Völkerrecht Flashcards
Völkerrecht
DEF + typische Abgrenzungen
= “Gesamtheit der rechtlichen Regelungen über die (hoheitlichen) Beziehungen zwischen Staaten, internationalen Organisationen und anderen Völkerrechtssubjekten untereinander einschliesslich der für die Völkergemeinschaft (oder Teile hiervon) relevanten Rechte oder Pflichten einzelner.”
- Völkergewohnheitsrecht ↔ Völkervertragsrecht
- Allgemeines, universelles Völkerrecht ↔ Partikuläres Völkerrecht
- Friedensvölkerrecht ↔ Kriegsvölkerrecht
Besonderheiten des Völkerrechts
Rechtsetzung
- kein zentrales Rechtsetzungsorgan
- Horizontale Struktur des Völkerrechts
- souveräne Gleichheit der Staaten
- Prinzip der Einstimmigkeit und Selbstbindung
- Bedeutung allgemeiner Prinzipien
Besonderheiten des Völkerrechts
Rechtsdurchsetzung
- grds. keine zentrale Durchsetzungsgewalt
- national: Vollzug des VR durch staatliche RO
- international: grds. Zulässigkeit der Selbsthilfe im Rahmen der UNO-Charta
-
keine umfassende obligatorische Gerichtsbarkeit (IGH-Statut 36)
- nicht umfassend obligatorisch
- jedes UNO-Mitglied untersteht IGH (UNO-Charta 93), muss aber Entscheid nicht akzeptieren
Historische Entwicklung des Völkerrechts
-> siehe Foliensatz 2
-> keine Karteikarten erstellt
soft law
- Definition
- Beispiele
- Zweck
soft law = formell unverbindliches Recht; nicht bindend aber hat Auswirkungen
- formell rechtlich unverbindlich
- trotz formeller Unverbindlichkeit gewisse rechtliche Wirkung
Beispiele
- nicht verbindliche Beschlüsse/Deklarationen von int. Organisationen
- nicht verbindliche Abmachungen
Zweck
- politisches Signal
- Sichtbarkeit des Völkergewohnheitsrecht
- Auslegungshilfe
Völkerrechtssubjekt
= Völkerrechtssubjekte sind Träger von völkerrechtlichen Rechten und Pflichten
- Meist können Völkerrechtssubjekte eigene Rechte auf völkerrechtlicher Ebene geltend machen
ICJ, Reparation for Injuries Suffered in the Service of the United Nations, ICJ Reports 1949, p. 179
Bernadotte-Gutachten
Ist UNO Völkerrechtsubjekt?
- vor 1. WK: nur Staaten
- heute: Ausweitung mit Entstehung internationaler Organisationen
- SV: UNO-Entsandter stirbt, weil betreffender Staat nicht hinreichend schützt
- Ausweitung mit Entstehung internationaler Organisationen:
- UNO-GV kann an IGH gelangen
- das entspricht einem Aktivwerden
- daher ist UNO ein Akteur
- Staaten haben zugestimmt, UNO soviele Aufgaben zu geben
- UNO ist nur VR-Subjekt, sofern die Staaten ihr in diesem Bereich eine Aufgabe gaben
advisory opinion des IGH
IGH-Statut 65 ff.
UNO-Charta 92 ff.
- ein Bericht; kein Entscheid
- stellt ein unverbindliches Gutachten dar
→ erlaubt: Beurteilung der Grds.-Frage durch Gericht
Umfang der Völkerrechtssubjektivität
WHO möchte vom IGH wissen, ob Nuklearwaffeneinsatz eine VR-Verletzung ist aufgrund der Gesundheitsschäden
- es braucht Kompetenznorm in den Verträgen
- Achtung: Prinzip der Spezialität
- als Staaten WHO gründeten, dachten sie nicht an Nuklearwaffeneinsätze
- es gibt auch: implied powers
- vorausgesetzt für die anerkannte Kompetenz
Wirkung der Völkerrechtsfähigkeit
allgemein => absolut
partikulär => relativ
Verhältnis vr RF und HF
- HF: Fähigkeit, Rechte und Pflichten wahrzunehmen
- Verlust der HF bedeutet kein Verlust der RF
- z.B.: FR während 2. WK
Völkerrechtssubjekte
Staaten vs. andere Völkerrechtssubjekte
URSPRUNG
UMFANG
WIRKUNG
** originär vs. derivativ (braucht immer einen Akt)
** unbeschränkt vs. beschränkt
** allgemein (absolut) vs. partikulär (relativ)
Drei-Elemente-Lehre
- Staatsvolk
- Staatsgebiet
- Staatsgewalt
Konvention von Montevideo über Rechte und Pflichten von Staaten:
- von 18 Staaten, aber Völkergewohnheitsrecht
4. capacity to enter into relations with other states
Staatsvolk
= “auf Dauer angelegter Personenverband, der durch gemeinsame Herrschafts- und Rechtsordnung
verbunden ist”
- Volk i.S. der Staatsangehörigen (Personalhoheit)
- Volk i.S. der Bevölkerung eines Gebietes (Territorialhoheit)
- religiöse/ethnische/kulturelle Homogenität nicht erforderlich (Minderheitenschutz)
- diplomatischer Schutz des Staates für Staatsangehörige (“genuine link”-Erfordernis)
“genuine link”-Erfordernis
Nottebohm, FL vs. Guatemala
- Wie Staaten ihr Bürgerrecht vergeben ist eine rein nationale Frage
- ABER: VR verlangt nicht nur Pass (formelle Zugehörigkeit), sondern einen “genuine link” (also echte Beziehung zum Staat
wenn “genuine link” fehlt … dann kein diplomatischer Schutz möglich
Staatsgebiet
- Definition
- Beurteilungsgrundsätze
- Gebieterwerbsarten
= “Erdoberfläche, darüber liegende Luftsäule, darunter liegendes Erdreich sowie Küstenstreifen bis zwölf Seemeilen”
- Beurteilungszeitpunkt: Völkerrecht zum Erwerbszeitpunkt
- Effektivitätsprinzip und Grds. des unbestrittenen Besitzstandes (uti possidetis)
Gebietserwerbsarten
- Annexion (UNO-Charta 2 IV)
- Okkupation (vorher: terra nullius)
- Zession (vertragliche Abtretung)
- Ersitzung:
1) effektive
2) friedliche
3) dauernde
4) unangefochtene Herrschaft - Sezession (einseitige Ablösung, umstritten)
- Adjudikation (Zuweisung durch internationales Gericht)
Effektivitätsprinzip und Grds. des unbestrittenen Besitzstandes (uti possidets)
Burkina Faso vs. Mali
- Völkergewohnheitsrecht
- effektiver Besitz ist Basis der Souveränität => soll Respekt für bestehende Grenzen schaffen
-
Effektivitätsprinzip
- massgebend für Beurteilung der Staatenqualität sind einzig die tatsächlichen Umstände
- erfolgt vorzeitige Anerkennung eines Staates, also bevor sämtliche VSS der Staatlichkeit vorliegen, dann vr-widrig und keine Rechtswirkung
Acquiescence-Grundsatz
Kambodscha vs. Thailand - Preah Vihear Tempel
Acquiescence-Grundsatz = qualifiziertes Schweigen
- Staaten können nicht Protesmöglichkeiten ungenutzt verstreichen lassen und im Nachhinein plötzlich protestieren
Staatsgewalt
- Bestandteile
- Innen vs. Aussen
- Legitimätserfordernis?
