Aufmerksamkeit Flashcards

1
Q

Bedeutung des Begriffs Aufmerksamkeit

A

Der Begriff „Aufmerksamkeit“ ist wie der Begriff „Bewusstsein“ mehrdeutig.

„Aufmerksamkeit“ kann man als eine Art begrenzte mentale Ressource verstehen, die der Kontrolle der Ausführung von Handlungen zur Verfügung steht. Für die Forschung stellt sich die Frage nach dem
fang der Grenze und der Ressourcen und wie diese verteilt werden können

Zudem muss ein Organismus ständig seine Umgebung daraufhin prüfen, ob sich relevante Veränderungen ereignen und der Organismus muss sich in der Umgebung orientieren. Die Orientierungsreaktion wird automatisch ausgelöst und führt zu einer schnellen Erhöhung und Verlagerung der Aufmerksamkeit in Richtung des die Reaktion auslösenden Ereignisses. Danach wird der Bereich des auslösenden Ereignisse aufmerksam beobachtet und geprüft, um zu entscheiden, ob man sich aus der Situation entfernt oder sich dem Ereignis zuwendet. Mit der Orientierung wird deutlich, dass die Aufmerksamkeitsressource nicht eine skalare Größe ist, sondern einen vektoriellen Charakter, eine Richtcharakteristik hat.

Wie „Bewusstsein“ bezeichnet das Hauptwort „Aufmerksamkeit“ keine psychische Funktion oder eine Art „mentales Ding“, sondern es bezeichnet eine Eigenschaft. Die Eigenschaft „aufmerksam“ kann allen psychischen Prozessen zukommen, man kann also aufmerksam sehen, hören, tasten, riechen, aber auch nachdenken, sich erinnern und handeln. „Aufmerksamkeit“ bezeichnet daher ein komplexes Gebiet von Phänomenen, in dem es keine einheitliche Theorie gibt.

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2
Q

Das Problem der Merhfachtätigkeit

A

Historisch gesehen, wurde das Problem der „Enge des Bewusstseins“ in ein Problem der geteilten Aufmerksamkeit verschoben. Dahinter steckt die allen geläufige Erfahrung, dass man in einer bestimmten Zeit nicht beliebig viele Handlungen gleichzeitig ausführen kann. Man macht allerdings gelegentlich mehreres gleichzeitig, z. B. Lesen und Radio hören. Wenn dann im Radio etwas kommt, was einen besonders interessiert, dann nimmt man die Information aus dem Text kaum mehr auf, die Aufmerksamkeit wandert hin zur Radiosendung. Macht man mehreres gleichzeitig, dann fällt auch oft auf, dass man häufiger Fehler macht, oft die einzelnen Handlungen nicht so gut ausführt als wenn man sich ganz auf sie konzentriert. Man kann nur dann mehreres gleichzeitig machen, wenn zumindest eine Handlung routinisiert und fast automatisch, ohne Nachdenken, beherrscht wird.

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3
Q

Aufmerksamkeit und die Probleme der Selektion

A

Selektive Aufmerksamkeit bezeichnet die Mechanismen, die der Auswahl von Informationen aus der Umgebung, aber auch aus „dem Inneren“ (mentalen Modellen), zugrunde liegen. Häufig wird von perzeptiver selektiver Aufmerksamkeit gesprochen, wenn die Informationsselektion in den Wahrnehmungssystemen im Mittelpunkt der Betrachtung steht (Müller & Kummenacher, 2006).

Wie bereits erwähnt, spielt die selektive Aufmerksamkeit ebenso eine zentrale Rolle bei der Organisation der Bewegungen, Operationen zu einer zielorientierten Handlung zu sequenzieren. Es werden dann nicht nur Informationen aus der Umgebung selegiert, sondern auch aus den mentalen Modellen, z. B. müssen Ziele gebildet, Fertigkeiten aus dem Gedächtnis aktiviert, die Ziele angesteuert und ablenkende Einflüsse unterdrückt werden. Auch das lernende Einüben von Fertigkeiten wie z. B. Autofahren oder Tango-Tanzen erfordert Aufmerksamkeit, da die einzelnen Handlungsschritte noch hinsichtlich ihres Erfolges überwacht werden müssen und die Handlungsteile an wichtigen Stellen nicht nahtlos ineinander übergehen. Die Kontrolle bezieht sich nicht auf die ganze (fertige) Handlung, sondern auf Hand- lungsteile und deren Verknüpfung (Prozeduralisierung). Hier geht es nicht um das Was oder Wozu einer Handlung, sondern um das Wie.

