Wahrnehmung Flashcards
Wahrnehmungspsychologie
Was ist Wahrnehmung
Aktivität der Sinnesorgane und Sinnesrezeptoren sowie die damit einhergehenden psychischen Prozesse, die es Lebewesen ermöglichen, Informationen aus der Umgebung aufzunehmen, um sich erfolgreich an die Anforderungen der Umgebung anpassen zu können.
Ohne Wahrnehmung können wir kein Wissen erwerben und nicht erfolgreich handeln. Ohne erfolgreich handeln zu können, wäre es uns nicht möglich, uns an die Anforderungen anzupassen, die uns unsere natürliche physikalische und biologische Umwelt, aber auch unsere Kulturumgebung stellen.
Die Aktivität der Sinne ist nicht hinreichend für Wahrnehmungen
Grundannahme der Wahrnehmungspsychologie
die Sinne vermitteln die Informationen über die Umgebung eines Lebewesens
Grundannahme des Empirismus:
Was nicht in den Sinnen war, wird auch nicht in den Verstand kommen
Eine bedeutende Quelle unserer Erfahrung ist daher die Aktivität unserer Sinne
Am Verhalten ist dann zu erkennen, ob die aus der Umgebung aufgenommene Information zu erfolgreichen Anpassungsleistungen an die Umgebung führt
ein wichtiges Ziel der Wahrnehmungspsychologie
- wie Sinnessysteme funktionieren, so dass sie Informationen aus der Umgebung aufnehmen können
Sinne und Umgebung! - in welcher Weise hängen die physikalischen Reize funktionell mit den Sinneserlebnissen zusammen
Grundproblem der Wahrnehmungspsychologie:
Wie kommt die Welt in den Kopf?
Kriterien zur Einteilung der Sinne
- Wahrnehmungserleben
- Funktion der Rezeptoren
- Art der Reize
Die Aktivität der Sinne ist eine notwendige Bedingung für Wahrnehmungen.
(Bsp.: Ausfall eines Sinnessystems wie Blindheit -> keine visuelle Kenntnisnahme)
Die Aktivität der Sinne ist nicht hinreichend für Wahrnehmungen
Wahrnehmungserleben
Alltagspsychologie, orientiert am Wahrneh- mungserleben, werden fünf Sinne = Sinnesmodalitäten unterschieden
- Nahsinnen: Tasten, Riechen, Schmecken
- Fernsinne: Sehen, Hören (fern von der Körperoberfläche, aber mit sensorischem Kontakt zu Teilen der Körperoberfläche)
+ Druck-, Temperatur-, Schmerz- und Gleichgewichtssinn
Art der Reize
Chemorezeptoren
Rezeptoren, die durch Moleküle gereizt werden, Riechen und Schmecken
Mechanorezeptoren
durch mechanische Krafteinwirkung wie Druck gereizt, z. B. die Vater-Pacini Körperchen der Epidermis, Gleichgewichtssinn
Funktion der Sinnesorgane
Exterozeption
Aufnahme von Reizen aus der Umgebung
Interozeption
Aufnahme von Reizen aus dem Körperinneren, Haut-, Lage- und Bewegungsempfindungen, die auf den Sinnesorganen und Sinnesprozessen basieren, die in der Haut, den Skelettmuskeln, den Sehnen und Gelenken und den Eingeweiden, also Sensibilität für die inneren Organe (Viscerozeption)
Propriozeption
Wahrnehmung der Lage, Stellung und Bewegung von Körperteilen und des gesamten Körpers + Abgrenzung des Körperselbst vom Nicht- Selbst
Somatosensorik
Haut-Skelettmuskelsystem
sensu-motorische Systeme
Zusammenspiel der Sinne mit dem motorischen System, alle Koordinationsleistungen
Koordination
Körperteile können nicht gleichzeitig, in beliebiger Reihenfolge, mit beliebiger Kraft und beliebiger Dauer bewegt werden
ökologische Wahrnehmungstheorie
das Sinnessystem dient nicht dazu, die Umgebung abzubilden, sondern um effektives Handeln zu ermöglichen. Effektives Handeln setzt aber stets voraus, dass Sensorik (=alle Sinnessysteme) und Motorik (=alle motorischen Systeme) zusammenwirken, um die Kombination des Eigenkörpers mit Fremdkörpern ziel- konform zu koordinieren. Das Eingreifen in die Umgebung stellt also immer ein Koordinationsproblem für den Organismus dar.
ökologische Wahrnehmungstheorie nach James J. Gibson
Fremdverursachte Erregungen = exterozeptiv
selbstverursachte Erregungen = propriozeptiv. Danach kann ein Sinnesorgan sowohl im Dienste der Exterozeption wie auch der Propriozeption stehen. Augenbewegungen erzeugen propriozeptive visuelle Bewegungsreize und bewegte Lichtreize exterozeptive
Wahrnehmungen der Umgebung
bestimmte Objekte und physikalische Prozesse kommen mit den Rezeptoren und den Sinnesorganen der Körpergrenzfläche in Kontakt
Reiz (Stimulus)
eine physikalische und damit messbare Größe
Was ein Reiz ist kann man aber nur bestimmen, wenn man seine Wirkung auf den Organismus, speziell auf dessen Sinneszellen, beobachten kann = Reaktion
Reaktion
beobachtbare Wirkung eines Reizes auf den Organismus, speziell auf dessen Sinneszellen, d.h. es werden stets Stimulus-Reaktions-Paare untersucht
Ohne die Erforschung der Reaktion eines wahrnehmenden Wesens weiß man nichts über die Wahrnehmungsleistung und ohne die Wahrnehmungsleistung kann man keine Rückschlüsse auf dasjenige ziehen, was an einem Reiz ursächlich auf den Wahrnehmenden wirkt
Distaler Reiz
Objekte und die physikalischen Prozesse der Umgebung
distalen Reize wirken auf Rezeptoren ein, so dass sich die Zustände dieser Rezeptoren ändern. Diese elektrisch-chemische Zustandsänderung von Rezeptoren ist eine Wirkung des distalen Reizes
Proximaler Reiz
Rezeptorenerregung
Der proximale Reiz ist eine Transformation der physikalischen Energie des distalen Reizes in Erregung, was voraussetzt, dass sich die Rezeptoren, die Sinneszellen, durch den Reiz erregen lassen. Diese Erregung wird über die nachgeschalteten Nerven über bestimmte Netzwerke weitergeleitet (Transduktion), wenn die Erregung groß genug ist, um in den nachgeschalteten Nervenzellen Aktionspotentiale auszulösen
Kontaktprinzip des Reizes