-
BESTANDTEILE
- Gebietshoheit
- Personalhoheit
-
INNEN/AUSSEN
- Innen: Ordnungsaufgaben
- Aussen: HF als VR-Subjekt
-
EFFEKTIVITÄT
- Wirksamkeit der Staatsgewalt entscheidend, nicht Legimität
- Verfassungsblindheit des VR
Las Palmas-Fall
Spanien vs. Niederlande
- beide Seiten haben gute historische Argumente
- bei Gewichtung spielt effektive (& friedliche) Ausübung der Souveränität grosse Rolle
Staatsgewalt vs. Souveränität
Souveränität = Fähigkeit zur Durchsetzung der Staatsgewalt
- Souveränität ist Komponente der Staatsgewalt
Entstehung & Untergang von Staaten
-
ENTSTEHUNG
- Neugründung
- Loslösung vom Mutterland
- mit Zustimmung: Separation
- ohne Zustimmung: Sezession
- Zusammenschluss mehrerer Staaten (Fusion)
- Aufteilung eines bestehenden Staates (Dismembration)
- Dekolonisation als Anwendungsfall des Selbstbestimmungsrechts der Völker
-
UNTERGANG
- dauerhafter Wegfall eines der drei Elemente
Anerkennung von Staaten
- Anerkennung ist vr gesehen rein deklaratorisch
KRITERIEN
- Staaten gemäss Drei-Elemente-Lehre
- Regierung muss sich durchgesetzt haben
- weitere:
- Volk unterstützt Regierung
- Bereitschaft vr Verpflichtungen einzuhalten
RF
- v.a. praktisch relevant: Staatsbürgerschaft, Pass, dipl. Beziehungen, Immunität
Fortexistenz, Nachfolge & Untergang eines Staates
Bezogen auf Verträge
-
IDENTITÄT
- „Kontinuitätsgrundsatz“
- Staat besteht trotz Wandlungen als gleiches VR-Subjekt weiter
- Verträge gelten weiterhin
-
NACHFOLGE:
- Territorium geht auf neues VR-Subjekt über
- bei Fortbestand des Vorgängerstaates (Gebietsteil)
- bei Untergang des Vorgängerstaates
- Grds.: “clean slate”-Prinzip (Wiener Konvention über die Staatennachfolge 16/17)
-
UNTERGANG
- eines Staates erst mit Annektierung
- Verträge von Österreich wurden nach NS-Zeit - soweit sinnvoll - wiederbelebt
Chagos-Inseln
Mauritius vs. UK
IGH, Legal Consequences of the Separation of the Chagos Archipelago from Mauritius in 1965, Advisory Opinion, I.C.J. 25 February 2019, General List No. 169.
-
SV
- 1965: Entfernung des Chagos-Archipels aus Gebiet der Kolonie Mauritius (heute British Indian Ocean Territory)
- 1968: Mauritius erlangt Unabhängigkeit
-
IGH:
- es gilt: Selbstbestimmungsrecht ehemaliger Kolonien
- falls damals Kolonialbehörde unfrei entscheid => vr-widriger Vertrag
- Dekolonialisierung der ehem. Kolonie Mauritius wurde nicht vollständig abgeschlossen
- Grossbritannien müsste Staatsgewalt über Chagos-Archipel an Mauritius zurückgeben
Staatenverbindungen
Staatenbund vs. Bundesstaat
= “Dauerhafte Verbindung von zwei oder mehr Staaten mit zumeist gewisser organisatorischer Verfestigung “
STAATENBUND
- Bund als eigenes VR-Subjekt
- Mitgliedstaaten behalten VR-Subjektivität
BUNDESSTAAT
- originäre, unbeschränkte VR-Subjektivität beim Bund
- Gliedstaaten sind nur partielle VR-Subjekte
Staatliche Organe des völkerrechtlichen Verkehrs
Denmark v. Norway
Legal Status of Eastern Greenland
-
STAATSOBERHAUPT
- repräsentiert den Staat
- Ratifikation von Staatsverträgen
- CH: Gesamtbundesrat
-
REGIERUNGSCHEF & AUSSENMINISTER
- Befugnis zur Vertretung von Staaten (WVK 7 II a.)
- vgl. Legal Status of Eastern Greenland
- wenn Aussenminister verkündet, darf sich Rest der Welt darauf verlassen
- dem VR ist
- egal wie staatsintern Zuständigkeiten verteilt sind
- solange fehlende Befugnis nicht von Weitem erkennbar
Jurisdiktion
= “Zuständigkeit über Territorium, dessen Bevölkerung und das Recht, das Gebiet zu schützen; in Vereinbarung mit anderen Staaten auch Rechte welche über das eigene Territorium/die eigene Bevölkerung hinausgehen”
- Ausdruck staatlicher Souveränität
- Souveränität anderer Staaten ist die Grenze
Immunität
- Definition
- Grundgedanke
- Arten
Allgemein
- “Beschränkung der Unterwerfung unter Hoheitsgewalt eines anderen Staates, Schutz staatl. Souveränität “
- Grundgedanke: „par in parem non habet imperium“ (Gleiche haben über Gleiche keine Macht)
- Arten:
- Immunität des Staates
- Immunität des Staatsoberhaupts
- Immunität der Diplomaten und der Organe
Staatenimmunität
= “Schutz der staatlichen Souveränität bzw. der souveränen Gleichheit”
- Staat und dessen Amtsträger dürfen nicht vor Gerichten oder Justizbehörden anderer Staaten verklagt werden
- Verzicht ist möglich
- in zeitlicher Hinsicht:
- früher: absolute Staatenimmunität
- heute: relative Staatenimmunität:
- Immunität gilt nur für acta iure imperii (Hoheitsakte), nicht für acta iure gestionis (privatrechtliches Handeln)
Immunität von Staatsoberhäupten
- Während der Amtszeit: Immunität für Amtshandlungen und private Handlungen
- Nach der Amtszeit: Immunität nur bezüglich früherer Amtshandlungen
- NB: Keine Immunität für Straftatbestände des Römer Statuts (Art. 27)
- Völkermord
- Verbrechen gegen die Menschlichkeit
- Kriegsverbrechen
- Verbrechen der Aggression
Internationale Organisationen
Begriffsmerkmale, Unterschiedliche Formen, Subjektivität & Verhältnis zu MS, Vertragsschlussfähigkeit und Haftung
-
Begriffsmerkmale
- Völkerrechtlicher Vertrag als Rechtsgrundlage
- Auf Dauer angelegte Verbindung
- Wahrnehmung eigener Aufgaben
- Mitglieder sind Staaten
- Eigene Organe, die für die Organisation handeln
- Rechtspersönlichkeit
- Universelle und regionale Organisationen
- Unterschiedlicher Organisationszweck (z.B. NATO, WTO, ILO)
- Supranationale Organisationen (Durchgriffswirkung)
-
Völkerrechtssubjektivität
- Gekorene Völkerrechtssubjekte
- Explizite oder implizite Regelung im Gründungsvertrag
- Partikuläre oder objektive Völkerrechtssubjektivität
- Partielle Völkerrechtssubjektivität (sachlich beschränkt)
-
Verhältnis zu Mitgliedsstaaten
- Kompetenzen → Grds. der begrenzten Einzelermächtigung
-
Vorrechte und Immunitäten
- der Internationalen Organisationen
- der Vertreter der Mitgliedstaaten (Art. 105 Abs. 2 UN-Charta)
- der Bediensteten der Internationalen Organisation (Art. 105 Abs. 2 UN-Charta)
- Vertragsschlussfähigkeit
-
Haftung, soweit Rechtspersönlichkeit
→ «Haftungsdurchgriff» auf Mitgliedstaaten?