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4
Q

Aufmerksamkeit als eine wesentliche Eigenschaft der Handlungssteuerung (sog. selection-for-action)

A

exekutiver Aufmerksamkeit
Zahlreiche Aspekte der Aufmerksamkeit werden daher heute unter dem Stichwort „exekutive Funktionen“ erforscht. Aus ökologischer Sicht ist es plausibel, dass die Aufmerksamkeit vor allem im Dienste der Handlungssteuerung und der Orientierung steht. Das Problem der Handlungssteuerung ist, aus allem möglichen Varianten der Handlungsausführung eine ganz bestimmte zu realisieren

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5
Q

Aufmerksamkeitsmechanismen (Neumann, 1992, 1996):

A

Lösung der Selektionsprobleme der Handlungssteuerung durch 5 Aufmerksamkeitsmechanismen

  1. Verhaltenshemmung
    (nicht mehrere physisch unvereinbare Handlungen auszuführen)
  2. Hemmung beim Einsatz von Fertigkeiten
    (verhindert, dass dieselbe Fertigkeit zum gleichen Zeitpunkt mehrfach eingesetzt wird)
  3. Mechanismen der perzeptiven und sensorischen Selektion
    (sind dafür zuständig, dass genau ein Reiz ausgewählt wird, der die Handlung initiiert und ihre Ausführung festlegt)
  4. Regulation des psychophysiologischen Erregungsniveaus
    (sorgt dafür, dass die Aufrechterhaltung einer Handlung und die Möglichkeit, eine bestehende Handlung abzubrechen, richtig gewichtet werden)
  5. Mechanismus Handlungsplanung und Koor- dination des Handelns durch einen Handlungsplan (ermöglicht die Kombination vorhandener Fertigkeiten, so dass trotz Verhaltenshemmung beispielsweise mehrere Handlungen gleichzeitig ausgeführt werden können)
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6
Q

Perzeptive selektive Aufmerksamkeit

A

In der Forschung zur selektiven Aufmerksamkeit haben sich bestimmte experimentelle Verfahren etabliert (‚Paradigmen’), mit denen typische Merkmale der perzeptiven selektiven Aufmerksamkeit untersucht werden (z.B. Müller & Krummenacher, 2006). In der auditiven Modalität sind das die Paradigmen des dichotischen Hörens und das Split-span- Paradigma, in der visuellen Modalität ist es vor allem das Paradima der Psychologischen Refraktär-Periode (PRP).

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7
Q

Untersuchungsparadigmen

A
  1. dichotischen Hören
    (hier wird dem linken und dem rechten Ohr der Vp gleichzeitig eine Nachricht präsentiert. Die Vp hat die Nachricht eines Ohres laut nachzu- sprechen, womit sie diese beachten muss (man spricht von „shadowing“, etwas unglücklich mit „Beschatten“ ins Deutsche übersetzt). Im Anschluss an die Be- schattungsdurchgänge waren die Vp nicht in der Lage, Bedeutungsaspekte oder die Änderung der Sprache in der nicht beschatteten Nachricht anzugeben.
  2. „Split-Span“-Paradigma
    (hier sollen die Vp eine Sequenz von z. B. 3 Ziffernpaaren vollständig berichten. Die Ziffernpaare werden allerdings simultan getrennt beiden Ohren dargeboten, ein Paarling dem rechten und der andere Paarling dem linken Ohr. Wenn sie die Ziffern berichteten, dann gaben sie diese nicht paarweise wieder)
  3. Paradigma der Psychologischen Refraktärperiode
    (hier werden in der visuellen Modalität zwei Reize in kurzer Abfolge dargeboten. Die Vp muss so schnell wie möglich sowohl auf S1 als auch auf S2 reagieren. Die Analyse der Reaktionszeit (RT) zeigt, dass die RT auf S2 von der Zeitverzögerung zwischen dem Beginn von S1 und dem Beginn von S2 abhängt. Diese Zeitverzögerung wird als SOA, Stimulus Onset Asynchrony, bezeichnet. Im Falle von kurzen SOA werden die RT mit immer kürzer werdenden SOA zunehmend länger)