Ein Reiz ist etwas, das in Kontakt mit den Rezeptoren eines Organismus tritt, diese verändert, so dass diese „gereizt“ sind. Diese Erregung führt zu Änderungen mechanischer, chemischer und elektrischer Eigenschaften von Rezeptoren, was wiederum zu Änderungen der elektrochemischen Eigenschaften der mit diesen verbundenen Nervenzellen führt. Auch hier gilt das Kontaktprinzip. Die Erregung wird von Zelle zu Zelle weitergegeben, von der Peripherie des Organismus zu den zentralen Verarbei- tungsbereichen des Gehirns (Afferenz). Die meisten Sinneserregungen führen nicht zu bewussten Wahrnehmungen. Man kann dann nur mit Hilfe von sinnes- physiologischen Methoden die Reizwirkung registrieren, die elektrischen Erre- gungsvorgänge in den Sinneszellen oder nachgeschalteten Nervenzellen
Bewusste Wahrnehmung
Ein Reiz führt zu einer bewussten Wahrnehmung führt (Sinneserlebnis, Phänomen)
Seine physikalischen Wirkungen auf das Sinnessystem kann mit psychologischen Methoden untersucht werden
Die Erforschung der physikalischen Wirksamkeit eines Reizes hat aber das Problem, dass Reiz und Wahrnehmung nicht unmittelbar aufeinander folgen. Zwischen Reiz und Wahrnehmung liegen komplizierte physiologische Vorgänge der Erregungsbildung an den Rezeptoren, der Transduktion der Erregung in nachgeschalteten Nervennetzen, die diese an der sensorischen Peripherie gebildeten
vom Reiz zur Wahrnehmung (Transformation)
Distaler Reiz (Außenwelt) >
entsprechnedes Sinnesorgan (Innenwelt)/ Erregungsbildung an den Rezeptoren >
proximaler Reiz führt zu Erregung/Transduktion der Erregung in nachgeschalteten Nervennetzen >
Verarbeitung der Erregung >
Wahrnehmung
Phase der Transformation
” Frage nach dem Schicksal des Reizes”Ulrich Neisser
Bedeutung von Prozessen (sensorische und Wahrnhemnungsprozesse)
Ein Prozess ist eine Folge von Ereignissen im Sinne von Zustandsänderungen. Eine Reizung, eine Stimulation ist deswegen ein Prozess, da sich ständig die Ausprägung, die Intensität von Erregungen mehr oder weniger ändert. Bei einem Prozess dient die Zeit als Ordnungsprinzip für die Ausprägungsgrade von Eigenschaften. Wählt man statt der Zeit eine oder mehrere Dimensionen des Raumes als Ordnungsprinzip, so spricht man von Verteilung.
Im Allgemeinen besteht eben nicht nur ein kurzzeitiger, gewissermaßen punktueller Kontakt zwischen Sinnessystem und distalen Reizen. Die „Reizung“ dauert meistens länger als nur einen Augenblick. Aus diesem Grund muss man von sensorischen Prozessen und vom Wahrneh- mungsprozess sprechen (Hajos, 1991)
Sensorischer Prozess
aus dem physikalisch-physiologischen Bereich
Es ist die zeitliche Folge von Reizeinwirkung, Reizaufnahme und Transformation des Reizes in Erregung, Weiterleitung und Verarbeitung der Erre- gung in einem oder in mehreren Nervenzentren
Beobachtung /Messbarkeit des Prozesses
Der Übergang vom physiologischen Prozess in den psychologischen ist aber der Beobachtung nicht zugänglich und kann empirisch nicht geschlossen werden. Weder in der Selbstbeobachtung kann man den Übergang vom physiologischen Geschehen in das Erleben räumlich und zeitlich lückenlos feststellen noch in der Fremdbe- obachtung. Diese Erfahrungslücke wird dadurch hypothetisch überbrückt, dass Maße des Sinneserlebnisses gebildet werden, die mit physiologischen Maßen in Beziehung gesetzt werden. Dies ist die Vorgehensweise der Psychophysik. Ein Maß für ein Sinneserlebnis wie die Wahrnehmung von Helligkeitsunterschieden wäre das Urteil „Reiz a ist heller als Reiz b“ oder eine diese Wahrnehmung anzeigende Handlung wie ein Tastendruck. Mit dem fMRT ist es möglich geworden, die zeitlichen und räumlichen Lücken zwischen der Aktivierung bestimmter neuronaler Netze und Wahrnehmungen kleiner zu machen.
Ein Wahrnehmungserlebnis lässt sich nicht mit einer physikalischen Messvorschrift messen, sondern allenfalls lässt sich ein psychisches Maß einem physischen Maß zuordnen, wie dies in der Psychophysik gemacht wird.
Der sensorisch-perzeptive Prozess
der sensorisch-perzeptive Prozess besteht aus verschiedenen Prozessen, dem Reiz-, Erregungs- und Wahrnehmungsprozess
Reizvariable
Reiz, Erregung und Wahrnehmung als Variablen (nach Hajos, 1991, S. 10)
Die Reizvariable (Reizprozess) S1-S2-S3-…-Sn stellt die Ausprägungsgrade von Reizeigenschaften, z. B. die gemessene Strahlungsdichte einer Fläche, geordnet an der Zeitachse dar.
Rezeptorvariable (Rezeptorprozess)
Reiz, Erregung und Wahrnehmung als Variablen (nach Hajos, 1991, S. 10)
Die Rezeptorvariable (Rezeptorprozess) N0-N1-N2-…-Ni stellt elektrochemische Änderungen des Rezeptors dar, z. B. das Generatorpotential N in Millivolt, geordnet an derselben Zeitachse.
Erregungsvariablen (Erregungsprozesse)
Reiz, Erregung und Wahrnehmung als Variablen (nach Hajos, 1991, S. 10)
Die Erregungsvariablen (Erregungsprozesse) H0-H1-H2-…Hj (vergleichbar die Erregungsvariablen M und J) stellen die Impulsfrequenz der Aktionspotentiale von Neuronen H, M und J dar, geordnet an derselben Zeitachse. H, M und J sollen verschiedene Ebenen des Nervensystems symbolisieren (H eine niedere, M und J jeweils höhere Ebenen).
Wahrnehmungsvariable (Wahrnehmungsprozess)
Reiz, Erregung und Wahrnehmung als Variablen (nach Hajos, 1991, S. 10)
Die Wahrnehmungsvariable (Wahrnehmungsprozess) W0-W1-W2-…-Wm ist die wahrgenommene Helligkeitsänderung einer Fläche (gemessen mit der Skala „heller-gleich- dunkler“), geordnet an derselben Zeitachse.
Sensorischer Prozess
Reiz, Erregung und Wahrnehmung als Variablen (nach Hajos, 1991, S. 10)
Sensorischer Prozess: S3-N3-H3-M3-J3…, wobei die Erregungsgrößen auf eine Reizgröße zurückgeführt werden und die Erregungsgrößen verschiedener Ebenen des Nervensystems zeitlich geordnet sind..