Hauptorgane der UNO
UNO-Charta 7
Hauptorgane, Menschenrechtsrat und Sonderorganisationen
-
Hauptorgane der UN (Art. 7 UN-Charta)
- Generalversammlung (Art. 9 ff. UN-Charta)
- Sicherheitsrat (Art. 23 ff. UN-Charta)
- Wirtschafts- und Sozialrat (Art. 61 ff. UN-Charta)
- Treuhandrat (Art. 75 ff. UN-Charta, Tätigkeit 1994 eingestellt)
- Internationaler Gerichtshof (Art. 92 ff. UN-Charta)
- Sekretariat (Art. 97 ff. UN-Charta)
-
warum Menschenrechtsrat nicht?
- man hätte Charta revidieren müssen, scheiterte im Sicherheitsrat
- daher: der GV angehängt
-
Sonderorganisationen
- Art. 57 UN-Charta; autonome Organisationen
- U.a. Weltbankgruppe, IWF, IAO, FAO, UNESCO, WHO
Weitere VR-Subjekte
- IKRK
- NGOs
- Individuen
IKRK
- Verein nach ZGB 60 ff.
- Genfer Abkommen verleiht Völkerrechtssubjektivität
NGO
- brauchen Anerkennungsakt
Individuen
- eher vr Rechte als Pflichten
ius ad bellum vs. ius in bellum
ius ad bellum = VR, das zur Anwendung kommt zur Kriegsauslösung
ius in bellum = “Recht im Krieg (egal, wie und warum ein Konflikt entstanden; Opfer im Vordergrund)”
Anwendbares Recht vor dem IGH
IGH-Statut 38 I
- vr Verträge
- Völkergewohnheitsrecht
- allgemeine Rechtsgrundsätze
- Entscheide von Gerichten und Lehrmeinungen
- Entscheide und Lehrmeinungen sind Rechtfindungsquellen
- gelten eig nur zwischen den Parteien
- Liste nicht abschliessend (str.)
- Hierarchie? ius cogens geht vor
Völkerrechtliche Verträge
Definition
= “Verbindliche Vereinbarungen zur Begründung von Rechten und Pflichten zwischen Völkerrechtssubjekten auf dem Gebiet des Völkerrechts”
Vereinbarung => Konsens
Abschluss von völkerrechtlichen Verträgen
Ablauf des mehrphasigen Verfahrens
- Verhandlung
- WVK 7
- BV 184 II
- Paraphierung
- WVK 9: vorläufige Feststellung des Vertragstextes
- Unterzeichnung
- WVK 7 I
- WVK 18 a.: Frustrationsverbot = Staat darf kein dem vr Vertrag widersprechendes Verhalten an den Tag legen
- (Genehmigung)
- BV 166 II
- (Evtl. Referendum)
- BV 141 I d., 140 I b.
- Ratifikation
- WVK 14 I, 16 II b.
- BV 184 II
- Inkraftterten
- WVK 24
- Publikation
- WVK 80
Allgemeines zu völkerrechtlichen Verträgen
insb. WVK
- WVK 26: Pacta sunt servanda
- WVK 27: Vorrang vor innerstaatlichem Recht
- unabhängig der innerstaatlichen Regelung
- unabhängig der innerstaatlichen Kompetenzverteilung
- WVK 34: Bindung nur der Vertragsparteien
- WVK 29: Räumlicher Geltungsbereich entspricht dem gesamten Hoheitsgebiet
- WVK 30: Konkurrenz verschiedener Vertragsbestimmungen zum gleichen Thema und zwischen den gleichen Parteien
- lex specialis-Regel
- jüngerer Vertrag geht vor (Sachgebiet und Parteien stimmen überein)
- Vorrang der UNO-Charta (Art. 103)
- Anwendbarkeit von Verträgen
- ratione materiae
- ratione temporis
- ratione personae
- WVK 39 ff.: Änderung
- WVK 53: Zwingendes Völkerrecht
- Gewaltverbot, Sklavereiverbot, Piraterieverbot
- str.: Verbrechen gegen Menschlichkeit, menschenrechtliche Kerngehalte, …
Schubert-Praxis
PKK-Praxis
Oguz is smeli
- Schubert: Jüngeres Bundesgesetz geht vor, sofern der Gesetzgeber den Widerspruch zum internationalen Recht bewusst in Kauf genommen hat.
- PKK: Völkerrecht geht dem Landesrecht im Konfliktfall prinzipiell vor, insbes. wenn die völkerrechtliche Norm dem Schutz der Menschenrechte dient.
Auslegung von völkerrechtlichen Verträgen
-
Grds. der Selbstauslegung
- d.h. Parteien legen selbst aus
- auch zentrale Auslegung vor (Schieds-)Gericht ist möglich
-
WVK 31/32
- Treu und Glauben (I)
- Wortlaut (I) => objektiver Wortsinn
- Zusammenhang (II) => Präambeln
- jede spätere Übereinkunft/Übung und jeder zwischen den Vertragsparteien anwendbare Völkerrechtssatz (III a.-c.)
- Ziel und Zweck (I) => „effet utile“
- ergänzend: Entstehungsgeschichte (32) „=> travaux préparatoires“
La Grand-Fall
USA v. Deutschland
- zwei Brüder in USA zu Todesstrafe verurteilt
- IGH ordnet vorsorgliche Massnahme an
- USA ignorieren und richten hin
Rechtsfrage: Was ist mit vorsorglichen Massnahmen?
IGH:
- vorsorgliche Massnahmen sind verbindlich
- sonst wird ihr Sinn und Zweck bereits im Voraus vereitelt
effet utile
WVK 31 I
- Ziel und Zweck massgebend
- Achtung: Auslegung als „living instrument“
- also keine historische Auslegung, sondern gemäss aktuellen sozialen/wirtschaftlichen Bedingungen
Vorbehalte bei völkerrechtlichen Verträgen
WVK 2 I d.
