Wahrnehmung Flashcards

Wahrnehmungspsychologie

1
Q

Was ist Wahrnehmung

A

Aktivität der Sinnesorgane und Sinnesrezeptoren sowie die damit einhergehenden psychischen Prozesse, die es Lebewesen ermöglichen, Informationen aus der Umgebung aufzunehmen, um sich erfolgreich an die Anforderungen der Umgebung anpassen zu können.
Ohne Wahrnehmung können wir kein Wissen erwerben und nicht erfolgreich handeln. Ohne erfolgreich handeln zu können, wäre es uns nicht möglich, uns an die Anforderungen anzupassen, die uns unsere natürliche physikalische und biologische Umwelt, aber auch unsere Kulturumgebung stellen.

Die Aktivität der Sinne ist nicht hinreichend für Wahrnehmungen

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2
Q

Grundannahme der Wahrnehmungspsychologie

A

die Sinne vermitteln die Informationen über die Umgebung eines Lebewesens

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3
Q

Grundannahme des Empirismus:

A

Was nicht in den Sinnen war, wird auch nicht in den Verstand kommen
Eine bedeutende Quelle unserer Erfahrung ist daher die Aktivität unserer Sinne
Am Verhalten ist dann zu erkennen, ob die aus der Umgebung aufgenommene Information zu erfolgreichen Anpassungsleistungen an die Umgebung führt

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4
Q

ein wichtiges Ziel der Wahrnehmungspsychologie

A
  • wie Sinnessysteme funktionieren, so dass sie Informationen aus der Umgebung aufnehmen können
    Sinne und Umgebung!
  • in welcher Weise hängen die physikalischen Reize funktionell mit den Sinneserlebnissen zusammen
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5
Q

Grundproblem der Wahrnehmungspsychologie:

A

Wie kommt die Welt in den Kopf?

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6
Q

Kriterien zur Einteilung der Sinne

A
  1. Wahrnehmungserleben
  2. Funktion der Rezeptoren
  3. Art der Reize

Die Aktivität der Sinne ist eine notwendige Bedingung für Wahrnehmungen.
(Bsp.: Ausfall eines Sinnessystems wie Blindheit -> keine visuelle Kenntnisnahme)
Die Aktivität der Sinne ist nicht hinreichend für Wahrnehmungen

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7
Q

Wahrnehmungserleben

A

Alltagspsychologie, orientiert am Wahrneh- mungserleben, werden fünf Sinne = Sinnesmodalitäten unterschieden

  1. Nahsinnen: Tasten, Riechen, Schmecken
  2. Fernsinne: Sehen, Hören (fern von der Körperoberfläche, aber mit sensorischem Kontakt zu Teilen der Körperoberfläche)

+ Druck-, Temperatur-, Schmerz- und Gleichgewichtssinn

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8
Q

Art der Reize

A

Chemorezeptoren
Rezeptoren, die durch Moleküle gereizt werden, Riechen und Schmecken
Mechanorezeptoren
durch mechanische Krafteinwirkung wie Druck gereizt, z. B. die Vater-Pacini Körperchen der Epidermis, Gleichgewichtssinn

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9
Q

Funktion der Sinnesorgane

A

Exterozeption
Aufnahme von Reizen aus der Umgebung

Interozeption
Aufnahme von Reizen aus dem Körperinneren, Haut-, Lage- und Bewegungsempfindungen, die auf den Sinnesorganen und Sinnesprozessen basieren, die in der Haut, den Skelettmuskeln, den Sehnen und Gelenken und den Eingeweiden, also Sensibilität für die inneren Organe (Viscerozeption)

Propriozeption
Wahrnehmung der Lage, Stellung und Bewegung von Körperteilen und des gesamten Körpers + Abgrenzung des Körperselbst vom Nicht- Selbst

Somatosensorik
Haut-Skelettmuskelsystem

sensu-motorische Systeme
Zusammenspiel der Sinne mit dem motorischen System, alle Koordinationsleistungen

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10
Q

Koordination

A

Körperteile können nicht gleichzeitig, in beliebiger Reihenfolge, mit beliebiger Kraft und beliebiger Dauer bewegt werden

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11
Q

ökologische Wahrnehmungstheorie

A

das Sinnessystem dient nicht dazu, die Umgebung abzubilden, sondern um effektives Handeln zu ermöglichen. Effektives Handeln setzt aber stets voraus, dass Sensorik (=alle Sinnessysteme) und Motorik (=alle motorischen Systeme) zusammenwirken, um die Kombination des Eigenkörpers mit Fremdkörpern ziel- konform zu koordinieren. Das Eingreifen in die Umgebung stellt also immer ein Koordinationsproblem für den Organismus dar.

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12
Q

ökologische Wahrnehmungstheorie nach James J. Gibson

A

Fremdverursachte Erregungen = exterozeptiv
selbstverursachte Erregungen = propriozeptiv. Danach kann ein Sinnesorgan sowohl im Dienste der Exterozeption wie auch der Propriozeption stehen. Augenbewegungen erzeugen propriozeptive visuelle Bewegungsreize und bewegte Lichtreize exterozeptive

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13
Q

Wahrnehmungen der Umgebung

A

bestimmte Objekte und physikalische Prozesse kommen mit den Rezeptoren und den Sinnesorganen der Körpergrenzfläche in Kontakt

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14
Q

Reiz (Stimulus)

A

eine physikalische und damit messbare Größe
Was ein Reiz ist kann man aber nur bestimmen, wenn man seine Wirkung auf den Organismus, speziell auf dessen Sinneszellen, beobachten kann = Reaktion

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15
Q

Reaktion

A

beobachtbare Wirkung eines Reizes auf den Organismus, speziell auf dessen Sinneszellen, d.h. es werden stets Stimulus-Reaktions-Paare untersucht
Ohne die Erforschung der Reaktion eines wahrnehmenden Wesens weiß man nichts über die Wahrnehmungsleistung und ohne die Wahrnehmungsleistung kann man keine Rückschlüsse auf dasjenige ziehen, was an einem Reiz ursächlich auf den Wahrnehmenden wirkt

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16
Q

Distaler Reiz

A

Objekte und die physikalischen Prozesse der Umgebung
distalen Reize wirken auf Rezeptoren ein, so dass sich die Zustände dieser Rezeptoren ändern. Diese elektrisch-chemische Zustandsänderung von Rezeptoren ist eine Wirkung des distalen Reizes

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17
Q

Proximaler Reiz

A

Rezeptorenerregung
Der proximale Reiz ist eine Transformation der physikalischen Energie des distalen Reizes in Erregung, was voraussetzt, dass sich die Rezeptoren, die Sinneszellen, durch den Reiz erregen lassen. Diese Erregung wird über die nachgeschalteten Nerven über bestimmte Netzwerke weitergeleitet (Transduktion), wenn die Erregung groß genug ist, um in den nachgeschalteten Nervenzellen Aktionspotentiale auszulösen

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18
Q

Kontaktprinzip des Reizes

A

Ein Reiz ist etwas, das in Kontakt mit den Rezeptoren eines Organismus tritt, diese verändert, so dass diese „gereizt“ sind. Diese Erregung führt zu Änderungen mechanischer, chemischer und elektrischer Eigenschaften von Rezeptoren, was wiederum zu Änderungen der elektrochemischen Eigenschaften der mit diesen verbundenen Nervenzellen führt. Auch hier gilt das Kontaktprinzip. Die Erregung wird von Zelle zu Zelle weitergegeben, von der Peripherie des Organismus zu den zentralen Verarbei- tungsbereichen des Gehirns (Afferenz). Die meisten Sinneserregungen führen nicht zu bewussten Wahrnehmungen. Man kann dann nur mit Hilfe von sinnes- physiologischen Methoden die Reizwirkung registrieren, die elektrischen Erre- gungsvorgänge in den Sinneszellen oder nachgeschalteten Nervenzellen

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19
Q

Bewusste Wahrnehmung

A

Ein Reiz führt zu einer bewussten Wahrnehmung führt (Sinneserlebnis, Phänomen)
Seine physikalischen Wirkungen auf das Sinnessystem kann mit psychologischen Methoden untersucht werden
Die Erforschung der physikalischen Wirksamkeit eines Reizes hat aber das Problem, dass Reiz und Wahrnehmung nicht unmittelbar aufeinander folgen. Zwischen Reiz und Wahrnehmung liegen komplizierte physiologische Vorgänge der Erregungsbildung an den Rezeptoren, der Transduktion der Erregung in nachgeschalteten Nervennetzen, die diese an der sensorischen Peripherie gebildeten

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20
Q

vom Reiz zur Wahrnehmung (Transformation)

A

Distaler Reiz (Außenwelt) >
entsprechnedes Sinnesorgan (Innenwelt)/ Erregungsbildung an den Rezeptoren >
proximaler Reiz führt zu Erregung/Transduktion der Erregung in nachgeschalteten Nervennetzen >
Verarbeitung der Erregung >
Wahrnehmung

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21
Q

Phase der Transformation

A

” Frage nach dem Schicksal des Reizes”Ulrich Neisser

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22
Q

Bedeutung von Prozessen (sensorische und Wahrnhemnungsprozesse)

A

Ein Prozess ist eine Folge von Ereignissen im Sinne von Zustandsänderungen. Eine Reizung, eine Stimulation ist deswegen ein Prozess, da sich ständig die Ausprägung, die Intensität von Erregungen mehr oder weniger ändert. Bei einem Prozess dient die Zeit als Ordnungsprinzip für die Ausprägungsgrade von Eigenschaften. Wählt man statt der Zeit eine oder mehrere Dimensionen des Raumes als Ordnungsprinzip, so spricht man von Verteilung.

Im Allgemeinen besteht eben nicht nur ein kurzzeitiger, gewissermaßen punktueller Kontakt zwischen Sinnessystem und distalen Reizen. Die „Reizung“ dauert meistens länger als nur einen Augenblick. Aus diesem Grund muss man von sensorischen Prozessen und vom Wahrneh- mungsprozess sprechen (Hajos, 1991)

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23
Q

Sensorischer Prozess

A

aus dem physikalisch-physiologischen Bereich

Es ist die zeitliche Folge von Reizeinwirkung, Reizaufnahme und Transformation des Reizes in Erregung, Weiterleitung und Verarbeitung der Erre- gung in einem oder in mehreren Nervenzentren

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24
Q

Beobachtung /Messbarkeit des Prozesses

A

Der Übergang vom physiologischen Prozess in den psychologischen ist aber der Beobachtung nicht zugänglich und kann empirisch nicht geschlossen werden. Weder in der Selbstbeobachtung kann man den Übergang vom physiologischen Geschehen in das Erleben räumlich und zeitlich lückenlos feststellen noch in der Fremdbe- obachtung. Diese Erfahrungslücke wird dadurch hypothetisch überbrückt, dass Maße des Sinneserlebnisses gebildet werden, die mit physiologischen Maßen in Beziehung gesetzt werden. Dies ist die Vorgehensweise der Psychophysik. Ein Maß für ein Sinneserlebnis wie die Wahrnehmung von Helligkeitsunterschieden wäre das Urteil „Reiz a ist heller als Reiz b“ oder eine diese Wahrnehmung anzeigende Handlung wie ein Tastendruck. Mit dem fMRT ist es möglich geworden, die zeitlichen und räumlichen Lücken zwischen der Aktivierung bestimmter neuronaler Netze und Wahrnehmungen kleiner zu machen.

Ein Wahrnehmungserlebnis lässt sich nicht mit einer physikalischen Messvorschrift messen, sondern allenfalls lässt sich ein psychisches Maß einem physischen Maß zuordnen, wie dies in der Psychophysik gemacht wird.

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25
Q

Der sensorisch-perzeptive Prozess

A

der sensorisch-perzeptive Prozess besteht aus verschiedenen Prozessen, dem Reiz-, Erregungs- und Wahrnehmungsprozess

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26
Q

Reizvariable

Reiz, Erregung und Wahrnehmung als Variablen (nach Hajos, 1991, S. 10)

A

Die Reizvariable (Reizprozess) S1-S2-S3-…-Sn stellt die Ausprägungsgrade von Reizeigenschaften, z. B. die gemessene Strahlungsdichte einer Fläche, geordnet an der Zeitachse dar.

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27
Q

Rezeptorvariable (Rezeptorprozess)

Reiz, Erregung und Wahrnehmung als Variablen (nach Hajos, 1991, S. 10)

A

Die Rezeptorvariable (Rezeptorprozess) N0-N1-N2-…-Ni stellt elektrochemische Änderungen des Rezeptors dar, z. B. das Generatorpotential N in Millivolt, geordnet an derselben Zeitachse.

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28
Q

Erregungsvariablen (Erregungsprozesse)

Reiz, Erregung und Wahrnehmung als Variablen (nach Hajos, 1991, S. 10)

A

Die Erregungsvariablen (Erregungsprozesse) H0-H1-H2-…Hj (vergleichbar die Erregungsvariablen M und J) stellen die Impulsfrequenz der Aktionspotentiale von Neuronen H, M und J dar, geordnet an derselben Zeitachse. H, M und J sollen verschiedene Ebenen des Nervensystems symbolisieren (H eine niedere, M und J jeweils höhere Ebenen).

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29
Q

Wahrnehmungsvariable (Wahrnehmungsprozess)

Reiz, Erregung und Wahrnehmung als Variablen (nach Hajos, 1991, S. 10)

A

Die Wahrnehmungsvariable (Wahrnehmungsprozess) W0-W1-W2-…-Wm ist die wahrgenommene Helligkeitsänderung einer Fläche (gemessen mit der Skala „heller-gleich- dunkler“), geordnet an derselben Zeitachse.

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30
Q

Sensorischer Prozess

Reiz, Erregung und Wahrnehmung als Variablen (nach Hajos, 1991, S. 10)

A

Sensorischer Prozess: S3-N3-H3-M3-J3…, wobei die Erregungsgrößen auf eine Reizgröße zurückgeführt werden und die Erregungsgrößen verschiedener Ebenen des Nervensystems zeitlich geordnet sind..

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31
Q

Sensorisch-perzeptiver Prozess

Reiz, Erregung und Wahrnehmung als Variablen (nach Hajos, 1991, S. 10)

A

Sensorisch-perzeptiver Prozess: Es wird auch die Wahrnehmung (W3) mitbetrachtet. Die Fragezeichen weisen auf die Schwierigkeit und die methodischen Probleme hin, alle beteiligten Prozesse S, N, H, M und vor allem auch W in einem lückenlosen zeitlichen Verlauf auf derselben Achse abzubilden

Reaktionszeitmessung kann man nun zumindest im Rahmen eines Modelles versuchen, den Wahrnehmungsprozess und den sensorisch-physiologischen Prozess auf eine Zeitachse zu projizieren

Es werden auch benachbarte Nerven aktiviert, so dass man nicht nur von einem Prozess ausgehen kann, der aus einer einzigen „Leitung“ besteht. So etwas findet sich noch am ehesten bei einem Reflex. Vielmehr muss man auch von einer Erregungsverteilung ausgehen. Der sensorisch-perzeptive Prozess ist also ein Prozess von Ver- teilungsänderungen, ein Prozess also, der aus einer Abfolge von Aktivierungsänderungen von Netzwerken besteht. Die zeitliche Ordnung von Reizen und die zeitliche Ordnung von Erregungen können also nicht gleichgesetzt werden

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32
Q

Latenz

A

Dauer bis der Wahrnehmungsprozess beginnt

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33
Q

Nachbilder

A

Der Erregungsprozess wirkt nach der Reizung um ein beträchtliches Zeitintervall nach, das gleiche gilt für Wahrnehmungen. Ein Beispiel dafür sind Nachbilder

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34
Q

Produktivität der Sinnessysteme

A

Genese eines Wahrnehmungseindruckes nicht aus- schließlich vom distalen Reiz abhängt, sondern von einem Prozess, der die Sinneszellen sowie die nachgeschalteten Nervennetze umfasst. Der Reiz ist damit nur eine Teilursache des Wahrnehmungseindrucks

Dies widerspricht der Phänomenologie unserer Wahrnehmung: Wir erleben nicht die Prozesse, die an unserer Sinnesoberfläche und in unserem Nervensystem ablaufen, sondern das Resultat als Wahrnehmungsding in unserer Außenwelt

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35
Q

Problem der distalen Referenz

A

Warum nehmen wir die gesamten Zwischenglieder zwischen distalem Reiz und Wahrnehmung nicht wahr, obwohl sie die gesamten Informationen über den distalen Reiz enthalten?
Wir können Umweltgegebenheiten nicht nach unserem Belieben berücksichtigen, sondern müssen uns nach ihnen richten, womit sie unsere Wahrnehmungs- und Aktionsmöglichkeiten einschränken.

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36
Q

Der adäquate Reiz

A

Auf der Ebene von Sinneszellen, ist der Reiz als physikalische Größe zu verstehen, die geeignet ist, eine Sinneszelle in Erregung zu versetzen. Den Reiz, dessen physikalische Eigenschaften mit denen der Sinneszelle am besten abgestimmt sind, bezeichnet man als adäquat

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37
Q

Reizspezifität

A

Konstruktion der Sinnesorgane und Sinneszellen bestimmt, welche Reize organ- oder rezeptoradäquat sind. Schon auf der Ebene der Sinnesorgane zeigt sich also die Selektivität der Wahrnehmung, die auf der Sinnesorganebene als biophysikalische Spezifität/Reizspezifität zu verstehen ist.

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38
Q

Empfindungsspezifität

A

Physiologe Johannes Müller 1840 hat die Bezeichnung „spezifische Sinnesenergie“ geprägt

Verhältnis zwischen der Aktivität des Sinnessystems (Sinnesorgan und die dazugehörige neuronale Erregungsverarbeitung) und dem Wahrnehmungserlebnis.

mit inadäquaten Reizen kann man bei einem Sinnesorgan dieselbe Empfindung wie mit adäquaten Reizen auslösen, das beweist die Empfindungsspezifität der Sinnesorgane

Empfindungsspezifität nicht allein Ausdruck der Spezifität der Sinneszellen, sondern auch der nachgeschalteten Nervennetze > Qualia

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39
Q

Kontaktprinzip

A

gilt für Nervenzellen (Wenn ihr Ruhepotential um einen gewissen Betrag verändert wird, dann wird ein Aktionspotential, elektrische Impulse bestimmter Frequenz ausgelöst, die die Nachbarzellen ebenfalls erregen oder hemmen können.) und auch für die Sinneszellen in der Körpergrenzfläche, die den Organismus umgibt: Ihr Ruhepotential ändert sich, wenn sich die energetischen Zustände an der Sinnesgrenzfläche ändern (proximaler Reiz). Daraus kann man schließen, dass die Sinnessysteme in erster Linie energetische Differenzen „messen“.

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40
Q

Kodierung

A

Bildung einer Übersetzung der Außenwelt in das Erleben und in das Handeln, erfolgt auf der Basis von Aktivitätsmustern aus aktivierenden und hemmenden Sinneszellen Wechsel des Aktivitätszustandes einzelner Zellen er- laubt eine binäre Codierung (aktiv =Aktionspotential =1, inaktiv = kein Aktions- potential = 0)

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41
Q

Reiz und Information

A

Geht die beobachtete Reaktion auf den Reiz zurück, den die Experamentatoren für wirksam halten?
Es muss also gelten: R = f(S).

Für die Wahrnehmung ist der Reiz meist nur eine von vielen Größen, die in die Genese einer Wahrnehmung eingehen. Das Wahrnehmungsgeschehen wird von Angeborenem und Erworbenem, Erfahrung und Erwartung mitbeeinflusst.

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42
Q

Unterschied zwischen Wahrnehmen und Erkennen

A

Perzept und Konzept

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43
Q

Nomineller vs.funktioneller Reiz

A

nominelle Reiz, den eine Wahrnehmungsforscherin für ihre Experimente konstruiert, muss nicht notwendigerweise mit dem funktionellen Reiz übereinstimmen
Mit funktionellem Reiz ist die Reizwirkung beim Beobachtenden gemeint, die nicht direkt beobach- tet werden kann. Dies ist nur möglich mittels bestimmter beobachtbarer Indikatoren wie verbale und nonverbale Reaktionen oder neurophysiologische Maße.

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44
Q

Signal

A

=Reiz=potentielle Informationsquellen
nter einem Signal versteht man eine physikalische Größe, der eine bestimmte Nachricht, eine bestimmte Information zugeordnet ist. Ein Reiz ist also eine physikalische Größe, die Informationen von außen auf das wahrnehmende Lebewesen überträgt.

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45
Q

Information

A

dasjenige, was die Ungewissheit eines Empfängers über die aktuellen Gegebenheiten beseitigt

„Ungewissheit“ ist aber stets relativ zum Vorwis- sen des Empfängers zu sehen, mit der dieser die Wahrscheinlichkeit einschätzt, dass ein bestimmte Signal oder eine bestimmte Signalfolge eintritt (Erwartungswahrscheinlichkeit). Nach Aufnahme der Information weiß der Empfänger mehr als vorher. Erst dann kann man überhaupt von Information reden. Daher haben Reize keine von ihrer Wahrnehmung unabhängige Information

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46
Q

syntaktisches Maß für den Informationsgehalt

A

1 bit (bit = Zusammenziehung von „binary digit“, Binärzahl, da man im dualen Zahlensystem nur die Zahlzeichen „0“ und „1“ verwendet

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47
Q

syntaktischer Informationsgehalt

A

Wenn Fragen nur eine Antwortalternative zulassen, „ja“ oder „nein“, dann kann ihr syntaktischer Informationsgehalt gemessen werden. Dieser syntaktische Informationsgehalt vernachlässigt allerdings die Wertigkeit der Information, die eigentliche Bedeutung derselben für den In- formationsempfänger. Es geht hier nur um die Informationsmenge, die in der Nachrichtentechnik wichtig ist, um die Kapazität eines Übertragungskanales zu bestimmen.

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48
Q

Entropie (Wendung, Umwandlung)

A

ein Maß für den mittleren Informationsgehalt oder auch Informationsdichte einer Nachricht

Der mittlere Informationsgehalt ist die Summe der einzelnen Informationsgehalte, jeweils gewichtet mit ihrer Wahrscheinlichkeit. Dieses Maß wird als Entropie bezeichnet (abgekürzt mit H) und wurde von Claude Shannon und Warren Weaver 1949 im Rahmen ihrer syntaktischen Informationstheorie der Kommunikation („mathematical theory of communication“) entwickelt &raquo_space;>Kanalmodell der Kommunikation von Information

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49
Q

Das Kanalmodell nach Shannon und Weaver (1949).

A
Sender (Zustand) 
         ↓
Encodierung (Zeichenvorrat)
         ↓
(Störung) Kanal (Verlust)
         ↓
Decodierung (Zeichenvorat)
         ↓
Empfänger (Zustand)
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50
Q

Information und Wahrscheinlichkeit

siehe auch Das Kanalmodell nach Shannon und Weaver (1949)

A

Das Informationsmaß wird also aus der Wahrscheinlichkeit diskreter Signale abgeleitet. Der Idealfall, dass die Information beim Empfänger so ankommt, wie sie vom Sender gesendet worden ist, ist eher selten. Dies liegt an Störungen, die so- wohl im Übertragungsmedium (Kanal) auftreten können (Rauschen, zu geringe Kapazität) als auch während des Decodierungsprozesses beim Empfänger (Rauschen, zu geringe Kapazität, Interferenz mit anderen Signalen).

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51
Q

Transinformation, Redundanz

A

Die Teile der Information, die vom Sender tatsächlich beim Empfänger ankommen, werden als Transinformation bezeichnet.
Störungen können dadurch ausgeglichen werden, dass die Nachricht wiederholt gesendet wird (Redundanz der Nachricht)

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52
Q

Wahrnehmung und Information

A
  1. Information hat nur, was unterscheidbar ist, denn zu einer Unterscheidung gehören mindestens zwei Elemente
  2. Distale Reize sind Informationsquellen.
  3. Das, was von einem Reiz übertragen wird, ist Information. Information ist also übertragbar.
    »das setzt ein geeignetes Übertragungsmedium voraus (Sehen>elektromagnetische Wellen, Hören> Luftdruckdifferenzen, proximale Reize>elektrische Potentialänderungen von Sinneszellen (Re- zeptoren) und Neuronen)»>
    Medien=Informationsträger, dessen Zustand sich ändern kann
  4. Der Gehalt der Information bleibt erhalten, wenn er zwischen verschiedenen Informationsträgern wechselt (=Transduktion des sensorisch-perzeptiven Prozesses)
  5. Information wird in Form von Daten oder Signalen übertragen. In diesem Sinne sind Reize Signale. Die Reiz- und Erregungsverarbeitung lässt sich damit auch als Datenverarbeitung verstehen und die Tätigkeit des Gehirns als Errechnen von Informationen aus Daten. (Informationsträger sind variabel>Prinzip der multiplen Instantiierbarkeit)
  6. Die Information fließt zwischen einer Informationsquelle (Reiz) und einem Informati- onsempfänger (Lebewesen). Die Information ist damit ein Ereignis, das den Zustand und das Operieren des Empfängers verändert.
  7. Informationsverarbeitung heißt, dass es eine Sequenz von Datenleitung (Transduktion) und Datenwandlung (Transformation) gibt, die aus bestimmten Stufen besteht.
  8. Information ermöglicht die Verringerung von Ungewissheit. Das Perzept, das am Ende des sensorisch-perzeptiven Prozesses entsteht, ermöglicht es, den Reiz zu erkennen und von anderen Reizen zu unterscheiden. In der erfolgreichen Berücksichtigung von Reizunterschieden (sensori- sche Diskrimination) drückt sich diese Verringerung der Ungewissheit aus.
  9. Der syntaktische Informationsbegriff ist in erster Linie dazu da, die technische Über- tragungskapazität eines Mediums (in der Nachrichtentechnik „Kanal“ genannt) zu bestimmen und entsprechend die Information effizient in optimal übertragbare Signale zu kodieren
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53
Q

Wahrnehmung als aktiver Prozess

A

Wahrnehmen ist ein aktiver Vorgang. Die Aufmerksamkeit der Wahrnehmenden bestimmt entscheidend mit, ob und wenn ja, in welcher Weise ein Reiz wirksam wird

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54
Q

„top down“ Prozess

A

Der sensorisch-motorische Prozess wird von Prozessen beeinflusst, die man mit „Einstellung“, „Erwartung“, „Motiv“ oder „Wissen“ bezeichnet und die die Bildung des Perzeptes mit beeinflussen

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55
Q

„bottom up“ Prozess

A

Bildung des Perzeptes beruht primär auf dem Reiz

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56
Q

Verarbeitung

A

Muster aus Aktionspotentialen können als „Symbole“ (Daten) verstanden werden, die in einer Art Programm berechnet werden. Die Reize sind der Input, die Verarbeitung des Erregungsge- schehens der Throughput und die Wahrnehmung sowie die Re- Aktionsbewegungen der Output

Verarbeitung heißt, dass der Reiz eben nicht nur weitergeleitet, sondern nach bestimmten Programmen verändert wird. Dazu gehört, dass die Daten von außen mit anderen Daten im Inneren des Systems, dem Gedächtnis im weitesten Sinne, verknüpft werden. Das Wissen als Inhalt des Ge- dächtnisses kann letztlich auf allen Stufen des Informationsverarbeitungsprozesses die Perzeptbildung beeinflussen. Dies ist beim Wiedererkennen eines Gesich- tes der Fall, denn ansonsten wäre es nicht möglich, eine neues von einem bekannten Gesicht zu unterscheiden.

kybernetischen an der Informationsverarbeitung orientierte Sicht&raquo_space; sensorisch-perzeptive Prozess wird mit einem Informationsverarbeitungsprozess gleichgesetzt. Reiz-, Erregungs- und Wahrnehmungsprozess sind damit ausge- zeichnete Stufen oder Phasen der Informationsverarbeitung

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57
Q

systemtheoretisches Modell

A

System ist eine black box, Input geht hinein, output hinaus

Das System wird also modelliert, denn ein System ist ein realer Ausschnitt, ein konkretes physi- sches Gebilde in Raum und Zeit, in dem Prozesse und Interaktionen ablaufen (vgl. Bischof, 1995). Man möchte die innere Organisation (Struktur) des Systems kennenlernen, insbesondere die dynamischen Abläufe und Transformationen.

