Völkerrecht Flashcards
Völkerrecht
DEF + typische Abgrenzungen
= “Gesamtheit der rechtlichen Regelungen über die (hoheitlichen) Beziehungen zwischen Staaten, internationalen Organisationen und anderen Völkerrechtssubjekten untereinander einschliesslich der für die Völkergemeinschaft (oder Teile hiervon) relevanten Rechte oder Pflichten einzelner.”
- Völkergewohnheitsrecht ↔ Völkervertragsrecht
- Allgemeines, universelles Völkerrecht ↔ Partikuläres Völkerrecht
- Friedensvölkerrecht ↔ Kriegsvölkerrecht
Besonderheiten des Völkerrechts
Rechtsetzung
- kein zentrales Rechtsetzungsorgan
- Horizontale Struktur des Völkerrechts
- souveräne Gleichheit der Staaten
- Prinzip der Einstimmigkeit und Selbstbindung
- Bedeutung allgemeiner Prinzipien
Besonderheiten des Völkerrechts
Rechtsdurchsetzung
- grds. keine zentrale Durchsetzungsgewalt
- national: Vollzug des VR durch staatliche RO
- international: grds. Zulässigkeit der Selbsthilfe im Rahmen der UNO-Charta
-
keine umfassende obligatorische Gerichtsbarkeit (IGH-Statut 36)
- nicht umfassend obligatorisch
- jedes UNO-Mitglied untersteht IGH (UNO-Charta 93), muss aber Entscheid nicht akzeptieren
Historische Entwicklung des Völkerrechts
-> siehe Foliensatz 2
-> keine Karteikarten erstellt
soft law
- Definition
- Beispiele
- Zweck
soft law = formell unverbindliches Recht; nicht bindend aber hat Auswirkungen
- formell rechtlich unverbindlich
- trotz formeller Unverbindlichkeit gewisse rechtliche Wirkung
Beispiele
- nicht verbindliche Beschlüsse/Deklarationen von int. Organisationen
- nicht verbindliche Abmachungen
Zweck
- politisches Signal
- Sichtbarkeit des Völkergewohnheitsrecht
- Auslegungshilfe
Völkerrechtssubjekt
= Völkerrechtssubjekte sind Träger von völkerrechtlichen Rechten und Pflichten
- Meist können Völkerrechtssubjekte eigene Rechte auf völkerrechtlicher Ebene geltend machen
ICJ, Reparation for Injuries Suffered in the Service of the United Nations, ICJ Reports 1949, p. 179
Bernadotte-Gutachten
Ist UNO Völkerrechtsubjekt?
- vor 1. WK: nur Staaten
- heute: Ausweitung mit Entstehung internationaler Organisationen
- SV: UNO-Entsandter stirbt, weil betreffender Staat nicht hinreichend schützt
- Ausweitung mit Entstehung internationaler Organisationen:
- UNO-GV kann an IGH gelangen
- das entspricht einem Aktivwerden
- daher ist UNO ein Akteur
- Staaten haben zugestimmt, UNO soviele Aufgaben zu geben
- UNO ist nur VR-Subjekt, sofern die Staaten ihr in diesem Bereich eine Aufgabe gaben
advisory opinion des IGH
IGH-Statut 65 ff.
UNO-Charta 92 ff.