Abgrenzung, Zulässigkeit & Annnahme
= “einseitige Erklärung bei der Ratifikation oder beim Beitritt, wonach ein Staat sich von gewissen Pflichten ausschliesst/diese reduziert”
-
ABGRENZUNG
- insb. zu → auslegenden Erklärung = Interpretationserklärung
- häufig tarnen Staaten Vorbehalte als auslegene Erklärung
-
ZULÄSSIGKEIT (WVK 19)
- nicht durch den Vertrag verboten
- mit Ziel und Zweck des Vertrages vereinbar
-
ANNAHME (WVK 20)
- ausdrücklich
- stillschweigend
-
EINSPRUCH
- Einspruch gegen unzulässigen Vorbehalt möglich
Vorbehalte bei völkerrechtlichen Verträgen
Rechtsfolgen
→ Reziprozitätsgrundsatz
- bei Annahme bzw. Stillschweigen
- Vertrag als Ganzes in Kraft (WVK 20 IV a.)
- einzelne Vertragsbestimmung modifiziert (Vertrag gilt für beide Parteien in abgeänderter Form, WVK 21 I a./b.)
- bei Einspuch
- Vertrag tritt in Kraft (WVK 20 IV b.)
- vom Vorbehalt betroffener Artikel wird zwischen betr. Staaten nicht angewendet (WVK 21 III)
- bei Einspruch und “Protest” gegen Inkrafttreten
- Vertrag ist zwischen Parteien nicht in Kraft (WVK 21 III)
Ungültigkeit von völkerrechtlichen Verträgen
UNGÜLTIGKEITSGRÜNDE
- Zwang gegen einen Staatenvertreter (WVK 51)
- Zwang gegen einen Staat (WVK 52)
- Verstoss gegen ius cogens (WVK 53)
NB: enger Gewaltbegriff, wirtschaftliche Gewalt reicht bspw. nicht aus
RF
- Nichtigkeit
Anfechtbarkeit von völkerrechtlichen Verträgen
RELEVANTE ANFECHTUNGSGRÜNDE
- offensichtliche Verletzung grundlegender innerstaatlicher Kompetenznormen (WVK 46)
- Irrtum (WVK 48)
- Betrug und Täuschung (WVK 49)
Beendigung von völkerrechtlichen Verträgen
- Einvernehmliche Vertragsbeendigung (Konsens)
- Vertragsklausel (Art. 54 lit. a WVK)
- Nachträgliche Vereinbarung (Art. 54 lit. b WVK)
- Späterer Vertrag über denselben Gegenstand (Art. 59 WVK)
- Einseitige Vertragsbeendigung
- Kündigungs- oder Rücktrittsrecht (Art. 54 lit. a, Art. 56 WVK)
- Erhebliche Verletzung des Vertrages (Art. 60 WVK)
- Nachträgliche Unmöglichkeit des Vertrages (Art. 61 WVK)
- Clausula rebus sic stantibus (Art. 62 WVK)
- grundlegend
- unvorhersehbar
- Änderung betrifft Geschäftsgrundlage
- Verpflichtung in tiefgreifender Weise umgestaltet
- Unabhängig von Parteiwillen: neues ius cogens, Art. 64 WVK
Völkergewohnheitsrecht
IGH-Statut 38 I b.
ÜBUNG / STAATENPRAXIS (objektives Element)
= “Akte der Staatsorgane, die für die Aussenbeziehungen zuständig sind und damit den Staat repräsentieren (auch Entscheidungen nationaler Gerichte)”
- Allgemeinheit der Übung
- Nicht alle Staaten müssen die Übung kennen
- Widerspruchslose Duldung genügt
- Einheitlichkeit der Übung
- Im Allgemeinen keine abweichenden Akte
- Abweichendes Verhalten als Völkerrechtsbruch sanktioniert
- Dauerhaftigkeit der Übung
- Gewisse Zeitdauer, keine absoluten Werte
- Dank engeren Kontakten zwischen den Staaten heute raschere Bildung von VGR
- Kann einmaliges Verhalten Völkergewohnheitsrecht erzeugen («instant customary law»)?
„OPINIO IURIS“ / RECHTSÜBERZEUGUNG (subjektives Element)
= “Überzeugung eines Staates, zu einem Verhalten rechtlich verpflichtet zu sein”
- Nachweis der Rechtsüberzeugung
- Effektives Verhalten der Staaten
- Erklärungen, Proteste
- Unterlassung als Übung?
- Resolutionen internationaler Organisationen
- Indiz für Rechtsüberzeugung, auch wenn formell nicht verbindlich
- Entscheidend sind die Umstände der Annahme
- Effektives Verhalten der Staaten
Bindung bei Völkergewohnheitsrecht
- Arten (nach Region)
- Reichweite der Bindung
- Universelles Völkergewohnheitsrecht vs. regionales/bilaterales Völkergewohnheitsrecht
- Keine Verpflichtung des «persistent objector»
- Voraussetzung: Rechtzeitiger und beharrlicher Protest gegen entstehendes Gewohnheitsrecht
- Ausnahmen
- ius cogens
- Bei fast einheitlicher Übernahme (bzw. Rechtsüberzeugung und Übung) der neuen Regel durch die Staatengemeinschaft
Festlandsockel-Fall
North Sea Continental Shelf (FRG v. Denmark/Netherlands), I.C.J. Reports 1969, p. 3
SV
- Dänemark und NL sind Parteien über das Genfer Abkommen über den Festlandsockel
- DE hat nur unterzeichnet aber nicht ratifiziert
- Abkommen wendet für seitliche Abgrenzung das sog. Äquidistanzprinzip vor (6 II)
- Dänemark und NL bringen vor, es sei nun sowieso Völkergewohnheitsrecht
IGH
- setzt hohe Schwelle für Völkergewohnheitsrecht
- vorliegen ist Äquidistanzmethode eine von vielen anerkannten Lösungen
- nur 34 Staaten haben Abkommen ratifiziert, zwar kann bei den anderen nicht von Ablehnung gesprochen werden, dennoch ist Vorsicht geboten
- zudem sind erst 5 Jahre seit Inkraftsetzung vergangen
- opinio iuris verneint
- Staaten haben kaum das Gefühl das Äquidistanzprinzip sei eine rechtliche Pflicht
Nicaragua-Gutachten des IGH
- Völkergewohnheitsrecht: Staatenpraxis
- Gewaltverbot
SV
- USA unterstützen Contras (Rebellen) in Nicaragua
- Nicaragua klagt vor dem IGH und verlangt vorsorgliche Massnahmen
IGH
GEWOHNHEITSRECHT
- Die Rechtsüberzeugung von Staaten
- kann auch ihrem Verhalten in ZSH mit Resolutionen der UNO-GV entnommen werden
- auch die Zustimmung zu blossen Konferenzbeschlüssen kann Ausdruck staatlicher Rechtsüberzeugung sein
- “Friendly Relations Declaration” beschreibt Gewaltverbot und wird nun zur Auslegung beigezogen
- Staatenpraxis
- muss nicht absolut einheitlich sein
- entsprechendes Verhalten der Staaten zu der behaupteten Rechtsnorm genügt
- Völkervertragsrecht und Völkergewohnheitsrecht
- stehen selbständig und gleichberechtigt nebeneinander
- also kein genereller Vorrang der Vertragsnorm
- Beendigung einer vertraglichen Bindung berührt die Bindungswirkung der Gewohnheitsrechtsnorm grds. nicht
GEWALTVERBOT
- Interpretation anhand Friendly Relations Declaration
- Unterstützung (Bewaffnung + Ausbildung) von Rebellen → indirekte Gewalt → Verstoss gegen Gewaltverbot
- Zurechnung zum unterstützenden Staat erfordert
- “effektive Kontrolle” über den konkreten Verlauf der Operationen
- ergo Contras hätten wie ein Organ der USA sein müssen
Beispiele
- so etablierten sich Resolutionen des Sicherheitsrats über längere Zeit als „soft law“-Grundsätze
- im Nicaragua-Fall: “Friendly Relations Declaration” → beschreibt Gewaltverbot und wird nun zur Auslegung beigezogen
- z.B.: allgemeine Erklärung der Menschenrechte (1948)
- war bewusst unverbindlich, man konnte sich nicht einigen
- man hat sich oft darauf bezogen, sodass ein Teil der Erklärung zu Völkergewohnheitsrecht
Derogierendes Völkergewohnheitsrecht
= Aufhebung und Änderung von Gewohnheitsrecht
Voraussetzungen:
- Wegfallen einer Übung (desuetudo) oder der Rechtsüberzeugung
- Voraussetzungen müssen dauerhaft, einheitlich und verbreitet erfüllt sein
- Dauernde Verletzung einer Regel genügt nicht
Allgemeine Rechtsgrundsätze
IGH-Statut 38 I c.