Sensorisch-perzeptiver Prozess
Reiz, Erregung und Wahrnehmung als Variablen (nach Hajos, 1991, S. 10)
Sensorisch-perzeptiver Prozess: Es wird auch die Wahrnehmung (W3) mitbetrachtet. Die Fragezeichen weisen auf die Schwierigkeit und die methodischen Probleme hin, alle beteiligten Prozesse S, N, H, M und vor allem auch W in einem lückenlosen zeitlichen Verlauf auf derselben Achse abzubilden
Reaktionszeitmessung kann man nun zumindest im Rahmen eines Modelles versuchen, den Wahrnehmungsprozess und den sensorisch-physiologischen Prozess auf eine Zeitachse zu projizieren
Es werden auch benachbarte Nerven aktiviert, so dass man nicht nur von einem Prozess ausgehen kann, der aus einer einzigen „Leitung“ besteht. So etwas findet sich noch am ehesten bei einem Reflex. Vielmehr muss man auch von einer Erregungsverteilung ausgehen. Der sensorisch-perzeptive Prozess ist also ein Prozess von Ver- teilungsänderungen, ein Prozess also, der aus einer Abfolge von Aktivierungsänderungen von Netzwerken besteht. Die zeitliche Ordnung von Reizen und die zeitliche Ordnung von Erregungen können also nicht gleichgesetzt werden
Latenz
Dauer bis der Wahrnehmungsprozess beginnt
Nachbilder
Der Erregungsprozess wirkt nach der Reizung um ein beträchtliches Zeitintervall nach, das gleiche gilt für Wahrnehmungen. Ein Beispiel dafür sind Nachbilder
Produktivität der Sinnessysteme
Genese eines Wahrnehmungseindruckes nicht aus- schließlich vom distalen Reiz abhängt, sondern von einem Prozess, der die Sinneszellen sowie die nachgeschalteten Nervennetze umfasst. Der Reiz ist damit nur eine Teilursache des Wahrnehmungseindrucks
Dies widerspricht der Phänomenologie unserer Wahrnehmung: Wir erleben nicht die Prozesse, die an unserer Sinnesoberfläche und in unserem Nervensystem ablaufen, sondern das Resultat als Wahrnehmungsding in unserer Außenwelt
Problem der distalen Referenz
Warum nehmen wir die gesamten Zwischenglieder zwischen distalem Reiz und Wahrnehmung nicht wahr, obwohl sie die gesamten Informationen über den distalen Reiz enthalten?
Wir können Umweltgegebenheiten nicht nach unserem Belieben berücksichtigen, sondern müssen uns nach ihnen richten, womit sie unsere Wahrnehmungs- und Aktionsmöglichkeiten einschränken.
Der adäquate Reiz
Auf der Ebene von Sinneszellen, ist der Reiz als physikalische Größe zu verstehen, die geeignet ist, eine Sinneszelle in Erregung zu versetzen. Den Reiz, dessen physikalische Eigenschaften mit denen der Sinneszelle am besten abgestimmt sind, bezeichnet man als adäquat
Reizspezifität
Konstruktion der Sinnesorgane und Sinneszellen bestimmt, welche Reize organ- oder rezeptoradäquat sind. Schon auf der Ebene der Sinnesorgane zeigt sich also die Selektivität der Wahrnehmung, die auf der Sinnesorganebene als biophysikalische Spezifität/Reizspezifität zu verstehen ist.
Empfindungsspezifität
Physiologe Johannes Müller 1840 hat die Bezeichnung „spezifische Sinnesenergie“ geprägt
Verhältnis zwischen der Aktivität des Sinnessystems (Sinnesorgan und die dazugehörige neuronale Erregungsverarbeitung) und dem Wahrnehmungserlebnis.
mit inadäquaten Reizen kann man bei einem Sinnesorgan dieselbe Empfindung wie mit adäquaten Reizen auslösen, das beweist die Empfindungsspezifität der Sinnesorgane
Empfindungsspezifität nicht allein Ausdruck der Spezifität der Sinneszellen, sondern auch der nachgeschalteten Nervennetze > Qualia
Kontaktprinzip
gilt für Nervenzellen (Wenn ihr Ruhepotential um einen gewissen Betrag verändert wird, dann wird ein Aktionspotential, elektrische Impulse bestimmter Frequenz ausgelöst, die die Nachbarzellen ebenfalls erregen oder hemmen können.) und auch für die Sinneszellen in der Körpergrenzfläche, die den Organismus umgibt: Ihr Ruhepotential ändert sich, wenn sich die energetischen Zustände an der Sinnesgrenzfläche ändern (proximaler Reiz). Daraus kann man schließen, dass die Sinnessysteme in erster Linie energetische Differenzen „messen“.
Kodierung
Bildung einer Übersetzung der Außenwelt in das Erleben und in das Handeln, erfolgt auf der Basis von Aktivitätsmustern aus aktivierenden und hemmenden Sinneszellen Wechsel des Aktivitätszustandes einzelner Zellen er- laubt eine binäre Codierung (aktiv =Aktionspotential =1, inaktiv = kein Aktions- potential = 0)
Reiz und Information
Geht die beobachtete Reaktion auf den Reiz zurück, den die Experamentatoren für wirksam halten?
Es muss also gelten: R = f(S).
Für die Wahrnehmung ist der Reiz meist nur eine von vielen Größen, die in die Genese einer Wahrnehmung eingehen. Das Wahrnehmungsgeschehen wird von Angeborenem und Erworbenem, Erfahrung und Erwartung mitbeeinflusst.
Unterschied zwischen Wahrnehmen und Erkennen
Perzept und Konzept
Nomineller vs.funktioneller Reiz
nominelle Reiz, den eine Wahrnehmungsforscherin für ihre Experimente konstruiert, muss nicht notwendigerweise mit dem funktionellen Reiz übereinstimmen
Mit funktionellem Reiz ist die Reizwirkung beim Beobachtenden gemeint, die nicht direkt beobach- tet werden kann. Dies ist nur möglich mittels bestimmter beobachtbarer Indikatoren wie verbale und nonverbale Reaktionen oder neurophysiologische Maße.
Signal
=Reiz=potentielle Informationsquellen
nter einem Signal versteht man eine physikalische Größe, der eine bestimmte Nachricht, eine bestimmte Information zugeordnet ist. Ein Reiz ist also eine physikalische Größe, die Informationen von außen auf das wahrnehmende Lebewesen überträgt.