Man kann nur den Input und den Output beobachten, in die black box kann man nicht hineinsehen. Um herauszubekommen, was im Inneren der black box passiert, muss man den Input systematisch variieren, um anhand der Kovariationen des Outputs mit dem Input Rückschlüsse auf die Instanzen machen zu können, die zu dem Output führen.

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58
Q

Systemgleichung

A

Output O = f (Input I)

Die vollständigere Systemgleichung muss lauten:
O = f(I, Zi).
Der Ausdruck Zi steht für „Zwischenzustand“ oder „through-put“ (Informationsverarbeitung), wobei „i“ für einen bestimmten Betrag einer natürlichen Zahl zwischen i = 1 bis i = n steht, also einen Zähler darstellt.

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59
Q

Automatenmodell

A

Die Zi haben dann den Status sog. hypothetischer Konstrukte. Die Gleichung O = f(I, Zi) kennzeichnet als Modell einen Automaten. „Automaten“ sind alle Modellsysteme, die einen Eingang haben, eine innere Ver- arbeitung (Transformation und Musterbildung der Zi ) und eine Ausgabe

Automaten ohne Z sind selten und sind reine Weiterleitungsmodelle und es findet keine Transformation statt

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60
Q

Lehre aus dem systemtheoretischen Modellgedanken

A

ein Output keineswegs eine eindeutige Funktion des Input ist, da die Zi mitberücksichtigt werden müssen
Wenn man alle Zi kennt und deren Verbindungen („Programme“), dann kann man jeden Output als eindeutige Funktion des Input und der Zi ange- ben. Das Problem ist, dass man die Zi und die Programme nur dann kennt, wenn man sie selber gemacht hat
»Grenze des experimentbasierten Modellierens

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61
Q

allgemeine Verhaltensgleichung von Kurt Lewin (1963)

A

Das Verhalten ist eine Funktion der Umwelt (außen) und der Person (innen), V = f(U, P)

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62
Q

hypothetische Konstrukte

A

unbeobachtbare innere Größen Zi

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63
Q

black box kann stehen für

A
  1. Gehirn stehen (Modell des Gehirns, neuronale Ebene)
  2. Programme und Funktionen, die im Gehirn realisiert werden (funktionale Ebene, Ebene der Informationsverarbeitung oder computationale Ebene)
  3. phänomenale Ebene mit den alltagspsychologischen Begrifflichkeiten
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64
Q

Transformationsregeln

A

Es wird angenommen, dass das mentale System kein reines Transduktionssystem wie eine Wasserleitung, sondern ein Transformationssystem ist.
Ein wichtiges Ziel der (Wahrnehmungs-)Psychologie ist es, die Regeln dieser Transformationen ausfin- dig zu machen („Programme“), vorausgesetzt es gelingt, diese Transformationen zu identifizieren. Wenn nicht, dann kann man ein Simulationsmodell bauen, wobei man allerdings das Problem der Modellidentifikation hat: Ist das Simulationsmo- dell das einzig mögliche, um eine I – O – Funktion zu erklären oder ergibt sich diese I-O-Funktion auch als Lösungsmenge anderer Simulationsprogramme?

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65
Q

serielle Informationsverabeitung vs.

parallele Informationsverarbeitung

A

zweckmäßige Annahme der Informationsverarbeitungstheorie der Wahrnehmung ist, dass der Reiz als Datum in unterschiedlichen Arbeitsschritten verarbeitet wird. Die Basisan- nahme ist, dass diese Arbeitsschritte nacheinander, also seriell erfolgen (Modell der seriellen Informationsverarbeitung). Wie im Zusammenhang mit dem senso- risch-perzeptiven Prozess angedeutet, gibt es selten einen Prozess im Sinne einer Leitung, sondern eine Verteilung. Das bedeutet, dass serielle Prozesse in einem engen Zeitfenster benachbart ablaufen, weswegen man auch von paralleler Informationsverarbeitung spricht

die verschiedenen Informationskomponenten eines Reizes werden zunächst getrennt, aber parallel verarbeitet (wie Form, Farbe, Orientierung, Bedeutung, Relation zu anderen Reizen) und werden dann in der Endstrecke der Verarbeitung zusammengebunden. Bei einer parallelen Verarbeitung gibt es mehrere Verarbeitungsinstanzen, die eine Aufgabe in Teile zerlegen, diese Teile gleichzeitig separat bearbeiten (zeitliche Parallelität) und dann am Ende zusammenführen

(Diktum von Ulric Neisser&raquo_space; die kognitive Wahrnehmungspsychologie erforscht das Schicksal des Reizes im kognitiven System)

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66
Q

Kognitive Teilprozesse zwischen Reizpräsentation und Reaktionsbewegung („Verarbeitungsstufen“)

A
  1. Reiz&raquo_space;
  2. Reizverarbeitung (Entdecken und Erkennen)
  3. Reaktionsauswahl
  4. Reaktionsprogrammierung
  5. Reaktionsausführung&raquo_space;
  6. Reaktion
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67
Q

Methoden der Reaktionszeitforschung

A

Erschließt kognitive Teilprozesse

Reaktionszeitforschung ist von zentraler Bedeutung für die Wahrnehmungspsychologie, für die Allgemeine Psychologie, aber auch für die anderen Grundlagen- und Anwendungsdisziplinen der Psychologie.

Reaktionen und Handlungen können sowohl nach ihrer Güte beurteilt werden, z. B. als „richtig“ oder „falsch“ als auch nach ihrer Schnelligkeit.

Diese beiden basalen Datentypen der Leistungen analysierenden Psychologie sind die Grundlage dafür, kognitive Leistungen zu messen. Die Reaktionszeitmethodik wird vor allem deswegen verwendet, um Stufen der Informationsverarbeitung zu identifizieren.

Die Reaktionszeitmethode zum Zweck der Analyse des mentalen Prozesses zwischen Reiz und Reaktion geht auf den Holländischen Augenarzt Donders zurück. Donders schlug schon 1868 vor, den Prozess zwischen dem Erscheinen des Reizes und dem Beginn der Reaktion in Teilprozesse zu zerlegen, die der Verarbeitung des Reizes und der Vorbereitung der Reaktion zuzuordnen seien. In der Reaktionszeitforschung variiert man die Eigen- schaften des Reizes und/oder der Bewegung und misst die Auswirkungen dieser Variationen auf die Reaktionszeit (RT). Aus den Veränderungen schließt man auf die kognitiven Prozesse, die für die Identifizierung des Reizes und für die Vorbe- reitung der Bewegung nötig waren (vgl. Ulrich & Schröter, 2006, „Mentale Chronometrie“).

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68
Q

Wahlreaktionssituation

A

In der Wahlreaktionssituation wird der Vp ein Reiz geboten und sie hat darauf mit einer Reaktion so schnell wie möglich zu antworten, wobei Fehler vermieden werden sollen. Die Grundstruktur der Aufgabe ist fast immer dieselbe: Es gibt eine Anzahl möglicher Reize Si und eine Anzahl möglicher Reaktionen Ri. Im Rahmen der Instruktion wird mit der Vp vereinbart, welche Zuordnungen zwischen Si und Ri existieren, womit die Zuordnung von Reaktionen zu Reizen spezi- fiziert wird.

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69
Q

Zeitskalen mentaler Prozesse

A

laut J. R. Anderson (2002) mindestens sieben bis zwölf Größenordnungen

Soziale Welt - Projekte/Tätigkeiten über Tage/Monate/Wochen
Rationale Welt - Augabe/Tätigkeit o. Handlung über Minuten, 10 Minuten, Stunden
Kognitive Welt - psychisches Moment/Eindruck/Initialisierung 100ms, Operation 1s, Teilaufgabe 10s
Biologische Welt - 100 nanosec Organelle, 1ms Neuron, 10 ms assembly

Automatentheoretisch gesehen führen vor allem Lern- und Entwicklungsprozesse zu einer fortwährenden Veränderung der Zi und deren „Programme“.

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70
Q

Paradigma der Informationsverarbeitung (vgl. Anderson, 2002)

A
  1. Dekompositionsthese (Annahme, dass man lange andauernde Lernprozesse oder komplexe Programme in kleinere Einheiten zerlegen kann, bis eine weitere Zerlegung funktional irrelevant wird)
  2. Relevanzthese (Mikrostruktur kognitiver Prozesse ist relevant ist für die Produkte auf höchste Ebene. Unklar ist allerdings, wie die Mikro- und die Makroebene zu- sammenhängen. Die Annahme einfacher Additivität dürfte bei einem komplexen System nicht angebracht sein)
  3. Modellierungsthese (die höchste mentale Ebene kann sehr wohl unter Rückgriff auf elementare Prozesse erklärt werden. Dazu müssen kognitive Modellierungen vorgenommen werden, um die Lücken zu schließen, die Experimente nicht schließen können)
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71
Q

Die Wahrnehmung im Dienste des Handlungserfolges

A

In den meisten Fällen dient das Wahrnehmen jedoch dem Handeln, genauer, dem erfolgreichen Handeln. Jede Aktion verändert auch die Wahrnehmung. Sehr viele Handlungen haben zum Ziel, systematisch die Wahrnehmung zu verändern, z. B. beim Suchen
das Handeln dient auch der Herstellung einer bestimmten Wahrnehmung.

Alle Handlungen werden daraufhin geplant, in der Umgebung eine bestimmte Veränderung zu bewirken

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72
Q

biologische Funktion der perzeptiven Systeme

A

Prinz und Aschersleben (1995) sehen die biologische Funktion der perzeptiven Systeme darin, Organismen mit Information für die umgebungsgerechte Planung und Ausführung ihrer Handlungen zu versorgen

ie Wahrnehmungspsychologie darf also nicht nur die afferente Seite der Wahrnehmung berücksichtigen, sondern muss ebenso die efferente Seite der Wahrnehmung in Betracht ziehen

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73
Q

erweiterte Automatengleichung

A

Im Falle realer Systeme in Raum und Zeit, die mit ihrer Systemumgebung interagieren, muss man also die Automatenmodellgleichung erweitern: Ot = i = f(I, Zi, Ot = i-1). Damit wird der phänomeno- logisch bekannte Tatbestand zum Ausdruck gebracht, dass eine Handlung von einer Vorgängerhandlung abhängen kann. Komplexer wird es, wenn man bedenkt, dass natürlich dann auch der Input von der Vorgängerhandlung abhängt

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74
Q

Rückkopplungsprinzip: Handlung kontrolliert die Wahrnehmung

A

Selbstbewegende Wesen kontrollieren über ihren Output also ihren Input, die Wahrnehmung kontrolliert nicht die Handlung, sondern die Handlung die Wahrnehmung. Dies beschreibt beispielsweise Powers (1977) und es handelt sich um ein allgemeines Rückkopplungsprinzip, das charakteristisch ist für dynamische Systeme, die sich selber regeln, wie sie typischerweise in der Kybernetik untersucht werden. Ein Beispiel sind Zielhandlungen, in die die Auge-Hand- Koordinationen involviert sind

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75
Q

Regelkreis

A
Sollwert y (= Ziel)
Deckung Mauszeiger-Scheibe
Ist-Wert x ist die aktuelle Mauszeiger- und Scheibenposition  >>  Differenzsignal z = y – x 

Die Regelgröße, also die Größe die verändert (Differenz des Abstandes Mauszeiger – Scheibe) oder aufrechterhalten werden soll (Deckung Mauszeiger – Scheibe), ist die Mauszeiger-Scheibe-Deckung. Der Ist-Wert x wird durch den Messfühler „Auge“ gemessen. Die Differenz zwischen Soll und Ist, das Differenzsignal z, wird im Komparator verglichen, wird wahrgenommen und wird in den Regler eingegeben, dieser ist das Auge-Hand-Mauszeiger – Sub- system. Über die Stellgröße, das ist die augengesteuerte Handbewegung, wird über die Regelstrecke, das ist der Bildschirm mit Mauszeiger und Scheibe auf die Regelgröße eingewirkt. Der Effekt der Einwirkung (Ausgangswert, neuer Istwert) wird wieder gemessen über die Bildung des Differenzsignals z = y – x. Die Einwirkung auf das System erfolgt so lange, bis z = 0 ist. Man spricht von negativer Rückkoppelung, weil die Rückmeldung dazu dient, die Differenz zwischen Soll- und Ist-Wert zu minimieren bzw. die Differenz über die Zeit hinweg innerhalb eines Toleranzbereichs stabil zu halten (vgl. Glaser, 2001; Bischof, 1995)

i.d.R. wirkt auf die Regelgröße noch eine Störgröße ein

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76
Q

negative Rückkoppelung

closed-loop-control vs. open loop control

A

Rückmeldung dient dazu, die Differenz zwischen Soll- und Ist-Wert zu minimieren bzw. die Differenz über die Zeit hinweg innerhalb eines Toleranzbereichs stabil zu halten

Der Effekt der negativen Rückkoppelung besteht gerade darin, dass die Störgröße vom nächsten Ausgangswert subtrahiert werden kann. Man nennt die Regelung auch closed-loop-control im Gegensatz zur Steuerung, bei der der die Störgröße nicht vom Ausgangswert abgezogen werden kann, weil dieser nicht rückgekoppelt wird (open loop control).

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77
Q

wahrgenommene Stabilität der Umgebung bei Eigenbewegungen

A

Die funktionellen Mechanismen, die der Unterscheidung zwischen selbst- und fremdverursachten Reizänderungen zugrunde liegen, kann man über das Phänomen ermitteln, dass man eine stabile Umwelt wahrnimmt, obwohl man sich selber bewegt. Es handelt sich um die zentrale Konstanzleistung der Stabilität der Um- welt bei Eigenbewegungen

Umgebungsänderung wird auch als unabhängig von der eigenen sensu-motorischen Aktivität erlebt. Bei anderen Sinnesleistungungen ist es vergleichbar

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78
Q

Reafferenzprinzip

A

Erklärung der Unterscheidung zwischen Eigen- und Fremdbewegung

Bewegt man die Augen nicht wie sonst mit den Augenmuskeln, sondern mit dem Finger durch abwechselndes Drücken am unteren Augenlid, so wird die Umwelt nicht mehr stabil wahrgenommen. Man sieht eine Bewegung der visuell wahrgenommenen Umwelt und zwar entgegen der Richtung der passiven Augenbewegung. Aus den unterschiedlichen visuellen Wahrnehmungserlebnissen der aktiven und passiven Augenbewegungen kann man folgendes Schließen: Bei passiver Augenbewegung unterscheidet sich die visuelle Erregungsverarbeitung im Gehirn von derjenigen bei aktiver Augenbewegung

Hypothese, dass die motorische Erregungsbildung für die Augenmuskeln (Signal für „Bewegungskommando“) mit der tatsächlich verwirklichten Erregungsaktivität der Augenmuskeln verglichen wird, um die selbstverursachte Ver- schiebung des Netzhautbildes zu kompensieren

Hypothese lässt sich mit Hilfe von Nachbildern prüfen: Nachbilder verschieben sich nicht auf der Netzhaut. Sie bewegen sich scheinbar in Richtung der Augenbewegung, bleiben aber stillstehen, wenn man das Auge von außen mit dem Finger bewegt

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79
Q

Phosphene

A

Lichtpünktchen, die bei Druck auf das Auge zu erleben sind, die durch elektrische Reizung der Hirnrinde ausgelöst werden

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80
Q

Reafferenzprinzip nach Erich v. Holst und Horst Mittelstaedt (1950)

A

Um ein motorisches System, z. B. die Augenmuskeln, zu aktivieren, muss im Gehirn ein Erregungsmuster gebildet und zum Erfolgsorgan oder –organsystem geleitet werden (Efferenz).
Von diesem Erregungssignal wird eine Kopie gemacht, die Efferenzkopie. Die Efferenz führt zur selbstverursachten Bewegung des Erfolgsorgans. Der Bewegungserfolg wird zurückgemeldet, im Falle der Augen die selbstverursachten Bildverschiebungen, was als Reafferenz bezeichnet wird.

Bei der Reafferenz handelt es sich um sensorisches Feedback. Die Reafferenz wird von der Efferenzkopie subtrahiert. Das Resultat ist, dass von der Verrechnungsinstanz ein Signal ausgeht, welches besagt, dass bei eigeninitiierten Augenbewegungen keine Bewegungssignale weitergegeben werden. Dies ist nur bei Bewegungen der Umwelt der Fall sowie bei passiver und bei versuchter, aber verhinderter Augenbewegung. Ebenso lassen sich die Versuche mit den Nachbildern erklären.
Das Reafferenzprinzip reicht über die Probleme der Augenbewegungsregulation hinaus. Es ist eine grundlegende Modellvorstellung für den Mechanismus aller Konstanzleistungen, die auf der Kompensation selbstverursachter Reize beruhen. Dieses Modell kann auch so erweitert werden, dass man die Unterscheidung von selbstverursachten Änderungen des eigenen Körpers von den fremdverursachten erklären kann.

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81
Q

Reafferenzmechanismus (v. Campenhausen, 1981)

A

Der Reafferenzmechanismus unterdrückt allerdings nicht alle selbstverursachten Erregungen

Die Wahrnehmung der Stabilität der Umwelt beruht aber nicht alleine auf dem Reafferenzprinzip. Nicht alle Veränderungen der Netzhautbilder, die durch Augen- und Kopfbewegungen verursacht werden, können mit Hilfe des sensorischen Feedback kompensiert werden. Der Aufwand der Informationsverarbeitung in den kurzen Zeitspannen der Veränderung wäre zu hoch. Daher sind weitere Konstanzleistungen für die Wahrnehmung einer stabilen Umwelt anzunehmen

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82
Q

Aktive Wahrnehmungsleistungen

A

die Wahrnehmung ergibt sich nicht alleine aus dem proximalen Reiz und dessen Veränderungen ergeben

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83
Q

Größenkonstanzleistung (Sehen)

A

wir erkennen die Umweltgegebenheiten in ihrer wahren Größe
z.B. J. J. Gibson (nach v. Campenhausen, 1981) VPN konnten Stäbe noch bei einem Beobachtungsabstand von 700m der Größe nach richtig zuordnen
Die wahrgenommene Größe von Gegenständen wird durch die Größe des Netzhautbildes und durch einen Korrekturmechanismus im Gehirn bestimmt, der die Abhängigkeit der Größe des Netzhautbildes vom Abstand kompensiert. Steht dem Gehirn die Information über den Abstand genau zur Verfügung, dann funktioniert dieser Mechanismus der Größenkonstanz sehr gut

Größenkonstanzleistung hat allerdings Grenzen. Dies zeigt sich vor allem bei vertikalen Perspektiven
z.B. wenn man von einem hohen Turm herabsieht, dann können einem Menschen wie kleine Spielzeugfiguren vorkommen. Umgekehrt lässt sich von unten die Höhe von Türmen oder steilen Bergen oft nur schwer einschätzen

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84
Q

Sehen von Sehschärfe und Sehwinkel

A

der Sehwinkel gibt die Größe des Netzhautobjektes an. Der Sehwinkel hängt von der Größe des Stimulus und der Entfernung vom Auge des Betrachtenden ab
Sehwinkel: Die Abhängigkeit des Sehwinkels von der Größe des Stimulus und dessen Entfernung zum Auge des Betrachtenden. Die Halbierung der Distanz zwischen Stimulus und betrachtendem Auge verdoppelt die Größe des Abbildes auf der Retina (aus: Goldstein, E. B., 2008, S. 200)

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85
Q

Nachbilder

A

elementare Nachwirkung einer visuellen Wahrnehmung (visual aftereffect), die eine Zeitlang andauern kann (bis zu 20 Sekunden)
E. Emmert entdeckte 1883, dass man den visuellen Korrekturmechanismus an Nachbildern untersuchen kann
z.B. Ein wandernder leuchtender Punkt in der Dunkelheit scheint einen leuchtenden Streifen nach sich zuziehen, was die Folge eines Nachbildes ist

Nachbilder nimmt man so wahr, als ob sie sich auf der Fläche befänden, die man gerade ansieht. Allerdings werden Nachbilder durch Nachwirkungen von Reizen in der Netzhaut erzeugt. Schaut man mit einem Nachbild auf eine nahe Fläche und dann auf eine entferntere, so kann man beobachten, dass das Nachbild um so größer wird, je weiter die zweite Fläche entfernt ist (vgl. Abb. I.14). Selbst wenn man sich mit geschlossenen Augen oder in einem dunklen Raum eine Fläche nur vorstellt, ändert sich die Größe des Nachbildes mit dem gedachten Abstand (v. Cam- penhausen, 1981, S. 74)

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86
Q

Positive und negative Nachbilder

A

Positive Nachbilder sind homochromatisch, z. B. wird ein weißer Lichtblitz da weiß empfunden, wo er weiß war und da schwarz, wo er schwarz wahr.

Negative Nachbilder sind heterochromatisch, d. h. das Nachbild wird in der Komplementärfarbe zur Ausgangsfarbe erlebt (vgl. Städtler, 1998, S. 714).

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87
Q

Emmert’sches Gesetz

A

Die erlebte Größe eines Nachbildes ist proportional zur Größe der Entfernung der Fläche, auf die man sieht.

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88
Q

Größen-Distanz-Skalierung

A

Die Größenkonstanz ist das Ergebnis einer Berechnung, die man als Größen-Distanz-Skalierung bezeichnet. Als Formel: Gw = k * GR * D. Gw bezeichnet die wahrgenommene Größe, k ist eine Konstante, GR ist die Größe des Objektes auf der Netzhaut und D ist die die Distanz. Wenn sich eine Person von Ihnen entfernt, dann wird zwar das Netzhautbild GR kleiner, aber ebenso wird die wahrgenommene Distanz D größer. Diese beiden Veränderungen gleichen sich aus, so dass die Größe der Person als konstant wahrgenommen wird.

Wird man unter experimentellen Bedingungen über den wahren Abstand eines Gegenstandes getäuscht, so nimmt man auch deren Größe falsch wahr. Ein Beispiel dafür ist die perspektivische Größentäuschung

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89
Q

Ames’scher Raum

A

Die Ursache für die „falsche Wahrnehmung“ liegt in der Konstruktionsweise des Raumes, in der relativen Größe der beiden Frauen und in der Wahrnehmugnsperspektive

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90
Q

Woher stammt die Entfernungsinformation, die für die Größenkonstanzleistung notwendig ist?

A

Die Information stammt nicht von Sinneszellen, die den Akkommodationszustand und den Konvergenzwinkel selbst messen, sondern sie wird nach dem Reafferenzprinzip gewonnen.

Wird die Erregungsübertragung zu den inneren Augenmuskeln durch Atropin blockiert, so dass sich der Akkommodationszustand nicht ändern kann, so genügt bereits der Versuch, auf einen nahen Gegenstand zu akkommodieren, um ihn in der Wahrneh- mung schrumpfen zu lassen (Mikropsie). Dieses Phänomen ist nur mit dem Reafferenzprinzip zu erklären (v. Campenhausen, 1981)

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91
Q

Objektpermanenz und der numerischen Objektidentität

A

verbunden mit dem Wissen um relativ invariante topologische und metrische Relationen zwischen den Objektteilen sind, die unabhängig von unserer Wahrnehmung bestehen.
Das Dach bleibt das oberste Teil des Hauses (topologische Relation) und es behält innerhalb kleinster Toleranzen den Abstand zwischen Dachfirst und Erdboden (metrische Relation). Dieses Beispiel belegt auch, dass wir nicht Einzelreize, sondern Reizrelationen bis hin zu Reizstrukturen („Gestalt“) wahrnehmen.

