auch Dritter ist im Rahmen des Verwaltungsprivatrechts bei beherrschender Stellung der öffentlichen Hand grundrechtsgebunden (BVerfG), sodass kein RSB gegeben ist, wenn “Umweg” über die Gemeinde genommen werden soll - mM: VK
pro: Begehren des Bürgers nach wie vor auf Zulassung (= VA) gerichtet; wie die Gemeinde dem im Konkreten nachkommt, ist idR für den Bürger nicht von Belang
pro: entscheidend ist die Auslegung des konkreten Klagebegehrens
pro: konsequente Anwendung der Zweistufentheorie
Zulassung zu einer öffentlichen Einrichtung, § 10 II S. 2 GemO: RSF bei Kapazitätserschöpfung
- AK bzw. § 80 V VwGO
con: idR kein RSB (kein Erreichen der eigenen Zulassung)
pro: möglich, wenn zwei Parteien um einen Platz konkurrieren, wenn AK iVm einer entsprechenden VK kombiniert wird, da dadurch die formelle Bestandskraft der Zulassung des Konkurrenten verhindert wird - VK bzw. § 123 I VwGO: nicht auf bestimmten Platz, sondern auf Zulassung allgemein gerichtet
- > bei Kapazitätserschöpfung: Anspruch auf fehlerfreie (Neu)Auswahl
- > bei Vergabe aller Plätze:
- -> eA: VK bzw. § 123 I VwGO, da Zulassung eines Konkurrenten wieder rückgängig gemacht werden könnte
- -> aA: VK auf eigene Zulassung, AK gegen Zulassung des Konkurrenten (Konkurrentenverdrängungsklage)
con: Begehren des Klägers richtet sich idR nur auf die Zulassung; er kann idR nicht einen Konkurrenten benennen, den er verdrängen möchte (Ausnahme: nur zwei Parteien) - ALK, wenn Kommune Verträge abschließt und mit anderen Konkurrenten kapazitätserschöpfend bereits Verträge abgeschlossen hat
- > im Fall der Grundrechtsverletzung des abgewiesenen Bewerbers wegen rechtswidriger Bevor-zugung des Konkurrenten ist der mit dem Konkurrenten abgeschlossene Vertrag gem. §§ 134, 138 BGB ggf. i. V. m. § 59 I VwVfG als nichtig anzusehen
Anschluss- und Benutzungszwang, § 11 GemO: Tatbestandliche Voraussetzungen
[Wegen Wesentlichkeitsvorbehalt: allgemeine Satzungshoheit aus § 4 genügt nicht -> § 11 GemO]
- Satzung, § 11 I GemO
- Öffentliche Einrichtung iSd § 10 II GemO
- Bestimmter Zweck iSd § 11 I GemO
- Öffentliches Bedürfnis
= wenn der Anschluss- und Benutzungszwang an der Einrichtung für den bestimmten Zweck für die Gemeindeeinwohner (Örtlichkeitsprinzip) nach objektiven Maßstäben vernünftigerweise geboten ist
-> nicht gegeben bei rein fiskalischen Motiven