Information
dasjenige, was die Ungewissheit eines Empfängers über die aktuellen Gegebenheiten beseitigt
„Ungewissheit“ ist aber stets relativ zum Vorwis- sen des Empfängers zu sehen, mit der dieser die Wahrscheinlichkeit einschätzt, dass ein bestimmte Signal oder eine bestimmte Signalfolge eintritt (Erwartungswahrscheinlichkeit). Nach Aufnahme der Information weiß der Empfänger mehr als vorher. Erst dann kann man überhaupt von Information reden. Daher haben Reize keine von ihrer Wahrnehmung unabhängige Information
syntaktisches Maß für den Informationsgehalt
1 bit (bit = Zusammenziehung von „binary digit“, Binärzahl, da man im dualen Zahlensystem nur die Zahlzeichen „0“ und „1“ verwendet
syntaktischer Informationsgehalt
Wenn Fragen nur eine Antwortalternative zulassen, „ja“ oder „nein“, dann kann ihr syntaktischer Informationsgehalt gemessen werden. Dieser syntaktische Informationsgehalt vernachlässigt allerdings die Wertigkeit der Information, die eigentliche Bedeutung derselben für den In- formationsempfänger. Es geht hier nur um die Informationsmenge, die in der Nachrichtentechnik wichtig ist, um die Kapazität eines Übertragungskanales zu bestimmen.
Entropie (Wendung, Umwandlung)
ein Maß für den mittleren Informationsgehalt oder auch Informationsdichte einer Nachricht
Der mittlere Informationsgehalt ist die Summe der einzelnen Informationsgehalte, jeweils gewichtet mit ihrer Wahrscheinlichkeit. Dieses Maß wird als Entropie bezeichnet (abgekürzt mit H) und wurde von Claude Shannon und Warren Weaver 1949 im Rahmen ihrer syntaktischen Informationstheorie der Kommunikation („mathematical theory of communication“) entwickelt »_space;>Kanalmodell der Kommunikation von Information
Das Kanalmodell nach Shannon und Weaver (1949).
Sender (Zustand) ↓ Encodierung (Zeichenvorrat) ↓ (Störung) Kanal (Verlust) ↓ Decodierung (Zeichenvorat) ↓ Empfänger (Zustand)
Information und Wahrscheinlichkeit
siehe auch Das Kanalmodell nach Shannon und Weaver (1949)
Das Informationsmaß wird also aus der Wahrscheinlichkeit diskreter Signale abgeleitet. Der Idealfall, dass die Information beim Empfänger so ankommt, wie sie vom Sender gesendet worden ist, ist eher selten. Dies liegt an Störungen, die so- wohl im Übertragungsmedium (Kanal) auftreten können (Rauschen, zu geringe Kapazität) als auch während des Decodierungsprozesses beim Empfänger (Rauschen, zu geringe Kapazität, Interferenz mit anderen Signalen).
Transinformation, Redundanz
Die Teile der Information, die vom Sender tatsächlich beim Empfänger ankommen, werden als Transinformation bezeichnet.
Störungen können dadurch ausgeglichen werden, dass die Nachricht wiederholt gesendet wird (Redundanz der Nachricht)
Wahrnehmung und Information
- Information hat nur, was unterscheidbar ist, denn zu einer Unterscheidung gehören mindestens zwei Elemente
- Distale Reize sind Informationsquellen.
- Das, was von einem Reiz übertragen wird, ist Information. Information ist also übertragbar.
»das setzt ein geeignetes Übertragungsmedium voraus (Sehen>elektromagnetische Wellen, Hören> Luftdruckdifferenzen, proximale Reize>elektrische Potentialänderungen von Sinneszellen (Re- zeptoren) und Neuronen)»>
Medien=Informationsträger, dessen Zustand sich ändern kann - Der Gehalt der Information bleibt erhalten, wenn er zwischen verschiedenen Informationsträgern wechselt (=Transduktion des sensorisch-perzeptiven Prozesses)
- Information wird in Form von Daten oder Signalen übertragen. In diesem Sinne sind Reize Signale. Die Reiz- und Erregungsverarbeitung lässt sich damit auch als Datenverarbeitung verstehen und die Tätigkeit des Gehirns als Errechnen von Informationen aus Daten. (Informationsträger sind variabel>Prinzip der multiplen Instantiierbarkeit)
- Die Information fließt zwischen einer Informationsquelle (Reiz) und einem Informati- onsempfänger (Lebewesen). Die Information ist damit ein Ereignis, das den Zustand und das Operieren des Empfängers verändert.
- Informationsverarbeitung heißt, dass es eine Sequenz von Datenleitung (Transduktion) und Datenwandlung (Transformation) gibt, die aus bestimmten Stufen besteht.
- Information ermöglicht die Verringerung von Ungewissheit. Das Perzept, das am Ende des sensorisch-perzeptiven Prozesses entsteht, ermöglicht es, den Reiz zu erkennen und von anderen Reizen zu unterscheiden. In der erfolgreichen Berücksichtigung von Reizunterschieden (sensori- sche Diskrimination) drückt sich diese Verringerung der Ungewissheit aus.
- Der syntaktische Informationsbegriff ist in erster Linie dazu da, die technische Über- tragungskapazität eines Mediums (in der Nachrichtentechnik „Kanal“ genannt) zu bestimmen und entsprechend die Information effizient in optimal übertragbare Signale zu kodieren
Wahrnehmung als aktiver Prozess
Wahrnehmen ist ein aktiver Vorgang. Die Aufmerksamkeit der Wahrnehmenden bestimmt entscheidend mit, ob und wenn ja, in welcher Weise ein Reiz wirksam wird
„top down“ Prozess
Der sensorisch-motorische Prozess wird von Prozessen beeinflusst, die man mit „Einstellung“, „Erwartung“, „Motiv“ oder „Wissen“ bezeichnet und die die Bildung des Perzeptes mit beeinflussen
„bottom up“ Prozess
Bildung des Perzeptes beruht primär auf dem Reiz
Verarbeitung
Muster aus Aktionspotentialen können als „Symbole“ (Daten) verstanden werden, die in einer Art Programm berechnet werden. Die Reize sind der Input, die Verarbeitung des Erregungsge- schehens der Throughput und die Wahrnehmung sowie die Re- Aktionsbewegungen der Output
Verarbeitung heißt, dass der Reiz eben nicht nur weitergeleitet, sondern nach bestimmten Programmen verändert wird. Dazu gehört, dass die Daten von außen mit anderen Daten im Inneren des Systems, dem Gedächtnis im weitesten Sinne, verknüpft werden. Das Wissen als Inhalt des Ge- dächtnisses kann letztlich auf allen Stufen des Informationsverarbeitungsprozesses die Perzeptbildung beeinflussen. Dies ist beim Wiedererkennen eines Gesich- tes der Fall, denn ansonsten wäre es nicht möglich, eine neues von einem bekannten Gesicht zu unterscheiden.
kybernetischen an der Informationsverarbeitung orientierte Sicht»_space; sensorisch-perzeptive Prozess wird mit einem Informationsverarbeitungsprozess gleichgesetzt. Reiz-, Erregungs- und Wahrnehmungsprozess sind damit ausge- zeichnete Stufen oder Phasen der Informationsverarbeitung
systemtheoretisches Modell
System ist eine black box, Input geht hinein, output hinaus
Das System wird also modelliert, denn ein System ist ein realer Ausschnitt, ein konkretes physi- sches Gebilde in Raum und Zeit, in dem Prozesse und Interaktionen ablaufen (vgl. Bischof, 1995). Man möchte die innere Organisation (Struktur) des Systems kennenlernen, insbesondere die dynamischen Abläufe und Transformationen.