Der Befund aus dem Paradigma der Psychologischen Refraktär- Periode (PRP) scheint dafür zu sprechen, dass die Reizverarbeitung S1 abgeschlossen sein muss, bevor die Reizverarbeitung S2 beginnen kann. Dies legt eine serielle Reizverarbeitung nahe. Da die SOA zwischen S1 und S2 sehr kurz sind, kann man die PRP als Hinweis darauf interpretieren, dass es eine beschränkte zentrale Verarbeitungskapazität gibt.

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8
Q

Frühe oder späte Selektion

A
Geht man die Darstellung vom sensorisch-perzeptiven Prozess durch, dann stellt sich die Frage, ob die Selektion aufgabenrelevanter Information schon in der sensorischen Erregungsverarbeitung stattfindet (frühe Selektion) oder erst in der perzeptiven Phase (späte Selektion). 
Donald Broadbent (1958) hat u. a. aus den Befunden zum Split-Span-Paradigma den Schluss gezogen, dass aufgabenirrelevante Nachrichten schon vor ihrer vollen Verarbeitung abgeblockt werden. Physikalische Merkmale wären schon effektiv genug, um unterschiedliche Nachrichten zu trennen und nur physikalische Merkmale wären es, die in der nicht beachteten Nachricht entdeckt werden könnten. Die Selektion würde also auf der Basis physikalischer Reizmerkmale erfolgen. Diese Annahmen lagen der Filtertheorie der Aufmerksamkeit zugrunde, die im Rahmen des Informationsverarbeitungsansatzes formuliert wurde.
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9
Q

Filtertheorie

A

„Dieser Theorie zufolge gelangen zwei gleichzeitig dargebotene Eingangsreize oder Nachrichten simultan, d. h. in einer in paralleler Weise ablaufenden Verarbeitung, Zugang zu einem sensorischen Speicher. Nur einer der Reize passiert auf Grund seiner physikalischen Merkmale einen selektiven Filter; der andere Reiz wird blockiert, verbleibt aber für eventuellen späteren Zugriff vorübergehend im Speicher. Die Aufgabe des Filters ist es, ein kapazitätslimitiertes, strikt serielles Verarbeitungssystem jenseits des Filters vor Überlastung zu schützen. Dieses System verarbeitet die Eingangsinformation gründlich, d. h. semantisch. Nur Information, die dieses System durchläuft, kann bewusst und im Langzeitgedächtnis gespeichert werden.“ (Müller & Krummenacher, S. 120).

Es wird eine frühe Selektion angenommen, die auf den physikalischen Reizmerkmalen beruht. Die Information wird nach dem Alles-oder-Nichts-Prinzip weitergeleitet. Da die Hinweisreize für die Selektion physikalischer Natur sind, kommen nichtbeachtete Informationen über diese Ver- arbeitungsstufe nicht hinaus. Die zentrale Verarbeitung ist seriell und kapazitätsbeschränkt. Da es nur einen zentralen Verarbeitungskanal gibt, muss die Aufmerksamkeit zwischen den Eingangskanälen hin und her wechseln, die Aufmerksamkeitsressource muss geteilt, es muss zwischen den Kanälen hin und her geschaltet werden (Multiplexing)
Mit diesem quasi informationstechnischen Filtermodell wurde das altbekannte Problem der Enge des Bewusstseins dadurch erklärt, dass der zentrale Prozessor eine geringe Kapazität hat.

