Wissenschaftstheorie / Erkenntnislehre Flashcards

1
Q

Was ist Wissenschaft?

A

 „Die Gedankengebilde der Wissenschaft sind ein hinterweltliches Reich von künstlichen Abstraktionen, die mit ihren dürren Händen Blut und Saft des wirklichen Lebens einzufangen trachten, ohne es je zu erhaschen“
[Max Weber, Wissenschaft als Beruf, 10. Auflage, Duncker und Humblot, 1996.]

 Wissenschaft will praktisches Handeln an den wissenschaftlichen Erfahrungen orientieren
- Wissen durch Forschung erweitern / erlangen (d.h. Phänomene erklären)
- und durch Weitergabe (Lehre) verbreiten
- Erkenntnissen werden durch die Verwendung von Methoden erreicht [„Methoden des Denkens, das Handwerkszeug und die Schulung dazu“]
- um Klarheit über bestehende Zusammenhänge festzustellen [wenn man X erreichen möchte, muss man das/die Mittel Y anwenden]

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2
Q

Der Forschungskreislauf

A

Fragestellung: Welches Problem soll bearbeitet/ gelöst werden?

Stand der Forschung: Auf welchem Erkenntnisstand baut die Arbeit auf? Was wissen wir bereits?

Wissenslücke: Welches Wissen fehlt? Was bringt der Beitrag Neues?

Methode: Wie sieht der Lösungsweg aus, um zu neuen Erkenntnissen zu gelangen?

Ergebnisse: Welches Material ist dabei entstanden?

Diskussion: Wie sind die Ergebnisse im Lichte der Forschung zu interpretieren?

Ausblick: Wie soll es mit der Forschung
weitergehen? Welche neuen Probleme tun sich auf?

Fragestellung: Welches Problem soll bearbeitet/ gelöst werden?

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3
Q

Wissenschaftliche Erkenntnislehre

A

 Im Unterschied zu Alltagswissen:
- systematisches Schaffen von Wissen
- methodisch abgesichert
- theoretisch fundiert
- unpersönlich (Privatoffenbarungen „ich denke/glaube, dass …“ sind nicht wissenschaftlich)
- Transparenz über das Vorgehen

 Streben nach Erkenntnissen
- Wahrheit herausbekommen
- Beschaffenheit von Zusammenhängen
- Sicherheit über die Erkenntnis

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4
Q

Was ist Wahrheit / Erkenntnis?

A

 1) Aristotelles: möglichst viele Personen stimmen mit einer Meinung oder Annahme überein
 2) Aquin/Kant/Hegel: Wahrheit muss bewiesen werden und von der Allgemeinheit akzeptiert werden (Übereinstimmung zwischen Wissen und dem Seienden)
 3) Marx: Unterscheidung zwischen absoluten (grundsätzlicher) und relativer Wahrheit (Verfeinerung der absoluten Wahrheit); eine „ewige“ Wahrheit gibt es nicht.
 4) Individualismus: Weder Wahrheit, noch Unwahrheit ist beweisbar; es gibt nur eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit
 5) Pragmatismus: Ein Gedanke ist wahr, wenn die Behauptung mit der Realität übereinstimmt (Evidenz).

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5
Q

Wissenschaftstheorie

A

 Wissenschaftstheorie ist keine Faktenwissenschaft; sondern eine Metadisziplin, die die Fragen und Grundlagen wissenschaftlichen Denkens und Handelns analysiert
- Was ist Wissen; was ist Erkenntnis?
- Was ist überhaupt eine „korrekte“ / „wissenschaftliche“ Erklärung?
- Wie sieht eine „korrekte“ / „wissenschaftliche“ Erklärung im Idealfall aus?
- Wie sollte man vorgehen, um Theorien (fachübergreifend) aufzubauen oder zu überprüfen?

 Was ist „wissenschaftliche Vorgehensweise“?

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6
Q

Erlangung von Erkenntnis: Deduktion und Induktion

A

Das „deduktiv-nomologisches Erklärungsmodell“
 Erklärung eines Phänomens durch Ableitung (Deduktion) der das Phänomen beschreibenden Aussage aus Anfangsbedingungen
 Ablauf Deduktion
- Prämisse 1 (hypothetisch / axiomatisch für wahr gehalten / gesetzt)
und
- Prämisse 2 (hypothetisch / axiomatisch für wahr gehalten / gesetzt) und
-…
 Konklusion

Das „empirisch-induktive“ Erklärungsmodell
 Ableitung der Erklärung für ein Phänomens durch Schlussfolgerungen aus Beobachtungen
 Ablauf Induktion
- Beobachtung
- Mustererkennung (Feststellen von Regelmäßigkeiten in Beobachtungen, z.B. gleiche Merkmale über mehrere Beobachtungen)
- Kategorisierung und Begriffsbildung (Zusammenfassen der Muster in den beobachteten Objekten in einer Aussage)
- Projektion (Übertragung der Zusammenhänge auf nicht beobachtete Objekte)

Deduktion vs. Induktion
 Deduktion:
- Alle Studierenden des B.Sc. BWL der Universität Hamburg müssen sich
an der Universität Hamburg immatrikulieren.
- Peter K. ist Studierender des B.Sc. BWL an der Universität Hamburg
 Peter K. ist an der Universität Hamburg immatrikuliert (Problem der Deduktion: Prämissen müssen wahr sein / bewiesen sein)

 Induktion:
- Peter K. ist Studierender des B.Sc. BWL an der Universität Hamburg
- Peter K. ist an der Universität Hamburg immatrikuliert.
 Alle Studierende des B.Sc. BWL der Universität Hamburg haben sich an der Universität Hamburg immatrikuliert
(Problem der Induktion:  ist kein zwingender Schluss)