Man kann nur den Input und den Output beobachten, in die black box kann man nicht hineinsehen. Um herauszubekommen, was im Inneren der black box passiert, muss man den Input systematisch variieren, um anhand der Kovariationen des Outputs mit dem Input Rückschlüsse auf die Instanzen machen zu können, die zu dem Output führen.
Systemgleichung
Output O = f (Input I)
Die vollständigere Systemgleichung muss lauten:
O = f(I, Zi).
Der Ausdruck Zi steht für „Zwischenzustand“ oder „through-put“ (Informationsverarbeitung), wobei „i“ für einen bestimmten Betrag einer natürlichen Zahl zwischen i = 1 bis i = n steht, also einen Zähler darstellt.
Automatenmodell
Die Zi haben dann den Status sog. hypothetischer Konstrukte. Die Gleichung O = f(I, Zi) kennzeichnet als Modell einen Automaten. „Automaten“ sind alle Modellsysteme, die einen Eingang haben, eine innere Ver- arbeitung (Transformation und Musterbildung der Zi ) und eine Ausgabe
Automaten ohne Z sind selten und sind reine Weiterleitungsmodelle und es findet keine Transformation statt
Lehre aus dem systemtheoretischen Modellgedanken
ein Output keineswegs eine eindeutige Funktion des Input ist, da die Zi mitberücksichtigt werden müssen
Wenn man alle Zi kennt und deren Verbindungen („Programme“), dann kann man jeden Output als eindeutige Funktion des Input und der Zi ange- ben. Das Problem ist, dass man die Zi und die Programme nur dann kennt, wenn man sie selber gemacht hat
»Grenze des experimentbasierten Modellierens
allgemeine Verhaltensgleichung von Kurt Lewin (1963)
Das Verhalten ist eine Funktion der Umwelt (außen) und der Person (innen), V = f(U, P)
hypothetische Konstrukte
unbeobachtbare innere Größen Zi
black box kann stehen für
- Gehirn stehen (Modell des Gehirns, neuronale Ebene)
- Programme und Funktionen, die im Gehirn realisiert werden (funktionale Ebene, Ebene der Informationsverarbeitung oder computationale Ebene)
- phänomenale Ebene mit den alltagspsychologischen Begrifflichkeiten
Transformationsregeln
Es wird angenommen, dass das mentale System kein reines Transduktionssystem wie eine Wasserleitung, sondern ein Transformationssystem ist.
Ein wichtiges Ziel der (Wahrnehmungs-)Psychologie ist es, die Regeln dieser Transformationen ausfin- dig zu machen („Programme“), vorausgesetzt es gelingt, diese Transformationen zu identifizieren. Wenn nicht, dann kann man ein Simulationsmodell bauen, wobei man allerdings das Problem der Modellidentifikation hat: Ist das Simulationsmo- dell das einzig mögliche, um eine I – O – Funktion zu erklären oder ergibt sich diese I-O-Funktion auch als Lösungsmenge anderer Simulationsprogramme?
serielle Informationsverabeitung vs.
parallele Informationsverarbeitung
zweckmäßige Annahme der Informationsverarbeitungstheorie der Wahrnehmung ist, dass der Reiz als Datum in unterschiedlichen Arbeitsschritten verarbeitet wird. Die Basisan- nahme ist, dass diese Arbeitsschritte nacheinander, also seriell erfolgen (Modell der seriellen Informationsverarbeitung). Wie im Zusammenhang mit dem senso- risch-perzeptiven Prozess angedeutet, gibt es selten einen Prozess im Sinne einer Leitung, sondern eine Verteilung. Das bedeutet, dass serielle Prozesse in einem engen Zeitfenster benachbart ablaufen, weswegen man auch von paralleler Informationsverarbeitung spricht
die verschiedenen Informationskomponenten eines Reizes werden zunächst getrennt, aber parallel verarbeitet (wie Form, Farbe, Orientierung, Bedeutung, Relation zu anderen Reizen) und werden dann in der Endstrecke der Verarbeitung zusammengebunden. Bei einer parallelen Verarbeitung gibt es mehrere Verarbeitungsinstanzen, die eine Aufgabe in Teile zerlegen, diese Teile gleichzeitig separat bearbeiten (zeitliche Parallelität) und dann am Ende zusammenführen
(Diktum von Ulric Neisser»_space; die kognitive Wahrnehmungspsychologie erforscht das Schicksal des Reizes im kognitiven System)
Kognitive Teilprozesse zwischen Reizpräsentation und Reaktionsbewegung („Verarbeitungsstufen“)
- Reiz»_space;
- Reizverarbeitung (Entdecken und Erkennen)
- Reaktionsauswahl
- Reaktionsprogrammierung
- Reaktionsausführung»_space;
- Reaktion
Methoden der Reaktionszeitforschung
Erschließt kognitive Teilprozesse
Reaktionszeitforschung ist von zentraler Bedeutung für die Wahrnehmungspsychologie, für die Allgemeine Psychologie, aber auch für die anderen Grundlagen- und Anwendungsdisziplinen der Psychologie.
Reaktionen und Handlungen können sowohl nach ihrer Güte beurteilt werden, z. B. als „richtig“ oder „falsch“ als auch nach ihrer Schnelligkeit.
Diese beiden basalen Datentypen der Leistungen analysierenden Psychologie sind die Grundlage dafür, kognitive Leistungen zu messen. Die Reaktionszeitmethodik wird vor allem deswegen verwendet, um Stufen der Informationsverarbeitung zu identifizieren.