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10
Q

„Cocktail-Party-Phänomen“, Moray (1959)

A

Wenn man sich auf einer Party mit vielen Leuten befindet und mit einer Person spricht, dann bekommt man das Stimmengewirr um einen herum durchaus mit. Es kann einem schwerfallen, einzelne Äußerungen der anderen zu ignorieren und sich auf die Äußerungen des Gesprächspartners zu konzentrieren. Es kann dann vorkommen, dass man Gesprächsfetzen aus der Nachbargruppe mitbekommt, die die Aufmerksamkeit zu der Gruppe hin verschiebt. Diese Aufmerksamkeitsverschiebung tritt dann deutlich auf, wenn man den eigenen Namen in der Nachbargruppe hört. Es konnte im dichotischen Paradigma gezeigt werden, dass etwa ein Drittel der Vp im nichtbeachteten Kanal den eigenen Namen bemerkt. Die Information im nichtbeachteten Kanal muss auch gelegentlich semantisch verarbeitet werden, da man zeigen konnte, dass die semantische Bearbeitung im beachteten Kanal beeinträchtigt wird. Daraufhin wurde die Attenuationstheorie der Aufmerksamkeit vorgeschlagen.

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11
Q

Attenuationstheorie der Aufmerksamkeit

A

„Die Attenuationstheorie lässt eine abgeschwächte Weiterleitung und Verarbeitung nichtbeachteter Information zu, d. h., die Verarbeitung erfolgt nach einem Mehr-oder-weniger- Prinzip. Die Lokalisation der Selektion ist flexibel, jedoch auf einer relativ frühen, perzeptiven Stufe, angesetzt. Die Analyse der Eingangsinformation durchläuft eine Hierarchie von Verarbeitungsstufen, wobei das erreichte Analyseniveau von der verfügbaren Verarbeitungs- kapazität abhängt.“ (Müller & Krummenacher, 2006, S. 120).

Entscheidend ist bei dieser Theorie wieder das Konzept der Schwelle, die durch Erfahrung wie persönliche Relevanz verschoben werden kann. Die Reize werden nicht mehr nach dem Alles-oder-Nichts-Prinzip gefiltert, sondern der sensorisch- perzeptive Prozess kann weiterlaufen, allerdings abgeschwächt. Auf diese Weise kann auch später ein abgeschwächter Prozess verstärkt werden und relativ spät selegiert werden. Sind Reize besonders auffällig (Salienz) oder treten diese relativ häufig auf oder sind persönlich relevant, also emotional salient, dann ist ihre Aktivierungs-schwelle niedrig und sie überschreiten das mittlere Abschwächungsniveau und kommen mit größerer Wahrscheinlichkeit in den zentralen Prozessor.

Dennoch nimmt auch noch die Attenuations-Theorie an, dass sie Selektion relativ früh erfolgt, noch deutlich vor dem Verarbeitungsende, also dem Übergang in die Reaktion. Die Reize sind also noch nicht vollständig analysiert und verarbeitet.

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12
Q

Theorie der späten Selektion

A

„Die Theorie geht davon aus, dass die Selektion „spät“ im Verarbeitungssystem lokalisiert ist, d. h. näher bei Prozessen der Reaktionskontrolle. Das bedeutet, dass alle Eingangsreize (semantisch) vollständig analysiert werden. Eine Weiterverarbeitung (wie z. B. Speicherung im Gedächtnis oder Determination einer motorischen Reaktion) erfolgt nur für Reize, die für die momentane Aufgabe relevant sind. Dies setzt einen effizienten Prozess der Gewichtung aller Eingangsreize nach ihrer Relevanz voraus, der in einem parallelen Verarbeitungsprozess abläuft.“ (Müller & Kummenacker, 2006, S. 121).

Die verarbeiteten Reize werden erst spät nach Kriterien selegiert, die die aktuelle Aufgabenstellung vorgibt. Das Problem ist, dass in relativ kurzer Zeit viele Vergleiche zwischen allen verarbeiteten Reizen durchgeführt werden müssen, um zu einer effektiven Auswahlgewichtung zu kommen. Dazu sind parallele Prozesse nötig und konnektionistische Ansätze haben Algorithmen vorgeschlagen, die das Problem multipler Vergleiche lösen können, so dass in dieser Hinsicht die Theorie der späten Selektion nicht unplausibel ist.