- ein Bericht; kein Entscheid
- stellt ein unverbindliches Gutachten dar
→ erlaubt: Beurteilung der Grds.-Frage durch Gericht
Umfang der Völkerrechtssubjektivität
WHO möchte vom IGH wissen, ob Nuklearwaffeneinsatz eine VR-Verletzung ist aufgrund der Gesundheitsschäden
- es braucht Kompetenznorm in den Verträgen
- Achtung: Prinzip der Spezialität
- als Staaten WHO gründeten, dachten sie nicht an Nuklearwaffeneinsätze
- es gibt auch: implied powers
- vorausgesetzt für die anerkannte Kompetenz
Wirkung der Völkerrechtsfähigkeit
allgemein => absolut
partikulär => relativ
Verhältnis vr RF und HF
- HF: Fähigkeit, Rechte und Pflichten wahrzunehmen
- Verlust der HF bedeutet kein Verlust der RF
- z.B.: FR während 2. WK
Völkerrechtssubjekte
Staaten vs. andere Völkerrechtssubjekte
URSPRUNG
UMFANG
WIRKUNG
** originär vs. derivativ (braucht immer einen Akt)
** unbeschränkt vs. beschränkt
** allgemein (absolut) vs. partikulär (relativ)
Drei-Elemente-Lehre
- Staatsvolk
- Staatsgebiet
- Staatsgewalt
Konvention von Montevideo über Rechte und Pflichten von Staaten:
- von 18 Staaten, aber Völkergewohnheitsrecht
4. capacity to enter into relations with other states
Staatsvolk
= “auf Dauer angelegter Personenverband, der durch gemeinsame Herrschafts- und Rechtsordnung
verbunden ist”
- Volk i.S. der Staatsangehörigen (Personalhoheit)
- Volk i.S. der Bevölkerung eines Gebietes (Territorialhoheit)
- religiöse/ethnische/kulturelle Homogenität nicht erforderlich (Minderheitenschutz)
- diplomatischer Schutz des Staates für Staatsangehörige (“genuine link”-Erfordernis)
“genuine link”-Erfordernis
Nottebohm, FL vs. Guatemala
- Wie Staaten ihr Bürgerrecht vergeben ist eine rein nationale Frage
- ABER: VR verlangt nicht nur Pass (formelle Zugehörigkeit), sondern einen “genuine link” (also echte Beziehung zum Staat
wenn “genuine link” fehlt … dann kein diplomatischer Schutz möglich
Staatsgebiet
- Definition
- Beurteilungsgrundsätze
- Gebieterwerbsarten
= “Erdoberfläche, darüber liegende Luftsäule, darunter liegendes Erdreich sowie Küstenstreifen bis zwölf Seemeilen”
- Beurteilungszeitpunkt: Völkerrecht zum Erwerbszeitpunkt
- Effektivitätsprinzip und Grds. des unbestrittenen Besitzstandes (uti possidetis)
Gebietserwerbsarten
- Annexion (UNO-Charta 2 IV)
- Okkupation (vorher: terra nullius)
- Zession (vertragliche Abtretung)
- Ersitzung:
1) effektive
2) friedliche
3) dauernde
4) unangefochtene Herrschaft - Sezession (einseitige Ablösung, umstritten)
- Adjudikation (Zuweisung durch internationales Gericht)
Effektivitätsprinzip und Grds. des unbestrittenen Besitzstandes (uti possidets)
Burkina Faso vs. Mali
- Völkergewohnheitsrecht
- effektiver Besitz ist Basis der Souveränität => soll Respekt für bestehende Grenzen schaffen
-
Effektivitätsprinzip
- massgebend für Beurteilung der Staatenqualität sind einzig die tatsächlichen Umstände
- erfolgt vorzeitige Anerkennung eines Staates, also bevor sämtliche VSS der Staatlichkeit vorliegen, dann vr-widrig und keine Rechtswirkung
Acquiescence-Grundsatz
Kambodscha vs. Thailand - Preah Vihear Tempel
Acquiescence-Grundsatz = qualifiziertes Schweigen
- Staaten können nicht Protesmöglichkeiten ungenutzt verstreichen lassen und im Nachhinein plötzlich protestieren
Staatsgewalt
- Bestandteile
- Innen vs. Aussen
- Legitimätserfordernis?