Die Reaktionszeitmethode zum Zweck der Analyse des mentalen Prozesses zwischen Reiz und Reaktion geht auf den Holländischen Augenarzt Donders zurück. Donders schlug schon 1868 vor, den Prozess zwischen dem Erscheinen des Reizes und dem Beginn der Reaktion in Teilprozesse zu zerlegen, die der Verarbeitung des Reizes und der Vorbereitung der Reaktion zuzuordnen seien. In der Reaktionszeitforschung variiert man die Eigen- schaften des Reizes und/oder der Bewegung und misst die Auswirkungen dieser Variationen auf die Reaktionszeit (RT). Aus den Veränderungen schließt man auf die kognitiven Prozesse, die für die Identifizierung des Reizes und für die Vorbe- reitung der Bewegung nötig waren (vgl. Ulrich & Schröter, 2006, „Mentale Chronometrie“).
Wahlreaktionssituation
In der Wahlreaktionssituation wird der Vp ein Reiz geboten und sie hat darauf mit einer Reaktion so schnell wie möglich zu antworten, wobei Fehler vermieden werden sollen. Die Grundstruktur der Aufgabe ist fast immer dieselbe: Es gibt eine Anzahl möglicher Reize Si und eine Anzahl möglicher Reaktionen Ri. Im Rahmen der Instruktion wird mit der Vp vereinbart, welche Zuordnungen zwischen Si und Ri existieren, womit die Zuordnung von Reaktionen zu Reizen spezi- fiziert wird.
Zeitskalen mentaler Prozesse
laut J. R. Anderson (2002) mindestens sieben bis zwölf Größenordnungen
Soziale Welt - Projekte/Tätigkeiten über Tage/Monate/Wochen
Rationale Welt - Augabe/Tätigkeit o. Handlung über Minuten, 10 Minuten, Stunden
Kognitive Welt - psychisches Moment/Eindruck/Initialisierung 100ms, Operation 1s, Teilaufgabe 10s
Biologische Welt - 100 nanosec Organelle, 1ms Neuron, 10 ms assembly
Automatentheoretisch gesehen führen vor allem Lern- und Entwicklungsprozesse zu einer fortwährenden Veränderung der Zi und deren „Programme“.
Paradigma der Informationsverarbeitung (vgl. Anderson, 2002)
- Dekompositionsthese (Annahme, dass man lange andauernde Lernprozesse oder komplexe Programme in kleinere Einheiten zerlegen kann, bis eine weitere Zerlegung funktional irrelevant wird)
- Relevanzthese (Mikrostruktur kognitiver Prozesse ist relevant ist für die Produkte auf höchste Ebene. Unklar ist allerdings, wie die Mikro- und die Makroebene zu- sammenhängen. Die Annahme einfacher Additivität dürfte bei einem komplexen System nicht angebracht sein)
- Modellierungsthese (die höchste mentale Ebene kann sehr wohl unter Rückgriff auf elementare Prozesse erklärt werden. Dazu müssen kognitive Modellierungen vorgenommen werden, um die Lücken zu schließen, die Experimente nicht schließen können)
Die Wahrnehmung im Dienste des Handlungserfolges
In den meisten Fällen dient das Wahrnehmen jedoch dem Handeln, genauer, dem erfolgreichen Handeln. Jede Aktion verändert auch die Wahrnehmung. Sehr viele Handlungen haben zum Ziel, systematisch die Wahrnehmung zu verändern, z. B. beim Suchen
das Handeln dient auch der Herstellung einer bestimmten Wahrnehmung.
Alle Handlungen werden daraufhin geplant, in der Umgebung eine bestimmte Veränderung zu bewirken
biologische Funktion der perzeptiven Systeme
Prinz und Aschersleben (1995) sehen die biologische Funktion der perzeptiven Systeme darin, Organismen mit Information für die umgebungsgerechte Planung und Ausführung ihrer Handlungen zu versorgen
ie Wahrnehmungspsychologie darf also nicht nur die afferente Seite der Wahrnehmung berücksichtigen, sondern muss ebenso die efferente Seite der Wahrnehmung in Betracht ziehen
erweiterte Automatengleichung
Im Falle realer Systeme in Raum und Zeit, die mit ihrer Systemumgebung interagieren, muss man also die Automatenmodellgleichung erweitern: Ot = i = f(I, Zi, Ot = i-1). Damit wird der phänomeno- logisch bekannte Tatbestand zum Ausdruck gebracht, dass eine Handlung von einer Vorgängerhandlung abhängen kann. Komplexer wird es, wenn man bedenkt, dass natürlich dann auch der Input von der Vorgängerhandlung abhängt
Rückkopplungsprinzip: Handlung kontrolliert die Wahrnehmung
Selbstbewegende Wesen kontrollieren über ihren Output also ihren Input, die Wahrnehmung kontrolliert nicht die Handlung, sondern die Handlung die Wahrnehmung. Dies beschreibt beispielsweise Powers (1977) und es handelt sich um ein allgemeines Rückkopplungsprinzip, das charakteristisch ist für dynamische Systeme, die sich selber regeln, wie sie typischerweise in der Kybernetik untersucht werden. Ein Beispiel sind Zielhandlungen, in die die Auge-Hand- Koordinationen involviert sind
Regelkreis
Sollwert y (= Ziel) Deckung Mauszeiger-Scheibe Ist-Wert x ist die aktuelle Mauszeiger- und Scheibenposition >> Differenzsignal z = y – x
Die Regelgröße, also die Größe die verändert (Differenz des Abstandes Mauszeiger – Scheibe) oder aufrechterhalten werden soll (Deckung Mauszeiger – Scheibe), ist die Mauszeiger-Scheibe-Deckung. Der Ist-Wert x wird durch den Messfühler „Auge“ gemessen. Die Differenz zwischen Soll und Ist, das Differenzsignal z, wird im Komparator verglichen, wird wahrgenommen und wird in den Regler eingegeben, dieser ist das Auge-Hand-Mauszeiger – Sub- system. Über die Stellgröße, das ist die augengesteuerte Handbewegung, wird über die Regelstrecke, das ist der Bildschirm mit Mauszeiger und Scheibe auf die Regelgröße eingewirkt. Der Effekt der Einwirkung (Ausgangswert, neuer Istwert) wird wieder gemessen über die Bildung des Differenzsignals z = y – x. Die Einwirkung auf das System erfolgt so lange, bis z = 0 ist. Man spricht von negativer Rückkoppelung, weil die Rückmeldung dazu dient, die Differenz zwischen Soll- und Ist-Wert zu minimieren bzw. die Differenz über die Zeit hinweg innerhalb eines Toleranzbereichs stabil zu halten (vgl. Glaser, 2001; Bischof, 1995)
i.d.R. wirkt auf die Regelgröße noch eine Störgröße ein
negative Rückkoppelung
closed-loop-control vs. open loop control
Rückmeldung dient dazu, die Differenz zwischen Soll- und Ist-Wert zu minimieren bzw. die Differenz über die Zeit hinweg innerhalb eines Toleranzbereichs stabil zu halten
Der Effekt der negativen Rückkoppelung besteht gerade darin, dass die Störgröße vom nächsten Ausgangswert subtrahiert werden kann. Man nennt die Regelung auch closed-loop-control im Gegensatz zur Steuerung, bei der der die Störgröße nicht vom Ausgangswert abgezogen werden kann, weil dieser nicht rückgekoppelt wird (open loop control).