Wahrnehmen alleine wiederum ist kein Erkennen, sondern es muss mit Wissen, mit gemachten Erfahrungen, also mit Gedächtniseinträgen verbunden werden. So kann man die Größe eines Vogels am Himmel nicht unmittelbar sehen, aber sobald man den Vogel erkennt, kann man ziemlich sicher auf seine Größe schließen.

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92
Q

Veridikalität, Abbildung und Wahrnehmung

A

Wir planen unsere Eingriffe in und Zugriffe auf die Außenwelt mit der Überzeugung, dass wir über die Außenwelt Informationen erhalten, die wir uns nicht einbilden, sondern die uns über von uns unabhängige Strukturen belehren („die Wahrheit sagen“)

Das Wahrgenommene ist keine simple Abbildung, wie Fotografien. Was wahrgenommen wird, das ist real, aber eben ein Ausschnitt, eine Teilansicht. Vielmehr wird alles in einer bestimmten Situation und von einem bestimmten Standort aus, in einer bestimmten Perspektive, mit einer bestimmten Absicht, im Lichte eines bestimmten Zieles, in einer bestimmten Stimmung und Aktiviertheit, in den Grenzen bestimmter Fähigkeiten und zu einer bestimmten Zeit erkannt

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93
Q

die 5 Faktoren, die den konstruktiven Charakter des Wahrnehmens verdeutlichen

A
  1. Selektivität
  2. Perspektivität
  3. Kontextabhängigkeit
  4. Konfiguration
  5. Ganzheitlichkeit
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94
Q

Standpunktabhängigkeit unseres Wahrnehmens

A

Wahrnehmung ist modalitätsspezifisch (durch Bau und Funktion der Sinnesorgane selektiv, nur bestimmte Ausschnitte des Energiespektrums der Außenwelt aktivieren die Sinnesorgane in adäquater Weise)
unsere Eigenbeweglichkeit, unsere Bewegungen führen zu Ortsveränderungen&raquo_space; Orientierung in Raum und Zeit ist erforderlich,
Veränderungen in der Zeit > Periodizitäten
es ist nicht möglich Objekte in allen Aspekten gleichzeitig wahrzunehmen

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95
Q

Selektivität

A

wesentlicher Aspekt der Formwahrnehmung, vor allem des visuellen Wahrnehmens
Die selektive Aufmerksamkeit richtet und lenkt stets unsere Wahrnehmung in Abhängigkeit von äußeren Faktoren (unwillkürliche Aufmerksamkeit wie die Orientierungsreaktion) und inneren Faktoren (willkürliche Aufmerksamkeit wie beim Suchen oder Beobachten ausgewählter Umgebungsaus- schnitte)

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96
Q

selektive Wahrnehmung ≠ willkürliche Aufmerksamkeit

A

Die Selektivität der Wahrnehmung ist jedoch von der willkürlichen Aufmerksamkeit zu unterscheiden, da die Selektivität der Wahrnehmung zu einem großen Teil automatisch funktioniert

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97
Q

segmentation and binding – process

A

binding: Entscheidung, welche Informationen zu einem einzigen Objekt zusammengebunden werden müssen
segmentation: welche Informationen dienen dazu, Objekte von einander abzugrenzen

segmentation and binding – process
Generierung eines Vordergrundes und eines Hintergrundes (Gestaltpsychologen sahen das als Grundprinzip der Wahrnehmung an)
z.B. Rubin’scher Pokal (Edgar Rubin, 1912)

98
Q

Perspektivität

A

Größe, Entfernung/Nähe, Standpunkt, Sehwinkel, Lichtverhältnisse, farbig/monochrom

99
Q

Kontextabhängigkeit

A

Mehrdeutigkeit von Reizen wird durch den Kontext eingeschränkt

100
Q

Verhältnis von Analyse zur Synthese

Palmer 1975

A

Herstellen von Teilen aus Ganzen (top-down) und das Herstellen von Ganzen aus Teilen (bottom- up)

Das Ganze kann in perzeptive Elemente zerlegt werden, nimmt man diese ohne den Kontext wahr, dann erkennt man sie nicht wieder und kann sie nur schwer interpretieren. Werden diese perzeptiven Elemente mit weiteren Kontextinformationen angereichert, dann erkennt man sie

101
Q

Ganzheitlichkeit

A

holistische Wahrnehmung, top-down als vom Ganzen zu den Teilen voranschreitend

102
Q

Schemata (Palmer)

A

nicht einzelne Reize und Reizdetails werden wahrgenommen (analytische Wahrnehmung), sondern Reizrelationen.

Palmer sprach von Schemata, die die Ordnung von Eigenschaften und deren Interrelationen repräsentieren. Er spricht von „nodes“, also von Knoten und stellt sich Schemata damit eher als kleine Netzwerke vor, die aus Knoten und „Fäden“ bestehen, die aber abstrakt als „Kanten“ bezeichnet werden. Jeder Knoten repräsentiert eine Eigenschaft und die Kanten stellen die Relationen zwischen Eigenschaften dar

Schemata=mentale Modelle

103
Q

Phonemic-restoration-Effekt

A

Welche Wahrnehmungsprozesse beruhen auf lokalen Analysen welche auf der Synthese globaler Reizrelationen
Erfolgt erst die Analyse und dann die Synthese oder erst die Synthese und dann die Analyse?
vermutlich erst die Analyse dann die Synthese

104
Q

Grundfrage nach der perzeptuellen Organisation

A

welche Einheiten werden zusammengefügt und welche getrennt?
Die spontane Organisation unserer Wahrnehmungseindrücke wurde von den Gestaltpsychologen zu „Gesetzen“, Regelhaftigkeiten der Wahrnehmungsorgani- sation, systematisiert.

105
Q

Gestaltgesätze

A
  1. Gesetz der Nähe
  2. Gesetz der Ähnlichkeit
  3. Gesetz des gemeinsamen Schicksals
  4. Gesetz der Prägnanz (Gesetz der guten Gestalt)

„Feldkräfte“, die übersummativ zusammenwirken („Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile“ ist ein Satz, der geradezu als Kennzeichen der Gestalttheorie gilt)
In den Gestaltgesetzen wurden Ideen der Selbstorganisation vorweggenommen, sie sind keine Erklärung, sondern beschreiben feststellbare Regelmäßigkeiten. Allerdings verwiesen auch die Gestaltpsychologen auf den Anpassungswert der Wahrnehmung, die dazu dient, möglichst einfache und stabile Strukturen zu generieren, die den Dingen der Außenwelt entsprechen. Ansätze, solche Phänomene zu erklären, finden sich in der computationalen Wahrnehmungstheorie.

106
Q

Phi-Phänomen

A

Bewegungssehen ohne retinale Ortsveränderung, eine Prototyp von Scheinbewegungen, die sich stroboskopisch so erzeugen lassen: Man lässt zwei räumlich voneinander entfernte Lichtpunkte L1 und L2 in einem bestimmten zeitlichen Abstand nachei- nander aufleuchten. Sie werden bei Verkürzung des zeitlichen Abstandes nicht mehr als zwei Lichtpunkte wahrgenommen, sondern als Bewegung von L1 nach L2. Nach Wertheimer ist das Sehen von Bewegung eine dynamische Gestalt, die nicht auf die Lageveränderung von Netzhautpunkten zurückgeführt werden kann.

Wurde von Max Wertheimer untersucht und war der Anlass zur Entwicklung seiner Gestalttheorie

107
Q

amodale Vervollständigung

A

Das Adjektiv „amodal“ bezeichnet den Umstand, dass die virtuellen Linien virtuell sind, keine Entsprechung in der visuellen Modalität haben. „Vervollständigung“ bedeutet, dass die virtuelle Figur nur erscheint, wenn die Gesamtfigur unvollständige Teilfiguren enthält.

108
Q

Rolle des Kontrastes für die Konturierung von Gestalten (Kantenbildung)

A

In der Wahrnehmung werden die Reizangebote unterschiedlich gewichtet abgebildet.
Die Abgrenzung von Objekten erfolgt vor allem über die Wahrnehmung von Konturen und Kanten und diese besteht im Wesentlichen aus Kontrasten

Die Wahrnehmung von Kontrastdifferenzen ist also kritisch für die Formwahrnehmung. Nach einer neuronalen Theorie der Informationsverarbeitung im visuellen System besteht dieses aus einem Kontrastverarbeitungssystem und einem spezifischen Helligkeitssystem (vgl. Ausführungen zu dem Stichwort Kontrast bei Städtler (1998), Guski (1996) oder Goldstein (2008))

109
Q

Relativitätstheorie der Wahrnehmungsurteile

> > > > Bezugssysteme

A

Die Kontextsensitivität der Wahrnehmung wiederum macht deren Relativität deutlich, wie dies insbesondere in der Theorie der Bezugssysteme ausformuliert worden ist. Dies betrifft insbesondere die Phänomenologie der Wahrnehmungseigenschaften. Es handelt sich dabei um eine Relativitätstheorie der Wahrneh- mungsurteile, wie sie in der Verwendung von Positiv, Komparativ und Superlativ (z. B. laut, lauter, am lautesten) zum Ausdruck kommt.

110
Q

Bezugssysteme

A

Bezugssysteme finden sich für alle möglichen Objekte und Ereignisse, denen wir Eigenschaften zuschreiben wie schön, hässlich, klein, groß, dünn, dick usw. Die Beurteilung solcher Wahrnehmungseigenschaften hängt also von den gemachten Erfahrungen ab, die in einem meist nicht bewussten System von Eigenschaftsbezügen organisiert sind (Metzger, 1975; Witte, 1966). Die Wahrnehmungssysteme müssen also immer mehr wissen, als ihnen durch den sensorischen Reiz zur Verfügung gestellt wird (Mausfeld, 1999). Dieses Vorwissen der Wahrnehmungssysteme über die physikalische Welt wird ontogenetisch gelernt oder ist über phylogenetisches Lernen (Selektion) eine Basisausstattung der mentalen Modellbildung. Bezugssysteme sind auch deswegen interessant, weil sie Beispiele für die Einheit von Wahrnehmung und (bewertendem) Urteil sind.

Das Konzept des Bezugssystems ist eines der bedeutendsten Vermächtnisse der Gestaltpsychologie, was aber leider kaum mehr zur Kenntnis genommen wird. Dies widerspricht der großen Relevanz einer der Grundfragen der Gestaltpsychologie, die Frage nach der Organisation, dem Zusammenhang und damit der Struktur des Seelischen, der Phänomene. Ausgangspunkt ist unsere Phänomenologie des Ordnungserlebens. All das, was wir im Kontext unserer alltäglichen Erfahrung als „normal“ oder „unnormal“ be- urteilen, basiert auf einer gedächtnismäßig (mnestisch stabilisierten) strukturierten Erfahrung, die als „Hintergrund“ des „Vordergrunds“ unseres Urteilens, Be- Urteilens und Vor-Urteilens fungiert. Alle Menschen haben z. B. ihre Erfahrungen mit der Revision von Vorurteilen gemacht, warum wird einem ein zunächst un- sympathischer Mensch sympathisch, aber die meisten kennen auch die Erfahrung, dass man oft hartnäckig an Vorurteilen fest hält. Bezugssysteme spielen daher auch eine große Rolle in der (sozialpsychologischen) Einstellungsforschung.

Der Ausbau einer Gestalttheorie der Bezugssysteme wurde von Wertheimer (1912) begründet, von Duncker (1929) und Koffka (1935) weiterentwickelt und von Wolfgang Metzger, einem Schüler Wertheimers, ausgebaut (vgl. das wichti- ge, leider kaum mehr gelesene Buch von Metzger (1975) mit dem schlichten Titel Psychologie). Seelisches, jedes Erleben, jedes Urteil, jede Aktion, steht in einem Zusammenhang mit anderen und dieser Zusammenhang ist strukturiert und nicht beliebig

111
Q

Messen von Seelischem und Bezugsystemen

A
  • Verhältnisse von seelischen Teilen zu seelischen Ganzen
  • Maß des Seelischen

Da Maße eine relationale, algebraische Struktur haben, z. B. Identität, Symmetrie, Transitivität, ist das Messen von Psychischem über weite Strecken identisch mit der Erforschung von Bezugssystemen

112
Q

Bezugssystem und Orientierung

A

Erleben ist Ordnungserleben, und das impliziert, dass wir über unsere Situation orientiert sind. Orientierung heißt wörtlich „am Horizont den Osten suchen, um danach die übrigen Himmelsgegenden zu bestimmen“, so Heller (1980).
Orientiertheit ist also stets die Folge von Orientierung, das aktive Einordnen von Gegenständen und Eigenschaften in Raum und Zeit, aber auch das aktive Ordnen von phänomenalen Eigenschaften wie Farbe, Tonhöhe, Größe, Gewicht oder Salzigkeit
Es liegt eine ontogenetisch entstandene, gelernte, mnestisch stabilisierte Ordnung vor, die den Hintergrund des aktuellen Ordnungserlebens bildet und die als solche nicht erlebt wird. Diese psychische Ordnung ist ein Bezugssystem, denn jedes Phänomen, jeder erlebte Sachverhalt wird in ein solches eingeordnet. Diese Einordnung impliziert Vergleiche. Das kann man am Beispiel von Vergleichsurteilen untersuchen. Die Grundlage des vergleichenden Einordnens sind phänomenale Steigerungsreihen, denn die meisten Phänomene können auf der Dimension „mehr – weniger“ angeordnet werden, d. h., dass sie eine ordinale Struktur aufweisen.

113
Q

Absolute Urteile

A

Die Bezugssysteme als nicht bewusste Phänomenstrukturen, die unserem Vergleichen zugrunde liegen, manifestieren sich in sogenannten absoluten Urteilen: „Dieses Buch ist dick“, „dieses Taschentuch ist groß“, „dieser Ton ist laut“, „dieser Mensch ist schön“, „dieser Tee ist kalt“. Hinter jedem absoluten Urteil steht eine relationale Phänomenstruktur, die sich in der Erfahrung mit der Dimensionalität einer Eigenschaft eines Gegenstandes aufgebaut hat, z. B. mit der Dicke von Büchern, mit der Größe von Taschentüchern, mit der Lautheit von Tönen, mit der Schönheit von Menschen oder der Temperatur von Tee. Normalerweise vergleichen wir simultan die Ausprägung einer Eigenschaft mindestens zweier Gegenstände: Wir treten vor ein Regal, deuten auf zwei Bücher und sagen, „Die Bibel ist dicker als das Reclambüchlein „Einzelding und logisches Subjekt“ von Strawson“.

114
Q

Konstruktion von Phänomenskalen

A

am Beispiel der Kategorien-Unterteilung nach Otto Heller (1980), der sich an Witte orientiert: Man gibt fünf Urteilskategorien vor, die man im Falle einer Längenbeurteilung folgendermaßen benennen kann: sehr lang, lang, mittel lang, kurz, sehr kurz.

Es lässt sich prüfen, wie sich Urteile nach neuen Erfahrungen verschieben, aber vor allem lässt sich die Struktur von Bezugsystemen untersuchen, deren Ausdruck ja diese Phänomenskalen sind.

(eindimensionale Mannigfaltigkeiten: zur Konstruktion von Phänomenenskalen hinsichtlich Helligkeit oder Sättigung

115
Q

mnestisch stabilisiertes Bezugssystem

A

Es ist auf eine Eigenschaft eines Gegenstandtyps beschränkt, z. B. die Länge von Bleistiften.
Es gibt zwei Grenzen des Bezugssystems: einmal die Erfahrung mit dem kürzesten Bleistift, auf der anderen Seite mit dem längsten Bleistift. Diese Längen müssen so sein, dass der Gegenstand noch zu Recht als Bleistift bezeichnet werden kann, also z. B. dass man mit ihm Schreiben kann. Ansonsten hätte man einen bleistift- artigen Gegenstand.
Das Überschreiten dieser Bezugssystemgrenze führt also zu einer Gegenstandsveränderung. Entscheidend ist nun die Frage, wie die Phänomeneigenschaften zwischen diesen beiden Extremwerten, den Polen des Bezugssystems strukturiert sind. Der erste Schritt wäre die Frage nach einer Mitte, einer Eigenschaft, die genau mittel lang ist. Damit besteht dann das Bezugssystem aus drei Eigenschafts-ausprägungen. Dann kann man sich auf zwei Bereiche konzentrieren etc., solange die Gegenstände eine urteilsmäßige Mittenbildung erlauben.
Das Resultat ist eine Struktur aus äquidistanten Urteilsbereichen. Natürlich ist jedes Urteil mit Unsicherheiten des Urteilens versehen. Jeder Urteilsbereich eines Bezugssystems ist daher ein statistischer Mittelwert mit einer bestimmten Streuung. Je näher diese Mittelwerte aneinanderrücken, desto schwieriger wird das Urteilen, die Grenze ist dann die relative Diskriminierungsfähigkeit.

Heller (1980)
„Ein Bezugssystem ist eine geordnete, zusammenhängende, beidseitig geschlossene Menge von Ausprägungsgraden einer Qualität. Die Abstände der Ausprägungsgrade untereinander sind monoton, stetig und bisymmetrisch.”

116
Q

Urteilsrelativität

A

z.B. Weberscher Dreischalenversuch

Man braucht drei Schalen oder Schüsseln, in die man mit seinen beiden Händen eintauchen kann. In Schale 1 füllt man hei- ßes Wasser, in die mittlere Schale 2 zimmerwarmes, lauwarmes Wasser und in die Schale 3 eiskaltes Wasser. Man taucht nun eine Hand in die Schale mit eiskaltem Wasser und eine Hand in die Schale mit heißem Wasser, für ca. 2 Minuten. Dann taucht man beide Hände in die Schale 2. Von „lauwarm“ dürfte nichts mehr zu spüren sein. Dieser Versuch zeigt zum einen wiederum, dass unsere Sinne vor allem Differenzen messen und zum zweiten, dass der Kontext und damit die Ver- gleichsgesichtspunkte wesentlich das Beurteilen nach der Dimension „mehr – mittel – weniger“ beeinflussen. Dies gilt im Übrigen nicht nur für Wahrnehmungsurteile, sondern auch für soziale Urteile, z. B. Attraktivität oder Sympathie.

117
Q

Die quantifizierende Natur des Psychischen: Phänomenale Metrik

A

Das das Psychische ausschließlich qualtativ ist, ist ein Vorurteil, das vor allem durch Descartes den Status eines wichtigen Philosophems erhalten hat. Die Unterscheidung von quantitativ und qualitativ ist eine psychische Leistung genauso wie das Messen. Die Sinnessysteme unterteilen die Welt auch quantitativ, man denke nur an unsere zahlreichen Unterteilungen in mehr, weniger oder gleich, z. B. beim Beurteilen von Helligkeit oder Lautheit. Alles, was erscheint, erscheint in einer gewissen Anzahl und Anzahlen wurden klassischerweise zu den primären Sinnesqualitäten gerechnet. Diskrete Größen wie Anzahl und kontinuierliche wie Länge oder Gewicht sind aber in der Wahrnehmung gegeben.

Beispiel: Das Phänomen der Mitte
Heller (1984) weist darauf hin, dass das Wahrnehmen und Bilden von Mitten ein Teil der alltäglichen Messpraxis ist, die sich im Wesentlichen an den Einteilungen von „viel, mittel, wenig“ orientiert.

Ein wesentlicher Grundbaustein messenden Vorgehens, die Äquidistanz, ist also unmittelbar im Wahrnehmungsraum gegeben

118
Q

Konstruktivität

A

Wahrnehmungen sind keine einfachen Abbilder oder Kopien von Objekten oder Ereignissen, sondern eher Berechnungen und damit Konstruktionen. Kon-struktion heißt aber nicht, dass irgendetwas Beliebiges, Zufälliges errechnet wird, sondern die errechnete Konstruktion ist etwas, das sich phylogenetisch in der Anpassung an die Umwelt bewährt hat und damit veridikale Informationen über die Umgebung enthält

Ein weiterer Aspekt der Konstruktivität sind die Konstanzleistungen. Obwohl sich der proximale Reiz ständig ändert, z. B. wird das Netzhautbild eines weggehenden Menschen immer kleiner, wird über das Perzept die Größe des Menschen doch richtig erkannt. Die Produktivität der Wahrnehmung kann einen allerdings auch etwas wahrnehmen lassen, was auf der Reizseite nicht gegeben ist. Dies sind die amodalen Ergänzungen, wofür das Kanisza-Dreieck ein Beispiel ist oder der Pho- nemic-restauration-effect.

119
Q

Blinder Fleck

A

Wahrnehmungen (Perzepte) enthalten mehr als im Reizangebot enthalten ist. Die Wahrnehmung ist also nicht rein rezeptiv und sogar veridikaler als das Reizangebot, worauf die Wahrnehmungskonstanzen hinweisen.
Ein weiteres Beispiel für die „intelligente“ Veridikalität des Wahrnehmens ist der „blinde Fleck“. In der Netzhaut gibt es einen Bereich ohne Sinneszellen, an der der Sehnerv das Auge verlässt (Papille, Papilla nervus optici) (vgl. Kurs Biologische Grundlagen Kap. IV). Dieser Bereich erzeugt im Sehfeld einen blinden Fleck, den man erkennbar machen kann. Man halte den Kopf gerade gerichtet auf die Blattseite, schließe das linke Auge und schaue mit dem rechten Auge überkreuzt auf den Stern links. Variiert man den Abstand von Seite und Auge (den Kopf gerade halten), so verschwindet irgendwann der rechte Punkt aus dem Sehfeld, etwa im Abstand von 20cm bis 30cm.

Normalerweise sieht man kein „Loch“ in seinem visuellen Feld und dies liegt daran, dass dieses Loch durch neuronale Verrechnungen „ausgefüllt“ wird. Das visuelle Perzept ist somit veridikaler, da ja die meisten Objekte nicht genau da ein Loch haben, wo der blinde Fleck sitzt und dieser aus der Perzeptbildung herausgerechnet wird.

120
Q

Wahrnehmungtäuschungen

A

gehören in den Bereich der Konstruktivität, die Klasse von Phänomenen. Dazu gehören virtuelle Figuren wie das Kanisza- Dreieck, subjektive Konturen wie die Machschen Bänder (vgl. Kurs Biologische Grundlagen) oder geometrisch-optische Täuschungen wie die Müller-Lyer-Figur

Sind Wahrnehmungstäuschungen Täuschungen?
Der Begriff „Täuschung“ ist nur ein halber Begriff. Die andere Begriffshälfte ist aber „Verum“ oder „Veridikalität“. „Täuschung“ ist also eine Abweichung von dem, das keine Täuschung ist.

z.B. Wahrnehmungsnachwirkungen, Mehrdeutige Figuren, Müller-Lyer Figur, Der „wahre“ Verlauf

121
Q

Produktivität

A

die Genese eines Wahrnehmungseindruckes nicht ausschließlich vom distalen Reiz abhängt, sondern von einem Prozess, der die Sinneszellen sowie die nachgeschalteten Nervennetze umfasst. Der Reiz ist damit nur eine Teilursache des Wahrnehmungseindrucks. Dieser Sachverhalt verweist zugleich auf die Produktivität der Sinnessysteme, die wesentlich zur Genese eines Wahrnehmungseindrucks beitragen. Dies widerspricht der Phänomenologie unserer Wahrnehmung: Wir erleben nicht die Prozesse, die an unserer Sinnesoberfläche und in unserem Nervensystem ablaufen, sondern das Resultat als Wahrnehmungsding in unserer Außenwelt.

Die Produktivität der Wahrnehmung kann einen allerdings auch etwas wahrnehmen lassen, was auf der Reizseite nicht gegeben ist. Dies sind die amodalen Ergänzungen, wofür das Kanisza-Dreieck ein Beispiel ist oder der Phonemic-restauration-effect.

122
Q

Kybernetik

A

„Steuern“ und „Ziel“ sind Grundbegriffe der Kybernetik, der Steuerungs- und Regelungslehre, die wiederum Teil einer allgemeinen Systemtheorie ist. Um die Steuerungsprobleme gut zu ver- stehen, wird man nicht umhin kommen, sich mit Systemtheorie und Kybernetik zu beschäftigen (eine erste Einführung in diese Gebiete gibt Glaser (2002))

123
Q

Orientierung und ansteuern von Zielen

A

Ein Organismus, der sich selber bewegen kann, muss sich in Raum und Zeit orientieren können. Dazu braucht er ein mentales Modell, ein „Umgebungsbild“ oder ein „cognitive map“, ein Bezugssystem, um zu wissen, wie er an seinen aktuellen Standort gekommen ist, welchen Weg er von diesem zu seinem Ziel einschlagen muss. Günstig wäre es auch zu wissen, welche Wege und Eingriffe in die Umgebung nicht möglich oder sehr aufwendig sind. Es müssen Wesen sein, die in der Lage sind, sich selber zu steuern und das heißt, vor allem ihre eigenen Bewegungen. Steuern heißt immer ansteuern und ansteuern bezeichnet eine Bewegung weg vom momentanen Standort hin zu einem Zielort.

124
Q

Unterscheidung ≠ Entscheidung

A

Selbstbewegungswesen müssen sich ständig in Raum und Zeit orientieren und jede Änderung in ihrer Umgebung wahrnehmen und diese daraufhin bewerten, ob sie relevant oder irrelevant sind. Wenn sie relevant sind, muss weiter unterschieden und entschieden werden, ob sie gefährlich oder ungefährlich, nützlich oder unnützlich sind. Wahrnehmungen basieren also zwar auf Unterscheidungen, aber sind für Selbstbeweger auch immer mit Entscheidungen verbunden.