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13
Q

Selektion von Zielreizinformation aus einem Kontext

A

Man geht davon aus, dass der „Ort“ der Selektion verschieblich ist. Die Flexibilität der Selektion hängt ganz wesentlich von den Anforderungen der Aufgabe ab. Aufgaben zeichnen sich dadurch aus, dass eine Lösung angestrebt wird. Diese Lösung ist gewissermaßen der Filter, der die Auf- gabeninformation nach Relevanz abstuft. Im einfachsten Falle gilt es, einen Zielreiz zu suchen und zu identifizieren, so dass alle davon verschiedenen Reize Distraktoren, also irrelevant sind. Sind die Aufgabenanforderungen gering, weil sich Zielreiz und Distraktor sehr unähnlich sind, weil wenige Reize im Spiel sind, dann können die Distraktoren mitverarbeitet und der Zielreiz relativ spät selegiert werden. Stellt die Aufgabe eine hohe Anforderung an das Selegieren, dann sollten die Distraktoren so frühzeitig wie möglich ausgefiltert werden.

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14
Q

Ortsbasierte Aufmerksamkeit

A
  1. Flankierer-Paradigma (Eriksen & Eriksen, 1974) (hier wird ein Zielreiz A zusammen mit zwei Ablenkreizen B gezeigt, die A flankieren (BAB). Das Reagieren auf A fällt leichter (= es wird schneller reagiert), wenn voher ein Hinweisreiz gegeben wird, der anzeigt, an welchem Ort A erscheint („spatial cue“). Damit wird die Interferenz zwischen Ziel- und Ablenkreizen reduziert)
  2. Paradigma räumlicher Hinweisreize (Posner, 1980)
    (hier weiß eine Vp, dass es zwei mögliche Orte gibt, an denen ein Reiz erscheinen kann (z. B. Kästchen links vom Fixationskreuz, Kästchen rechts vom Fixationskreuz). In einem von beiden erscheint ein Zielreiz. Es wird der Vp ein ortsbezogener Hinweisreiz gegeben, der die Position des nachfolgenden Zielreizes mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit indiziert, z. B. wird rechts angezeigt und in 80% der Fälle folgt der Zielreiz auf den Cue (valide Durchgänge), in 20% ist dies nicht der Fall (invalide Durchgänge))

Diese Untersuchungen führten zur Vorstellung, dass die visuelle Aufmerksamkeit wie ein Lichtkegel funktioniert, wobei Stimuli an einem beleuchteten Ort rascher und gründlicher verarbeitet werden als solche an „dunkleren“ Orten. Die Orientierung der Aufmerksamkeit soll dabei durch drei separate Mechanismen, einen Ab- löse-, einen Verschiebungs- und einen Anbindungsmechanismus, gesteuert werden

Alternativ wurde die Aufmerksamkeit als eine variable Gummilinse konzipiert, die entweder mit hoher Auflösung auf einen kleinen Bereich fo-
kussiert oder mit entsprechend verringerter Auflösung auf einen weiteren Bereich eingestellt werden kann.

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15
Q

Inhibition Of Return (IOR)

A

Im Bereich des Sehens ist die Orientierung weitgehend der Wechsel der Aufmerk- samkeitsausrichtung.

Wenn man die visuelle Beachtung eines Ortes O1 zu einem Ort O2 verlagert, dann findet sich eine kurzzeitige Hemmung der Rückverlagerung von O2 zu O1. Dies wird als Inhibition Of Return (IOR) bezeichnet. Der frühe Erleichterungs- Effekt des Cues für die indizierte Position O1 kehrt sich in einen späten Inhibitionseffekt bei SOA < 300 ms um. Die erschwerte Reorientierung auf eine vorher beachtete Position kann somit als eine Voreinstellung in der (gedächtnisbasierten) Steuerung der Aufmerksamkeit verstanden werden, der darauf hinwirkt, dass neue Orte im visuellen Feld abgesucht werden.