wahrgenommene Stabilität der Umgebung bei Eigenbewegungen
Die funktionellen Mechanismen, die der Unterscheidung zwischen selbst- und fremdverursachten Reizänderungen zugrunde liegen, kann man über das Phänomen ermitteln, dass man eine stabile Umwelt wahrnimmt, obwohl man sich selber bewegt. Es handelt sich um die zentrale Konstanzleistung der Stabilität der Um- welt bei Eigenbewegungen
Umgebungsänderung wird auch als unabhängig von der eigenen sensu-motorischen Aktivität erlebt. Bei anderen Sinnesleistungungen ist es vergleichbar
Reafferenzprinzip
Erklärung der Unterscheidung zwischen Eigen- und Fremdbewegung
Bewegt man die Augen nicht wie sonst mit den Augenmuskeln, sondern mit dem Finger durch abwechselndes Drücken am unteren Augenlid, so wird die Umwelt nicht mehr stabil wahrgenommen. Man sieht eine Bewegung der visuell wahrgenommenen Umwelt und zwar entgegen der Richtung der passiven Augenbewegung. Aus den unterschiedlichen visuellen Wahrnehmungserlebnissen der aktiven und passiven Augenbewegungen kann man folgendes Schließen: Bei passiver Augenbewegung unterscheidet sich die visuelle Erregungsverarbeitung im Gehirn von derjenigen bei aktiver Augenbewegung
Hypothese, dass die motorische Erregungsbildung für die Augenmuskeln (Signal für „Bewegungskommando“) mit der tatsächlich verwirklichten Erregungsaktivität der Augenmuskeln verglichen wird, um die selbstverursachte Ver- schiebung des Netzhautbildes zu kompensieren
Hypothese lässt sich mit Hilfe von Nachbildern prüfen: Nachbilder verschieben sich nicht auf der Netzhaut. Sie bewegen sich scheinbar in Richtung der Augenbewegung, bleiben aber stillstehen, wenn man das Auge von außen mit dem Finger bewegt
Phosphene
Lichtpünktchen, die bei Druck auf das Auge zu erleben sind, die durch elektrische Reizung der Hirnrinde ausgelöst werden
Reafferenzprinzip nach Erich v. Holst und Horst Mittelstaedt (1950)
Um ein motorisches System, z. B. die Augenmuskeln, zu aktivieren, muss im Gehirn ein Erregungsmuster gebildet und zum Erfolgsorgan oder –organsystem geleitet werden (Efferenz).
Von diesem Erregungssignal wird eine Kopie gemacht, die Efferenzkopie. Die Efferenz führt zur selbstverursachten Bewegung des Erfolgsorgans. Der Bewegungserfolg wird zurückgemeldet, im Falle der Augen die selbstverursachten Bildverschiebungen, was als Reafferenz bezeichnet wird.
Bei der Reafferenz handelt es sich um sensorisches Feedback. Die Reafferenz wird von der Efferenzkopie subtrahiert. Das Resultat ist, dass von der Verrechnungsinstanz ein Signal ausgeht, welches besagt, dass bei eigeninitiierten Augenbewegungen keine Bewegungssignale weitergegeben werden. Dies ist nur bei Bewegungen der Umwelt der Fall sowie bei passiver und bei versuchter, aber verhinderter Augenbewegung. Ebenso lassen sich die Versuche mit den Nachbildern erklären.
Das Reafferenzprinzip reicht über die Probleme der Augenbewegungsregulation hinaus. Es ist eine grundlegende Modellvorstellung für den Mechanismus aller Konstanzleistungen, die auf der Kompensation selbstverursachter Reize beruhen. Dieses Modell kann auch so erweitert werden, dass man die Unterscheidung von selbstverursachten Änderungen des eigenen Körpers von den fremdverursachten erklären kann.
Reafferenzmechanismus (v. Campenhausen, 1981)
Der Reafferenzmechanismus unterdrückt allerdings nicht alle selbstverursachten Erregungen
Die Wahrnehmung der Stabilität der Umwelt beruht aber nicht alleine auf dem Reafferenzprinzip. Nicht alle Veränderungen der Netzhautbilder, die durch Augen- und Kopfbewegungen verursacht werden, können mit Hilfe des sensorischen Feedback kompensiert werden. Der Aufwand der Informationsverarbeitung in den kurzen Zeitspannen der Veränderung wäre zu hoch. Daher sind weitere Konstanzleistungen für die Wahrnehmung einer stabilen Umwelt anzunehmen
Aktive Wahrnehmungsleistungen
die Wahrnehmung ergibt sich nicht alleine aus dem proximalen Reiz und dessen Veränderungen ergeben
Größenkonstanzleistung (Sehen)
wir erkennen die Umweltgegebenheiten in ihrer wahren Größe
z.B. J. J. Gibson (nach v. Campenhausen, 1981) VPN konnten Stäbe noch bei einem Beobachtungsabstand von 700m der Größe nach richtig zuordnen
Die wahrgenommene Größe von Gegenständen wird durch die Größe des Netzhautbildes und durch einen Korrekturmechanismus im Gehirn bestimmt, der die Abhängigkeit der Größe des Netzhautbildes vom Abstand kompensiert. Steht dem Gehirn die Information über den Abstand genau zur Verfügung, dann funktioniert dieser Mechanismus der Größenkonstanz sehr gut
Größenkonstanzleistung hat allerdings Grenzen. Dies zeigt sich vor allem bei vertikalen Perspektiven
z.B. wenn man von einem hohen Turm herabsieht, dann können einem Menschen wie kleine Spielzeugfiguren vorkommen. Umgekehrt lässt sich von unten die Höhe von Türmen oder steilen Bergen oft nur schwer einschätzen
Sehen von Sehschärfe und Sehwinkel
der Sehwinkel gibt die Größe des Netzhautobjektes an. Der Sehwinkel hängt von der Größe des Stimulus und der Entfernung vom Auge des Betrachtenden ab
Sehwinkel: Die Abhängigkeit des Sehwinkels von der Größe des Stimulus und dessen Entfernung zum Auge des Betrachtenden. Die Halbierung der Distanz zwischen Stimulus und betrachtendem Auge verdoppelt die Größe des Abbildes auf der Retina (aus: Goldstein, E. B., 2008, S. 200)
Nachbilder
elementare Nachwirkung einer visuellen Wahrnehmung (visual aftereffect), die eine Zeitlang andauern kann (bis zu 20 Sekunden)
E. Emmert entdeckte 1883, dass man den visuellen Korrekturmechanismus an Nachbildern untersuchen kann
z.B. Ein wandernder leuchtender Punkt in der Dunkelheit scheint einen leuchtenden Streifen nach sich zuziehen, was die Folge eines Nachbildes ist
Nachbilder nimmt man so wahr, als ob sie sich auf der Fläche befänden, die man gerade ansieht. Allerdings werden Nachbilder durch Nachwirkungen von Reizen in der Netzhaut erzeugt. Schaut man mit einem Nachbild auf eine nahe Fläche und dann auf eine entferntere, so kann man beobachten, dass das Nachbild um so größer wird, je weiter die zweite Fläche entfernt ist (vgl. Abb. I.14). Selbst wenn man sich mit geschlossenen Augen oder in einem dunklen Raum eine Fläche nur vorstellt, ändert sich die Größe des Nachbildes mit dem gedachten Abstand (v. Cam- penhausen, 1981, S. 74)
Positive und negative Nachbilder
Positive Nachbilder sind homochromatisch, z. B. wird ein weißer Lichtblitz da weiß empfunden, wo er weiß war und da schwarz, wo er schwarz wahr.