Das macht Bewertungen nötig, von denen viele gelernt, viele angeboren sind, diese oft schnellen Bewertungen sind meistens Emotionen.

ein wesentlicher Teil der Orientierung eines selbstbeweglichen Wesens die Unterscheidung zwischen Organismus („Selbst“) und Umgebung („Nicht-Selbst“) (Selbstbewegung und Fremdbewegung unterscheiden (Selbst versus
Nicht-Selbst))

125
Q

Was und wo Orientierung

  • Orientierung im Raum (Selbstlokalisierung, Positionsbestimmung,Wo-Orientierung))
  • Ausrichtung an Objekten (Was-Orientierung)
A

Das größte Problem für einen beweglichen Organismus ist es daher, wenn er die Orientierung verliert. Wenn man die Orientierung in Raum und Zeit verliert, dann kann man die aktuelle Situation, in der man sich befindet, nicht mehr einschätzen und im schlimmsten Falle nicht mehr oder nur noch sehr eingeschränkt, selbsterhaltungsdienlich handeln. (Das erste, was in der psychiatrischen Untersuchung geprüft wird, ist die Orientierung in Zeit und Raum und zur eigenen Person.)

Der Ausdruck „sich orientieren“ hat damit zwei wesentliche Bedeutungen:
(a) Seine gegenwärtige Position im Raum bestimmen (Selbstlokalisation) (Wo – Orientierung) (b) sich auf etwas in der näheren oder ferneren Umgebung hin ausrichten (sich orientieren an, sich ausrichten, ansteuern) (Was – Orientierung) (

Wie hängen (a) und (b) zusammen? Ein Organis- mus könnte sich nicht selbst lokalisieren, wenn er sich nicht auf ein Objekt, ein Merkmal, in seiner Umgebung ausrichten könnte. Er könnte es dann nicht anpeilen, mit seinem Körper oder Teilen davon auf es zielen.

126
Q

Räumliches Bezugssystem

A

Der Ausdruck „eine Position (Stelle, Ort) im Raum bestimmen“ impliziert, dass eine Raumposition unbestimmt sein kann, denn Positionen können sich ändern. Ebenso impliziert der Ausdruck eine Fehlrepräsentation der Raumposition. Man könnte meinen, dass man relativ zu seiner Umgebung an der Stelle y ist, obwohl man bei x ist, z. B. wenn man sich in einem Gebäude verläuft. Die wahrgenommene Position entspricht nicht der tatsächlichen Position.Der Ausdruck „eine Position (Stelle, Ort) im Raum bestimmen“ impliziert, dass eine Raumposition unbestimmt sein kann, denn Positionen können sich ändern. Ebenso impliziert der Ausdruck eine Fehlrepräsentation der Raumposition. Man könnte meinen, dass man relativ zu seiner Umgebung an der Stelle y ist, obwohl man bei x ist, z. B. wenn man sich in einem Gebäude verläuft. Die wahrgenommene Position entspricht nicht der tatsächlichen Position.

Wenn wir uns selbst bewegen, dann erleben wir die Änderungen der Anordnung der Objekte relativ zu unserer Bewegung, nehmen die Umwelt aber als stabil wahr. Die Umgebungsänderung wird als auf das egozentrische Bezugssystem bezogen, auf die eigene Positionsveränderung relativ zur Umgebung.

Diese Konstanzleistung wurde in Zusammenhang mit dem Reafferenzprinzip besprochen. Die Orientierungsfähigkeit „Selbstlokalisation“ hängt also von der Fähigkeit zur Ausrichtung an Objekten ab, vom Anpeilen, Anzielen und Ansteuern.

127
Q

Hängt die Fähigkeit zum Anpeilen und Ansteuern von der Selbstlokalisation ab oder ist letztere relativ unabhängig von ersterer?

A

Das Ansteuern scheint in gewissem Ausmaß unabhängig vom Selbstlokalisieren, vom Bestimmen des eigenen Standorts zu sein. Der Organismus muss sich nur auf das angesteuerte Ziel hin ausrichten und wenn das Ziel sichtbar ist, dann wird die Veränderung des Abstandes zum Ziel, die Zielannäherung, wahrgenommen. Wenn das Ziel nicht sichtbar ist, dann müssen Zwischenziele, Landmarken genutzt werden, die dem Ziel nahe sind. Um seine eigene Position im Raum zu be- stimmen, muss ein Selbstbeweger diese Position relativ zu anderen Positionen bestimmen in der Art einer Landkarte. Dieses räumliche Bezugssystem ist egozentrisch, denn diese Positionen werden relativ zu den Körperachsen des Selbstbewegers definiert (links – rechts; vorne –hinten; oben – unten) (egozentrisches Bezugssystem).

128
Q

egozentrisches Bezugssystem

A

Positionen werden relativ zu den Körperachsen des Selbst- bewegers definiert (links – rechts; vorne –hinten; oben – unten
Wenn sich der Selbstbeweger bewegt, dann ändern sich die Umgebungspositionen relativ zu den Richtungen der Körperachsen und der Körper fungiert somit wie ein Träger von Richtungsanzeigern.

129
Q

allozentrisches Bezugssystem

A

verwendet als Ausgangspunkt (Nullpunkt des Koordinatensystems) der Orientierung nicht den eigenen Körper, sondern ein bestimmtes Objekt wie einen Kirchturm, der als Landmarke fungiert. Die Positionen aller Objekte werden relativ zu diesem stationären Objekt definiert. Das allozentrische Bezugssystem ist unabhängig von der Bewegung des Selbstbewegers und seiner Orientierung. Die Unabhängigkeit von der Selbstlokalisation und der Ausrichtungs-orientierung ist aber nicht absolut, sondern hängt von der Komplexität der Orientierungsaufgabe ab

130
Q

Navigieren durch den Raum

A

Verbindung des egozentrischen und des allozentrischen Bezugssystems

Ein Teil der Komplexität besteht darin, wie viele räumliche Relationen berücksichtigt werden müssen. Die Orientierung in der unmittelbaren Umgebung umfasst relativ kurze Bewegungspfade (Trajektorien) durch den Raum, z. B. wenn man etwas ergreift oder ein Objekt manipuliert. In weiteren räumlichen Umgebungen muss man Wege finden und oft Planen, um z. B. Hindernissen aus dem Wege zu gehen (Truiller et al., 1997). Für Orientierungsaufgaben braucht man auf jeden Fall einen fixen externen Bezugspunkt, der unabhängig vom eigenen Standort ist.

131
Q

Objektpermanenz

A

Oft steht man aber nicht dauernd in sinnlichem Kontakt mit diesem Bezugspunkt. Gelegentlich wird er verdeckt, weswegen man das Bezugsobjekt repräsentieren muss im Rahmen eines mentalen Modelles, um ihn wiederzuerkennen.
Das macht ein Verständnis für Objektpermanenz nötig, das Verständnis, dass die Unterbrechung eines sensorischen Kontaktes mit einem Objekt dieses nicht zum Verschwinden bringt. Diese Konstanzleistung des Wahrnehmungssystems ist grundlegend für die Orientierung in Raum und Zeit. Sie ist auch ein Beispiel dafür, dass Wahrnehmungsleistungen ohne ein Gedächtnis nicht für die Aktionssteuerung taugen würden. Wenn ein Zielobjekt als Repräsentation in einem mentalen Modell ist, dann kann das Objekt auch ohne den direkten sensorischen Kontakt mit dem Objekt angesteuert werden, bis es als das Zielobjekt wiedererkannt wird. Das mentale Modell erlaubt es, das Zielobjekt zu lokalisieren und zu identifizieren, indem eine Art „mentale Landkarte“ benutzt wird.

132
Q

Orientierungsreaktion (OR)

A

Orientierungsreaktion ist die elementarste kognitive Operation

Veränderungen in der Umgebung zu entdecken und deren Bedeutsamkeit für den Organismus zu prüfen. Jede Veränderung in der Umgebung ist zunächst neu und muss daher bewertet werden, ob sie eine unmittelbare Gefahr darstellt. Da langes Nachdenken in vielen Fällen tödlich enden könnte, wird bei abrupten, nicht antizipierten Veränderungen eine Orientierungsreaktion automatisch, reflexhaft ausgelöst. Diese Orientierungsreaktion (OR) wird auch manchmal als „Was-ist-los – Reaktion“ bezeichnet. Die OR ist angeboren und die Tendenz, sich zu orientieren ist bei allen selbstbeweglichen Lebewesen (Multizeller, Einzeller) von Geburt an in Funktion (bei Pflanzen also auch, aber man spricht anstatt von Orientierung von Tropismen, Taxien und Nastien).

Die Grundleistung der Orientierungsreaktion ist die Feststellung eines neuen Ereignisses, das lokalisiert werden (wo-Komponente) und das identifiziert werden muss (was-Komponente). Die Wichtigkeitsprüfung erfolgt dahingehend, ob das Ereignis neu ist oder ob es bekannt ist. Dies ist nur möglich, wenn das wahrge- nommene Ereignis mit im Gedächtnis gespeicherten Vorerfahrungen verglichen wird. Gibt es eine Übereinstimmung mit einem gespeicherten Ereignis (match), dann kann ein passendes Aktionsschema aktiviert werden (wie z. B. ungefährlich, interessant, also annähern, explorieren oder gefährlich, also fliehen).

133
Q

Habituation

A

Wenn sich die Veränderung regelmäßig wiederholt, dann habituiert die OR, umgangssprachlich gesagt tritt eine Gewöhnung (Habituation) an die Ver- änderung ein. Eine regelmäßige Ereignisfolge wird dann nicht mehr als Veränderung wahrgenommen, die einzelnen Ereignisse sind bekannt und werden nicht mehr als neu bewertet. Des Weiteren können die künftigen Ereignisse vorhergesagt werden aufgrund wiederholter, regelhafter Ereignisfolgen

Habituation der OR ist Ausdruck einer elementaren Informationsverarbeitung, die darin besteht, dass Umgebungsveränderungen nach ihrer unmittelbaren Aktionsrelevanz unterschieden und klassifiziert werden. Um einen Stimulus als neu und bedeutsam zu identifizieren, muss dieser Stimulus also mit anderen simultan gegebenen Stimuli oder mit bereits erfahrenen, im Gedächtnis gespeicherten verglichen werden

134
Q

Dishabituierung/ Sensitivierung

A

Ändert sich das Muster der Ereignisfolge oder trifft eine Ereigniserwartung nicht oder anders als erwartet ein (Überraschung), dann findet eine Dishabituierung statt, die auch als Sensitivierung bezeichnet wird. Die Aufmerksamkeit steigt wieder an und es wird versucht, die Änderung zu explorieren, z. B. ausgiebig hinzuschauen. Es handelt sich hierbei um den elementarsten Lernmechanismus, der nicht von der Wahrnehmung getrennt werden kann. Ohne eine OR ist auch keine Klassische Konditionierung möglich, also das Lernen von Reizzusammenhängen (Stimulus-kontingenzen).

135
Q

Kognitiv

A

„Kognitiv“ sind alle psychischen Prozesse, die mit der Bestimmung der Bedeutung von Ereignissen und Objekten zu tun haben. Die Bedeutsamkeit ist dabei stets auf die Selbsterhaltung, die Aufrechterhaltung und die Erweiterung der eigenen Aktionsmöglichkeiten bezogen (Neugierde).

136
Q

neuronales Komparatormodell nach Sokolov (1963)

A

Sokolov nahm an, dass das Nervensystem ein exaktes Modell der Eigenschaften eines externen Objektes oder Ereignisses anlegt. Bezeichnen wir das externe Objekt oder Ereignis als Reiz S (Stimulus) und das neuronale Modell von S mit S’. Wenn S auftritt, dann führt S zu einem sensorischen Prozess. Im Laufe dieses sensorischen Prozesses muss S mit einer Gedächtnisadresse verglichen werden, die auf den Speichereintrag S’ verweist. Den Vergleich kann man sich als Mustervergleich vorstellen. Damit stößt man auf eines der zentralen Probleme der Kognitionspsychologie und Kognitionswis- senschaft sowie der Künstlichen Intelligenzforschung (KI), das Problem der Ob- jekterkennung.

Da nach Sokolov ein exaktes Modell von S angelegt wird, ist auch der Toleranz- bereich des S-S’ – Vergleichs gering und schon relativ kleine Abweichungen müssten immer wieder eine OR auslösen. Sokolovs Modell ist daher kaum geeig- net, die Phänomene der Stimulusgeneralisierung und der Prototypenbildung zu erklären.

137
Q

Objekterkennung, Schablonenvergleich (template matching)

A

Das Problem des Erkennens besteht u. a. darin, dass ein distaler Reiz S mit einem Gedächtniseintrag S’, seinem Repräsentat, verglichen werden muss

Eine Theorie des Mustervergleichs (pattern matching) ist die Theorie des Schablonenvergleichs (template matching).Ein zu identifizierendes Muster „A“ wird auf eine Schablone gelegt und es wird geprüft, ob die Merkmale übereinstimmen oder nicht. Das zentrale Problem ist, welches Ausmaß an Abweichungen zwischen Vergleichsmuster und Standardschablone toleriert wird, um zu schließen, dass S ein Exemplar der Modellklasse S’ ist. Wie in den Abschnitten zu den Konstanzleistungen bemerkt worden ist, werden zahlreiche Änderungen an Rei- zen toleriert, z. B. ihre retinalen Änderungen bei der Größenkonstanz. Objekte werden ebenso wiedererkannt, wenn sie in unterschiedlichen Perspektiven gesehen werden, wobei hier allerdings durchaus Erkennensfehler auftreten können.

138
Q

Prototypenmodell des Objekterkennens

(ähnlich sind Theorie der Merkmalsanalyse (feature analysis) und das davon abgeleitete Modell der kritischen Merkmale, das Pandämonium-Modell von Selfridge aus dem Jahre 1959)

A

im Gehirn wird eine Art Clusteranalyse gerechnet. Es wird kein exaktes Modell von S angelegt, sondern es wird die zentrale Tendenz des Merkmalsvektors, ein Mittelwert, als kritisches Merkmal herangezogen. Zu diesem wird aus der Streuung und einer durch Lernen ermittelten Irrtumswahrscheinlichkeit ein Konfidenzintervall er- rechnet. Fällt S innerhalb des Konfidenzintervalls von S’, dann wird S = S’ ermittelt, ansonsten S ≠ S’

139
Q

Pandämonium-Modell von Selfridge aus dem Jahre 1959

A

Den Grundgedanken des Pandämonium-Modells kann man sich anhand des Beispiels für die konzeptgeleitete Erkennung von Buchstaben und Wörtern klar. Mittels des Pandämonium-Modells wird angenommen, dass jeder Stimulus in seine kleinsten Merkmalelemente zerlegt wird

Im Experimenten von Reicher (1969) wurde den Vpn für den Bruchteil einer Sekunde entweder ein Wort (Tafel A) oder ein aus den gleichen Buchstaben bestehendes Nichtwort (Tafel B) gezeigt. Daraufhin wurden die Buchstaben maskiert, um das visuell-sensorische Gedächtnis (sog. Ikon) zu löschen. Am Schluss bekamen die Vpn an der Position des Zielbuchstabens ein Buchstabenpaar präsentiert. Sie sollten entscheiden, welches von beiden an dieser Stelle stand. Reicher fand, dass die Vpn sich signifikant häufiger richtig entschieden, wenn ein Wort und nicht eine sinnlose Buchstabenfolge präsentiert worden war.
„Merkmalsdämonen“, dann auf der der Ebene der „Buchstaendämonen“, dann auf der Ebene der „Wortdämonen“

140
Q

zentrales empirische Problem der Objekterkennung

A

wie spezifisch bzw. wie generell die Schablonen, Prototypen oder mentalen Merkmalsmodelle (=S’) sind. Anders formuliert: Wie viele Fehlklassifikationen von S in S’ sind tolerierbar?

a und b-Fehler

141
Q

Problem ist das der Gedächtnisadressierung

A

Suchproblem, denn wie findet S im Laufe des sensorischen Prozesses zu S’? Es ist das Problem des Wiedererkennens: Wie erregt ein Sinneseindruck A seine zu ihm gehörende Erinnerungsvorstellung A’? Ein Lösungsvorschlag ist die Assoziation nach Ähnlichkeit. Diese beinhaltet, dass die Suche nach Gedächtnis-einträgen über Ähnlichkeitsvergleiche erfolgt. Künstliche neuronale Netze sind letztlich Assoziatoren (Verknüpfer) und erlauben das Simulieren von Assoziationsregeln.

siehe Hebbsche Regel und „Höffdings Problem“

142
Q

Modelle als Schemata

A

Es werden keine exakten 1:1-Modelle von Reizen im Gehirn angelegt, sondern auch abstraktere, generellere Merkmale repräsentiert werden

Um zu erkennen, ob ein Reiz neu ist oder ein bekannter Fall, der eingeordnet werden kann, sind die kognitiven Prozesse des Klassifizierens und Schematisierens erforderlich. Damit wird erneut deutlich, dass schon auf der Ebene der OR kognitive Prozesse am Werk sind. Es sind dies Prozesse des Wieder-Erkennens.

Die Schematheorie des Erkennens geht zurück auf Kant, der der bedeutendste klassische Vertreter der Schematheorie ist.
Jean Piaget, der sich als genetischer Erkenntnistheoretiker und nicht als (Entwicklungs)-psychologe verstand, machte den Begriff des Schemas ebenfalls zur Grundlage seiner Theorie des Erkennens. Nach Kant sollen Schemata verständlich machen, wie die Wahrnehmungen von Einzelnem mit der Bildung allgemeiner Begriffe verbunden sind. Kant versuchte eine Synthese aus Empirismus und Rationalismus. Beide erkennt- nistheoretischen Strömungen fragen nach der Quelle der Erfahrung und wie die Erfahrungsbildung funktioniert.
Die Empiristen (z. B. J. Locke, D. Hume) nahmen an, dass das, was nicht in den Sinnen war, auch nicht im Intellekt sein kann. Ihr Problem ist aber zu erklären, wie aus der Wahrnehmung immer wieder anderer Einzelobjekte und Ereignisse allgemeine Begriffe gebildet werden (Problem der Abstraktion, Problem der Zusammenhangsbildung von unten). Vergröbert und modern gesprochen betonten die Empiristen die große Wichtigkeit der bottom-up Prozesse, der datengetriebenen Informations-verarbeitung. Sensorische Daten sind ihnen zufolge die Quelle der Erfahrung.
Die Rationalisten (z. B. Descartes) nahmen an, dass es angeborene Ideen gibt, durch die Objekte erst erkennbar werden. Angeborene Ideen oder Strukturen machen sensorische Ereignisse erst zu „Daten“. Ihr Problem ist, zu erklären, wo die angeborenen Ideen herkommen und woher diese „wissen“, welche Daten zu welchen Ideen oder Strukturen gehören (Problem der Konkretion und Selektion, Problem der Strukturbildung von oben). Wieder vergröbert gesagt, wird die Wichtigkeit der top-down Prozesse betont, die konzeptgetriebene Informationsverarbeitung.

143
Q

Schemata

A

Nach Kant sind, vereinfachend gesprochen, Wahrnehmungen ohne Begriffe blind und Begriffe ohne Wahrnehmungen leer, erst in ihrer Verbindung findet Erkennen statt. Den Schemata kommt eine zentrale Rolle in der Herstellung dieser Verbindung zu. Mit Schema ist eine Regel oder ein Verfahren gemeint, das zwischen Wahrnehmung des einzelnen Gegenstandes und Denken des Allgemeinen, das den individuellen Gegenständen gemeinsam ist, vermittelt.
Das Besondere wird in einer allgemeinen Struktur “verzeichnet”, die dann auf gleichartige individuelle Gegenstände anwendbar ist. Das Schema gibt also den einzelnen Wahrnehmungsobjekten ihre kategoriale Struktur und den allgemeinen Kategorien (Quantität, Qualität, Relation, Modalität) ihren Inhalt. Beispielsweise ist das Wahrnehmen immer auch quantitativ, denn alles, was man wahrnimmt, hat eine bestimmte Ausdehnung (kontinuierliche Größe) und alles, was man wahrnimmt hat eine bestimmte Anzahl (quantitative Größe), mindestens die Anzahl 1 oder gar die Anzahl Null. Ob es allerdings ein Wahrnehmungs-äquivalent der Menge mit der Mächtigkeit 0 gibt, eine leere Menge, kann an dieser Stelle nicht diskutiert werden.

144
Q

Beispiele für Schemata

A
  • Handlungsschemata wie Greifen oder Rühren
  • komplexe Tätigkeitsschemata sind „Einkaufen“, „Restaurantbesuch“ oder „Briefschreiben“
  • Eine Menge von Objekten abzählen ist eine schematische Tätigkeit und eine bestimmte Anzahl ist ein Quantitätsschema, das begrifflich als Zahl bezeichnet wird
145
Q

„Instanzen“ des Schemas

A

konkrete Aktionen, Wahrnehmungen, Handlungen werden in wesentliche abstrakte Merkmale und Relationen analysiert und es fallen unter die Klasse dieser abstakten Strukturen konkrete Wahrnehmungen, Handlungen und Bewegungsmuster
Man kann sich vorstellen, dass Schemata aus Funktionen zwischen Variablen bestehen, wobei eine bestimmte Anzahl von Werten in die Variablen eingesetzt werden dürfen, die die Struktur des Schemas invariant lassen.

146
Q

Kategoriale Wahrnehmung

A

Erkennen ist also gewissermaßen der Abschluss des Wahrnehmungsprozesses, denn es wird ein individueller Reiz als Exemplar oder Repräsentant einer Klasse erfasst und damit klassifiziert. Die meisten unserer Namen für Dinge sind Klas- sennamen wie z. B. Apfel.

147
Q

Affordanzen

A

Grundbegriff der ökologischen Wahrnehmungslehre J. J. Gibsons (1973)
Die Wahrnehmung vermittelt Affordanzen, man nimmt Handlungsmöglichkeiten wahr, was man mit den Objekten tun kann, was man machen kann oder soll
Die Organisation der Wahrnehmung, die Konstanzleistungen, das Orientierungsverhalten belegen dies.

148
Q

Wissen

A

Wissen ist das, was man gelernt hat, was im Gedächtnis ist und das angewandt werden kann. Um etwas lernen zu können, muss man mit dem „Lerngegenstand“ in Kontakt treten können und das heißt, dass man Wahrnehmungen davon haben muss.

Eine wesentliche Quelle unseres Wissens ist daher das Wahrnehmen (Empirismus). Dieses Wissen ist unmittelbares, selbst erworbenes Wissen. Eine weitere Quelle sind Konzepte (Rationalismus, Idealismus), aber vor allem Wissen, das andere Menschen uns vermitteln. Dieses mittelbare Wissen basiert großenteils auf den Erfahrungen anderer (Tradition, Unterricht) oder auf logisch-deduktivem Schließen und basiert auf der Kenntnis von Symbolen.

149
Q

Hauptklassen von Wissen

A

deklaratives und prozedurales Wissen

Deklaratives Wissen ist vor allem Faktenwissen, das sich sprachlich ausdrücken lässt. Es ist „Wissen, dass“ wie das Wissen, dass Paris die Hauptstadt von Frankreich ist oder das Wissen, welche Verkehrszeichen was bedeuten.

Prozedurales Wissen ist „Wissen wie“, die Fertigkeiten und das Können, beispielsweise Fahrradfahren, Klavierspielen oder Schreiben. Dieses lässt sich nicht vollständig versprachlichen und vor allem nur bedingt mit Hilfe der Sprache er- werben. Man muss es üben, praktizieren.

150
Q

Wortüberlegenheitseffekt

A

Aufgrund der aufgenommenen Wortbedeutung werden schon Erwartungen über die folgenden Wörter ausgebildet, die deren Erkennen erleichtern (Priming).

151
Q

Metakognition

A

Wissen hat in Form der Metakognition auch einen Bezug zur Wahrnehmung, denn man weiß, dass man vieles mit Hilfe der Sinne wissen kann. Die sinnliche Erfahrung ist kausal relevant für den Erwerb von Wissen.

Quellengedächtnis (source memory)

152
Q

Eigenständigkeit des Wahrnehmens

A

Eine wichtige Eigenständigkeit der Wahrnehmung zeigt sich aber daran, dass die Wahrnehmung durch Wissen nicht beliebig verändert werden kann. Das zeigt sich vor allem an dem Erleben von Widerfahrnissen. Geräusche hört man und nur durch Wollen kann man sie nicht abstellen. Die Strecken der Müller-Lyer-Figur sehen ungleich lang aus, obwohl wir wissen, dass sie mit dem Lineal gemessen gleich lang sind.
Das Erleben der Eigenständigkeit der Dinge zeigt an, dass diese in einem großen Ausmaß unabhängig von unserem Wissen und Denken sind. Genauso wenig können wir in die Genese von Perzepten eingreifen. In die Bildung von Gestalten und das Erkennen von Mustern geht allenfalls ein Wissen ein, das man als Wissen vor aller Erfahrung bezeichnen kann.
Dieses Wissen a priori besteht nach Kant in solchen Kategorien wie Quantität, Qualität, Relation. Der Evolutionstheorie zufolge ist dieses Wissen a priori phylogenetisch erworben worden. Die basale Ordnung unserer Wahrnehmungs-erlebnisse verdanken wir nicht unseren willkürlichen Einflüssen, sondern es basiert in großem Ausmaß auf unserer sensu-motorischen, neuronalen Organisation. Nach Piaget ist die sensu-motorische Intelligenz in ganz strengem Sinne die Grundlage der Denk- und Wissensintelligenz. Piagets große theoretische Bedeutung für die Kognitionspsychologie und damit auch die Allgemeine Psychologie besteht darin, dass er für alle Bereiche des psychophysischen Funktionierens eine einheitliche kognitive Struktur und einen einheitlichen Funk- tionenkomplex vorgeschlagen hat. Die kognitive Struktur besteht aus Schemata und die kognitiven Funktionen, die dem Aufbau, der Nutzung und Änderung der Schemata dienen, sind Assimilation und Akkommodation.

153
Q

Wahrnehmen, Wahrheit, epistemische Prädikate

A

Wahrheit ist ein epistemisches Prädikat, das wir den Resultaten psychischer Funktionen wie Wahrnehmen beilegen. Es basiert auf der Unterscheidung von „Für-wahr-halten“ und „Wahr- sein“. Wenn man diese Unterscheidung aufgibt, dann kann man nicht mehr darüber argumentieren, ob die Zuschreibung eines epistemischen Prädikats wie „es ist wahr, dass es gerade draußen regnet“ gerechtfertigt ist oder nicht.