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16
Q

Objektbasierte Aufmerksamkeit

A

Es wird angenommen, dass selektive Aufmerksamkeitsmechanismen sich auch an Objekten orientieren. Typischerweise spielen „leere“ Orte in der Orientierung nur eine randständige Rolle, vielmehr werden Orte mit Hilfe von Objekten individuiert.

Es wurde experimentell gezeigt, „dass Urteile über zwei Merkmale eines Objekts dieselbe Genauigkeit hatten wie Urteile über ein Merkmal dieses Objekts; die Genauigkeit von Urteilen über zwei Merkmale war dagegen reduziert, wenn sich ein Urteil auf das eine und das andere Urteil auf das andere von zwei Objekten bezog, obwohl beide Objekte am selben Ort (überlappend) dargeboten wurden. Dieser Befund wurde so interpretiert, dass die entscheidende attentionale Limitation nicht in der ortsbezogenen Aufmerksamkeit liegt, sondern vielmehr darin, dass nur ein Objekt zu einem gegebenen Zeitpunkt attendiert werden kann. Diese objektbezogene Aufmerksamkeit macht dann die Merkmale des entsprechenden Objekts der weiteren Verarbeitung zugänglich.“ (Müller & Krummena- cher, 2006, S. 123).

17
Q

Dimensionsbasierte Aufmerksamkeit

A

Objekte sind Konstellationen von Eigenschaften wie Farbe oder Form, die graduierbar sind. Diese Eigenschaftsdimensionen bzw. Objektmerkmale spielen ebenfalls eine Rolle bei der Selektion. Die Theorie dazu ist eng mit dem Paradigma der visuellen Suche verknüpft.

Die Vp hat die Aufgabe, zu entscheiden, ob ein bestimmter Zielreiz inmitten mehrerer Objekte vorhanden ist oder nicht. Die RT wird durch das Drücken einer von zwei Tasten erfasst, die das Vorhandensein oder Nichtvorhandensein des Zielreizes anzeigen. Als abhängige Variablen werden erhoben die RT vom Beginn der Darbietung des Suchdisplays bis zum Tastendruck sowie der proportionale Anteil korrekt und falsch beantworteter Versuchsdurchgänge.

Merkmalszielreize scheinen dem Betrachter „ins Auge zu springen“, sogar (oder gerade) dann, wenn der zu suchende Zielreiz von einer großen Menge von Distraktoren im Suchfeld umgeben ist und sich von diesen salient unterscheidet.

Konjunktionszielreize hingegen erfordern einen genauen Vergleich der Merkmalskonstellation eines gegebenen Objekts mit den Merkmalskonstellationen, die Nachbarobjekte auszeichnen.

Die RT beim Suchen nach einem Merkmalszielreiz ist unabhängig von der Anzahl der Displayobjekte; beim Suchen nach einem Merkmalskonjunktions-zielreiz nehmen die RT aber mit zunehmender Anzahl der Displayobjekte zu. „Diese Ergebnisse werden in einflussreichen theoretischen Modellen der visuellen Suche wie der Merkmals-Integrations-Theorie (MIT; Treisman & Gelade, 1980) und dem Modell der gesteuerten Suche (GS; Wolfe, 1994) durch die Annahme von zwei aufeinander folgenden Verarbeitungsstufen erklärt. Auf der ersten Verarbeitungsstufe werden in einer parallelen Weise die einzelnen Merkmale bzw. Merkmalsausprägungen (wie Farbe, Orientierung, Größe, stereoskopische Tiefe, etc.) aller sich in einem visuellen Feld befindlichen Objekte durch dimensional organisierte Analysatoren extrahiert, d. h. repräsentiert.
Im Rahmen der MIT signalisieren diese (multi)dimensionalen Repräsentationen das Vorhandensein eines bestimmten Merkmals an einem bestimmten Ort im Display. Im GS-Modell hingegen bilden diese Repräsentationen die Grundlage für die Berechnung so genannter Salienzsignale, die das Vorhandensein sich auffällig von den Nachbarobjekten unterscheidender Merkmale im visuellen Feld signalisieren. Je unterschiedlicher dabei ein Item im Vergleich zu den anderen Items ist, desto größer ist seine Salienz.
Die dimensionsspezifischen Salienzsignale werden anschließend auf der zweiten Stufe der Verarbeitung ortsbasiert integriert, wobei dann die Merkmale, deren Gesamtsalienz am höchsten ist, infolge der Zuweisung fokaler Aufmerksamkeit Zugang zu höheren kognitiven Prozessen, z. B. der Objekterkennung oder der Reaktionsgenerierung, erhalten.