- Begriff
- Funktion
Begriff
= “Grundlegende Prinzipien, die allen oder den meisten nationalen Rechtsordnungen gemeinsam sind”
Ursprung in den nationalen Rechtsordnungen
- «Allgemein»: weitgehende Gleichartigkeit in den nationalen Rechtsordnungen
- «Grundlegend»: nicht bloss technische Regeln
- «Kulturvölker»: alle souveränen Staaten
Funktion
- subsidiäre Rechtsquelle
- Lückenfüllung
- Auslegungshilfe
Beispiele für allgemeine Rechtsgrundsätze
IGH-Statut 38 I c.
- Treu und Glauben
- Estoppel (Verbot widersprüchlichen Verhaltens)
- Verbot des Rechtsmissbrauchs
- Acquiescence
- Verjährung
- res iudicata
- regional: GR in der damaligen EG
Einseitige Rechtsakte
- VSS
- Wirkung
- Auslegung
VSS
- Willensbekundung
- Vertretungsbefugtes Organ
- Bindungsabsicht
Wirkung
- Einseitige Verpflichtung des erklärenden Staates
- z.B.: Anerkennung, Verzicht, Versprechen
- rechtsgestaltende Wirkung
Auslegung
- primär: Wille der erklärenden Staates
- Verständnis des Addressaten ist zu berücksichtigen
Besondere Normtypen:
ius cogens
WVK 53 S. 2
- Zwingendes Völkerrecht
- betrifft Rang und Bestandsfestigkeit einer Norm
RF
- Unwirksamkeit ex tunc
- gilt sowohl für VR als auch nationales Recht
- ius cogens ist immer auch erga omnes (nicht umgekehrt)
Beispiele
- Gewaltverbot
- Sklavereiverbot
- Genozidverbot
- Non-Refoulement
Besondere Normtypen
erga omnes-Normen
- Rechtspflichten ggü. der gesamten Staatengemeinschaft
- betrifft Kreis der geschützten Personen und der zu Klage Repressalien Befugten
RF
- differenzierte Regelung der ILC-Artikel zur Staatenverantwortung von 2001 (höööö?)
Beispiele
- Genozidverbot
- Aggressionsverbot
- Selbstbestimmungsrecht der Völker
- Sklavereiverbot
- zentrale Menschenrechte
Diplomatische Missionen
WÜD
- Organisation
- Person der Diplomaten
- Missbrauch diplomatischer Vorrechte
Organisation
- Aufgaben (WÜD 3)
- WÜD 14 I:
- Missionschefs: Botschafter (Nuntien)
- Gesandte (Minister oder Internuntien)
- Geschäftsträger
- Unverletzlichkeit der Räumlichkeiten (WÜD 22 I/III)
Person der Diplomaten
- Unverletzlichkeit im Empfangsstaat (WÜD 29, 31)
- Persona non grata (WÜD 9 I)
Missbrauch diplomatischer Vorrechte
- ?
Teheraner Geisel-Fall des IGH (USA v. Iran)
SV
- stellt sich Frage der Verantwortlichkeit des Iran für die Besetzung der US-Botschaft und die Geiselnahmen
- Iran will sich rechtfertigen, indem er sich auf vorherige Rechtsverletzungen der USA beruft
IGH
- Recht der diplomatischen Beziehung als “self-contained regime”
- Grundprinzip der Immunität der Mission
- Iran kann sich nicht rechtfertigen mit vorheriger Rechtsverletzung durch USA
- Einhaltung bestimmter Verfahren (z.B. Erklärung zur persona non grata) stets erforderlich
- Iran verletzt durch sein Untätigbleiben indirekt und durch die Unterstützung der Geiselnahme direkt das WÜD. Ist damit Schadenersatzpflichtig
Konsulate
WÜK
Chefs und Aufgaben
Chefs konsularischer Posten
- Generalkonsuln, Konsuln, Vizekonsuln und Konsularagenten (WÜK 9)
- Immunität nur im Rahmen amtlicher Tätigkeit (WÜK 43 I)
Hauptaufgaben
- Schutz der Interessen des Entsendestaates und seiner Staatsangehörigen (WÜK 5 a.)
- z.B. Beistand für festgenommene Angehörige des Entsendestaates (WÜK 36 I b./c.)
Diplomatischer Schutz
= ”Schutz natürlicher oder juristischer Personen durch den Heimatstaat gegen deren völkerrechtswidrige Behandlung durch einen fremden Staat”
VSS
- Völkerrechtsverletzung
- Staatsangehörigkeit (“nationality rule”)
- Zeitpunkt
- genuine-link (Nottebohm-Fall)
- Staatsangehörigkeit juristischer Personen (Barcelona Traction)
- Sitz-/Gründungstheorie
- VR vertritt AG, Aktionäre haben keinen diplomatischen Schutz
- Ausschöpfung des nationalen Instanzenzuges (“local remedies rule”)
LaGrand-Fall
IGH, 27.06.2001
SV
- Feststellung der Verletzung von WÜK durch USA (WÜK 36 I a./b./c., II)
- DE wird nicht informiert über bevorstehende Todesstrafe für Brüder Lagrand
IGH
- WÜK 36 I b.