Wir nehmen alltäglich unsere Wahrnehmungen für Evidenz dafür, dass das Wahrgenommene so ist, wie wir es wahrnehmen. Im Zuge unseres alltäglichen Handelns haben wir meistens keine guten Gründe, fortwährend unsere Evidenzen zu bezweifeln oder unser evidenzbasiertes Handeln zu ändern. Scheitern allerdings unsere evidenzbasierten Hand lungen, wozu auch gehört, dass andere unsere Wahrnehmungsurteile bezweifeln, dann fangen wir an, über unsere Evidenzbasis, das Wahrnehmen z. B., nachzu- denken. Das macht deutlich, dass Wahrnehmen und Wissen im weiteren Kontext der Erkenntnis- und Handlungstheorie verstanden werden müssen.

154
Q

Die Produktivität der Wahrnehmung und das Argument vom dürftigen Stimulus („poverty of stimulus – argument“)

A

das Argument vom dürftigen Stimulus (poverty of stimulus – argument) wird vor allem von Linguis- ten verwendet; erstmalig wurde es von Chomsky (1965) formuliert, der Sache nach findet es sich aber auch in der Gestalttheorie (vgl. auch die Darstellung der „Ereignisgrammatik“ bei Guski, 1996, S. 211).

Die Unterscheidung zwischen proximalem und distalem Reiz ist wichtig. Wir nehmen nicht die energetischen Veränderungen auf unseren Sinnesoberflächen wahr, vielmehr die Objekte und Ereignisse, die wir in unserem Handeln in Rechnung stellen. Daher ist auch die Unterscheidung zwischen Rezeptoren und Wahrnehmungsorganen bzw. -systemen wichtig. Die Rezeptoren sind nur ein Teil eines Wahrnehmungssystems und für das intakte, effektive Funktionieren sind alle Komponenten, meist auch die anderer Wahrnehmungs- und Wissenssysteme nötig.

Die Wahrnehmung ist wie das Verhalten / Handeln damit nicht eine einfache Funktion eines Reizes, sondern das Resultat von Umgebungsstrukturen (Ordnung) und der Organisation des Organismus (Wahrnehmungssysteme, Aktionssysteme, Neurosysteme)
Dies kann man unter der Verwendung der Lewin’schen Verhaltensformel (V erhalten = f(U mwelt, P erson), V = f(U, P), vgl. Lewin (1963), S. 63) so ausdrücken:
W & VH = f (SU, OrgO).
Wahrnehmung (W) und Verhalten / Handeln (VH) können voneinander nur analytisch getrennt werden, da beide die Funktion der Struktur der Umgebung (SU) und der organismusinternen Organisation (OrgO) sind, zu der im Falle der Menschen auch alles Gelernte, das Wissen und die Sprache gehören, die in Form des Urteilens und Schließens die Welt auf symbolische Weise erschließen.

155
Q

Kernfrage der Wahrnehmungspsychologie (vgl. Mausfeld, 2006, S. 98)

A

Die proximalen Reize an den Sinnesrezeptoren und -organen sind relativ dürftig, mager verglichen mit dem vielseitigen Wissen, den umfangreichen Erfahrungen, aber auch dem reichhaltigen, „fülligen“ Erleben der phänomenalen Welt. Wir erfahren die Welt nicht mosaikhaft, ausschnitthaft, kleinteilig, oberflächlich.
Wie wird diese reichhaltige Erfahrung, die weit über unsere Sinnesinformationen hinausgeht, hergestellt? Ein Teil dieser Produktivität der Wahrnehmung ist auch die phänomenale Beständigkeit und die erlebte (kausale) Verbundenheit sowie Geschlossenheit unserer Erfahrung. Vieles in unserer Wahrnehmung scheint mit Informationen ergänzt zu werden, die nicht unmittelbar aus der aktuellen Wahrnehmung stammen.

156
Q

Modularität und Wahrnehmung
Modularitätsthese (Jerry Fodor),
„Modularity of mind“ (Fodor, 1983)

Wahrnehmung als Modul

Problematik der Isolierung eines Moduls, einer psychischen Funktion

A

Wie ist das psychische System aufgebaut, aus welchen Teilen besteht es und wie wirken diese Teile zusammen? Was sind „psychische Vermögen“ oder Fähigkeiten? Aus welchen Komponenten bestehen sie, wie sind sie organisiert? (Anmerkung: Es ist die Frage, die auch Dörners Buch „Bauplan der Seele“ im Wesentlichen leitet).
Fodor hat den Bedeutungsholismus des sprachlich konstituierten Denkens herangezogen, um einen scharfen Schnitt zwischen Wahrnehmung und Denken zu ziehen. Statt von Wahrnehmung spricht er von Inputsystemen. Er hebt auf den Umstand ab, dass z. B. die Genese eines visuellen Perzepts wie dasjenige von einem Gesicht, weitgehend automatisch abläuft und nicht durch Wissen beeinflusst werden kann. Er führt auch die Beispiele der optischen Täuschungen an, denn obwohl man weiß, dass die Wahrnehmung den physischen Verhältnissen nicht entspricht, kann man mit diesem Wissen das Wahrnehmungs-erlebnis nicht verändern. Diese Inputsysteme sind Module, also eigenständige Informationsverar-beitungsprogramme, die fest programmiert sind. Diese haben zwar einen Output in das Denksystem, aber die Syntax des Denkens kann nicht in die Syntax des Wahrnehmens eingreifen. Das Denken übernimmt den Output der Inputmodule, die in die Syntax des Denkens übersetzt werden. Diese Syntax des Denkens, die „Denkgrammatik“, nennt Fodor „Language Of Thought“ (LOT). Allerdings lässt er es offen, wie der Output aus den Wahrnehmungsmodulen so zusammengebunden wird, dass Denken und effektives Handeln möglich werden. Dies verweist auf das Bindungsproblem (-> vgl. gleichnamigen Eintrag bei Städtler, 1998). „Denken“ ist nach Fodor kein Modul, sondern weil es letztlich mit der formalen Struktur der Sprache deckungsgleich ist, ist es ein offenes, infinites System.

Der Grundgedanke der Modularität der Wahrnehmung ist also, dass es eine „Tiefen-struktur“ der Wahrnehmungsgenese gibt, die wir nicht aus unserer phänomenalen Gesamt-wahrnehmung erschließen können. Es verhält sich damit ähnlich wie mit der Tiefenstruktur der Grammatik menschlicher Sprachen, die man aus der Sprechperformanz nur bedingt erkennen kann. Die vielen Detailaspekte einer Wahrnehmung, Helligkeit, Farbe, Form, Bewegung, Raumtiefe usw. werden in Modulen verarbeitet. Diese sind die sensorischen, neurophysiologischen Prozesse, die wir anhand unserer Wahrnehmungserlebnisse postulieren.

157
Q

Wahrnehmung, Funktionalität und Tätigkeitsorientierung

Wahrnehmung als Funktion im Dienste erfolgreicher Tätigkeit

A

verstehen alle modernen Wahrnehmungstheorien die Wahrnehmung nicht als ein rein „kontemplativen“ Prozess.
Vielmehr dient die Wahrnehmung unter evolutionären Gesichtspunkten betrachtet, der An- passung an die Umwelt, also der Handlungsvorbereitung, -orientierung und -steuerung. Die sensu-motorischen Systeme sind phylogenetisch für die Umgebungsverhältnisse auf dem Land evolviert. Bau und Funktion des sensu- motorischen Systems sind in dieser Hinsicht für die ontogenetische Entwicklung genetisch vorgegeben und operieren in einer beschränkten Bandbreite, innerhalb dessen eine begrenzte Anzahl von Unterscheidungen und Kategorisierungen möglich ist. Die Selektivität der sensorischen Funktionen, z. B. die Sensitivität der Augen für einen bestimmten Ausschnitt des elektromagnetischen Spektrums und unsere Kategorisierung der Farben ist ein Beispiel dafür. Die Sinne sind besonders empfindlich für Differenzen innerhalb ihrer jeweiligen Funktionsbandbreite, ins- besondere für Veränderungen. Dazu gehören vor allem die Bewegungen.

157
Q

Wahrnehmung, Funktionalität und Tätigkeitsorientierung

Wahrnehmung als Funktion im Dienste erfolgreicher Tätigkeit

A

verstehen alle modernen Wahrnehmungstheorien die Wahrnehmung nicht als ein rein „kontemplativen“ Prozess.
Vielmehr dient die Wahrnehmung unter evolutionären Gesichtspunkten betrachtet, der An- passung an die Umwelt, also der Handlungsvorbereitung, -orientierung und -steuerung. Die sensu-motorischen Systeme sind phylogenetisch für die Umgebungsverhältnisse auf dem Land evolviert. Bau und Funktion des sensu- motorischen Systems sind in dieser Hinsicht für die ontogenetische Entwicklung genetisch vorgegeben und operieren in einer beschränkten Bandbreite, innerhalb dessen eine begrenzte Anzahl von Unterscheidungen und Kategorisierungen möglich ist. Die Selektivität der sensorischen Funktionen, z. B. die Sensitivität der Augen für einen bestimmten Ausschnitt des elektromagnetischen Spektrums und unsere Kategorisierung der Farben ist ein Beispiel dafür. Die Sinne sind besonders empfindlich für Differenzen innerhalb ihrer jeweiligen Funktionsbandbreite, ins- besondere für Veränderungen. Dazu gehören vor allem die Bewegungen.

158
Q

Koordination von Sensorik und Motorik als Bestandteil erfolgreicher Tätigkeit

Beispiel: die Rolle der Augenbewegungen, gezeigt über die Stabilisation von Netzhautbildern

A

Unser Sehsinn ist über die Augenbewegungen besonders auf Bewegungswahrnehmung ausgerichtet. Dies zeigt sich, wenn man über eine optische Vorrichtung ein stabilisiertes Netz- hautbild erzeugt. Man erzeugt ein stabilisiertes Netzhautbild mit Hilfe eines die Augenbewegungen ausgleichenden Spiegelsystems, das eine Figur bei jeder Augenbewegung mit versetzt. Dadurch wird die Figur immer auf die gleiche Netzhautstelle projiziert. Damit wird der Einfluss der Augenbewegung, die in der fortwährenden Veränderung des Netzhautbildes besteht, auf das visuelle Diskriminieren ausgeschaltet. Die Folge ist, dass man nichts mehr sieht (vgl. Eintrag zum Stichwort Netzhautstabilisation bei Städtler, 1998).

158
Q

Koordination von Sensorik und Motorik als Bestandteil erfolgreicher Tätigkeit

Beispiel: die Rolle der Augenbewegungen, gezeigt über die Stabilisation von Netzhautbildern

A

Unser Sehsinn ist über die Augenbewegungen besonders auf Bewegungswahrnehmung ausgerichtet. Dies zeigt sich, wenn man über eine optische Vorrichtung ein stabilisiertes Netz- hautbild erzeugt. Man erzeugt ein stabilisiertes Netzhautbild mit Hilfe eines die Augenbewegungen ausgleichenden Spiegelsystems, das eine Figur bei jeder Augenbewegung mit versetzt. Dadurch wird die Figur immer auf die gleiche Netzhautstelle projiziert. Damit wird der Einfluss der Augenbewegung, die in der fortwährenden Veränderung des Netzhautbildes besteht, auf das visuelle Diskriminieren ausgeschaltet. Die Folge ist, dass man nichts mehr sieht (vgl. Eintrag zum Stichwort Netzhautstabilisation bei Städtler, 1998).

159
Q

Verhältnisses zwischen repräsentierendem und repräsentiertem Organismus und repräsentierter Umgebung

A

Die Situation der Wahrnehmungs- und Kognitionsforschung ist nun dadurch charakterisiert, dass nicht nur Objekte Teil der Umgebung sind, sondern auch das wahrnehmende, erkennende Wesen ist Teil der Umgebung. Angelehnt an Prinz, Roth und Maasen (1996) sind damit drei Tatsachen miteinander widerspruchsfrei zu verbinden:

1) Unser Körper – und damit unser Kopf – ist von unserer Umwelt umgeben.
2) Die Prozesse, auf denen unsere Kognitionen der Umgebung, die wahrgenommene Welt, basieren, finden in unserem Kopfe statt.
3) Trotzdem nehmen wir das Verhältnis zwischen uns und unserer Umgebung nicht so wahr, dass sich unsere Umgebung in unserem Kopf befindet, sondern so, dass unser Körper (Kopf) von unserer Umwelt umgeben ist. Anders gesprochen, wir nehmen einen Unterschied zwischen uns als Selbst und unserer Umwelt als Nicht-Selbst wahr.

Organismus O (O ist, wenn nicht anders gesagt, synonym zur Fähigkeit des Ausbildens einer, inneren Repräsentation’ zu verstehen, also bezogen auf die repräsentationalen Fähigkeiten des Gehirns) ist in einer Umgebung S, welche aus abiotischen Strukturen wie Bergen (abiotisch 1) und Brücken (abiotisch 2) sowie aus lebendigen wie Bäumen und Sperlingen (biotisch 1) und Menschen (biotisch 2) besteht.
Es soll nur betrachtet werden, dass der Organismus O Bestandteil der physischen, biologischen Welt ist (abiotisch 1, biotisch 1).
Das kognitive System im Gehirn ist als Organ des Organismus realisiert. Dieses kognitive System ist ein repräsentierendes System, denn es repräsentiert sowohl die Umgebung (S) als auch den Organismus selbst (O). Damit wird die Unterscheidung zwischen S und O ebenfalls repräsentiert, als Unterscheidung zwischen S* und O. Der Organismus repräsentiert sich selbst, vor allem seinen Körper (K), der in der repräsen- tierten Umgebung S* verortet wird. Damit wird durch das S-O-System genau das repräsentiert, was in Satz 3 gesagt wurde, dass wir unsere Umwelt (S) außerhalb unseres Kopfes (K, allgemeiner O*), wahrnehmen.

Die erkenntniskritische Unterscheidung zwischen repräsentiertem und repräsentie- rendem (kognitivem) System wird innerhalb des repräsentierenden (kognitiven) Systems getroffen. Das impliziert nicht, dass alle Erkenntnisse Erfindungen oder gar Einbildungen sind. Wir haben gute Gründe, davon auszugehen, dass es eine von uns unabhängig existierende Außenwelt gibt.

160
Q

Problem der distalen Referenz

Wie kommt die Welt in unseren Kopf?

A

Obwohl wir aufgrund von wissenschaftlich gewonnenen Erkenntnissen wissen, dass das, was wir wahrnehmen, erkennen, denken und fühlen, in unserem Kopf, unserem Gehirn, stattfindet, erleben wir das so nicht. Die erlebte, die phänomenale Welt, wird als im Draußen erlebt (Extraspektion, Problem der distalen Referenz). Der Apfel vor mir wird nicht so wahrgenommen, als ob er in meinem Kopfe wäre. Dennoch ist das Sehen des Apfels, der Apfel als Gesehenes, sehr wohl etwas, was in meinem Kopf ist.
Der Apfel existiert also anscheinend in zweifacher Weise: Einmal als extramentaler Sachverhalt, der Apfel außerhalb meines Körpers, als Ding, das unabhängig von dem Funktionieren meiner Sinne, meines Körpers existiert. Zum anderen existiert der Apfel als mentales Vorkommnis, ich sehe ihn ja. Es scheint also so etwas wie ein Bild des Apfels in meinem Kopfe zu sein.

161
Q

Wahrnehmungen und Zustände des Wissens, einschließlich des wissenschaftlichen Wissens

A
sind epistemische (= auf das Erkennen bezogene) Zustände, in der Psychologie spricht man üblicherweise von kognitiven Zuständen. 
Diese Zu- stände kann man als das Haben von Wissen bezeichnen, es sind Zustände als Teil unserer kognitiven Fähigkeiten und diese werden infolgedessen als mentale Zustände bezeichnet.
162
Q

Mentale Modelle (semantischer Gehalt)

A

Mentale Modelle kennzeichnen den Sachverhalt, dass die Repräsentationsbeziehung keine unverbundene Liste von Einzelelementen miteinander in Beziehung setzt. Repräsentate sind nicht nur Elemente, sondern auch Relationen zwischen Elementen und damit eine Struktur.

Mentale Repräsentate haben einen semantischen Gehalt, sie vermitteln Sinn und Bedeutung, so die vernünftige Annahme. Die Phänomene, das, was wir erleben, stehen also in einer bedeutungsvollen Beziehung sowohl zu dem, was wir in der Welt vorfinden als auch dazu, wie wir dieses Vorfinden erlebensmäßig erfahren. Diese bedeutungsvolle Beziehung, in der wir über die Wahrnehmung und unser Wissen zur Welt und uns selber stehen, können wir sprachlich in Form von Sätzen ausdrücken. Deswegen haben epistemische Zustände (die Repräsentate) auch propositionalen Gehalt. Propositionen sind diejenigen semantischen Gehalte, die üblicherweise in einem Urteil („Dieses x ist y“) oder in einer propositionalen Einstellung („Ich sehe, dass dieses dort ein Baum ist“) als Satz einer Sprache ausge- drückt werden. Entsprechend sind Sätze nicht mit Propositionen identisch, da man diese in unterschiedlichen Sprachen und Formulierungen ausdrücken und auch ineinander übersetzen kann.

163
Q

mentale Repräsentationen

Repräsentationsrelation

A

Repräsentationsproblem oder wie kommt die Welt in den Kopf?

Repräsentat U* ( Modell) repräsentiert Repräsentandum U (Original) für System P.

Erkenntnistheoretisches Problem:
Das Wissen von P über U und P ist immer Repräsentat U* oder P*.

Welche „Qualität“ hat der mentale Zugang U/P zu U und P? (Problematik der Fehlrepräsentation und der Wahrrepräsentation)

Das Perzept „Baum“ wird als mentale Repräsentation bezeichnet, = Repräsentat
Das Perzept „Baum“ vertritt den Baum.
Der Baum ist etwas, das repräsentiert werden kann, was als Repräsentandum (= das zu Repräsentierende)
„Repräsentation“ = Relation zwischen Repräsentandum, Repräsentat und repräsentie- rendem System (der Person im weitesten Sinne, dem Wahrnehmungssystem im engeren Sinne)

Die mentale Repräsentationsrelation ist dreistellig:

Das Repräsentat x’ (1) repräsentiert (steht in der Repräsentationsrelation R) das Repräsentandum x (2) für das System S (3) (formal: S(x’Rx)).
Häufig wird der Ausdruck „Repräsentation“ nicht eindeutig verwendet, da mit diesem oft das Repräsentat x’ und nicht die Repräsentationsrelation R bezeichnet wird. Die Repräsentationsrelation R bezeichnet den Umstand, dass x’ das x in bestimmter Weise darstellt (vgl. Herrmann, 1988).

164
Q

Repräsentation und Modell

A

Die Problematik der Repräsentation lässt sich am besten durch den Modellbegriff erläutern.
Die für ortsbewegliche Organismen grundle- gende Fähigkeit des Navigierens macht die Annahme zweckmäßig, dass diese über mentale Modelle ihrer Umgebung im Sinne von „cognitive maps“ verfügen.

165
Q

Mentale Modelle

A

Mentale Modelle kennzeichnen den Sachverhalt, dass die Repräsentationsbeziehung keine unverbundene Liste von Einzelelementen miteinander in Beziehung setzt. Repräsentate sind nicht nur Elemente, sondern auch Relationen zwischen Elementen und damit eine Struktur.

166
Q

Homunkulus-Fehlschluss

A

Die Repräsentationsrelation in Form mentaler Modelle ist jedoch geeignet, dem Homunkulus- Fehlschluss entgegen zu wirken, also der Vorstellung, es gäbe so etwas wie Bilder im Kopf, die dort abgelesen werden. Niemand nimmt sein Wahrnehmen direkt wahr oder betrachtet Bilder im Kopf, auch wenn man das Phantasieren manchmal als „Kopfkino“ bezeichnet. Dies führt dann schnell zu dem „Homunkulus- Fehlschluss“: Ich betrachte ein Bild in meinem Kopf. Dann bin ich ein Homunkulus, ein kleines Menschlein in meinem Kopf. Im Kopf dieses Menschleins ist aber wiederum ein Bild, das von einem noch kleineren Menschlein angesehen werden müsste, das wiederum ein kleines Menschlein im Kopf hätte und so weiter.

167
Q

Zusammenhang von Gehalt und Repräsentation nach Detel (2007b, S. 57 f.)

A

1) Wenn X’ das Repräsentat des Repräsentandums X ist, dann ist X ein Umstand, mit dessen Vorkommen das Auftreten von X’ korreliert sein soll, und X heißt der Gehalt von X’.
2) Repräsentate können subsprachlich oder sprachlich sein, „je nachdem, ob die repräsentierenden Wesen ihre Repräsentationen mit sprachlichen Mit- teln beschreiben können und gelegentlich auch tatsächlich beschreiben oder nicht“.
3) Wenn X’ eine Repräsentation (Repräsentat) mit dem Gehalt X ist und das Auftreten von X’ mit dem Vorkommnis des Sachverhaltes von X korreliert ist, dann ist X’ eine angemessene Repräsentation.
4) Wenn X’ eine Repräsentation mit dem Gehalt X ist und das Auftreten von X’ nicht mit dem Vorkommnis des Sachverhaltes von X korreliert ist (d.h. im Wesentlichen, wenn X’ mit keinem besonderen Sachverhalt (Halluzination) oder mit einem anderen Sachverhalt als X (Illusion) korreliert ist), dann ist X’ eine unangemessene Repräsentation (ein unangemessenes Repräsentat).
5) Wenn X der Gehalt eines angemessenen Repräsentats X’ ist, dann verfügt das Wesen, in dem X’ vorkommt, über die repräsentationale Information, dass X der Fall ist. Bei einer unangemessenen Repräsentation (unangemes-senes Repräsentat X’) liegt eine repräsentationale Fehlinformation vor.

168
Q

Problem der Repräsentationsformate

A

Unterscheidung in

  • analog
  • digital
  • symbolisch

Mentale Modelle von räumlichen Verhältnissen sind häufig analoge Modelle, die bildhafte Züge aufweisen. Bekannt geworden sind die Experimente zur mentalen Rotation von Shepard und Metzler (1971) (vgl. Abb. I.37)

Kognitive Karten sind Bilder von Objekten, Räumen

Eine eher digitale Repräsentation (man spricht allerdings meist von symbolischer bzw. propositionaler Wissensrepräsentation) ist das verbale Repräsentationsformat. Bilder und Zeichnungen werden oft schnell, u. U. mit einem Blick ver- standen (bildhafte, analoge Repräsentation), wohingegen die verbale Beschrei- bung oftmals mühsam sein kann.

169
Q

Das Rätsel der Wahrnehmung nach Mausfeld (1999b)

A

Koevolution Umwelt – Wahrnehmen

Kern des Leib-Seele- Problems

“…Ein solchermaßen theoretisches Konzept von Qualia wird zwar vielfältige Plausibilitätsbezüge zum alltagsprachlichen haben, doch logisch ist es davon unabhängig, wie Qualia gleichsam von innen betrachtet erscheinen mögen. Bereits in dem Spannungsverhältnis zwischen physikalischer Beschreibung, (externer) wahrnehmungs-psychologischer Beschreibung und (interner) erlebnismäßiger Beschreibung ein und desselben Objektes der physikalischen Welt wird das Rätsel der W. erkennbar, in dem die Konturen eines der ältesten Probleme der Philosophie und zugleich des Kernproblems der Kognitionsforschung sichtbar werden: das Leib-Seele-Problem.“

170
Q

Wahrnehmung als erfolgreiche Anknüpfung an die Umgebung

A

Es sind Erkenntnisse, es ist Wissen, das wir als Erfolg vor allem unserer Wahrnehmung gewinnen, weswegen wir den Begriff der Wahrnehmung als Erfolgsbegriff verwenden, so Detel (2007a). Damit wird Wahrnehmung gewöhnlich als ein korrekter Erkenntnisakt verstan- den. „Wir würden nicht sagen, dass eine Person X wahrnimmt, wenn X nicht existiert“.

Sinnestäuschungen wie Illusionen (man hält ein x für ein y) oder Halluzinationen (man nimmt x wahr, obwohl es kein x gibt) der Wahrnehmung scheinen den In- formationswert und die Zuverlässigkeit der Wahrnehmung einzuschränken. Ent- scheidend für diese Überlegung ist, dass eine Sinnestäuschung sich nicht von einer zutreffenden Wahrnehmung unterscheidet. In beiden Fällen erlebt man eine Wahrnehmung. Der gerade, ins klare Wasser getauchte Stock, sieht geknickt aus. Sprachlich kann man das durch eine propositionale Einstellung ausdrücken: „Es scheint mir, dass der Stock geknickt aussieht“. Hier bekundet jemand sein phä- nomenales Erleben und sagt zu gleich, dass es sein könnte, dass der Stock geknickt ist, aber auch, dass es sein könnte, dass der Stock gerade ist.

Die Wahrnehmung dient also nicht zur Darstellung der Welt, sondern zur Bewältigung der Anforderungen, die die Umwelt an Organismen und damit auch an Menschen stellt.

171
Q

Allgemeiner Empirismus

A

„Der Empirismus behauptet in allen seinen Varianten, dass alles Wissen von der externen Welt, das nicht logisches oder mathematisches Wissen ist, auf Wahrnehmung, Beobachtung und empirischer Erfahrung beruht, weil dieses Wissen entweder aus Wahrnehmungen, Beobachtungen und empirischer Erfahrung ableitbar ist, oder anhand von Wahrnehmungen, Beobachtungen und empirischer Erfahrung kritisch geprüft werden kann.“ (Detel, 2007a, S. 46).
Nach dieser Position kann man im Allgemeinen von der Zuverlässigkeit unserer Wahrnehmungen ausgehen. Sie geben uns praktisch sichere (wirklich wahre) Erkenntnisse und damit ein tragfähiges Fundament des Wissens.