 Induktion: Erkenntnis durch abstrahierenden Schluss / Verallgemeinerung aus beobachteten Phänomenen (vom Besonderen auf das Allgemeine)

Theorie (allgemein) ⏩️ Deduktion ↪️ Empirie (speziell) ⏩️ Induktion ↪️ Theorie (allgemein)

 Deduktion: Erkenntnis durch Schluss aus gegebenen Voraussetzungen / auf einen spezielleren Fall (vom Allgemeinen auf das Besondere)

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7
Q

Problem der „zureichenden“ Begründung

Mögliche Lösungen das Problem der „zureichenden“ Begründung

Offenbarungsmodell

intellektuelle Intuition / Intellektualismus

A

Kritik an der Deduktion: Problem der „zureichenden“ Begründung
 Wissenschaftliche Erkenntnisse bedingen „wahre Prämissen“, also der Begründung (am besten einer „absoluten“ Begründung)
- D.h., es muss eine Feststellbarkeit von Wahrheit / Entscheidbarkeit über „Wahrheit“ möglich sein
- bedingt „zureichenden“ Grund / (Be-)gründung

 führt zu der Problematik, dass Prämissen ebenfalls begründet sein
müssen:
- infiniter Regress (immer weiter zurück gehende, unendliche Beweiskette; ist praktisch nicht durchführbar)
- logischer Zirkel (Rückgriff auf ebenfalls zu begründende Aussagen, die im Kreis voneinander abhängen)
- Abbruch des Verfahrens an einem bestimmten Punkt (d.h., willkürliche Abkehr vom Prinzip der zureichenden Begründung)

Mögliche Lösungen das Problem der „zureichenden“ Begründung

Rechtfertigungstheorien
 Rekurs auf ein Dogma, eine vermeintliche „Wahrheit“, eine Überzeugung (Resignationslösung), begründet durch
- Offenbarung
- intellektuelle Intuition
- Erfahrung
(D.h., Induktion als Antwort auf die Schwäche der Deduktion bzw.
[vermeintlich] „stärkeres“ Instrument)

Offenbarungsmodell

mögliche Lösung für das Problem der „zureichenden“ Begründung:
 Wahrheit ist offenbar und wird bei der Suche nach Erkenntnissen entdeckt werden (sobald sie zu sehen ist, kann sie von der Falschheit unterschieden werden)
 Dies kann unter Umständen eine vorherige Entschleierung bedingen:
- Erkenntnis der Wahrheit ist von selbst verständlich, während Irrtum einer Erklärung
bedarf (Ideologietheorie des Irrtums)
 Löst das Problem der zureichenden Begründung, da eine als Offenbarung identifizierte Erkenntnis den Ausgangspunkt für eine Begründung legen kann
- wobei beim Auftauchen von Zweifeln am Offenbarungscharakter der Erkenntnis / der Frage nach adäquaten Kriterien der Begründungsregress wieder einsetzt
- Bedingt autoritäres Rechtfertigungsschema [man kann auch von einer Verschiebung des Begründungsproblems in die Frage der Identifikation und Interpretation einer Offenbarung (was gilt als Offenbarung; wer darf Offenbarungen feststellen)]
- Extreme Variante: Deutungsmonopol, Gehorsamkeitsanspruch, Glaubenspflicht und Verfolgung Andersgläubiger
 neuzeitliche Philosophie hat sich von dem „theologischen“ Modell (Deutung gegebener und mit Autorität ausgestatteter Aussagen) insofern gelöst, als dass das Modell naturalisiert (Offenbarung der Natur durch Vernunft und Sinne) oder demokratisiert wurde.

intellektuelle Intuition / Intellektualismus

mögliche Lösung für das Problem der „zureichenden“ Begründung:
 Idee der Souveränität der Vernunft, der intellektuellen Intuition und des Primat des theoretischen Wissens (intellektuelle Intuition)
 „über jeden Zweifel erhabenes Begreifen eines reinen und aufmerksamen Geistes“ [Descartes] ~ Freiheit von Vorurteilen
 Fällen von wahren und begründeten Urteilen bei der Deduktion
 Ableitung von Wissen aus Wissen (Annahme der Existenz allgemeinen Wahrheiten / der
intuitiven Erfassung von Gegebenheiten)
 baut ebenfalls
- auf dem Autoritätsprinzip auf: Autorität des Intellekts
- der Vorstellung eines unmittelbaren Zugangs zur Wahrheit
- Abbruch des Begründungsverfahren durch Rekurs auf Überzeugungen
 Überschätzt Spekulation (beinhaltet per-se keine Erfahrungskontrolle)
 Schwierigkeiten bei der Annahme umwälzender Theorien / verwurzelter
Denkgewohnheiten (Bsp. Einsteins Relativitätstheorie)

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8
Q

Erfahrung, also Induktion als Lösung / Empirismus

A

 Idee: Souveränität der Beobachtung, der Sinneswahrnehmung und dem Primat der Tatsachen

 Ausschließlich Wahrnehmung (unmittelbare Erfassbarkeit von Tatsachen) ermöglicht Zugang zur Realität und damit zur Wahrheit [~ Freiheit von Vorurteilen]

 Verwendung von Induktion, d.h. aufbauend auf dem Ergebnissen von Beobachtungen erfolgende schrittweise Verallgemeinerung

 baut ebenfalls
- auf dem Autoritätsprinzip auf: Autorität der Sinne
- der Vorstellung eines unmittelbaren Zugangs zur Wahrheit
- Abbruch des Begründungsverfahren durch Rekurs auf Überzeugungen