-
BESTANDTEILE
- Gebietshoheit
- Personalhoheit
-
INNEN/AUSSEN
- Innen: Ordnungsaufgaben
- Aussen: HF als VR-Subjekt
-
EFFEKTIVITÄT
- Wirksamkeit der Staatsgewalt entscheidend, nicht Legimität
- Verfassungsblindheit des VR
Las Palmas-Fall
Spanien vs. Niederlande
- beide Seiten haben gute historische Argumente
- bei Gewichtung spielt effektive (& friedliche) Ausübung der Souveränität grosse Rolle
Staatsgewalt vs. Souveränität
Souveränität = Fähigkeit zur Durchsetzung der Staatsgewalt
- Souveränität ist Komponente der Staatsgewalt
Entstehung & Untergang von Staaten
-
ENTSTEHUNG
- Neugründung
- Loslösung vom Mutterland
- mit Zustimmung: Separation
- ohne Zustimmung: Sezession
- Zusammenschluss mehrerer Staaten (Fusion)
- Aufteilung eines bestehenden Staates (Dismembration)
- Dekolonisation als Anwendungsfall des Selbstbestimmungsrechts der Völker
-
UNTERGANG
- dauerhafter Wegfall eines der drei Elemente
Anerkennung von Staaten
- Anerkennung ist vr gesehen rein deklaratorisch
KRITERIEN
- Staaten gemäss Drei-Elemente-Lehre
- Regierung muss sich durchgesetzt haben
- weitere:
- Volk unterstützt Regierung
- Bereitschaft vr Verpflichtungen einzuhalten
RF
- v.a. praktisch relevant: Staatsbürgerschaft, Pass, dipl. Beziehungen, Immunität
Fortexistenz, Nachfolge & Untergang eines Staates
Bezogen auf Verträge
-
IDENTITÄT
- „Kontinuitätsgrundsatz“
- Staat besteht trotz Wandlungen als gleiches VR-Subjekt weiter
- Verträge gelten weiterhin
-
NACHFOLGE:
- Territorium geht auf neues VR-Subjekt über
- bei Fortbestand des Vorgängerstaates (Gebietsteil)
- bei Untergang des Vorgängerstaates
- Grds.: “clean slate”-Prinzip (Wiener Konvention über die Staatennachfolge 16/17)
-
UNTERGANG
- eines Staates erst mit Annektierung
- Verträge von Österreich wurden nach NS-Zeit - soweit sinnvoll - wiederbelebt
Chagos-Inseln
Mauritius vs. UK
IGH, Legal Consequences of the Separation of the Chagos Archipelago from Mauritius in 1965, Advisory Opinion, I.C.J. 25 February 2019, General List No. 169.
-
SV
- 1965: Entfernung des Chagos-Archipels aus Gebiet der Kolonie Mauritius (heute British Indian Ocean Territory)
- 1968: Mauritius erlangt Unabhängigkeit
-
IGH:
- es gilt: Selbstbestimmungsrecht ehemaliger Kolonien
- falls damals Kolonialbehörde unfrei entscheid => vr-widriger Vertrag
- Dekolonialisierung der ehem. Kolonie Mauritius wurde nicht vollständig abgeschlossen
- Grossbritannien müsste Staatsgewalt über Chagos-Archipel an Mauritius zurückgeben
Staatenverbindungen
Staatenbund vs. Bundesstaat
= “Dauerhafte Verbindung von zwei oder mehr Staaten mit zumeist gewisser organisatorischer Verfestigung “
STAATENBUND
- Bund als eigenes VR-Subjekt
- Mitgliedstaaten behalten VR-Subjektivität
BUNDESSTAAT
- originäre, unbeschränkte VR-Subjektivität beim Bund
- Gliedstaaten sind nur partielle VR-Subjekte
Staatliche Organe des völkerrechtlichen Verkehrs
Denmark v. Norway
Legal Status of Eastern Greenland
-
STAATSOBERHAUPT
- repräsentiert den Staat
- Ratifikation von Staatsverträgen
- CH: Gesamtbundesrat
-
REGIERUNGSCHEF & AUSSENMINISTER
- Befugnis zur Vertretung von Staaten (WVK 7 II a.)