172
Q

Zuverlässigkeit von Wahrnehmungen (nach Detel, 2007a, S. 46f.)

A

1) „Aufgrund ihrer natürlichen Funktionalität und Repräsentationalität sind Wahrnehmungen in eine evolutionäre Geschichte eingebettet (evolutionäre Bewährung).
2) Einzelne gegebene Wahrnehmungen sind zwar niemals mit Sicherheit zuverlässig, können aber durch Abgleichung mit Wahrnehmungen in ähnlichen Situationen auf ihre Zuverlässigkeit hin geprüft werden (Möglichkeit wechselseitiger Abgleichung von Wahrnehmungen).
3) Sinnestäuschungen können begrifflich nur auf der Grundlage eines Konzepts von erfolgreichen Wahrnehmungen ausgezeichnet werden (theoretische Asymmetrie der Wahrnehmungen).
4) Einzelne Beobachtungssätze (also singuläre Sätze oder Aussagen, die Wahrnehmungen oder Beobachtungen beschreiben) sind zwar niemals mit Sicherheit zuverlässig, können aber durch Abgleichung mit Beobachtungssätzen in ähnlichen Situationen auf ihre Zuverlässigkeit hin überprüft werden (Möglichkeit wechselseitiger Abgleichung von Beobachtungssätzen).
5) Falsche Beobachtungssätze können begrifflich nur auf der Grundlage eines Konzepts von wahren Beobachtungssätzen ausgezeichnet werden, in denen Wahrnehmungen beschrieben werden (theoretische Asymmetrie der Beobachtungssätze).
6) Wegen der interpretativ bewährten Formierung propositionaler Gehalte von Beobachtungssätzen und der evolutionären Bewährung von Wahrnehmungen sind Beobachtungssätze, die durch Abgleichung überprüft wurden, im Allgemeinen zuverlässig.“

173
Q

Transphänomenale und phänomenale Welt

A

erkenntnistheoretische Überlegungen

Nach Stadler und Kruse (1990) soll diese transphänomenale Welt mit „Realität“ (reality) und die phänomenale Welt mit „Wirklichkeit“ bezeichnet werden. Wirklich ist, was wirkt und zwar phänomenal wirkt.
Die Realität ist vor allem die physikalische Welt, die als unabhängig von unserem Denken, von psychischem Geschehen, als existierend angesehen wird. Wirklichkeit meint die Erscheinungender Realität, die subjektive Weise, was und wie wir die Realität erfahren, aber auch das, was wir Abbild oder unmittelbare Gegebenheit nennen, mittelbar Erschlossenes als Resultat von logischen Denkprozessen und das, was wir unabhängig von der Realität als unsere Erzeugnisse verstehen, das, was von uns hervorgebracht wurde. Erkenntnistheoretisch lassen sich Wahrnehmungstheorien danach unterscheiden, welche Grundpositionen zum Verhältnis zwischen Realität (Re) und Wirklichkeit (Wi) sie einnehmen.

174
Q

radikaler Konstruktivismus

A

Ausgehend von der kognitiven Selbstreferenz:

Dieser Ansicht zufolge wird die Wirklichkeit errechnet aus den „Daten“ des Organismus selber. Die Reize sind nur energetische Randbedingung für ein semantisch abgeschlossenes kognitives System, das von seinen eigenen Zuständen und Zustandsänderungen auf Werte außerhalb des Organismus schließt, die aber selbst wiederum nur ein Output innerhalb des Systems sind.

Die Wirklichkeit ist daher eine Funktion eben der Wirklichkeit selber (kognitive Selbstreferenz), der Organisation und Lerngeschichte des Organismus (OrgLG_O) und des energetischen Kontextes der Reize (Re_S):
Wi = f (Wi, OrgLG_O, Re_S)
Mit dieser Ansicht kann keine Rede mehr vom Abbild der Realität sein. Das Urbild ist selbst Teil der semantischen Wirklichkeit, die physikalische Realität ist selbst Teil der Wirklichkeit. Erkennen kann man nur das, was man konstruieren kann, also nur Konstruiertes. Es gibt keinen mentalen Zugang zur Realität, sondern stets nur den Zugang zur Wirklichkeit, dem Mentalen. Jedoch ist dieses Mentale keineswegs identisch mit der Realität, sondern mit der Wirklichkeit.

Diese Differenz, die natürlich auch im Rahmen des semantisch geschlossenen Konstruierens getroffen wird, muss aber auch vom (radikalen) Konstruktivisten als Möglichkeit eingeräumt werden. Der Erfolg der Wahrnehmung besteht darin, dass von einer Konstruktion zur nächsten Konstruktion übergegangen werden kann und dass Konstruktionen aufrechterhalten werden können (Viabilität)

175
Q

repräsentationale Wahrnehmungstheorien

A

sehen die Wirklichkeit (= Wi) als Funktion der Realität (=Re).
Wi = f (Re).
Die Wirklichkeit ist repräsentierte Realität und die Repräsentate, die „Abbilder“ entsprechen nur ausschnitthaft, aspektiv, der Realität.
Die Realität wird nur durch Zeichen zugänglich, auch wenn, wie gesagt, das Zeichenhafte nicht erlebt wird bzw. erst mit Hilfe von Artefakten wie Bildern oder Modelle begrifflich als zeichenhaft verstanden wird. Zu diesem Theorietyp gehören die Gestalttheorie und die damit verwandten Schema-Theorien.
Im Kern gehen sie auf die Einsicht Kants Erkenntnistheorie zurück, dass Anschauungen ohne Begriffe blind sind, aber Begriffe ihre Leistung der Synthese nicht ohne Wahrnehmungen erbringen können. Die repräsentationalen Wahrnehmungstheorien sind auch mit der Informations- verarbeitungstheorie der Wahrnehmung verträglich, denn Repräsentationen ver- mitteln Informationen. Auch computationale Wahrnehmungstheorien sind Varian- ten der repräsentationalen Wahrnehmungstheorie. Repräsentationen können als Daten verstanden werden, die durch Programme so berechnet werden können, dass bestimmte neue Datentypen (Strukturen) entstehen, die wiederum repräsenta- tionale Funktionen erfüllen.

176
Q

Bedeutungen von „Wirklichkeit“

A

grundlegenden Unterscheidung von transphänomenaler Realität und phänomenaler Wirklichkeit
Im Bereich der phänomenalen Wirklichkeit können Differenzierungen unterschiedlicher Wirklichkeitsbegriffe vorgenommen werden, aber im Bereich der transphänomenalen Realität nicht. Über diesen Bereich kann man nur etwas wissen, vermuten oder glauben oder etwas erschließen.

Die Unterscheidung zwischen Realität und Wirklichkeit entspricht einer Dichotomie (a), wohingegen sich bei den Aspekten (b) bis (f) kontinuierli- che Abstufungen finden (siehe Bedeutungen von Wirklichkeit (nach Stadler und Kruse, 1990))

177
Q

Wirklichkeitskriterien nach Stadler und Kruse (1990)

A

Syntaktische Wirklichkeitskriterien
Semantische Wirklichkeitskriterien
Pragmatische Wirklichkeitskriterien

dienen nach der repräsentationalistischen Wahrnehmungstheorie dazu, Regularitäten der Umwelt sowie der durch eigene Aktionen erzeugten regelhafte Effekte und Folgen des Eingreifens in die Umwelt zu erkennen und zu nutzen

178
Q

interventionistische Konzeption von Wirklichkeit

A

Die interventionistische Konzeption besteht darin, dass wir mit Hilfe von Geräten und Werkzeugen ansonsten nicht erlebbare Wirklichkeiten zur Erscheinung bringen können. So hat sich der von Einstein hoch geschätzte Physiker Ernst Mach jahrelang geweigert, an die Existenz von Atomen zu glauben. Mehrere Erkenntnisse brachten ihn dazu, seine Meinung zu revidieren und eine bestand darin, dass er wohl Teilchenstrahlenbahnen vorgeführt bekam (vgl. zur komplizierten Bekehrungsgeschichte Machs Wolters, 1988). Der schreckliche, aber überzeugende Beweis für die meisten Menschen war dann die Atombombe. Mit der interventionistischen Konzeption von Wirklichkeit ist also gemeint, dass wir nicht nur das für wirklich halten, was wir beobachten, sondern vor allem das, was uns mit Hilfe von experimentellen Manipulationen und Berechnungen Vorhersagen erlaubt, die nicht an der Wirklichkeit scheitern, noch mehr, das Herstellen neuer Wirklichkeiten erlaubt

179
Q

Syntaktische Wirklichkeitskriterien

A

grundlegendsten Wirklichkeitseindruck vermitteln bereits die einfachen Sinnesqualitäten

  1. Helligkeit
  2. Kontrast
  3. Konturschärfe
  4. Strukturelle Reichhaltigkeit
  5. Dreidimensionalität
  6. Intermodalität
  7. Invarianz
  8. Bewegung
  9. Lokalisierbarkeit
    (5. -9. hängen alle mehr oder weniger eng mit der Kantschen apriorischen Anschauungsform des Raumes zusammen)
179
Q

Das Wahrnehmungsexperiment

A

Die Methoden der Wahrnehmungspsychologie, mit der Menschen untersucht werden, basieren auf Selbst- und Fremdbeobachtung. Dazu wurden in der Wahrnehmungspsychologie spezielle Untersuchungsmethoden entwickelt, die aus der Psychophysik bzw. der Sinnesphysiologie stammen. Die bevorzugte Methode in der Wahrnehmungspsychologie ist das Experiment, in dem meistens die Reize die unabhängige Variablen (UV) und die Reaktionen die abhängige Variablen (AV) sind.

Reize werden physikalisch variiert, deren Anordnung (nebeneinander, untereinander), Anzahl (einer, zwei, viele), Zeitfolge (nacheinander, simultan), Dauer (kurz, lang), Hintergrund (Rauschen) und Vordergrund (Signal) usw. Die Vp muss diese entdecken, identifizieren oder unterscheiden und dazu ein verbales Urteil aussprechen, eine Taste drücken oder etwas auf Papier markieren. Diese Reaktionen sind richtig oder falsch und erfolgen mit unterschiedlicher Schnelligkeit. In die Güte- und Schnelligkeit der Reaktion ging die Endphase der Reizverarbeitung ein, die Entscheidung, die die Vp treffen muss, ob sie „gleich“ oder „ungleich“ urteilt, in welcher vereinbarten Reaktionsweise auch immer

180
Q

Pragmatische Wirklichkeitskriterien

A
  1. Wirklichkeit
  2. Be-greif-barkeit
  3. Antizipierbarkeit
  4. Intersubjektivität
    Stimmen mit den gängigen, für die Richtigkeit wissenschaftlicher Beobachtung angenommenen Kriterien überein
181
Q

Diskriminationsleistungen

A

Unterscheiden und Vergleichen, Paarvergleich (simultaner oder sukzessiver Paarvergleich)
Der Paarvergleich erfüllt die minimalste Anforderung an einen Vergleich dahingehend, dass eben mindestens zwei Urteilsobjekte vorliegen müssen. Sollen n Urteilsobjekte verglichen werden, so macht dies (n*n-1)/2 Paarvergleiche nötig.

  • An- oder Abwesenheit eines physikalischen Merkmals
  • Unterschiede in der Abstufung einer physikalischen Dimension
182
Q

Urteilskriterien

A
  1. Gleichheit (bzw. Verschiedenheit)
  2. Art der Verschiedenheit (z. B. „größer“, „mehr“, „ähnlicher“). In letzterem Fall spricht man von Dominanz- und Ähnlichkeitspaarvergleich. Üblicher- weise hat das Urteil der Gleichheitsprüfung die Form „X ist gleich Y“ (oder deren Verneinung „X ist verschieden von Y“, „X ist nicht gleich Y“), das Urteil wird aber meist abgekürzt als „gleich“ oder „ungleich“ geäußert. Beim Gleichheits- oder Verschiedenheitsurteil kommt es strenggenommen nicht darauf an, zu erken- nen, worin die Gleichheit oder Verschiedenheit besteht. Es muss einfach irgen- detwas entdeckt werden, was zwei Reize voneinander unterscheidet.
183
Q

Basale kognitive Prozesse der Wahrnehmung

A
  1. Diskrimination
  2. Entdecken
  3. Identifizieren
  4. Erkennen
184
Q

Diskriminationsleistungen

A

Unterscheiden und Vergleichen, Paarvergleich (simultaner oder sukzessiver Paarvergleich)
Der Paarvergleich erfüllt die minimalste Anforderung an einen Vergleich dahingehend, dass eben mindestens zwei Urteilsobjekte vorliegen müssen. Sollen n Urteilsobjekte verglichen werden, so macht dies (n*n-1)/2 Paarvergleiche nötig.

185
Q

Urteilskriterien

A
  1. Gleichheit (bzw. Verschiedenheit)
  2. Art der Verschiedenheit (z. B. „größer“, „mehr“, „ähnlicher“). In letzte- rem Fall spricht man von Dominanz- und Ähnlichkeitspaarvergleich. Üblicher- weise hat das Urteil der Gleichheitsprüfung die Form „X ist gleich Y“ (oder deren Verneinung „X ist verschieden von Y“, „X ist nicht gleich Y“), das Urteil wird aber meist abgekürzt als „gleich“ oder „ungleich“ geäußert. Beim Gleichheits- oder Verschiedenheitsurteil kommt es strenggenommen nicht darauf an, zu erken- nen, worin die Gleichheit oder Verschiedenheit besteht. Es muss einfach irgen- detwas entdeckt werden, was zwei Reize voneinander unterscheidet.
186
Q

Entdeckungsleistungen

A
  • Signalentdeckung (Ton oder Lichtpunkt („Ja-Nein-Experiment“))
187
Q

Die drei grundlegenden Typen von Wahrnehmungsurteilen

A
  1. Typ der Entdeckung (z. B. eines Signals, einer Veränderung) und die damit verbunden Aufgaben werden als Entdeckungsaufgaben bezeichnet
    - das Urteil „wahrnehmbar“ oder „nicht wahrnehmbar“
    - geht vom Erleben aus, dass man nichts bemerkt, nichts wahrnimmt, z. B. wenn man einen Kopfhörer aufhat und gefragt wird, ob man einen Ton hört.
  2. Typ des Diskriminierens oder Unterscheidens und die entsprechenden Aufgaben werden als Diskriminationsaufgaben bezeichnet
    - das Urteil „gleich“ oder „nicht gleich“
    - geht vom Erleben von Unterscheidbarkeit oder Ununterscheidbarkeit aus. Wenn man beispielsweise in der rechten und in der linken Hand ein Gewicht hält und gefragt wird, ob die Gewichte gleich schwer sind oder nicht
  3. Typ des Identifizierens wird mit Erkennungs-aufgaben untersucht
    - Urteilstyp, der auf einer weiteren Spezifizierung des Urteils „nicht gleich“ basiert, z. B. „größer als“
    - verbindet Entdecken und Unterscheiden und wird als Identifizieren bezeichnet, denn man kann einen Reiz vermittels irgendeines Merkmals entdecken und genauso kann man einen Unterschied zwischen zwei Reizen feststellen, ohne dass man zunächst angeben könnte, worin dieser besteht
    - Klassifikationen, Wiedererkennen
188
Q

Identifikations- und Entdeckungsleistungen kombiniert

A

z.b. Suchaufgaben (vgl. Eintrag zum Stichwort visuelle Suche bei Städtler, 1998)

189
Q

Grundfrage der Psychophysik

A

Wie hängen die physikalischen Reizdimensionen mit den subjektiven Empfindungsdimensionen zu- sammen?

Mit „Dimension“ ist gemeint, dass man z. B. die Dimension Gewicht in diskrete Einheiten unterteilen und diese wiederum additiv zusammensetzen kann. Dies ist sowohl auf der physikalischen Seite möglich, z. B. mit Hilfe eines Gerätes wie der Waage als auch auf der psychischen mit Hilfe des Beurteilens von Erlebnisunterschieden von Schwere.

Die Psychophysik geht vom physikalischen Reiz aus und fragt nach der korrespondierenden Wahrnehmung, und sie reduziert ihren Ansatz auf einzelne Dimensionen von Reizen. Die Verknüpfung zwischen den physikalischen Beträgen der Reize, Si, und den Wahrnehmungsurteilen wird durch die sog. psychometrische Funktion dargestellt: Die physikalischen Reize werden auf der Abszisse abgetragen (

190
Q

Innere und äußere Psychophysik

A

Fechner unterscheidet eine innere und eine äußere Psychophysik.

Die innere Psychophysik bezieht sich auf den Zusammenhang zwischen der Wahrnehmung und den ihr unmittelbar zugrunde liegenden physiologischen Prozessen im Gehirn. Jede Wahrnehmung eines Unterschiedes geht mit einem Unterschied im Gehirn einher (das Umgekehrte gilt nicht ausnahmslos). Die innere Psychophysik ist der Versuch, das metaphysische Leib-Seele-Problem empirisch anzugehen. Die innere Psychophysik war zu Fechners Zeiten nicht realisierbar.

Die äußere Psychophysik untersucht den Zusammenhang von distalem Reiz, dem extraorganismischen Objekt oder Ereignis und dem Wahrnehmungsurteil. Es wird davon ausgegangen, dass der distale Reiz auf der sensorischen Oberfläche als proximaler Reiz abgebildet wird, der das Funktionieren von Sinnesorganen, Rezeptoren verändert, so dass diese Änderung als Erregung zur zentralen Verarbeitung weitergeleitet wird. Die distalen Reize können mit Hilfe physikalischer Maßstäbe gemessen werden, was es möglich macht, sie mit den entsprechenden Wahrnehmungsurteilen so zu verbinden, dass eine psychophysikalische Funktion hergestellt werden kann

Die erkenntnistheoretische Position Fechners ist der inneren und äußeren Psychophysik problematisch

191
Q

Psychophysik: die Frage nach der Messbarkeit des Psychischen

A

Von der Beantwortung dieser Frage hängt u. a. auch die Beurteilung der Psychologie als Wissenschaft ab.
Die Psychophysik konnte diese Frage bejahen, zumal die Quantität eine Kategorie des Psychischen ist (vgl. Kap. I. 4.2.3.1, zur phänomenalen Metrik). Wie in jeder messenden Erfahrungswissenschaft ist es daher nötig, sich mit der Frage zu beschäftigen, was Messen ist. Messen ist nicht einfach das Zuordnen von Zahlen zu Objekten und Ereignissen, sondern es ist Modellbildung. Dieser Aspekt wird sehr gut in Gigerenzer (1981) ausgeführt.
Der modellbildende Aspekt des Messens besteht darin, dass man beobachtete Sachverhalte mit Hilfe logischer und mathematischer Strukturen modelliert, also prüft, ob empirische Relative (empirische Objekte und deren Relationen) mit numerischen Relativen (mathematisch-logische Objekte und deren Relationen) repräsentiert werden können. Die Untersuchung der damit verbundenen Fragen ist Aufgabe der Messtheorie.

Aus der Sicht der Messtheorie kann die Frage, ob Psychisches messbar ist, bejaht werden.

Das Bilden von Klassen ist eine Messung, es handelt sich um eine Nominalskala. Reize werden schon in der Wahrnehmung klassifiziert, weswegen die Annahme, das Wahrnehmen sei eine Art Messen, mehr als nur plausibel ist. Wie in Kapitel I ausgeführt, sind Bezugssysteme (I.4.2.3) und Orientierungsleistungen (I.5.1) ebenso Beispiele für die Metrizität des Psychischen.

192
Q

Grundfrage der Psychophysik

A

Wie hängen die physikalischen Reizdimensionen mit den subjektiven Empfindungsdimensionen zu- sammen?

Mit „Dimension“ ist gemeint, dass man z. B. die Dimension Gewicht in diskrete Einheiten unterteilen und diese wiederum additiv zusammensetzen kann. Dies ist sowohl auf der physikalischen Seite möglich, z. B. mit Hilfe eines Gerätes wie der Waage als auch auf der psychischen mit Hilfe des Beurteilens von Erlebnisunterschieden von Schwere.

193
Q

Schwelle und psychisches Maß

A

Kenntnisse über das Konzept der Schwelle und die Bestimmung von Schwellen sind deswegen wichtig, weil sie das methodische Prinzip für die Herstellung von Skalen verdeutlichen. Schwellenwerte wurden ermittelt, um die Leistungsfähigkeit der Sinne zu untersuchen. Des Weiteren war das Konzept der Schwelle von zentraler Bedeutung für Suche nach einem psychischen Maß, denn die Schwelle wurde als Grenze zwischen dem Gleichheitsurteil und dem Verschiedenheitsurteil aufgefasst. Das erinnert sehr an die Maßstriche auf einem Lineal, die eine Maß- einheit von einer anderen trennen.

Absolutschwelle
Unterschiedsschwellen
ebenmerklicher Unterschied emU
Weber (Fechterisches) Gesetz

Die Notwendigkeit, einen Schwellenwert stets mehrmals zu bestimmen, folgt aus der Tatsache, dass dieser niemals eine konstante Größe darstellt, auch nicht bei der einzelnen Vp. Die Schwelle ist also ein (arithmetischer) Mittelwert mit einer bestimmten Streuung, die zwei Empfindungen (i. S. v. Elementarwahrnehmung) voneinander trennt, z. B die Empfindung „laut“ von „gerade ein bisschen lauter“

194
Q

Absolutschwelle

A

Die Leistungsfähigkeit der Sinne ist nach oben und unten begrenzt. Menschen können beispielsweise Licht nur in einem bestimmten Bereich des elektromagnetischen Spektrums wahrnehmen (vgl. Kurs Biologische Grundlagen, Kap. IV). Es gibt also eine untere und eine obere Reizschwelle, absolute Empfindlichkeit des untersuchten Sinnes.

195
Q

Psychophysik: die Frage nach der Messbarkeit des Psychischen

A

Von der Beantwortung dieser Frage hängt u. a. auch die Beurteilung der Psychologie als Wissenschaft ab.
Die Psychophysik konnte diese Frage bejahen, zumal die Quantität eine Kategorie des Psychischen ist (vgl. Kap. I. 4.2.3.1, zur phänomenalen Metrik). Wie in jeder messenden Erfahrungswissenschaft ist es daher nötig, sich mit der Frage zu beschäftigen, was Messen ist. Messen ist nicht einfach das Zuordnen von Zahlen zu Objekten und Ereignissen, sondern es ist Modellbildung. Dieser Aspekt wird sehr gut in Gigerenzer (1981) ausgeführt.
Der modellbildende Aspekt des Messens besteht darin, dass man beobachtete Sachverhalte mit Hilfe logischer und mathematischer Strukturen modelliert, also prüft, ob empirische Relative (empirische Objekte und deren Relationen) mit numerischen Relativen (mathematisch-logische Objekte und deren Relationen) repräsentiert werden können. Die Untersuchung der damit verbundenen Fragen ist Aufgabe der Messtheorie.

Aus der Sicht der Messtheorie kann die Frage, ob Psychisches messbar ist, bejaht werden.

196
Q

Psychometrie nach Fechner

A

Ausgangspunkt ist das Erleben von Unterschieden und Ununterscheidbarkeit.

Zu Fechners Zeiten wurden noch nicht explizit Skalenniveaus unterschieden, so dass Fechner unter „Maßskala“ am ehesten das verstand, was heute als Rationalskala bezeichnet wird. Eine solche Skala muss einen Nullpunkt haben, da es vorkommen kann, dass etwas kein Merkmal hat. Des Weiteren muss eine solche Skala Einheiten haben, die bestimmten algebraischen Prinzipien und Regeln genügen (vgl. Gigerenzer, 1981).

Fechner musste Wahrnehmungserlebnisse bzw. -urteile über dieselben finden, die „Nulleindrücken“ und „Unterschiedseindrücken“ entsprechen, wobei letztere dann herangezogen werden können, um psychische Maßeinheiten zu konstruieren.

Fechner entwickelte ein Verfahren, um Urteile des ersten Typs herzustellen, also Urteile der Art „nicht wahrnehmbar“ und „wahrnehmbar“.

Dies ist die Methode der Reizfindung, denn es sind die beiden Reize gesucht, die zu den bereits feststehenden Urteilen wie „gleich“ oder „ungleich“ passen.

Die andere Methode ist die Methode der Urteilsfindung. Es werden Reize variiert und präsentiert (UV), die Reize liegen also bereits fest, und es wird erhoben, wie diese beurteilt werden, das Urteil ist als die AV gesucht.

197
Q

Schwelle und psychisches Maß

A

Kenntnisse über das Konzept der Schwelle und die Bestimmung von Schwellen sind deswegen wichtig, weil sie das methodische Prinzip für die Herstellung von Skalen verdeutlichen. Schwellenwerte wurden ermittelt, um die Leistungsfähigkeit der Sinne zu untersuchen. Des Weiteren war das Konzept der Schwelle von zentraler Bedeutung für Suche nach einem psychischen Maß, denn die Schwelle wurde als Grenze zwischen dem Gleichheitsurteil und dem Verschiedenheitsurteil aufgefasst. Das erinnert sehr an die Maßstriche auf einem Lineal, die eine Maß- einheit von einer anderen trennen.