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9
Q

Begründung der Induktion

A

Begründung der Induktion

 Induktion: Erkenntnis durch abstrahierender Schluss / Verallgemeinerung beobachteter Phänomenen (Gewinnung allgemeiner Erkenntnisse aus speziellen)
- John Stuart Mill „die Induktion […] diejenige Verstandesoperation, durch welche wir schließen, daß dasjenige, was für einen besonderen Fall oder besondere Fälle wahr ist, auch in allen Fällen wahr sein wird, welche jenem in irgend einer nachweisbaren Beziehung ähnlich sind“
 Reichenbach und andere entwickelten Modelle/Theorien des induktiven Schließens
- Begründung der Induktion baut u.a. darauf auf, dass ja das Problem des
zureichenden Grundes nicht zu lösen ist,
- D.h., die Deduktion ist deswegen abzulehnen und alles beruht letztendlich auf Empfindungen / Eindrücken / Wahrnehmungen beruhe

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10
Q

Kritik der Induktion

A

Kritik der Induktion

 Kritiker der Induktion:
- David Hume: Erfahrungserweiterung ist durch Induktion nicht möglich; alles was (mit
gegebenen Messinstrumenten) nicht beobachtbar ist, kann nicht erkannt werden
- bzw. kann keine Logik Gehalt unfehlbar „vermehren“
* David Hume & Karl Popper: Beweis durch Induktion ist nicht möglich (von einer endlichen Anzahl von Beobachtungen kann nicht auf die Unendlichkeit geschlossen werden)
* David Hume: sonst wäre der Wahrheitsgehalt von Aussagen (Vermutungswissen) aufgrund von Beobachtungen von Wahnsinnigem und Wissenschaftlers nicht zu unterscheiden

 Induktion
- unterschätzt die Spekulation; ermöglicht nur Aussagen auf Basis des Beobachtbaren, jedoch keine Voraussage unbekannter Tatsachen bzw. die Infragestellung der Beobachtungen
- Zudem ist Wahrnehmung häufig von den gegebenen Theorien (unterbewusst) geprägt und geleitet (herrschende Beobachtungsbereitschaft und –gewohnheiten begünstigen theoriekonforme Beobachtungsresultate)
- Empirie ist damit eher Mittel zur Kritik und damit zur Kontrolle theoretischer Konzeptionen als via Induktionsbeweis deren Basis

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11
Q

Probabilismus / Reichenbach: Induktion und Begründung

A

Probabilismus / Reichenbach: Induktion und Begründung

 Reichenbach bringt Erkenntnis in Verbindung mit dem Wahrscheinlichkeitsbegriff
- Rückzug auf die Ansicht, dass Theorien zwar unbeweisbar sind
- Theorien besitzen jedoch verschiedene Grade an Wahrscheinlichkeit in Bezug auf empirische Evidenz
- Somit verlangte „Redlichkeit“ nur noch „hochwahrscheinliche“ Theorien hervorzubringen

 demnach sind Aussagen immer nur mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit wahr
 dies gilt auch für Beobachtungen, bei denen es zu Fehlbeobachtungen (z.B. durch Halluzination, usw. ) kommen kann
 Erkenntnis ist damit als eine (mathematische) Folge von Beobachtungen / Versuchen zu sehen, die irgendwann zu „wahr“ oder „falsch“ konvergiert
- Erkenntnis wird somit nur bei endlichen Folgen geschaffen
- bei unendlichen Folgen entsteht keine Erkenntnis
- bis zur Schaffung von Wissen/Erkenntnis, d.h. bis zum konvergieren der Folge von Beobachtungen schlägt Reichenbach, pragmatisch, die „Setzung“ vor
 Reichenbach nennt Induktion / Vorgehen alternativlos um das Problem der unzureichenden Begründung zu lösen

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12
Q

Idee der Verifikation von Theorien (logischer Empirismus)

A

Idee der Verifikation von Theorien (logischer Empirismus)
 Wiener Kreis (1922-1936); Schlick, Carnap, Neurath, Hahn, Frank u.a.: logischer Empirismus
- Sinnkriterium / Verifikationsprinzip
* Ideal der „wahrscheinlichen“ Wahrheit anstelle der „bewiesenen“
Wahrheit
* Ein Aussage ist nur dann sinnvoll, wenn es möglich ist, sie mit endlich vielen Beobachtungen zu verifizieren (z.B. „es sind X Personen in diesem Raum“)
- Induktive Logik:
* Aufbau einer formalen Logik um Theorien einen Bestätigungsgrad
aufgrund von Beobachtungen zuzuweisen (relative Häufigkeit)
* Wahrheit einer Theorie hängt demnach von deren Wahrscheinlichkeitsgrad ab
 Kritik von Popper: Beobachtungen sind wegen des Beobachtungsumfelds und / oder spezieller Versuchsanordnungen nie eine (math.) Folge von Ereignissen sondern individuell