- beinhaltet ein individuelles Recht, das vom Entsendestaat geltend gemacht werden kann
- Nichtinformation der LaGrands über ihr Recht verhinderte den rechtzeitigen konsularischen Beistand im konkreten Fall
- Verbindlichkeit der einstweiligen Anordnung
- Auslegung von IGH-Statut 41 nach Wortlaut sowie Sinn und Zweck
- Anordnung ist verbindlich, wenn die Schaffung endgültiger, irreversibler Tatsachen vor dem Urteil des IGH verhindert werden muss
- Zuwarten DE verhindert nicht Rüge
- Hinrichtung stellt irreparablen und unmittelbar drohenden Schaden dar
Gewaltverbot
UN-Charta 2 IV
- Wesen
- Ausnahmen
- Verhältnis zu Statut des IStGH 8bis
UN-Charta 2 IV
- Kodifikation
- nicht so detailliert
- daher: Auslegungshilfen (soft law)
- z.B.: “Friendly Relations Declaration”
- Resolution zur Definition der Aggression
- Teil des Völkergewohnheitsrechts (h.M.: ius cogens)
- Gewaltmonopol des Sicherheitsrates
- Befugnisse nach Kapitel VII/VIII der UN-Charta
Ausnahmen
- Selbstverteidigungsrecht (UN-Charta 51)
- Zwangsmassnahmen (UN-Charta, Kapitel VII)
Verhältnis zu völkerstrafrechtlichem Verbot der Aggression (Statut des IStGH 8bis)
- individuelle Strafbarkeit
Gewaltverbot: VSS
Androhung oder Anwendung von Gewalt
- nur: Militärische Massnahmen (nicht: politischer/wirtschaftlicher Zwang)
- Problem: Mindestintensität erforderlich
- Androhung nur rw, wenn Ausübung der angedrohten Gewalt rw wäre (IGH, Nuklearwaffen-Gutachten)
Staatliche Zurechenbarkeit der Gewalt
- direkte vs. indirekte staatliche Gewaltausübung
- Fallgruppen für indirekte Gewaltausübung
- Gewaltanwendung durch nichtstaatliche Akteure
- de facto-Kontrolle durch einen Staat
- Organisierung/Anstiftung/Unterstützung durch einen Staat
- Unterlassen bzw. Dulden (sehr str.)
- Staatliche Unterstützung eines anderen Staates
- Gewaltanwendung durch nichtstaatliche Akteure
Grenüberschreitender Charakter der Gewalt
Selbstverteidigungsrecht
UN-Charta 51
- Völkergewohnheitsrecht
- vgl. Resolution der UN-GV zur Definition der Aggression
VSS
- Antwort auf einen bewaffneten Angriff (Aggression), der aktuell/unmittelbar bevorstehend und von einem Staat ausgelöst (oder zumindest geduldet)
- Notwendigkeit
- Vhm (ex ante-Beurteilung)
- Keine Massnahmen des UN-Sicherheitsrats (Subsidiarität)
Humanitäre Intervention
= ”Militärische Intervention in einem fremden Staat zum Schutz der Opfer besonders schwerer Verletzung von Menschenrechten”
- Opfer besitzen nicht die Staatsangehörigkeit des eingreifenden Staates
- Zulässig ohne Ermächtigung durch den UN-Sicherheitsrat?
- h.L.: unzulässig ohne Ermächtigung des Sicherheitsrates
- a.A.: zulässig als ultima ratio (vgl. Nato im Kosovo-Krieg)
Responsibility to Protect (“R2P”)
- Souveränität als Verantwortung eines Staates zum Schutz der Menschenrechte der eigenen Staatsangehörigen
- Unterstützung durch die Staatengemeinschaft?
- geht noch weiter als humanitäre Intervention …
- Sicherheitsrat ist oft blockiert - Können andere Staaten die betroffenen Staaten unterstützen bei Wahrnehmung ihrer Souveränität?
- Pflicht (str.), schwere Menschenrechtsverletzungen zu verhindern
- Völkermord
- Kriegsverbrechen
- Verbrechen gegen die Menschlichkeit
Interventionsverbot
UN-Charta 2 I, 7
= ”schützt Staaten vor Einmischung in wirtschaftliches/kulturelles/soziales/… System und schützt das Recht auf eigene Aussenpolitik”
- Völkergewohnheitsrecht
- auf tiefer Stufe als Gewaltverbot
- betrifft Einmischung, die nicht militärisch sind
- geht um Eingriffe unterhalb der Gewaltschwelle
VSS
- Einmischung in innere Angelegenheiten (domaine réservé)
- Zwang (auch politisch/ökonomisch)
Beispiele
- Anstreben von “regime change”
- Handelsembargos, die sehr stark Volkswirtschaft eines Landes beeinflussen
- Anerkennung von Rebellen als Staat ohne Erfüllung der Dreielementelehre
Recht auf (kollektive) Selbstverteidigung
im Kontext des Nicaragua-Gutachtens
USA unterstützt Contras (Rebellen) in Nicaragua
- finanziell, Ausbildung, Waffenlieferungen, gemeinsam Operationen üben
- USA macht auch eigene Operationen in Nicaragua (unter direkter Anordnung der Amis)
- diverse Handelsembargos
- Nicaragua macht eigene Operationen in El Salvador, Honduras, Costa Rica
USA macht Recht auf kollektive Selbstverteidung geltend
- Das Selbstverteidigungsrecht kann gar nicht greifen, denn kein “bewaffneter Angriff”
- Berufung der USA auf kollektive Sicherheit geht nicht, andere Staaten haben USA nicht um Hilfe gebeten
- Taten der USA waren unvhm
IGH, Armed Activities on the Territory of the Congo (DRC v. Uganda)
SV
- Präsident Kabila erlangt Macht durch Hilfe ugandischer und ruandischer Truppen
- erlaubt diesen Truppen, im Land zu bleiben und das Land zu sicher
- später war er nicht mehr damit einverstand, Ruanda kommt nach; Uganda erst 2003
- danach führt Uganda verschiedene Operationen durch und unterstützt MLC, das Kabila stürzen will
IGH
- ugandisches Militär verletzte und hat militärische Operationen in DRC ausgeführt
- es handelte sich um ugandische Soldaten → zurechenbar
- Einverständnis als RFG?
- Uganda behauptet 1999 bis 2003 wäre DRC einverstanden gewesen
- IGH: zwischen 1997-1999 war Kabila einverstanden
- IGH sagt informeller Rückzug des Einverständnisses an Konferenz geht in Ordnung, weil Begründung auch informell war
- Kabila sagte 1999: “Invasion muss beendet werden” → spätestens hier ist Rückzug vom Einverständnis klar
Völkerrechtliche Qualifikation von Cyberangriffen
Wirkung und Qualifikation
- meist handelt es sich um einen illegalen Zugriff auf Daten, um sie zu manipulieren
- netzinterne Wirkung → Nutzung dieses Netzwerks/Dienstes wird verunmöglicht
- netzexterne Wirkung → Effekt beschränkt sich nicht auf System
- z.B. Raketenabwehrsystem oder kritische Infrastruktur ausgeschaltet
- es ist unklar
- ob Gewalt → bei intensiven netzexternen Wirkungen womöglich gegeben
- oder Intervention
Friedenssicherung durch die UN
Systematik in der UN-Charta
Kapitel VI
- Friedliche Beilegung von Streitigkeiten
- Wunschfall
Kapitel VII
- Massnahmen bei Bedrohung oder Bruch des Friedens und bei Angriffshandlungen
- falls Wunschfall nicht eintritt
Kapitel VI-einhalb
- Friedenserhaltende Massnahmen (“peacekeeping”)
- selbst bei gelungener Bewältigung eines Konfliktes, braucht es weitere Massnahmen zur Stabilisierung der Situation
- ist nicht direkt in UN-Charta erwähnt
Zwangsmassnahmen des UN-Sicherheitsrats
Kapitel VII UN-Charta
VSS
VSS (UN-Charta 39)
- Bedrohung des Friedens (nicht zwingend grenzüberschreitender SV) oder
- Schwere Menschenrechtsverletzungen
- Terroranschläge
- Besitz von Massenvernichtungswaffen
- Bruch des Friedens oder
- Angriffshandlung (“aggression”)
- GV-Resolution zur Definition der Aggression
- IStGH-Statut 8bis
RF
- vorläufige Massnahmen (UN-Charta 40)
- nichtmilitärische Massnahmen (UN-Charta 41)
- Embargos
- “targeted sanctions” gegen Einzelpersonen
- Zwangsmassnahmen zur Friedenskonsolidierung
- z.B.: Errichtung der Ad-hoc-Tribunale für Jugoslawien und Ruanda
- internationale Territorialverwaltung (z.B. Kosovo)
- Überweisung an den IStGH (Römer Statut 13 b.)