198
Q

Grenzverfahren

A

Verfahren der Reizfindung

  • in audiometrischen Tests. Ermittlung der Frequenz desjenigen Tones, den man gerade noch hören kann (im aufsteigenden Verfahren wird ein Ton eingespeist, der erst sicher nicht hörbar ist, dann bis er hörbar ist, im absteigenden Verfahren vice versa)
  • die Übergänge zw. nicht wahrnehmbar und wahrnehmbar werden Absolutschwelle genannt, d.h. diese besteht immer aus zwei physikalischen Werten, diese werden gemittelt
  • das Verfahren wird mehrfach wiederholt um Urteilsfehler (Gewöhnung, Erwartung) auszugleichen
  • Verfahren zur Bestimmung der Absolutschwelle und der Unterschiedsschwelle
199
Q

Unterschiedsschwellen

+ ebenmerklicher Unterschied, emU oder engl. just noticeable difference, jnd

Webersches Gesetz

A

Die Feinheit der Unterscheidung wird über die Unterschiedsschwellen bestimmt, die den Grad der Unterschiedsempfindlichkeit ausdrücken. Hinsichtlich der Unterschiedsempfindlichkeit können verschiedene Sinne miteinander verglichen werden, da sich die Unterschiedsschwellen relativ angeben lassen.
Man ermittelt für den eben gerade wahr-genommenen Unterschied (sog. ebenmerklicher Unterschied, emU oder engl. just noticeable difference, jnd) den dafür erforderlichen Zuwachs des physischen Reizes (

200
Q

Unsicherheitsintervall bei der Berechnung von Unterschiedsschwellen

A

Obere Schwelle - untere Schwelle

201
Q

Unterschiedsschwelle oder den physikalischen Betrag des emU bei der Berechnung von Unterschiedsschwellen

A

der physikalische Wert des Unsicherheitsinterwalls wird halbiert

Die Unterschiedsschwelle ist zugleich ein Maß für die Empfindlichkeit einer Wahrnehmung, für die Unterscheidungsfähigkeit.

Eine große Unterschiedsschwelle zeigt eine niedrige Empfindlichkeit an, eine kleine Unterschiedsschwelle eine große Empfindlichkeit.

202
Q

Punkt subjektiver Gleichheit (PSG) bei der Berechnung von Unterschiedsschwellen

A

Mittelwert aus oberer und unterer Schwelle

203
Q

Bestimmung einer Unterschiedsschwelle mit dem Grenzverfahren

A

Das Grenzverfahren kann ebenfalls verwendet werden, um Unterschiedsschwellen zu bestimmen. Diese ist der ebenmerkliche Unterschied (emU) zwischen zwei Reizen, wobei meist die Unterschiedsrichtung beurteilt werden soll (größer, lauter, schwerer usw.).
Üblich ist es, mit einem Standardreiz SC und mehreren Vergleichsreizen VSi zu arbeiten. Zu diesem Zweck wird ein Standardreiz SC festgelegt, der mit unter- schiedlichen Vergleichsreizen VSi verglichen wird. Es sei festgelegt: „=“ heißt „als gleich wahrgenommen“ und „>“ bzw. „<“ „als größer/lauter/länger etc. wahrgenommen“ bzw. „als kleiner/leiser/kürzer etc. wahrgenommen“.

Für den Vergleichsreiz gibt es eine obere Schwelle (den Übergang vom quantitativ mehr ausgeprägten Vergleichsreiz zum Standardreiz) und eine untere Schwelle (den Übergang vom quantitativ weniger ausgeprägten Vergleichsreiz zum Standardreiz), wobei die Schwellen wieder durch die Mittelwerte der physischen Reizbeträge aus den beiden Reizbeurteilungen repräsentiert werden, die den Übergang von „ungleich“ zu „gleich“ markieren. Wiederum werden mehrere Mittelwerte aus solchen Urteilspaaren bestimmt und ebenfalls gemittelt.

204
Q

Unsicherheitsintervall bei der Berechnung von Unterschiedsschwellen

A

Obere Schwelle - untere Schwelle

205
Q

Herstellungsverfahren

A

Methode der Reizfindung

Verfahren zur Bestimmung der Absolutschwelle

Mit diesem Verfahren manipuliert die urteilende Person selber die physikalische Dimension des Reizes so, dass sie ihn gerade wahrnimmt, dass der Reiz „ebenmerklich“ wird. Beispielsweise kann man mit einem Drehregler den Schalldruck eines Tones selber verändern, so dass man um den Ton herumpendeln kann, den man bei kleinster Drehung gerade mal hört oder nicht (ähnlich wie beim Einstellen eines Radiosenders).

Verfahren zur Bestimmung der Unterschiedsschwelle

Wiederum stellt die Person selber eine Veränderung des Reizes her. Sie verändert den Vergleichsreiz und urteilt, ob dieser größer, kleiner oder gleich bezogen auf den Standardreiz ist. Dabei pendelt sie die Werte um den Standardreiz herum ein, d. h. es gibt vergleichbar viele Werte, die größer bzw. die kleiner als der Standardreiz sind

206
Q

Punkt subjektiver Gleichheit (PSG) bei der Berechnung von Unterschiedsschwellen

A

Mittelwert aus oberer und unterer Schwelle

207
Q

Weitere psychometrische Methoden, die über die drei klassischen der Psychophysik hinausgehen

A
  1. Die Wahlmethode
  2. Die Rangordnung (sozusagen Erweiterung der Wahlmethode) (direkte Rangordnung oder Rangbindungen (ties), Methode der sukzessiven Intervalle, Law of categorical judgement
  3. Paarvergleich (Dominanz-Paarvergleich, indirektes Rangordnungsverfahren, Dominanzrelation, Ähnlichkeitspaarvergleich, sukzessiver Paarvergleich > 2AFC-Versuch = 2 Alternative Forced Choice – Experiment, law of comparative judgement
    » Urteilsgegenstände liegen vor und ihre Relation im phänomenalen Draußen kann beurteilt werden > Vergleichsurteile
  4. Schätzverfahren (Rating) > „Methode der einzelnen Reize“ (Traxel, 1974, S. 372). Es wird ein Urteilsobjekt geboten, das nach einer vorgegebenen Skala zu beurteilen ist. Eine solche Schätzskala enthält mindestens zwei, höchstens aber sieben bis neun Abstufungen
    ein Verfahren des absoluten Eindrucks
208
Q

Law of categorical judgement nach Bortz und Döring (2006)

A

Basierend auf Überlegungen von Thurstones Formulierung des Law of comparative judgment (Paarvergleichsgesetz, Thurstone, 1927) formuliert

Annahmen

  1. Der Urteilende ist in der Lage, das Merkmalskontinuum in eine bestimmte Anzahl ordinaler Kategorien aufzuteilen.
  2. Die Grenze zwischen diesen Kategorien sind keine festen Punkte, sondern schwanken um bestimmte Mittelwerte.
  3. Die Wahrscheinlichkeit für die Realisierung einer bestimmten Kategoriengrenze folgt einer Normalverteilung.
  4. Die Beurteilung der Merkmalsausprägung eines bestimmten Objektes ist nicht konstant, sondern unterliegt zufälligen Schwankungen.
  5. Die Wahrscheinlichkeit für die Realisierung eines bestimmten Urteils ist mit der Annahme einer Normalverteilung verträglich.
  6. Ein Urteilender stufte ein Urteilsobjekt unterhalb einer Kategoriengrenze ein, wenn die Merkmalsausprägung des Objekts geringer ist als die durch die Kategoriengrenze repräsentierte Merkmalsausprägung.

Unter Anwendung der Annahmen des law of categorical judgment lassen sich aus Rangdaten Intervallskalen konstruieren.

209
Q

law of comparative judgment, psychophysisches Modell des Paarvergleichs, Thurstone, 1927

A

Es ist ein Modell, um die Prozesse zu verstehen, die dem urteilenden Vergleich von Objekt-, von Reizpaaren zugrunde liegen. Da Vergleichsurteile nicht nur in der Wahrnehmungspsychologie, sondern in allen Forschungsbereichen der Psychologie eine große Rolle spielen, deren Daten auf urteilendem Vergleichen basieren, ist dieses Modell ein Klassiker der psychologischen Skalierungsmethodologie. Es hat sich als praktikabel und robust gegen die Verletzung bestimmter Annahmen erwiesen und weist eine große Ähnlichkeit mit Signalentdeckungstheorie

Die Wahrscheinlichkeiten, mit denen ein Reiz einem anderen vorgezogen wird, werden aus den Paarvergleichsurteilen geschätzt. Für jeden Paarvergleich ergibt sich eine Häufigkeit für eine Präferenzrichtung. Diese Häufigkeit wird in eine Proportion umgewandelt, indem sie durch die Anzahl der Urteilenden oder die Anzahl der Urteilsversuche im Falle einer Urteilenden geteilt wird.

210
Q

psychophysische Modell, das Thurstone zum Paarvergleich entwickelte

A

die Konstruktion einer Intervallskala aus ordinalen Urteilen (Dominanzrelationen) erlaubt

Es gibt immer Quellen der Urteils- bzw. Reaktionsvariabilität. Deswegen wurde schon in der klassischen Psychophysik die Schwelle mit einem Unsicherheitsintervall versehen. Statistisch gesehen ist die Schwelle also eine Zufallsvariable mit einem bestimmten Erwartungswert und einer bestimmten Varianz, die je nach Methode und Sinnesgebiet anders ausfallen können. Thurstone
hat dies systematischer modelliert, indem er annahm, dass nicht nur die Reize eine bestimmte Ausprägung auf einem Reizkontinuum haben, sondern auch die durch sie ausgelösten Wahrnehmungen, so dass also ein sensorisches Kontinuum angenommen wird. Jeder Empfindungswert schwankt von Reizdarbietung zu Reizdarbietung und es wird angenommen, dass diese Streuung mit den Annahmen des Modells der Normalverteilung verträglich ist. Aber auch die Reaktionen und Urteile sind mittlere Ausprägungen eines Reaktions- und Urteilskontinuums.

211
Q

psychophysisches Grundgesetz = Weber-Fechner-Gesetz

A

funktionale Abhängigkeit des wahrnehmenden Urteilens von

Fechner suchte nach einer psychischen Maß-
einheit und diese sollte der ebenmerkliche Unterschied sein, die Wahrnehmungsänderung, die gerade noch bemerkt wird. Die Wahrnehmungs-änderung muss aber von der Änderung des physikalischen Reizes unterschieden werden. Die quantitative Ausprägung eines Reizes, z. B. Gewicht in Gramm, kann man ändern, indem man stets den gleichen absoluten Betrag zu einer Serie von Gewichten addiert, z. B. 30g zu 100g, 500g und 1000g. Man kann sich nun fragen, ob die stets gleiche physikalische Reizänderung auch gleichen Gewichtswahrnehmungsänderungen entspricht. Dies ist aber nicht der Fall. Den Unterschied zwischen 100g und 130g kann man gerade noch bemerken, aber nicht mehr den Unterschied zwischen 500g und 530g oder gar zwischen 1000g und 1030g. Die Unterschiedsschwelle, verstanden als emU, ist gerade nicht proportional zu den gleichen physikalischen Unterschieden zwischen zwei Reizen. Der gleiche physikalische Reizunterschied geht also nicht mit der gleichen Wahrnehmungsänderung einher. Vielmehr darf man, um die gleiche Wahrnehmungsänderung, ein emU, zu erzielen, den Änderungsreiz nicht bei gleicher Größe belassen, sondern muss diesen im gleichen Verhältnis zum Betrag des Bezugsreizes ändern.

212
Q

Law of categorical judgement nach Bortz und Döring (2006)

A

Basierend auf Überlegungen von Thurstones Formulierung des Law of comparative judgment (Paarvergleichsgesetz, Thurstone, 1927) formuliert

Annahmen

  1. Der Urteilende ist in der Lage, das Merkmalskontinuum in eine bestimmte Anzahl ordinaler Kategorien aufzuteilen.
  2. Die Grenze zwischen diesen Kategorien sind keine festen Punkte, sondern schwanken um bestimmte Mittelwerte.
  3. Die Wahrscheinlichkeit für die Realisierung einer bestimmten Kategoriengrenze folgt einer Normalverteilung.
  4. Die Beurteilung der Merkmalsausprägung eines bestimmten Objektes ist nicht konstant, sondern unterliegt zufälligen Schwankungen.
  5. Die Wahrscheinlichkeit für die Realisierung eines bestimmten Urteils ist mit der Annahme einer Normalverteilung verträglich.
  6. Ein Urteilender stufte ein Urteilsobjekt unterhalb einer Kategoriengrenze ein, wenn die Merkmalsausprägung des Objekts geringer ist als die durch die Kategoriengrenze repräsentierte Merkmalsausprägung.
213
Q

Weber-Fechner-Gesetz

A

Fechner erweiterte das Verhältnis des Webersches Gesetzes, indem er annahm, dass sich die physikalischen Änderungen und Wahrnehmungsänderungen durch eine Funktion verknüpfen lassen

Ist der Empfindungswert 1 derjenige Reiz, der um ein emU von der Absolutschwelle S0 verschieden ist, dann lässt sich durch Reihenentwicklung von S1=S0 + kS0 und logarithmieren folgende psychophysische Funktionsgleichung aufstellen:

E = c logS + C

Nach dem Weber-Fechner-Gesetz (WFG) entspricht die Stärke der Empfindung dem Logarithmus des Reizes. Anders formuliert: Der Reiz nimmt in immer größeren Schritten (geometrisch) zu, aber die korrespondierende Empfindung in immer gleichen Schritten (arithmetisch)
» indirekt skaliert

abgeleitet nach Wohlschläger & Prinz (2006)
E = f(S) = c*lnS + C
(E ist eine lineare Funktion des Logarithmus der physikalischen Reizsstärke S. Die Steigung c dieser linearen Funktion hängt von der Weber-Konstanten k ab, der Achsenabschnitt C von der Weber-Konstanten und der Absolutschwelle. Diese Funktionsbeziehung wird als Fechnersches Gesetz oder auch als Weber-Fechnersches-Gesetz bezeichnet. Eine Funktion, die bei bekannter Absolutschwelle und bekannter Weberschen Konstanten aus diesem Gesetz abgeleitet wird, nennt man psychophysische Funktion.)

214
Q

indirekte Skalierung

A

die Vp fällt über die gesuchten Skalenabstände selber kein Urteil, sondern diese Abstände werden aus der Verteilung der ordinalen Urteile erschlossen. Die am meisten angewandte indirekte Skalierungsmethode ist der Paarvergleich, der nach Thurstones psychophysischem Modell, dem „law of comparative judgement“ ausgewertet wird. Wie oben dargestellt, beruht der mathematische Ansatz auf der Beobachtung, dass zwei Reize umso häufiger verwechselt werden, je näher sie beieinander liegen. Der Abstand wird mit Hilfe von geeigneten Reizserien und Verteilungsannahmen errechnet und es resultiert eine Intervallskala

Kritik:
Unterschiedsschwellen als Maßeinheiten zu verwenden, also Reize indirekt über deren Diskrimination zu skalieren

215
Q

Direkte Skalierung

A

direkte Beurteilungsverfahren

verlangen von der Vp eine Beurteilung der Abstände oder der Verhältnisse zwischen den Reizen. Die Urteile können dann ohne dazwischen geschaltete Verrechnungen direkt zur Skalen-bildung verwendet werden, sie drücken sozusagen direkt eine Skala aus, deswegen die Bezeichnung „direkte“ Skalierungsmethoden

  1. Die Methode der mittleren Abstufungen.(belgischer Physiker J. A. F. Plateau)
  2. Die Methode der Verhältnisschätzung. (nach S.Stevens)
    ( „Methode der doppelten Reize“, J. Merkel,1880)

Wichtig ist, dass auch diese direkten Methoden Annahmen über das Verhältnis von diskret-metrischen Urteilen zu dem subjektiven Maßkontinuum machen müssen. Eine wichtige Annahme ist, dass die beurteilenden Personen n Reize mit Hilfe von n Urteilskategorien so in subjektiv gleich große Bereiche aufteilen, dass die subjektiven Abstände zwischen zwei benachbarten Urteilen, z.B. “sehr laut” und “laut” gleich groß sind. Folglich wird die Skala von der forschenden Person, und nicht von der urteilenden Person hergestellt, wobei erstere über Theorien verfügen muss, wie Urteilseigenschaften durch Zahleigenschaften repräsentiert werden können. Vorausgesetzt wird, dass die Personen in der Lage sind, Reize direkt so zu beurteilen, dass unmittelbar eine Verhältnisskala resultiert.
» Skalieren, das ordnende Beurteilen von Sachverhalten und Objekten mit Hilfe von Zahlen, bedarf also der Erforschung der Beurteilungs-kompetenzen von Urteilenden. Insbesondere ist das Grundproblem der Messtheorie zu lösen, das Repräsentationsproblem (vgl. Gigerenzer, 1981). Dieses besteht in der Frage, ob ein empirisches Relativ durch ein numerisches Relativ repräsentiert werden kann.

216
Q

Die Methode der mittleren Abstufungen
(belgischer Physiker J. A. F. Plateau)

direkte Skalierung

A

Es werden drei Reize dargeboten. Von diesen bleibt der untere (Su) und der obere (So) konstant. Der dazwischen liegende soll nun so eingestellt werden, dass er die Mitte zwischen den beiden anderen Reizen bildet (Sm). Ist dies geschehen, so besteht zwischen Su und Sm der gleiche eindrucksmäßige Abstand wie zwischen Sm und So. Der Versuch wird dann fortgesetzt, wobei Sm nun zum oberen oder unteren konstanten Reiz gemacht wird und wiederum die Mitte zwischen diesem und dem verbleibenden anderen Reiz gesucht wird. Dies kann mehrmals wiederholt werden, und man gelangt auf diese Weise, indem man jeweils die für die Mitten genannten Reizgrößen feststellt, zu einer Beziehung zwischen Reizen und Empfindungsgrößen, die einer Intervallskala entspricht.

217
Q

Die Methode der Verhältnisschätzung, nach S.Stevens
( „Methode der doppelten Reize“, J. Merkel,1880)

direkte Skalierung

A

Man lässt zu einem gegebenen Reiz einen zweiten finden, dem im Urteil der Vp die doppelte Intensität zukommt. Merkel bediente sich hierzu des Grenzverfahrens. Von dem neuen Reizwert ausgehend, lässt sich dann ein weiterer finden, der wiederum diesem gegenüber den doppelten Empfindungswert hat usw. Auf diese Weise gelangt man zu einer Verhältnisskala. Die Methode der doppelten Reize ist weiter ausgestaltet worden, indem man zu dem Ausgangsreiz solche Reizwerte feststellt, bei denen der Eindruck das Drei-, Vier- und Mehrfache beträgt („Methode der multiplen Reize“). Auf der anderen Seite ist man auch dazu übergegangen, solche Reizwerte zu bestimmen, bei denen der Eindruck gleich der Hälfte, einem Viertel oder einem anderen Bruchteil des Eindrucks ist, den der Ausgangs- reiz auslöst. Diese Verfahren trägt die Bezeichnung „Fraktionierungsmethode“. Es handelt sich allerdings um zwei Formen desselben Vorganges der Verhältnisschätzung. Zur Kontrolle wiederholt man dieses Verfahren mit anderen Ausgangsreizen. Neben dem Prinzip der Reizfindung wird auch das der Urteilsfindung angewandt. Ein Beispiel ist die „Methode der konstanten Summen“. Es werden zwei Reize dargeboten, deren Verhältnis von der Vp in Teilen von 100 anzugeben ist. So könnten z. B. zwei Eindrücke als im Verhältnis 40:60, 70:30 oder 10:90 stehend beurteilt werden.

Bekannt wurde die Methode durch S. S. Stevens, Reizverhältnisse direkt beurteilen zu lassen, da Stevens darauf basierend eine Alternative zum Weber-Fechner- Gesetz vorschlug. Stevens ging davon aus, dass Menschen z. B. kompetent arith- metische Relationen zur Beurteilung von Reizverhältnissen heranziehen können, ohne dies allerdings zu prüfen

> > Stevens Potenzfunktion E=kSn

218
Q

indirekte Skalierung

A

die Vp fällt über die gesuchten Skalenabstände selber kein Urteil, sondern diese Abstände werden aus der Verteilung der ordinalen Urteile erschlossen. Die am meisten angewandte indirekte Skalierungsmethode ist der Paarvergleich, der nach Thurstones psychophysischem Modell, dem „law of comparative judgement“ ausgewertet wird. Wie oben dargestellt, beruht der mathematische Ansatz auf der Beobachtung, dass zwei Reize umso häufiger verwechselt werden, je näher sie beieinander liegen. Der Abstand wird mit Hilfe von geeigneten Reizserien und Verteilungsannahmen errechnet und es resultiert eine Intervallskala

219
Q

Direkte Skalierung

A

direkte Beurteilungsverfahren

verlangen von der Vp eine Beurteilung der Abstände oder der Verhältnisse zwischen den Reizen. Die Urteile können dann ohne dazwischen geschaltete Verrechnungen direkt zur Skalen-bildung verwendet werden, sie drücken sozusagen direkt eine Skala aus, deswegen die Bezeichnung „direkte“ Skalierungsmethoden

  1. Die Methode der mittleren Abstufungen.(belgischer Physiker J. A. F. Plateau)
  2. Die Methode der Verhältnisschätzung.
    ( „Methode der doppelten Reize“, J. Merkel,1880)
220
Q

Das Paradigma der Signalentdeckung

Das Problem der Reaktionsneigung

A

Alle Entdeckungs- und Unterscheidungsaufgaben der Wahrnehmungspsychologie haben ein Problem: Die Urteile, die von den Vpn bei diesen Aufgaben verlangt werden, werden durch Faktoren mit beeinflusst, die mit dem sensorischen Leistungs-aspekt, d. h. der Fähigkeit zu entdecken und zu diskriminieren, nichts zu tun haben.
Eine wichtige Unterscheidung ist die zwischen der Wahrnehmungsfähigkeit als Diskriminations-fähigkeit, die Ausdruck der Sinnesleistung ist und der Urteilsfähigkeit, die eine über die Sinne hinausgehende kognitive Fähigkeit ist.
Entscheiden ist nicht dasselbe wie Unterscheiden.
Die sensorische Leistung, das Entdecken, Identifizieren und Unterscheiden, kann also nicht unabhängig vom Entscheiden und Urteilen gemessen werden. Diese Entscheidungs- und Urteilsaspekte sollen unter dem Oberbegriff „Reaktionsneigung“ zusammengefasst werden. Gesucht ist also ein Modell, das die Trennung der sensorischen Leistung von der Reaktionsneigung erlaubt. Gesucht sind also zwei Maße.

ein empirisch überprüfbares Modell der Entstehung von "Fehlern"
Die Signalentdeckungstheorie (engl. Signal Detection Theory, SDT) liefert ein solches Modell, das für eine große Zahl von Entdeckungs- und Diskriminationsaufgaben das Problem der Isolierung der Reaktionsneigung zu lösen erlaubt.

Die Signalentdeckungstheorie erhielt ihren Namen im Zusammenhang mit der Entwicklung der Radartechnik. Das Beobachten eines Radarschirmes macht immer wieder die Entscheidung erforderlich, ob ein Signal vorliegt oder nicht. Das Beobachten eines Radarschirmes entspricht also dem Ja-Nein-Experiment.

221
Q

Die Methode der Verhältnisschätzung.
( „Methode der doppelten Reize“, J. Merkel,1880)

direkte Skalierung

A

Man lässt zu einem gegebenen Reiz einen zweiten finden, dem im Urteil der Vp die doppelte Intensität zukommt. Merkel bediente sich hierzu des Grenzverfahrens. Von dem neuen Reizwert ausgehend, lässt sich dann ein weiterer finden, der wiederum diesem gegenüber den doppelten Empfindungswert hat usw. Auf diese Weise gelangt man zu einer Verhältnisskala. Die Methode der doppelten Reize ist weiter ausgestaltet worden, indem man zu dem Ausgangsreiz solche Reizwerte feststellt, bei denen der Eindruck das Drei-, Vier- und Mehrfache beträgt („Methode der multiplen Reize“). Auf der anderen Seite ist man auch dazu übergegangen, solche Reizwerte zu bestimmen, bei denen der Eindruck gleich der Hälfte, einem Viertel oder einem anderen Bruchteil des Eindrucks ist, den der Ausgangs- reiz auslöst. Diese Verfahren trägt die Bezeichnung „Fraktionierungsmethode“. Es handelt sich allerdings um zwei Formen desselben Vorganges der Verhältnisschätzung. Zur Kontrolle wiederholt man dieses Verfahren mit anderen Ausgangsreizen. Neben dem Prinzip der Reizfindung wird auch das der Urteilsfindung angewandt. Ein Beispiel ist die „Methode der konstanten Summen“. Es werden zwei Reize dargeboten, deren Verhältnis von der Vp in Teilen von 100 anzugeben ist. So könnten z. B. zwei Eindrücke als im Verhältnis 40:60, 70:30 oder 10:90 stehend beurteilt werden.

222
Q

basale Annahmen des der SDT zugrunde liegenden psychophysischen Modelles

A
  1. mit wiederholter Darbietung von SN und N die Empfindungswerte auf dem sensorischen Kontinuum (oder der Entscheidungsachse) variieren
    (internes sensorisches Kontinuum =Empfindungsstärke, die aus der Aufnahme von Reizen in das Sensorium erzeugt wird)
    (Evidenzvariable = der informative Maßstab dafür, eine bestimmte Entscheidung zu treffen)
  2. “Überlappung” der Verteilungen der Empfindungswerte bei SN und N (d. h. der Be- obachter kann häufig nicht eindeutig zwischen Signal und Rauschen unterscheiden)
  3. Verteilung der Empfindungswerte ist bei SN und N mit dem Modell der Normalverteilung verträglich
  4. die VP macht ihre Entscheidung, ob ein Empfindungswert x aus der SN- oder der N- Verteilung stammt, vom Verhältnis der bedingten Wahrscheinlichkeiten p(x|SN) und p(x|N) abhängig, denen in der Dichtefunktion der Normalverteilung die Wahrscheinlichkeitsdichten f(x|SN) und f(x|N) entsprechen (likelihood ratio l(x))

Die Annahmen des psychophysischen Modells der SDT können nun herangezogen werden, um die sensorische Leistung von der Reaktionsneigung zu trennen

223
Q

Direkte vs. indirekte Skalierung

A

Bis heute ist es nicht definitiv geklärt, ob indirekte oder direkte Skalierungsmethoden zu bevorzugen sind.
Es finden sich große Übereinstimmungen hinsichtlich der Resultate, aber auch markante Abweichungen. Jedenfalls wird deutlich, dass Wahrnehmen und Urteilen nicht unabhängig voneinander erforscht werden können. Diese Einsicht ist die Grundlage des psychophysischen Modelles der Signalentdeckungstheorie, die das Konzept der Schwelle kritisiert und beansprucht, ohne dieses Konzept auszukommen.