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13
Q

Kritischer Rationalismus

A

Kritischer Rationalismus (Karl Popper 1902-1994)
 Abgrenzungs- statt Sinnkriterium
- Unterschied kann nicht „Beweisbarkeit“ sein (lehnt Induktion ab), es sei denn Beweis
eher im Sinne eines Belegs
- sondern „Falsifizierbarkeit“ (als Ausweg für die Unmöglichkeit der Bestätigung von Erkenntnis durch Induktion) um eine (möglicherweise wahre) Theorie einer anderen (mit Sicherheit falschen) Theorie vorzuziehen („Auslese“ / Selektion im Sinne Darwins)
- bei Akzeptanz einer einzelnen Widerlegung einer Theorie muss die Theorie verworfen werden („ein Gegenbeispiel kann ein Gesetz widerlegen“)
 „gute“ / „wissenschaftliche“ Theorien sind
- überprüfbar (sagen also das Nichteintreten bestimmter Ereignisse voraus), also
widerlegbar
- Überprüfung von Theorien erfolgt im Versuch diese zu falsifizieren (bestätigende Versuche sind in dem Sinne „missglückte“ Widerlegungen, d.h. haben nur bewährenden Charakter)
- Falsifizierbarkeit bedingt „echte“ Auseinandersetzung mit einer Theorie; ernsthafter, gezielter Widerlegungsversuch im Vergleich zu konkurrierenden Theorien (z.B. Kepler vs. Newton, Newton vs. Einstein)
- „kritischer Rationalismus“: Bereitschaft offen mit Kritik umzugehen / auch die eigenen Theorien wissenschaftlich zu überprüfen (keine ad hoc Immunisierungsversuche)

Kritischer Rationalismus
 Hieraus folgt für die Wissenschaft: eine immer wieder kehrende Folge des Versuchs der Formulierung von Theorien und der Fehlerbehebung
 in der Hoffnung, dass die „Wahrheit“ irgendwann dabei ist
 ein pragmatisches Problem der ergibt sich für die Praxis:
- Wenn alles potentiell unsicher ist, auf welche Theorie dann für das praktische verlassen?
* kein „verlassen“ möglich, da keine Theorie als wahr erwiesen - Welche Theorie ist aus rationalem Standpunkt zu bevorzugen?
* die „zuverlässigste“, d.h. „bestgeprüfte“ , Theorie ist als Grundlage des Handelns zu bevorzugen
 Rückblick sei hierzu auf die Eingangs vorgestellte Definition für „Wissenschaft“ verwiesen:
„Die Gedankengebilde der Wissenschaft sind ein hinterweltliches Reich von künstlichen Abstraktionen, die mit ihren dürren Händen Blut und Saft des wirklichen Lebens einzufangen trachten, ohne es je zu erhaschen“
[Max Weber, Wissenschaft als Beruf, 10. Auflage, Duncker und Humblot, 1996.]

Grundmodell der (empirischen) Forschung

in Folien Seite 25, 01 folie

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14
Q

Duhemsches Problem / Basissatzproblem

A

Duhemsches Problem, ein Beispiel:
Es liegt die folgende Theorie zur Ziehfestigkeit eines Bindfadens vor:
 Hypothese 1: „Wenn ein Faden mit einem Gewicht belastet wird, das seine Ziehfestigkeit übersteigt, dann reißt der Faden.“
Stellen Sie sich nun ein Experiment vor, mit dem ein bestimmter Faden (ausgelegt für 1⁄2 kg) mit einem Gewicht (1 kg) belastet wird. Hierzu werden die folgenden Hilfshypothesen aufgestellt:
 Hypothese 2: „Das für die Ziehfestigkeit dieses Fadens charakteristische Gewicht ist 1⁄2 kg“
 Hypothese 3: „Das Eisengewicht, das diesen Faden belastet hat, war 1 kg“

Aus dem Experiment resultiert die Beobachtung, dass der Faden nicht reißt.
 Beobachtungssatz O: „Der in Raum-Zeit-Position P gehängte Faden wurde mit einem Eisengewicht von 1kg belastet und er riss nicht.“

Duhemsches Problem, ein Beispiel:
Mögliche Implikationen aus dem Beobachtungssatz O:
 Hypothese 1 wird verworfen / verändert bzw. weiterentwickelt; z.B. wird aus „durch ein Gewicht belastet“ zu „von einer Kraft gezogen“ und wir vermuten, dass ein Magnet die Krafteinwirkung des Gewichts verringert hat.
 Hypothese 2 wird verworfen / verändert bzw. weiterentwickelt; z.B. könnte man anfügen, dass die Ziehfestigkeit von der Feuchtigkeit des Fadens abhängt und, da er feucht war, 1kg betrug
 Hypothese 3 wird verworfen; z.B. hatte das Eisengewicht in Wirklichkeit nur 0,5 kg und die Waage war nicht zuverlässig
 Beobachtungssatz O wird verworfen; z.B. weil der Faden in Wirklichkeit riss und der Beobachter (auch schon bei anderen Experimenten) nicht zuverlässig gearbeitet hat bzw. als merkwürdige Person bekannt ist

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15
Q

Operationalisierung

A

Operationalisierung
Ablaufschema für eine empirische Operationalisierung theoretischer Begriffe

Konzept/Begriff ↓ Definition und Konzeptspezifikation
Dimensionen↓ Festlegung der Indikatoren
Indikatoren ↓ Konstruktion Messinstrumente
Messinstrumente ↓ Messen
empirische Realität/ Sachverhalt

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16
Q

Kritik an Popper / Duhemsches Problem (Basissatzproblem)

A

Kritik an Popper / Duhemsches Problem (Basissatzproblem)
 Pierre Duhem (Aufsatz 1907):
- -
Widerlegung ist schwierig, da wissenschaftliche Theorien in der Regel auf mehreren Hypothesen aufbaut
zudem werden bei einer Überprüfung Hilfshypothesen/-annahmen bezüglich der Messung / Messinstrumente / etc. getroffen

seite 30 folien 01

  • -
    Welches Annahmen sind nun zu verwerfen, die Theorie / ein Teil ihrer Hypothesen oder die Hilfshypothesen?