Die Prozesse der ersten, parallelen Stufe werden als prä-attentiv bezeichnet.

18
Q

attentionaler Prozesse

A

Die Aufgabe attentionaler Prozesse im Konzept der MIT liegt darin, die einzelnen Merkmale zu einer kohärenten Objektrepräsentation zu binden; im Rahmen des GS-Modells hingegen erhalten Bereiche der Repräsentation mit hoher Salienzak- tivierung Zugang zu höheren Prozessen der Informationsverarbeitung.“ (Müller & Krummenacher, S. 124).

Die attentionale Blindheit wird in einer simultanen Präsentation einer visuellen Szene festgestellt: Man fokussiert die Aufmerksamkeit auf einen bestimmten, markierten Bereich und bemerkt eine Veränderung außerhalb dieses Bereiches nicht (change blindness).

19
Q

Prozesse der Aufmerksamkeit

A

Prozesse der Aufmerksamkeit können so untersucht werden, dass nicht die Fokussierung auf bestimmte zeitliche oder räumliche Bereiche eine zentrale Rolle spielt. Dazu gehören Phänomene, die Müller und Krummenacher (2006) „Aufmerksamkeitsblinzeln“, inattentionalen Blindheit und Wechselblindheit nennen (change blindness ist aber besser mit Veränderungsblindheit übersetzt).

Eine Erklärung für beide Phänomene könnte darin liegen, dass Aufmerksamkeit (fast) ausschließlich auf das Objekt ausgerichtet wird, das Gegenstand der zu lösenden Aufgabe ist. Nicht erwartete Objekte können dann nur durch Prozesse ver- arbeitet werden, die keine Aufmerksamkeit erfordern. Aus dem genannten Grund wird auch von einer „attentionalen Blindheit“ für diese Objekte gesprochen. Beobachter haben auch große Probleme, auffällige Veränderungen eines Objekts oder Objektmerkmals zu entdecken, wenn der Fokus der Aufmerksamkeit nicht auf den sich verändernden Teil einer Szene ausgerichtet ist („Wechselblindheit“). Veränderungen werden auch in Bildern übersehen, die wiederholt nacheinander am selben Ort dargeboten werden, wenn entweder zwischen den zwei Bildern kurzzeitig ein Bild mit Rauschen oder wenn plötzlich ein ablenkender Stimulus dargeboten wird.

Diese Limitationen sind Aspekte des Selektionscharakters der Aufmerksamkeit, insofern als Veränderungen nur wahrgenommen werden können, wenn der Aufmerksamkeitsfokus auf den sich verändernden Teil einer Szene ausgerichtet ist.“ (Müller & Krummenacher, S. 124f.).

20
Q

Aufmerksamkeitsblinzeln

A

„Aufmerksamkeitsblinzeln bezeichnet ein transientes Defizit der Verarbeitung sequentiell dar- gebotener Stimuli.
Werden zwei Zielreize in einen Strom von Distraktorreizen eingebettet, die mit einer Frequenz von zehn Hertz an derselben Stelle präsentiert werden, so wird der zweite Zielreiz oft nicht identifiziert, wenn er circa 400 ms nach dem ersten, entdeckten, Zielreiz dargeboten wird. Analoge Limitationen finden sich auch bei der räumlichen Aufmerksamkeit. Beobachter, die eine schwierige Diskriminationsaufgabe unter Zeitdruck ausführen, sind oft nicht in der Lage, ein unerwartet dargebotenes Objekt zu identifizieren. Wird das zusätzliche Objekt jedoch erwartet, oder liegt die primäre Aufgabe in der Verarbeitung des unerwar- teten Objekts, wird es korrekt identifiziert.