224
Q

Leistungsmaß d’

A

sensorische Leistungsfähigkeit der VP
Als Maß der sensorischen Leistungsfähigkeit kann die Distanz der SN und N-Verteilungen definiert werden, die bei konstanten physikalischen Bedingungen identisch mit der Diskriminations-fähigkeit ist:
d’ = (µSN – µN) / ơN

Das Kürzel d’ (sprich: “d Strich”) ist die traditionelle Bezeichnung für den Diskriminations-index und ơN ist die Standardabweichung der Dichtefunktion f(x|N). Da häufig angenommen wird, dass die Standardabweichungen der beiden Verteilungen gleich sind, könnte man dann auch ơSN nehmen. Die Einheit der d’-Skala ist also mit ơN festgelegt. Im Falle der Ungleichheit der Streuungen muss jedoch ein anderer Index bestimmt werden. Für die Berechnung von d’ muss die Annahme einer Gaußschen Normalverteilung gerechtfertigt sein.
Nach der Definition ist d’ der gleich dem Abstand der Mittelwerte der Verteilungen SN und N in Einheiten der Standardabweichung, die für beide als gleich angenommen wird. Dieser Wert muss aus den empirisch ermittelten Proportionen für Treffer und falsche Alarme hergeleitet werden.

225
Q

Maß für die Reaktionsneigung („bias“) beta

A

Es war angenommen worden, dass die Beobachtende ihre Entscheidung, dass der Empfindungswert x aus der SN- oder N-Verteilung stammt, von der Likelihood ratio l(x) abhängig macht. Diese kann herangezogen werden, um den Index für die Reaktionsneigung (oder engl. bias) zu bestimmen. Es ist diejenige kritische Likelihood ratio, bei deren Überschreitung mit „ja“ und bei deren Unterschreitung mit „nein“ geantwortet wird. Sie ist identisch mit dem Verhältnis der beiden Wahrscheinlichkeitsdichten beim Kriteriumspunkt xc. Als Index für die Reaktionsneigung wird beta definiert beta = f(xc |SN)/f(xc |N)

Sind die Streuungen der beiden Verteilungen gleich, so bedeutet dies, dass bei einer Vp, die falsche Alarme möglichst vermeiden möchte, sich beta-Werte ergeben, die größer als 1 sind, d. h. xc liegt rechts vom Schnittpunkt der Dichtefunktionen. Wenn jemand die Neigung hat, eher die Treffer zu maximieren, dann ergibt sich ein beta kleiner als 1, d. h. xc liegt links vom Schnittpunkt der Dichtefunktionen. Bei neutralem, vorsichtigen Verhalten („unbiased“) ist beta = 1 und xc liegt auf der Lot des Schnittpunktes beider Dichtefunktionen.

beta ist bei striktem Kriterium groß und bei laxem Kriterium klein

226
Q

basale Annahmen des der SDT zugrunde liegenden psychophysischen Modelles

A
  1. internes sensorisches Kontinuum =Empfindungsstärke, die aus der Aufnahme von Reizen in das Sensorium erzeugt wird
    (Evidenzvariable = der informative Maßstab dafür, eine bestimmte Entscheidung zu treffen)
227
Q

likelihood ratio l(x) für einen bestimmten Input (sensorisches Ereignis) bei der SDT

A

Die VP hat nach einer Reizdarbietung einen Empfindungswert x und muss nun entscheiden, ob es N oder SN war. Wie geht sie nach der Modellan-
nahme vor? Auch die Reize, die nicht in die Klasse der Signale fallen (Rauschen), verursachen Empfindungswerte. Das Signalentdeckungs-problem entsteht dadurch, dass sich die Verteilung der Signale und die Verteilung des Rauschens überlappen. Ein Ereignis x („Empfindungsstärke“) kann aus der Signalverteilung SN stammten. Die (diskrete) Wahrscheinlichkeit ist p(x|SN). Ein sensorisches Ereignis x kann auch aus der Noise-Verteilung stammen, die Wahrscheinlichkeit ist p(x|N). Da sich Signale und Rauschen meist mischen, ergibt sich ein Wahrscheinlichkeits-verhältnis für das „Mischungsverhältnis“ von Signal und Rauschen.
Dies wird als die Likelihood ratio l(x) für einen bestimmten Input (sensorisches Ereignis) bezeichnet:
(x)=p(x|SN)/p(x|N)

Da die Signal- und die Noise-Verteilung als normalverteilt angenommen werden, ergeben sich für die Wahrscheinlichkeiten p(x|SN) und p(x|N), die Wahrscheinlichkeitsdichten:
l(x)=f(x|SN)/f(x|N)
Es wird angenommen, dass die Vp ihre Entscheidung von der Größe dieser Likelihood ratio abhängig macht.
Die Likelihood-ratio ist keine Schwelle, sondern das Resultat mehrere Einflussgrößen wie Einschätzung der Häufigkeit von SN und N, die Kosten von Verpassern und falschem Alarm, der Nutzen von Treffern usw.
Dem Verhältniswert aus zwei Wahrscheinlichkeits-dichten (Ordinatenwerte) entspricht natürlich ein x-Wert. Dieser wird oft als Kriteriumspunkt oder cut-off point, xc, bezeichnet.

228
Q

Nichtsensorische Aspekte des Entscheidungsverhaltens

A

Faktoren, die die Lage von xc, dem sog. ‚Kriterium’, beeinflussen, heißen nichtsensorische Faktoren. Sie sind nach dem Modell vom sensorischen Aspekt unabhängig, beeinflussen also nicht die Diskriminationsleistung, sondern lediglich die Reaktionsneigung. Es sind sozusagen keine Unterscheidungsfaktoren, sondern Entschei- dungsfaktoren.
Die Konsequenzen der Entscheidungen des Beobachters werden als Nutzen und Kosten (values and costs) bezeichnet, wobei natürlich Treffer und korrekte Zurückweisungen mit Nutzen verbunden sind, falsche Alarme und Verpasser jedoch mit Kosten. Es lässt sich zeigen, dass, sofern die a-priori-Wahrscheinlichkeiten für N und SN, p(N) und p(SN), sowie Nutzen und Kosten für die vier bedingten Entscheidungen korrekte Zurückweisung (CR), Verpasser (M), Treffer (H) und falscher Alarm (FA) beziffert werden können, daraus ein optimales Entscheidungsverhalten, ein optimales Kriterium berechnet werden kann und zwar
betaop = (Nutzen CR – KostenM) * p(N) / (NutzenH – KostenFA) * p(SN)

Normalität und Gleichheit der Varianzen der beiden Verteilungen sind vorausgesetzt

Ein Verhalten nach beta op wäre das Verhalten eines „idealen“ Beobachtenden, und man kann nicht ohne weiteres erwarten, dass sich ein bestimmter menschlicher Beobachter auch so verhält. Allerdings lässt sich dies im Experiment recht gut nachprüfen, da man sowohl die a-priori-Wahrscheinlichkeiten des Auftretens von SN und N als auch Nutzen und Kosten (z. B. in Form von zu bekommenden und zu zahlenden Centbeträgen) festlegen und variieren kann. Experimente dieser Art zeigen, dass menschliche Beobachtende ihren Gewinn recht gut optimieren, außer im Bereich extremer (sowohl hoher als auch niedriger) beta-Werte, wo eine Tendenz besteht, im Vergleich zum idealen Beobachter zu hohe oder zu niedrige Kri- terien zu setzen.

229
Q

ROC-Kurven und ROC-Analyse

A

Der Begriff ROC-Kurve erinnert wiederum an die Herkunft der Theorie und bedeutet so viel wie Funktionskennlinie eines Empfängers (Receiver Operating Characteristic curve). Empirisch entsteht eine solche Kurve, wenn man bei gleichen physikalischen Bedingungen (Reizbedingungen) und physiologisch-sensorischen Bedingungen eine Vp in verschiedenen Versuchsdurchgängen jeweils ein anderes Kriterium anwenden lässt. Für jeden Versuchsdurchgang wird die Proportion der Treffer, P(ja|SN), gegen die Proportionen des falschen Alarms, P(ja|N), abgetragen.

Zur empirischen Erstellung solcher Kurven kann das Entscheidungsverhalten der Beobachtenden durch Variation der Auftretenswahrscheinlichkeiten von N und SN sowie durch exakte Bezifferung von Nutzen und Kosten beeinflusst werden. Häufig ändert man jedoch lediglich von Versuchsdurch-gang zu Versuchsdurchgang die Instruktion. Die Instruktion, wenn irgend möglich falschen Alarm zu vermeiden, führt z. B. zur Übernahme eines strikten Kriteriums, die Instruktion, möglichst kein Signal zu verpassen, lässt, im Sinne des Modells, xc nach links wandern und führt zu einem ROC-Punkt in der Nähe der rechten oberen Ecke.

Da ROC-Kurven verschiedene Kriterien bei gleichen sensorischen Bedingungen wiedergeben, werden sie auch als Kurven gleicher Sensitivität (isosensitivity curves) bezeichnet. Eine Änderung der Sensitivität bedeutet also eine Verschiebung der ROC-Kurve: Je geringer die Diskriminations-fähigkeit ist, desto mehr nähert sich die Kurve der Zufallslinie. Je größer die sensorische Leistungs-fähigkeit ist, desto günstigere Verhältnisse von Treffern zu falschem Alarm kommen vor, wodurch sich die Kurve der linken oberen Ecke nähert.

Den Zweck der Erstellung von empirischen ROC-Kurven, die Überprüfung des Zutreffens des angenommenen psychophysischen Modells, erreicht man durch Vergleich empirisch ermittelter mit theoretisch zu erwartenden ROC-Kurven.

Aus empirisch ermittelten Punkten einer ROC-Kurve kann man erkennen, ob die zugrunde-liegenden Verteilungen normal sind, und ob ihre Streuungen gleich sind. Damit ersteres ange-nommen werden kann, sollten die Punkte auf einer Geraden liegen, wenn letzteres zutreffen soll, müsste der Anstieg der Geraden 1 sein. Natürlich werden beide Bedingungen immer nur in mehr oder minder engen Grenzen erfüllt sein. Ein absolutes Kriterium für Normalität und Gleichheit der Streuungen (meist bezieht man sich auf die Varianz als Streuungsmaß) gibt es nicht. Es gibt auch nichtparametrische Diskriminationsindizees, wenn die parametrischen Annahmen nicht gerechtfertigt sind (vgl. Velden, 1982).

230
Q

SDT und das Konzept der Wahrnehmungsschwelle

A

Schwellen sind Indikatoren für Entdeckungs- und Diskriminationsleistungen und erlauben die Ableitung von entsprechenden Maßen.

Z.B. wird in jedem vorgegebenen Beobachtungs-intervall ein Reiz (Signal) gegeben wird und nach jedem Beobachtungsintervall nach dem Schema „Reiz wahrgenommen? – ja oder nein“ wird geurteilt. Man weiß allerdings nicht, ob die Vp mit ja geantwortet hat, obwohl sie nichts wahr-genommen hatte. Dies kann man dadurch kontrollieren, indem man in einigen Beobachtungs-intervallen keinen Reiz präsentiert (sog. „blanks“).
Oder:
1. Die Vp bekommt die (zutreffende) Instruktion, dass in 70% der Beobachtungsintervalle kein Reiz gegeben wird, 2. sie bekommt die (ebenfalls zutreffende) Instruktion, dass in 30% der Beobachtungsintervalle kein Reiz gegeben wird. Die Abfolge von blanks und Reizen ist in beiden Bedingungen zufällig.

SDT-Modell es erlaubt, die Reaktionsneigung von der Sensitivität zu trennen, ist dies bei der Methoder der klassischen Schwellenbestimmung nicht möglich. Für die beiden Bedingungen ganz verschiedene Schwellenwerte resultieren, obwohl die physikali- schen und sensorisch-physiolo-gischen Verhältnisse unter beiden Bedingungen identisch sind. Der Wert als Indikator sensorischer Leistungsfähigkeit wird also dadurch einge-schränkt, dass letztere nicht-sensorischen Einflüssen unterliegt.
Schwellen werden statistisch ermittelt, sie sind statistisch gesehen ein Konfidenzintervall, in dem der wahre Schwellenwert mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit liegt.
Obwohl dieses Modell zur Erklärung des Zustandekommens psychometrischer Funktionen plausibel erscheint, beinhaltet es eine Annahme, die im Rahmen der klassischen Psychophysik nie überprüft worden ist. Es ist die Annahme, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt unterhalb einer bestimmten Reizgröße (der Schwelle) keine auch noch so geringe Empfindung ausgelöst wird und damit auch keine Wahrnehmung stattfindet, und dass bei Reizgrößen oberhalb des Schwellen-wertes der Reiz eindeutig wahrgenommen wird. Es würde sich also um eine Alles-oder- Nichts-Regularität handeln. Diese Annahme kann man im Rahmen der SDT prüfen, weil eben nicht nur auf Diskriminationsleistungsfähigkeit abgehoben wird, sondern weil die Unterscheidungsleistung als Teil des Entscheidungsverhaltens angesehen wird. Zu diesem gehören eben auch nichtsensorische Anteile wie die Riskikobereitschaft, Kosten-Nutzen-Kalküle usw.

psychologische Schwelle ≠ physiolog. Schwelle

Die Kritik des Konzeptes der Schwelle setzt daher auch an der theoretisch besseren Fundierung der SDT gegenüber dem Schwellenkonzept an. Es ist aber wichtig sich klar zu machen, dass es sich um eine psychologische und nicht um eine phy- siologische Schwellenkonzeption handelt

Wenn immer es möglich ist, sollte daher die sensorische Leistungsprüfung im Rahmen der SDT durchgeführt werden. Die SDT hat schließlich überzeugend gezeigt, dass nur in einem sehr eingeschränkten Sinne von einer Sinnesschwelle die Rede sein kann. Ein wichtiges Ziel der klassischen Psychophysik, die Messung von Sinnesleistungen, kann ebenso im Rahmen der SDT realisiert werden.

231
Q

Dimensionalität der Evidenzvariablen

A

Das formale Modell der SDT muss daher entsprechend dem theoretischen Rahmen, in der es eingesetzt wird, interpretatorisch angepasst werden. Dies trifft auch für unterschiedliche psychologische Fragestellungen zu. Kennzeichnend für diese Fragestellungen ist zunächst, dass meist nicht zwischen einzelnen Reizen, sondern zwischen Reizklassen/Klassen von psychologischen Reizen unterschieden werden muss.
Der Begriff psychologische Reize bedeutet, dass es sich um Reize handelt, die nicht oder nicht in einfacher Weise auf einer physikalischen Skala angeordnet werden können.
Bedeutsam ist, dass zwei Klassen von Objekten oder Ereignisse unterschieden werden und dass eine Entscheidung getroffen werden muss, ob ein Objekt oder Ereignis x in die N-Klasse oder die SN-Klasse gehört. Die grundlegende Operation der Kognition, die Unterscheidung, beinhaltet immer auch die Bildung von Klassen. Damit wird das Problem der Klassenzuordnung gestellt, also ob ein neuer Reiz in die eine oder die andere Klasse gehört. Damit wird aus dem Unterscheiden auch ein diagnostisches Problem.
Die Bildung und die Zuordnung von Klassen können durchaus auf mehreren Evidenz-dimensionen beruhen, auch solchen, deren man sich nicht bewusst ist. Ein Beispiel wäre die Prototypen-Forschung, die eine Reihe von Objekten daraufhin beurteilen lässt, ob sie in typischer oder weniger typischer Weise eine Klasse repräsentieren.
Die Beobachtungsachse muss also nicht eindimensional sein, und sie kann sogar als dimensionslos gedacht werden (vgl. Velden, 1982). Zur Berechnung der Unterscheidbarkeit von zwei Reizen oder Reizklassen ist es nicht notwendig, dass bekannt ist, was im Einzelnen (welche Dimensionen oder Aspekte der Reize) diese Unterscheidbarkeit determiniert. Es ist lediglich notwendig, empirisch überprüfen zu können, ob bestimmte Annahmen über die beiden Verteilungen, wie Normalität und Gleichheit der Varianzen, zutreffen.

232
Q

Nichtsensorische Aspekte des Entscheidungsverhaltens

A

Faktoren, die die Lage von xc, dem sog. ‚Kriterium’, beeinflussen, heißen nichtsensorische Faktoren. Sie sind nach dem Modell vom sensorischen Aspekt unabhängig, beeinflussen also nicht die Diskriminationsleistung, sondern lediglich die Reaktionsneigung. Es sind sozusagen keine Unterscheidungsfaktoren, sondern Entschei- dungsfaktoren.
Die Konsequenzen der Entscheidungen des Beobachters werden als Nutzen und Kosten (values and costs) bezeichnet, wobei natürlich Treffer und korrekte Zurückweisungen mit Nutzen verbunden sind, falsche Alarme und Verpasser jedoch mit Kosten. Es lässt sich zeigen, dass, sofern die a-priori-Wahrscheinlichkeiten für N und SN, p(N) und p(SN), sowie Nutzen und Kosten für die vier bedingten Entscheidungen korrekte Zurückweisung (CR), Verpasser (M), Treffer (H) und falscher Alarm (FA) beziffert werden können, daraus ein optimales Entscheidungsverhalten, ein optimales Kriterium berechnet werden kann und zwar
betaop = (Nutzen CR – KostenM) * p(N) / (NutzenH – KostenFA) * p(SN)

Normalität und Gleichheit der Varianzen der beiden Verteilungen sind vorausgesetzt

233
Q

ROC-Kurven und ROC-Analyse

A

Der Begriff ROC-Kurve erinnert wiederum an die Herkunft der Theorie und bedeutet so viel wie Funktionskennlinie eines Empfängers (Receiver Operating Characteristic curve). Empirisch entsteht eine solche Kurve, wenn man bei gleichen physikalischen Bedingungen (Reizbedingungen) und physiologisch-sensorischen Bedingungen eine Vp in verschiedenen Versuchsdurchgängen jeweils ein anderes Kriterium anwenden lässt. Für jeden Versuchsdurchgang wird die Proportion der Treffer, P(ja|SN), gegen die Proportionen des falschen Alarms, P(ja|N), abgetragen.

234
Q

SDT und das Konzept der Wahrnehmungsschwelle

A

Schwellen sind Indikatoren für Entdeckungs- und Diskriminationsleistungen und erlauben die Ableitung von entsprechenden Maßen.

Z.B. wird in jedem vorgegebenen Beobachtungs-intervall ein Reiz (Signal) gegeben wird und nach jedem Beobachtungsintervall nach dem Schema „Reiz wahrgenommen? – ja oder nein“ wird geurteilt. Man weiß allerdings nicht, ob die Vp mit ja geantwortet hat, obwohl sie nichts wahr-genommen hatte. Dies kann man dadurch kontrollieren, indem man in einigen Beobachtungs-intervallen keinen Reiz präsentiert (sog. „blanks“).
Oder:
1. Die Vp bekommt die (zutreffende) Instruktion, dass in 70% der Beobachtungsintervalle kein Reiz gegeben wird, 2. sie bekommt die (ebenfalls zutreffende) Instruktion, dass in 30% der Beobachtungsintervalle kein Reiz gegeben wird. Die Abfolge von blanks und Reizen ist in beiden Bedingungen zufällig.

SDT-Modell es erlaubt, die Reaktionsneigung von der Sensitivität zu trennen, ist dies bei der Methoder der klassischen Schwellenbestimmung nicht möglich. Für die beiden Bedingungen ganz verschiedene Schwellenwerte resultieren, obwohl die physikali- schen und sensorisch-physiolo-gischen Verhältnisse unter beiden Bedingungen identisch sind. Der Wert als Indikator sensorischer Leistungsfähigkeit wird also dadurch einge-schränkt, dass letztere nicht-sensorischen Einflüssen unterliegt.
Schwellen werden statistisch ermittelt, sie sind statistisch gesehen ein Konfidenzintervall, in dem der wahre Schwellenwert mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit liegt.

235
Q

Konzept der unterschwelligen Wahrnehmung

A

Lässt sich bis zu Leibniz Begriff der ‚petit perceptions’ zurückführen, die Eindrücke sind, die nicht wahrgenommen werden, aber deren Effekte sich an Veränderungen des Erlebens nachweisen ließen. Um 1900 herum begann die systematische Erforschung der „unbewussten Wahrnehmung“, die zu heftigen Debatten führten (vgl. Dixon, 1971). In der Öffentlichkeit erlangte das Konzept Ende der 50er Jahre Popularität im Zusammenhang mit aggressiven Werbestrategien. Angeblich hätte die „unterschwellige“ Darbietung eines kurzen Textzuges in einem Film mit der Aufforderung, eine bestimmte schwarze Koffeinbrause zu trinken, zu Erhöhung des Konsums dieses Getränks geführt. Allerdings konnte die Glaubwürdigkeit der Behauptung, dass dies so funktioniert habe, nie belegt werden, weswegen das Konzept der unter- schwelligen Wahrnehmung in der Wissenschaft diskreditiert war (vgl. Velden, 1982).

Der Ausdruck „unterschwellige Wahrnehmung“, so Velden (1982) wurde jedoch beibehalten, weil seine Definition als Beeinflussung des Verhaltens durch nicht bewusst wahrgenommene Reize mit dem notorisch unklaren und mehrdeutigen Begriff des Bewusstseins zu tun hat. „Unterschwellige Wahrnehmung“ scheint besser objektivierbar und operationalisierbar zu sein als „Bewusstsein“. Dennoch ist der Ausdruck „unterschwellige Wahrnehmung“ widersprüchlich, da er nicht bewusste Wahrnehmung suggeriert. Aber bewusste Wahrnehmung ist ein Pleonasmus, denn eine Wahrnehmung, die nicht bewusst ist, ist keine. Es kann über den Effekt der Stimulation keine Auskunft gegeben werden und „Auskunft geben“ ist ein bewusstes Handeln (Urteilen). Daher sollte man statt von „unterschwelliger Wahrnehmung“ von „Nichtbewusstheit der Reizaufnahme und Reizwirkung“ sprechen und wenn man am Konzept der Schwelle festhält von „unterschwelliger Reizaufnahme“. Man kann aber auch einfach von sensorischem Prozess sprechen.

236
Q

Autonome Agenten brauchen drei große Funktionseinheiten

A

Vor allem, weil er sich selbst bewegen kann (Lokomotion), braucht er besondere psychische Funktionen, um sich selbst zu erhalten. (“Selbstbeweger” = autonomer Agent)

  1. Einrichtungen, um die Umgebung und Eigenzustände zu diagnostizieren und
    vorhersagen zu können
  2. Einrichtungen, um Veränderungen in der Umgebung herstellen und deren Effekte vorhersagen zu können
  3. Einrichtungen, um den Erfolg von Diagnosen und Aktionen bewerten und vorhersagen zu

Autonome Agenten brauchen daher:
- Sensoren, um Informationen aufnehmen zu können.
- Effektoren, um gewünschte Veränderung herstellen zu können.
- Assoziationssystem von Sensoren und Effektoren, das den dauerhaften Aufbau eines „Umgebungsbildes“ (mentales Modell) der Umwelt erlaubt
Nutzung von Regularitäten in sensorischer und effektorischer Information (Klassenbildung nach Ähnlichkeit, Schemata, Modelle)
-> Gedächtnis, Begriffsbildung, Denken, Ziele
- Antriebssystem (Bedürfnisse, Motive, Emotionen)

237
Q

Wie kann Wahrnehmung erforscht werden?

A

Wahrnehmungsforschung untersucht Teilaspekte des Wahrnehmungsprozesses:
1. Psychophysik: Beschreibung der Relationen zwischen Reiz und Perzept
- Welche sind die relevanten Reize für eine Wahrnehmungsleistung?
- Welche Beziehung besteht zwischen Reiz(konfiguration) und Perzept?
- Welche Prozesse können für die Leistungen postuliert werden
(algorithmic level)?

  1. Physiologie: sinnes- und neurophysiologische Prozesse
    - Wie werden proximale Reize neuronal weiterverarbeitet? (Transduktion und Codierung)
    - Wie sind psychophysikalisch beschriebene Wahrnehmungsprozesse implementiert (hardware level)?
  2. Psychophysiologie/Neuropsychologie: Korrelationen zwischen neurophysiologischen und psychologischen (Wahrnehmungs-) Prozessen
    - Welche Beziehungen / Korrelationen bestehen zwischen Wahrnehmungen und physiologischen Prozessen?
238
Q

Wahrnehmungspsychologische “Schulen”

A
  1. Strukturalismus (Titchener, Wundt)
    Wahrnehmung ist die Summe elementarer Empfindungen.
  2. Gestaltpsychologie (Wertheimer, Koffka, Köhler)
    Wahrnehmung ist mehr als die Summe von Einzelempfindungen. Sie wird von Organisationsprinzipien geleitet, die die gesamte Reizstruktur einbeziehen.
  3. Konstruktivismus (J. Hochberg)
    Wahrnehmung wird nicht nur von der Reizstruktur bestimmt, sondern aus der aktiven Verarbeitung ausgewählter Umweltinformationen konstruiert. (s.o.)
  4. Ökologischer Ansatz der direkten Wahrnehmung (J.J. Gibson)
    Die Reizstruktur (optic array) ist reichhaltig genug, um Berechnungen i.S. des Konstruktivismus überflüssig zu machen. Wahrnehmung sollte im natürlichen Kontext untersucht werden, Täuschungen sind irrelevante Laborartefakte.
  5. Kognitiver Ansatz (“New Look”)
    Erwartungen, Gedächtnis, Wissen und Persönlichkeitsmerkmale beeinflussen die Wahrnehmung. Wahrnehmen bedeutet v.a. Erkennen von Objekten und deren Bedeutung.