Theorien sind also auch nicht eindeutig Falsifizierbar

Kritik an Popper / Duhemsches Problem
 Lösung des Korrespondenzproblems bereits bei Formulierung der Theorie - durch definitorische Zuordnung

Konstrukt
Beobachtungsbegriff(e)
Beobachtungsverfahren

  • Bedingung:
  • Eindeutigkeit
  • konkrete Mess- und Beobachtungsanleitungen
17
Q

Skeptizismus

A

Skeptizismus
 Ausgehend von dem (scheinbaren) Scheitern von Deduktion und Induktion gab es in allen Epochen immer wieder Skeptiker, die
- das Rechtfertigungsdenken zwar an sich nicht in Frage stellen
- jedoch zu dem Ergebnis kommen, dass es kein bewiesenes Wissen gibt
(geben kann)
- somit ist Erkenntnis unmöglich (und alles, was wir glauben zu wissen, potentiell falsch)
- Wissen ist demnach ein „animalischer Glaube“
 Bewegung stellt damit aber auch die Möglichkeit zu ‚objektivem‘ Denken in
Frage (Irrationalismus, Mystizismus, Aberglaube)
 Vor diesem Hintergrund sind die Versuche der Intellektualisten und Empiristen zu verstehen, Ihre Vorgehensweise zu begründen / zu retten (denn wissenschaftliche Redlichkeit war und ist vor allem die Forderung, nichts Unbewiesenes zu behaupten)

18
Q

Entwicklung des Falsifikationismus

A

Entwicklung des Falsifikationismus

 Also ist „Ich weiß, dass ich nicht weiß“ (Sokrates, 469-399 v. Chr.) doch richtig?
 Duhemsches Problem führte aber auch zu einer Weiterentwicklung des Falsifikationismus:
- dogmatische“/“naturalistische“ Falsifikationismus
- „methodologischer“ Falsifikationismus (Konventionalismus)
- „raffinierter“ Falsifikationismus

19
Q

Der „dogmatische“/“naturalistische“ Falsifikationismus

A

Der „dogmatische“/“naturalistische“ Falsifikationismus
 Fehlbarkeit aller Theorien
 „Wissenschaftlich redlich“ heißt, beim Aufstellen einer Theorie ein Experiment zu definieren, mit der man die Theorie widerlegen kann
 Unterscheidung zwischen
- Theoretiker (schlägt Theorie bzw. ein System von Hypothesen vor): d.h.,
spektulative Sätze
- Experimentator (widerlegt Theorie durch beobachtete Tatsachen): durch Beobachtungssätze bzw. auch Basissätze genannt
 Hieraus ergibt sich die Problematik, dass auch die Aussage des Basissatzes (Beobachtung) nicht bewiesen werden kann (hängt nämlich von den Beobachtungsbedingungen/-methoden ab)
 somit sind Theorien streng genommen auch nicht widerlegbar, da die Kritik an ihnen ebenfalls einen Satz darstellt, der wiederum nur falsifiziert werden kann

20
Q

Der „methodologische Falsifikationismus (Konventionalismus)

A

Der „methodologische Falsifikationismus (Konventionalismus)
 Theorien werden durch Versuch und Irrtum in mehreren Epochen entwickelt
- I) Induktive Epoche: ‚Beweis‘/‘Bestätigung‘ durch lange und vorwiegend apriorische
Überlegung
- II) daraus folgend ein methodologischer Entschluss: Setzung der Theorie als Wahrheit und Verweigerung Ihrer Widerlegung
- III) Nachfolger der induktiven Epoche: kumulative Entwicklung von Hilfstheorien zur Erklärung von Anomalien (sogenannte konventionalistische Wendungen);
 Falsifikationen sind erst ‚gültig‘, wenn sie von der Allgemeinheit anerkannt werden; dafür gibt es ‚Sicherheitskontrollen‘ (z.B. Wiederholung von Experimenten, d.h., von der Allgemeinheit akzeptierte Falsifikationen)
 die Widerlegung des methodische Falsifikation ist definiert als ‚Akzeptanz der Widerlegung durch die Wissenschaftler/Allgemeinheit‘ und eben nicht – im Gegensatz zum dogmatischen Falsifikationismus – durch das Auftreten eines Beweises für die Falschheit einer Theorie
 Der Forscher hat demnach die Wahl, ob er nach einem Experiment die empirischen Basis z.B. aufgrund des Designs des Experiments, die Anomalien aus der Versuchsumgebung ablehnt, die Ceteris-paribus-Annahme verletzt sieht oder die Theorie ablehnt

21
Q

Der „raffinierte“ Falsifikationismus

A

Der „raffinierte“ Falsifikationismus
 gesteht ein, dass eine endgültige Falsifikation nicht möglich ist
 lehnt aber auch die Ad-hoc Hilfshypothesen der Konventionalisten ab
 sieht Fortschritt als Evolution von Theorien, d.h. Theorien als aufeinander aufbauende Reihe mit steigendem Gehalt
- „Wissenschaftlichkeit“ bei progressiver Entwicklung durch die neue Hilfshypothese (die dadurch entstehende neue Theorie hat mehr Gehalt)
- „Pseudowissenschaftlichkeit“ bei degenerativer Entwicklung (die durch die Hilfshypothese entstehende neue Theorie hat nicht mehr Gehalt, z.B. Verweis auf Anomalien)
 Weitere Unterscheidung zwischen
- theoretisch progressiv (Theorie mit mehr Gehalt, Mindestbedingung)
- empirisch progressiv (empirische Bewährtheit des neuen Gehalts)