21
Q

„Inattentionale“ Blindheit

A

Ein Reiz x wird nicht erwartet (negative Erwartung), sondern es wird ein Reiz y erwartet (positive Erwartung); beide zusammen begünstigen stark inattentionale Blindheit.
Mack & Rock untersuchten das so: Sie präsentierten kurzzeitig Kreuze und die Vpn mussten urteilen, ob die waagrechte oder senkrechte Linie länger war. Gelegentlich wurde aber genausolange ein Quadrat eingeblendet. Ein gutes Viertel der Vp berichtete im Anschluss, kein Quadrat gesehen zu haben. Das nannten sie inattentional blindness. Diese ist ein Spezialfall von change blindness

Die in- attentionale Blindheit wird in einem sequentiellen Aufmerksamkeitsparadigma festgestellt (ein Zielreiz B wird mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit nicht entdeckt, wenn er kurzzeitig inmitten von Distraktoren nach A präsentiert wird)

22
Q

change blindness

A

also der Tatsache, dass wir viele kurzzeitige Veränderungen (also Ereignisse) nicht wahrnehmen

Die attentionale Blindheit wird in einer simultanen Präsentation einer visuellen Szene festgestellt: Man fokussiert die Aufmerksamkeit auf einen bestimmten, markierten Bereich und bemerkt eine Veränderung außerhalb dieses Bereiches nicht (change blindness). (Basketballspieler mit Affen)

23
Q

Rekurrente Verarbeitung

A

Klassische Informationsverarbeitungsmodelle der Aufmerksamkeit gehen von hierarchischen Stufen der Verarbeitung aus, wie das schon in der Darstellung des sensorisch-perzeptiven Prozesses angesprochen worden ist. Es wurde auch im Zusammenhang mit der unterschwelligen Wahrnehmung dargelegt, dass „überschwellig“ als ein Kriterium für „bewusst“ angesehen wurde. Umgekehrt kann aus einer negativen Antwort, derzufolge eine Vp entschied, nichts wahrgenommen zu haben, nicht gefolgert werden, dass keine Reizverarbeitung stattfand. Die hierarchischen Stufenmodelle gehen davon aus, dass nur Reize bewusst werden können, auf die die Aufmerksamkeit gerichtet ist. Diese Formulierung suggeriert, dass sich die Eigenschaften „bewusst“ und „aufmerksam“ unterscheiden, zumindest wenn „aufmerksam“ und „bewusst“ nicht genauer spezifiziert werden. Es müssten sich Beispiele für mentale Prozesse finden lassen, denen die Eigenschaft [„bewusst“ und „nicht aufmerksam“] und denen die Eigenschaft [„aufmerksam“ und „nicht bewusst“] zukommt.

Nach neueren Modellen findet die bewusste Verarbeitung in der Stufenfolge vor der aufmerksamen Verarbeitung statt (Lamme, 2003). Das hierarchische Modell wird durch rekurrente Komponenten ergänzt.

Wie bereits erwähnt, kann eine nicht bewusste Reizverarbeitung auch zu nicht bewusste Reaktionen führen. Angenommen wird jedoch, dass bewusste Reaktionen eine Folge bewusster Verarbeitung sind. Für die bewussten Reaktionen kommt es aber nicht nur darauf an, dass die Verarbeitung bewusst ist, sondern in welcher Weise die bewusste Verarbeitung konfiguriert ist, ob z. B. Informationen selegiert werden oder nicht. Angenommen wird, dass Bewusstsein über das Vorhandensein von Objekten und anschließend Bewusstsein über die mit den wahrgenommenen Objekten assoziierten (kognitiven) Transformations- und Handlungsmöglichkeiten (Zugangsbewusst- sein) entsteht. Auf Grund des Wettstreits um den Zugang zu höheren Verarbeitungsstufen ist das Zugangsbewusstsein auf eine kleine Anzahl von Objekten beschränkt (Müller & Krummenacher, 2006).