Negative Nachbilder sind heterochromatisch, d. h. das Nachbild wird in der Komplementärfarbe zur Ausgangsfarbe erlebt (vgl. Städtler, 1998, S. 714).
Emmert’sches Gesetz
Die erlebte Größe eines Nachbildes ist proportional zur Größe der Entfernung der Fläche, auf die man sieht.
Größen-Distanz-Skalierung
Die Größenkonstanz ist das Ergebnis einer Berechnung, die man als Größen-Distanz-Skalierung bezeichnet. Als Formel: Gw = k * GR * D. Gw bezeichnet die wahrgenommene Größe, k ist eine Konstante, GR ist die Größe des Objektes auf der Netzhaut und D ist die die Distanz. Wenn sich eine Person von Ihnen entfernt, dann wird zwar das Netzhautbild GR kleiner, aber ebenso wird die wahrgenommene Distanz D größer. Diese beiden Veränderungen gleichen sich aus, so dass die Größe der Person als konstant wahrgenommen wird.
Wird man unter experimentellen Bedingungen über den wahren Abstand eines Gegenstandes getäuscht, so nimmt man auch deren Größe falsch wahr. Ein Beispiel dafür ist die perspektivische Größentäuschung
Ames’scher Raum
Die Ursache für die „falsche Wahrnehmung“ liegt in der Konstruktionsweise des Raumes, in der relativen Größe der beiden Frauen und in der Wahrnehmugnsperspektive
Woher stammt die Entfernungsinformation, die für die Größenkonstanzleistung notwendig ist?
Die Information stammt nicht von Sinneszellen, die den Akkommodationszustand und den Konvergenzwinkel selbst messen, sondern sie wird nach dem Reafferenzprinzip gewonnen.
Wird die Erregungsübertragung zu den inneren Augenmuskeln durch Atropin blockiert, so dass sich der Akkommodationszustand nicht ändern kann, so genügt bereits der Versuch, auf einen nahen Gegenstand zu akkommodieren, um ihn in der Wahrneh- mung schrumpfen zu lassen (Mikropsie). Dieses Phänomen ist nur mit dem Reafferenzprinzip zu erklären (v. Campenhausen, 1981)
Objektpermanenz und der numerischen Objektidentität
verbunden mit dem Wissen um relativ invariante topologische und metrische Relationen zwischen den Objektteilen sind, die unabhängig von unserer Wahrnehmung bestehen.
Das Dach bleibt das oberste Teil des Hauses (topologische Relation) und es behält innerhalb kleinster Toleranzen den Abstand zwischen Dachfirst und Erdboden (metrische Relation). Dieses Beispiel belegt auch, dass wir nicht Einzelreize, sondern Reizrelationen bis hin zu Reizstrukturen („Gestalt“) wahrnehmen.
Wahrnehmen alleine wiederum ist kein Erkennen, sondern es muss mit Wissen, mit gemachten Erfahrungen, also mit Gedächtniseinträgen verbunden werden. So kann man die Größe eines Vogels am Himmel nicht unmittelbar sehen, aber sobald man den Vogel erkennt, kann man ziemlich sicher auf seine Größe schließen.
Veridikalität, Abbildung und Wahrnehmung
Wir planen unsere Eingriffe in und Zugriffe auf die Außenwelt mit der Überzeugung, dass wir über die Außenwelt Informationen erhalten, die wir uns nicht einbilden, sondern die uns über von uns unabhängige Strukturen belehren („die Wahrheit sagen“)
Das Wahrgenommene ist keine simple Abbildung, wie Fotografien. Was wahrgenommen wird, das ist real, aber eben ein Ausschnitt, eine Teilansicht. Vielmehr wird alles in einer bestimmten Situation und von einem bestimmten Standort aus, in einer bestimmten Perspektive, mit einer bestimmten Absicht, im Lichte eines bestimmten Zieles, in einer bestimmten Stimmung und Aktiviertheit, in den Grenzen bestimmter Fähigkeiten und zu einer bestimmten Zeit erkannt
die 5 Faktoren, die den konstruktiven Charakter des Wahrnehmens verdeutlichen
- Selektivität
- Perspektivität
- Kontextabhängigkeit
- Konfiguration
- Ganzheitlichkeit
Standpunktabhängigkeit unseres Wahrnehmens
Wahrnehmung ist modalitätsspezifisch (durch Bau und Funktion der Sinnesorgane selektiv, nur bestimmte Ausschnitte des Energiespektrums der Außenwelt aktivieren die Sinnesorgane in adäquater Weise)
unsere Eigenbeweglichkeit, unsere Bewegungen führen zu Ortsveränderungen»_space; Orientierung in Raum und Zeit ist erforderlich,
Veränderungen in der Zeit > Periodizitäten
es ist nicht möglich Objekte in allen Aspekten gleichzeitig wahrzunehmen
Selektivität
wesentlicher Aspekt der Formwahrnehmung, vor allem des visuellen Wahrnehmens
Die selektive Aufmerksamkeit richtet und lenkt stets unsere Wahrnehmung in Abhängigkeit von äußeren Faktoren (unwillkürliche Aufmerksamkeit wie die Orientierungsreaktion) und inneren Faktoren (willkürliche Aufmerksamkeit wie beim Suchen oder Beobachten ausgewählter Umgebungsaus- schnitte)
selektive Wahrnehmung ≠ willkürliche Aufmerksamkeit
Die Selektivität der Wahrnehmung ist jedoch von der willkürlichen Aufmerksamkeit zu unterscheiden, da die Selektivität der Wahrnehmung zu einem großen Teil automatisch funktioniert