Der „raffinierte“ Falsifikationismus
 D.h., eine alte Theorie (mit den nun bekannten Mängeln) bleibt so lange erhalten bis eine progressive Weiterentwicklung gelungen ist
- Z.B. Modifizierung einer Annahme der Theorie oder der Hilfshypothesen (neuer Gehalt)
- Prüfung, ob sich geänderte Theorie / Hilfshypothesen empirisch bewähren
- dadurch: systematische Weiterentwicklungen
 ansonsten gelten die Prinzipien des kritischen Rationalismus weiter:
- Betrachte jede Annahme als grundsätzlich fehlbar (alle Theorien/Gesetze sind
Annahmen)
- Formuliere bzw. entwickle eine Theorie so, dass sie prüfbar wird (am besten unter Angabe der Bedingungen ihrer Überprüfbarkeit)
- Führe ernsthafte, informative Prüfversuche durch
- Verteidige Theorien nur durch Änderungen, die neue prüfbare Folgen haben
 in der Praxis können Erweiterungen so schnell vorgeschlagen werden, dass die Widerlegung der Theorie n nur n+1 bewährt
- Proliferation von Theorien schreitet zumeist schneller voran als die Versuche einer Bewährung (theoretisch gibt es unendlich viele zusätzliche Hypothesen / Erweiterungen für eine Theorie)

22
Q

Übersicht über Falsifikationismus

A

Übersicht über Falsifikationismus
 dogmatischer F.:
- Jede Theorie ist wissenschaftlich (akzeptabel) wenn sie sich experimentell falsifizieren lässt
- ist dann widerlegt, wenn sie durch einen (akzeptierten) Basissatz widerlegt wurde
- methodisch heißt dies: Hilfshypothesen der Beobachtung werden zu nicht-problematischen Hintergrundkenntnissen erklärt, damit aus dem Modell der Überprüfungssituation eliminiert  erzwingt logische Isolierung der zu überprüfenden Theorie
 methodologische Falsifikationismus
- Theorien sind falsifizierbar
- Gemeinschaft (der Wissenschaftler) muss die Falsifikation jedoch akzeptieren
- enthält damit dogmatische Elemente / Rückgriff auf die Autorität der „Mehrheitsentscheidung“
 raffinierter F.:
- Unterscheidung in den Regeln des ‚Akzeptierens‘ und des ‚Falsifizierens‘; neue Theorie ist nur dann wissenschaftlich wenn sie einen Gehaltsschluss über ihren Vorgänger besitzt, d.h. neuartige Dinge vorhersagt, die der Vorgänger verbot / dort nicht wahrscheinlich sind,
- ein Teil des (bewährten) Gehalts des Vorgängers in der neuen Theorie enthalten ist
- und auch die neuartige Theorie bewährt ist (nicht notwendige Bedingung) „Wachsen“ ohne „Widerlegung“

23
Q

Was ist dann wissenschaftlicher Fortschritt?

A

Was ist dann wissenschaftlicher Fortschritt?
 Popper: Wissenschaftsprozess verläuft kumulativ; zunehmende Wahrheitsnähe durch den fortschreitenden Wissenschaftsprozess (durch das kritische Prüfen von Theorien)
 Fortschritt ist rationaler Prozess!
 Kuhn: Theoriewandel durch Paradigmenwechsel, Wissenschaftsentwicklung folgt Phasenmodell (Wechsel der Paradigmata führt jedoch nicht immer näher und näher an die Wahrheit)
 Fortschritt ist eine Art mystische Bekehrung / wie ein religiöser Wandel
- wissenschaftliche Communities wollen Theorien nicht widerlegen (bietet Sicherheit, ist
bekannt, dadurch Wissensvorsprung der Alteingesessenen)
- Grundgedanken einer Theorie werden akzeptiert ähnlich wie ein religiöser Glaube (Paradigma); genau dies ermöglicht es, sich mit den Details einer Theorie/Paradigma auseinander zu setzen und innerhalb dessen Erkenntnisse zu gewinnen
- Kritik am geltenden Paradigma ist nur selten, z.B. in Krisenzeiten des Paradigmas, erlaubt
- Ein Vergleich zweier Theorien im selben Versuch ist de facto unmöglich; da sie von den jeweiligen Verfechtern nicht im selben empirischen Relativ messbar / für vergleichbar gehalten werden (Inkommensurabilität)
- Wechsel zwischen Paradigmen führt zunächst zu Rückschritt (alle bisherigen Erkenntnisse müssen im neuen Theorierahmen erneut „gelöst“ werden)

24
Q

Struktur der wissenschaftlichen Revolution (nach Kuhn)

A

Struktur der wissenschaftlichen Revolution (nach Kuhn)
 Wissenschaftsentwicklung folgt nach Thomas S. Kuhn (1922-1996) einem Dreiphasenmodell:
- Vorparadigmatische Phase (vornormal)
* Pluralismus konkurrierender Ansätze
* Kein Konsens bezüglich der Grundlagen eines Fachgebiets
* uneinheitlicher Wissenskanon
* keine einheitlichen Methoden
- Paradigmatische Phase (normal)
* Herrschendes wissenschaftliches Paradigma
* einheitliche Methode
* Konsens der Fachleute bezüglich der wissenschaftlichen Grundfragen
* es existiert ein allgemeiner Maßstab, was Wissen ist (z.B. in Lehrbüchern)
- Revolutionäre Phase
* Auftreten von Anomalien, die mit dem herrschenden Paradigma nicht im Einklang stehen
* Fachwissenschaftliche Unsicherheit bezüglich Paradigma (Wucherung verschiedener Versionen einer Theorie, Korrekturen am Paradigma führen zu neuen Widersprüchen)
* Auftauchen einer neuen / neuer Theorie(n), die die Anomalien besser erklären

25
Q

Was ist dann wissenschaftlicher Fortschritt?