- Militärische Massnahmen (UN-Charta 42)
- “all necessary means” aber auch vhm
- Sicherheitsrat autorisiert nationale Sicherheitskräfte, GS ist Chef
- Responsibility to Protect (“R2P”)
Ist Sicherheitsrat an Menschenrechte gebunden?
noch nicht gelöst
- UN als Institution geniesst Immunität
- bisher nur erfolgreich: Klagen vor nationalen Gerichten gegen nationale Truppen
Friedenserhaltende Massnahmen (“peacekeeping”)
- VSS
- Aufgaben
- Rechtsgrundlagen
VSS
- Empfehlung der GV / Beschluss des SR nach Kapital VI UN-Charta
- Zustimmung des Aufenthaltsstaates (Interventionsverbot) und der Konfliktsparteien
- Waffenstillstand
Aufgaben
- kein Kampfauftrag, neutral
- Verhinderung von Kampfhandlungen (“peacekeeping, 1. Generation)
- adminstrative/zivile Tätigkeiten (2. Generation)
- robuste, teilweise bewaffnete Mandate (“peace enforcement, 3. Generation)
- komplexe, multidimensionale Aufgaben (“peace building”, 4. Generation)
Rechtsgrundlagen
- keine ausdrückliche Grundlage in UN-Charta
- “implied powers”
- Resolution des SR mit Mandat
- subsidiär: GV
- Aufenthaltsvertrag (Statusabkommen)
- Kapitel VII UN-Charta
- sofern keine Zustimmung der Konfliktparteien
- “peacekeeping” der 3. Generation
Certain Expenses of the United Nations (Gutachten des IGH)
SV
- UN-GV autorisiert Ausgaben für Peacekeeping-Missionen in Suez und Congo
- einige Mitglieder verweigern entsprechende Beiträge
- Ausgaben seien nicht “Ausgaben der Organisation” i.S.v. UN-Charta 17 2.
- diese seien nur adminstrative/reguläre Ausgaben
- also “ultra vires”
- zudem: Beschluss der GV reicht nicht
IGH
- im nächsten Paragraph werden die “adminstrativen” Kosten erwähnt → argumentum e contrario
- also müssen alle Kosten getragen werden, sofern die Zwecke aus der UN-Charta verfolgt werden
- SR hat primäre aber nicht exklusive Zuständigkeit für die Erhaltung des Friedens
- UN-Charta 11 2. verlangt Zustimmung des Sicherheitsrates bei “action”
- i.c. mit Zustimmung der betroffenen Staaten → keine Zwangskomponente, sondern reines “peacekeeping”
- somit durfte GV entscheiden
Mechanismen der friedlichen Streitbeilegung
UN-Charta 1 I, 2 III, 33 ff.
→ Grds. der freien Wahl und Kombination der Mittel
diplomatisch-politisch
- Verhandlung
- Untersuchung
- Vermittlung
- Vergleich
- “gute Dienste”
rechtlich-gerichtsförmig
- Schiedsgerichtsbarkeit
- internationale Gerichtsbarkeit
- regionale Gerichte
Völkerrechtliche Gerichtsbarkeit
Charakteristika
- keine obligatorische Gerichtsbarkeit
- Zustimmung erforderlich
- generell vs. punktuell
- vorgängig vs. nachträglich
- keine allgemein zuständige Gerichtsbarkeit (kein “Weltgericht”
- Durchsetzungsproblematik (keine zentrale Vollstreckung)
- Problem: Parteistellung Privater in vr Gerichtsverfahren
- IGH: Private haben nichts verloren
- IStGH: nur für Private
Internationaler Gerichtshof (IGH)
Rechtsgrundlagen
Funktion
Verfahrensarten
Rechtsgrundlagen
- Kapitel XIV UNCh
- IGHSt
Funktion
- Hauptorgan der UNO (UNCh 7)
- alle UN-Mitglieder sind Mitglieder des IGH
Verfahrensarten
- Völkerrechtliche Streitigkeiten zwischen Staaten
- Private nur als “Betroffene”
- Gutachten (UNCh 96, IGHSt 65 ff.)
IGH: Zwischenstaatliche Streitigkeiten
Schema
Zuständigkeit, materielle Prüfung und Rechtswirkung
I. Zuständigkeit und Zulässigkeit
- Zuständigkeit (v.A.w.)
- Parteifähigkeit: nur Staaten (IGHSt 34)
- Zugang (IGHSt 35)
- Unterwerfung (IGHSt 36)
- Zulässigkeit (Prüfung nur auf Einrede hin)
- Klagegegenstand (IGHSt 36 I)
- Form (IGHSt 40 I)
- auch: Rechtsstreit, Rechtsschutzinteresse, keine Verjährung, keine res iudicata
II. Materielle Prüfung
- 1) Völkerrechtsverstoss
2) Kein Rechtfertigungsgrund - Sachurteil
III. Rechtswirkung
- UNCh 94: Verbindlichkeit für Parteien
- IGHSt 60: Formelle Rechtskraft und Auslegung
- IGHSt 61: Wiederaufnahme des Verfahrens
IV. Vorläufiger Rechtsschutz (IGHSt 41)
- prima facie-Zuständigkeit
- unmittelbar drohender und irreparabler Schaden
- Verbindlichkeit (vgl. LaGrand)
IGH: Gutachten
UNCh 96
IGHSt 65 ff.
- grds. nicht rechtsverbindlich
- Antragsberechtigte
- UN-GV oder UN-SR
- andere UN-Organe oder Sonderorganisationen mit Ermächtigung der GV
- hohe praktische Relevanz
no-harm-principle
= “Staatsgebiet darf nicht als Angriffsfläche dienen”
z.B.: keine kritische Infrastruktur an Grenze, die v.a. das Ausland belastet
VSS Völkerrechtliche Verantwortlichkeit
1. Deliktsfähigkeit
2. Verletzung einer vr Pflicht durch Tun/Unterlassen
- ILC 2 b.