A

Was ist dann wissenschaftlicher Fortschritt?
 in der Praxis:
- „Entscheidend“ ist ein Experiment (und dessen Ergebnis) immer nur rückblickend
- Bedeutung eines Experiments wird immer am Stand der Forschung gemessen (z.T. werden Ergebnisse erst Dekaden später anerkannt)
- Wissenschaft ist durchaus zu begreifen als ein „Schlachtfeld“ von Theorien und Forschungsprogrammen (Theorien haben eine gewisse Zähigkeit)
- allerdings ist Theoriepluralismus (Popper) deutlich häufiger zu finden als Theoriemonoismus (Kuhn)
 Kuhn‘s Paradigmenwechsel sind für Anhänger Poppers somit „normale“ Forschungsprogramme und deren Voranschreiten
 Popper postulierte anstelle vom Problem der Begründung (dessen Nicht-Lösung bei Kuhn im irrationalen Voranschreiten der Wissenschaft zum Ausdruck kommt) das „fehlbar-kritische“ Wachstum (progressive / degenerative Problemverschiebungen)
 Man könnte auch sagen
- Kuhn beschreibt den Wandel des Geistes, des Wissenschaftler (eher psychologisches
Modell)
- Popper beschreibt das Wandel in der Wissenschaft (erkenntnistheoretisches Modell)

26
Q

Anwendung in den Sozialwissenschaften (und damit auch der BWL)

A

Anwendung in den Sozialwissenschaften (und damit auch der BWL)
 Popper:
- keine Unterscheidung
- Ausgangspunkt ist ein im Spannungsfeld zwischen Wissen und Nichtwissen beobachtetes „Problem“
- Das führt zu Theorien über dessen Lösung (Wissensvermutung)
- Diese werden überprüft (damit Unterscheidung Wissen <-> Nichtwissen)
- Der Grad des Fortschritts misst sich in der Qualität des Problems
- Rein beobachtende Wissenschaft kann es demnach nicht geben; sondern nur Wissenschaft, die mehr oder weniger bewusst theoretisiert
 Adorno:
- sieht den Ausgangspunkt der Sozialwissenschaft nicht ausschließlich von (Einzel- )„Problemen“ geleitete, sondern in der Erfassung der Gesellschaft selbst als „Problem“ (Forschungsgegenstand ist demnach das System selbst)
- Zudem lehnt er die Trennung von Theorie und Empirie in den Sozialwissenschaften (insbesondere der Soziologie) ab
- Theoriebildung bedarf anfänglicher Beobachtung (auch wenn Einzelbeobachtungen z.B. nichts über die Struktur der Gesellschaft aussagen)
- Gesellschaft ist keine Synthese (im Sinne einer Theorie) sondern nur mit ihren Widersprüchen zu erklären

27
Q

Zusammenfassung

A

Zusammenfassung

 Rechtfertigungstheorien
- klassische Rechtfertigungstheorien dulden nur bewiesene Theorien
- neoklassische Rechtfertigungstheorien kennen nur die Wahrscheinlichkeit Theorien
- Falsifikationisten sehen alle Theorien als vorläufig an
 Wann tritt Fortschritt ein?
- klassische Rechtfertigungstheorie: wenn eine neue Theorie „bewiesen“ wurde
- dogmatischer Falsifikationismus: Proliferation muss sofort nach Widerlegung erfolgen
- Kuhn: „Warten“ auf Vertrauenskrise
- raffinierter Falsifikationismus: Proliferation kann sofort erfolgen, muss es
aber nicht

28
Q
A
29
Q

Unterscheidung zwischen Hypothesen, Theorien und Gesetzen

A

• Hypothesen
- Aussagen, die einen Zusammenhang von mindestens zwei Variablen postulieren
- Variablen: Namen für die Menge von Merkmalsausprägungen, die Objekten zugeschrieben werden z.B. Geschlecht
- Anforderungen an Hypothesen: Widerspruchsfreiheit, hoher Informationsgehalt, klar und präzise, keine Schlupflöcher, empirisch testbar

• Gesetze: strukturell identisch mit Hypothesen. Gesetzesbegriff wird dann verwendet, wenn sich entsprechende Aussage bereits häufig in der Realität bewährt hat

• Theorie
- System bestehend aus mehreren logisch widerspruchsfreien und empirisch gehaltvollen Aussagen (Hypothesen) oder Gesetzen
- Zentrale Hypothese(n) einer Theorie schwer prüfbar, daher Prüfung von abgeleiteten Hypothesen

Beispiele

• Allgemeine Theorien
- Kritische Theorie
- Modernisierungstheorie
- Systemtheorie
- Strukturfunktionalismus
- Theorie des kommunikativen Handelns
- Rational Choice Theorien

• Spezielle Theorien, z.B.
- Arbeitsmarkttheorien
- Humankapitaltheorie
- Job Competition Theory
- Theorie interner Arbeitsmärkte
- Economic Segmentation Theory
- Arbeitsmarktsegmentationstheorie
- Effizienzlohntheorie

30
Q

Theorie und Modell

A

• Motive für Bildung und Verwendung von Theorien
- Erkenntnisgewinn durch Erfassen zentraler d.h. übergreifender kausaler
Zusammenhänge
- Man möchte weg vom konkreten Fall

• Modell als Zwischenschritt des Weges von Theorie zu Empirie
- Möglichst realistisches Abbild der Wirklichkeit
- Erfasst nicht alle Attribute der Realität, sondern nur die aus Sicht des Modellbildenden relevanten Attribute
- Dient der Verdeutlichung
- Modell wird in der Regel grafisch oder mathematisch ausgedrückt, kann aber auch verbal umschrieben werden z.B. Philosophie

• Beispiel: Ökonometrisches Modell
9. = B. + B, PRIV,+ B, POST,+ B, PRIV, POST.+ B.Z,+ •*

31
Q

Typen probabilistischer Hypothesen

A

Typen probabilistischer Hypothesen

A) Wenn-dann-Hypothese
Unabhängige und abhängige Variable: jeweils 2 Werte
Z.B. Geschlecht: männlich / weiblich.
TV-Konsum: Vielseher / Wenigseher
• Implikationsbeziehung: A→B, ~ A ist irrelevant.
Z.B. Männer sind Vielseher
• Äquivalenzbeziehung:
Nur-wenn-dann-Hypothese: A→B, ~А-~B Z.B. Männer sind Vielseher, Frauen dagegen nicht

Typen probabilistischer Hypothesen
B) Je-desto-Hypothese
Unabhängige und abhängige Variable: jeweils Rangfolge
Z.B. Bildung und TV-Konsum in Minuten/Tag
Zusammenhänge
• Monoton steigend: Positive Beziehung
Monoton fallend: Negative Beziehung
• Nicht-monoton: z.B. u-förmig, umgekehrt u-förmig, s-förmig, konkav, konvex
Beispiel:
• Es wird vermutet, dass die Produktivität von Wissenschaftlern bei Erhalt zusätzlicher Ressourcen, z.B. gut ausgestattetes Labor, zunächst steigt, aber irgendwann eine Sättigung eintritt und ein Mehr an Ressourcen nicht mehr zusätzlichen Output erzeugt
. Hypothese: Der Einfluss von Ressourcen auf die Forschungsproduktivität von Wissenschaftlern ist umgekehrt u-förmig

32
Q

Kausalität von Hypothesen

A

Kausalität von Hypothesen

  1. Merkmalsassoziation
    Zusammenhanghypothese ohne Ursache-Wirkung
    - Beispiel „Zwischen dem Standort und dem Unternehmenserfolg besteht ein
    Zusammenhang”
  2. Kausalhypothese
    - Wenn→dann-Hypothese: Ursache-Wirkung
    - Je→desto-Hypothese: Ursache→ Wirkung
  3. Entwicklungs- / Trendhypothese
    - „Zeit” als unabhängige Variable (erklärende Variable)
    - Beispiel „Je schneller der medizinisch-technische Fortschritt, desto intensiver ist der Wettbewerb unter den Krankenhäusern”
33
Q

Merkmalsebene von Hypothesen

A

Merkmalsebene von Hypothesen
• Individualhypothese
Unabhängige und abhängige Variable: Individualmerkmale z.B. Alter und Gesundheit, Bildung und Einkommen
• Kollektivhypothese
Unabhängige und abhängige Variable: Kollektivmerkmale z.B. je höher der Anteil an zufriedenen Mitarbeitern desto geringer ist der Anteil der Kündigungen gemessen an der Gesamtbelegschaft pro Jahr
• Kontexthypothese
Unabhängige Variable: Kollektivmerkmal
Abhängige Variable: Individualmerkmal
z.B. Je höher der Anteil an Akademiker eines Betriebes, desto geringer ist das individuelle Entlassungsrisiko

Unabhängige Variable
Individualhypothese
Kollektivhypothese
Kontexthypothese
-Individualmerkmal
Kollektivmerkmal
Kollektivmerkmal
Abhängige Variable
Individualmerkmal
Kollektivmerkmal
Individualmerkmal

34
Q

Verifikation, Falsifikation

A

Verifikation, Falsifikation

• Induktionskritik:
- Von endlichen Beobachtungen kann nicht auf (potentiell) unendliche Menge
geschlossen werden.
- Daher sind Theorien und Hypothesen nicht verifizierbar.
- Endgültige „Wahrheit” von Hypothesen lässt sich nicht überprüfen (z.B. Alle
Schwäne sind weiss*).

  • D.h., Hypothesen sind solange gültig, bis sie falsifiziert sind.

Mögliche Irrtümer:
- Fehler 1. Art: richtige Hypothese wird fälschlicherweise verworfen
- Fehler 2. Art: falsche Hypothese wird fälschlicherweise beibehalten

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Q

Verfeinerter Falsifikationismus

A

Verfeinerter Falsifikationismus
• Sozialwissenschaftliche Hypothesen sind nicht gleich nach der ersten Falsifikation zu
verwerfen
• Sozialwissenschaften kennen keine „Gesetze” ähnlich der Naturwissenschaften
(Anomalien sind „normal”)
• Bei erster Falsifikation:
- Modifikation / Diversifizierung der Ausgangshypothesen (interaktiver Prozess von Theorie und Empirie)
- Aber: Verwerfen der Theorie bei häufiger Falsifikation und „besserer”
Alternativtheorie

36
Q

Hypothesentests

A

Hypothesentests und Beispiel
Nullhypothese: Es besteht kein Zusammenhang zwischen der Dauer der sitzenden Tätigkeiten und den Beschwerden im Wirbelsäulenbereich (Nullhypothese oder H0).

S16 UND 17 Folie 2b Teil 1

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Q
A