- jegliches Handeln staatlicher Organe (ILC 4)
- auch de facto Staatsorgane (IGH, Genozidfall)
- auch ultra vires-Handeln (ILC 7)
- auch für Handeln von Gliedstaaten
- nicht: Organleihe (ILC 6)
3. Zurechenbarkeit der Pflichtverletzung
- ILC 4-11
- grds. keine Zurechnung des Verhaltens von Privatpersonen
- Ausnahme: parastaatliche Einrichtungen (ILC 5), Handeln auf Anweisung/unter Kontrolle von Staatsorganen im Einzelfall (ILC 8), GoA (ILC 9), Anerennung als Handeln des Staates (ILC 11), Staat kommt Schutzpflicht aus speziellen vr Normen nicht nach
4. kein Rechtfertigungsgrund
- ILC 20-27
- Einwilligung (ILC 20)
- Selbstverteidigung (ILC 21)
- Gegenmassnahmen (ILC 22)
- höhere Gewalt (ILC 23)
- persönlicher Notstand (ILC 24)
- (Staat-)Notstand (ILC 25)
Adolf-Eichmann-Fall
SV
- israelische Agenten verschleppen Ex-Nazi ohne Beauftragung nach Israel
- Israel dankt für Übergabe
Rechtliche Würdigung
- Israel macht mit Dank die Handlung der Agenten sich zu eigen
effective control vs. general control
- effective control = Kontrolle über die Verletzungshandlung (strenger Massstab)
- general control = generelle Kontrolle über das Tätigkeitsfeld der privaten Akteure
Völkerrechtliche Verantwortlichkeit:
Materielle Ansprüche des Verletzten & Prozessuale/Institutionelle Durchsetzungsmöglichkeiten
ILC 28
Materielle Ansprüche des Verletzten (ILC 28)
- Beendigung und Nichtwiederholung
- Wiedergutmachung/Entschädigung (“reparation”)
- Naturalersatz
- Schadenersatz (materieller Schaden)
- Genugtuung (immaterieller Schaden)
- Besondere RF bei Verletzung von ius cogens (ILC 40 f.)
Prozessuale/Institutionelle Durchsetzungsmöglichkeiten
- Unilaterale Sanktionen/Gegenmassnahmen
- Retorsion/Repressalie (ILC 22, 49 ff.)
- “self-contained regimes”
- Kollektive Sanktionen
- Anrufen einer Streitbeilegungsinstanz
Haftung internationaler Organisationen
- Haftbarkeit als Folge der Völkerrechtsfähigkeit
- Entwurf der ILC im Jahr 2011 (DARIO 2011)
VSS
- Verletzung einer vr Pflicht der Organisation
- Zurechnung zur Organisation
“International Bill of Human Rights”
Bestandteile
- Allgemeine Erklärung der Menschenrecht der UN-GV (soft law)
- UNO-Pakt I
- UNO-Pakt II
- und 2. ZP zu UNO-Pakt II
ius ad bellum vs. ius in bello
- ius ad bellum = Wann ist Einsatz militärischer Gewalt zulässig?
-
ius in bello = Welche Regeln gelten für die Art und Weise der Kriegsführung, resp. Austragung bewaffneter Konflikte?
- Fokus auf Opfern
- Schaden an Zivilbevölkerung/-infrastruktur möglich gering halten
Rechtsquellen des humanitären Völkerrechts
Haager Abkommen betr. Gesetze/Gebräuche des Landkrieges (Haager Landkriegsordnung)
Genfer Konvention
- Schutz der Verwundeten und Kranken im Feld
- Schutz der Verwundeten und Kranken auf See
- Schutz der Kriegsgefangenen
- Schutz der Zivilpersonen
- ZP I: Präzisierungen zum Schutz der Opfer internationaler Konflikte
- ZP II: Schutz der Opfer nicht-internationaler bewaffneter Konflikte
Grundprinzipien des humanitären Völkerrechts
- Verbot des unterschiedlosen Angriffs
- Militärische Notwendigkeit (vhm)
- Vermeidung unnötiger Leiden
- unnötig für Erreichung militärischer Ziele
- Schutz der Zivilbevölkerung und aller Personen hors de combat
- VhmP
- Repressalienverbot
- nicht mit VR-Verletzung auf VR-Verletzung reagieren
Neutralität
Rechtsquellen
Grundgedanke
Inhalt
Abgrenzung
Rechtsquellen
- Haager Abkommen betr. Rechte und Pflichte neutraler Mächte im Falle eines Landkrieges (V.) und im Seekrieg (XIII)
Grundgedanke
- Keine Seite unterstützen
- Beide Seiten gleich behandeln
Inhalt
- Keine Teilnahme an Kriegen
- Pflicht neutraler Staaten, Selbtverteidigung sicherzustellen
- Verbot der Nutzung des Staatsgebietes neutraler Staaten
- keine militärische Unterstützung durch neutrale Staaten
- Gleichbehandlung aller Kriegsparteien beim Export von Rüstungsgütern
Abgrenzung
- Neutralitätsrecht (rechtlich) vs. Neutralitätspolitik (politisch)
Die völkerstrafrechtlichen Kernverbrechen (sog. “core crimes”)
- Genozid (IStGHSt 6)
- systematisches und bewusstes Vorgehen zur Ausrottung einer Volksgruppe
- Verbrechen gegen die Menschlichkeit (IStGHSt 7)
- systematisches Vorgehen gegen Zivilbevölkerung
- hier geht es um Individuen ≠ Volksgruppe
- Kriegsverbrechen (IStGHSt 8)
- hier geht es um internationales humanitäres Völkerrecht
- Aggressionsverbrechen (IStGHSt 8bis)
- hier geht es um Führungsverbrechen
Zuständigkeit des IStGH
- Persönliche Zuständigkeit (IStGHSt 25-27)
- Sachliche Zuständigkeit (IStGHSt 5-8)
- Örtliche Zuständigkeit (IStGHSt 12)
- Zeitliche Zuständigkeit (IStGHSt 11, “Anknüpfungspunkt”)
- Auslöser für Tätigwerden (IStGHSt 13, “trigger mechanisms”)
- Komplementarität (IStGHSt 17, IStGH kommt nur zum Zug bei Untätigbleiben innerstaatlicher Gerichte)
- Institutionelles
Selbstbestimmungsrecht der Völker
UNCh 1 II, 55
Friendly Relations Declaration von 1970
UNO-Pakt I 1 I
UNO-Pakt II
Völkergewohnheitsrecht
- Träger
- Gemeinsame Merkmale (objektiv)
- Selbstverständnis (subjektiv)
- Bezug zu Territorium
- Dimensionen
- interne Dimension (Rechte innerhalb eines Staates)
- externe Dimension (Recht auf eigenen Staat? JA bei Kolonialvölkern bzw. Völker unter schwerer Unterdrückung)
Angriffshandlung vs. Bewaffneter Angriff
Angriffshandlung
- “aggression”
- UNSR kann militärische/friedliche Zwangsmassnahmen anordnen (UNCh 39)
- erfasst auch weitere TB, welche kein bewaffneter Angriff sind
Bewaffneter Angriff
- “armed attack”
- löst Selbstverteidigungsrecht aus (UNCh 51)
- ist auch Angriffshandlung