- vgl. Legal Status of Eastern Greenland
- wenn Aussenminister verkündet, darf sich Rest der Welt darauf verlassen
- dem VR ist
- egal wie staatsintern Zuständigkeiten verteilt sind
- solange fehlende Befugnis nicht von Weitem erkennbar
Jurisdiktion
= “Zuständigkeit über Territorium, dessen Bevölkerung und das Recht, das Gebiet zu schützen; in Vereinbarung mit anderen Staaten auch Rechte welche über das eigene Territorium/die eigene Bevölkerung hinausgehen”
- Ausdruck staatlicher Souveränität
- Souveränität anderer Staaten ist die Grenze
Immunität
- Definition
- Grundgedanke
- Arten
Allgemein
- “Beschränkung der Unterwerfung unter Hoheitsgewalt eines anderen Staates, Schutz staatl. Souveränität “
- Grundgedanke: „par in parem non habet imperium“ (Gleiche haben über Gleiche keine Macht)
- Arten:
- Immunität des Staates
- Immunität des Staatsoberhaupts
- Immunität der Diplomaten und der Organe
Staatenimmunität
= “Schutz der staatlichen Souveränität bzw. der souveränen Gleichheit”
- Staat und dessen Amtsträger dürfen nicht vor Gerichten oder Justizbehörden anderer Staaten verklagt werden
- Verzicht ist möglich
- in zeitlicher Hinsicht:
- früher: absolute Staatenimmunität
- heute: relative Staatenimmunität:
- Immunität gilt nur für acta iure imperii (Hoheitsakte), nicht für acta iure gestionis (privatrechtliches Handeln)
Immunität von Staatsoberhäupten
- Während der Amtszeit: Immunität für Amtshandlungen und private Handlungen
- Nach der Amtszeit: Immunität nur bezüglich früherer Amtshandlungen
- NB: Keine Immunität für Straftatbestände des Römer Statuts (Art. 27)
- Völkermord
- Verbrechen gegen die Menschlichkeit
- Kriegsverbrechen
- Verbrechen der Aggression
Internationale Organisationen
Begriffsmerkmale, Unterschiedliche Formen, Subjektivität & Verhältnis zu MS, Vertragsschlussfähigkeit und Haftung
-
Begriffsmerkmale
- Völkerrechtlicher Vertrag als Rechtsgrundlage
- Auf Dauer angelegte Verbindung
- Wahrnehmung eigener Aufgaben
- Mitglieder sind Staaten
- Eigene Organe, die für die Organisation handeln
- Rechtspersönlichkeit
- Universelle und regionale Organisationen
- Unterschiedlicher Organisationszweck (z.B. NATO, WTO, ILO)
- Supranationale Organisationen (Durchgriffswirkung)
-
Völkerrechtssubjektivität
- Gekorene Völkerrechtssubjekte
- Explizite oder implizite Regelung im Gründungsvertrag
- Partikuläre oder objektive Völkerrechtssubjektivität
- Partielle Völkerrechtssubjektivität (sachlich beschränkt)
-
Verhältnis zu Mitgliedsstaaten
- Kompetenzen → Grds. der begrenzten Einzelermächtigung
-
Vorrechte und Immunitäten
- der Internationalen Organisationen
- der Vertreter der Mitgliedstaaten (Art. 105 Abs. 2 UN-Charta)
- der Bediensteten der Internationalen Organisation (Art. 105 Abs. 2 UN-Charta)
- Vertragsschlussfähigkeit
-
Haftung, soweit Rechtspersönlichkeit
→ «Haftungsdurchgriff» auf Mitgliedstaaten?
Hauptorgane der UNO
UNO-Charta 7
Hauptorgane, Menschenrechtsrat und Sonderorganisationen
-
Hauptorgane der UN (Art. 7 UN-Charta)
- Generalversammlung (Art. 9 ff. UN-Charta)
- Sicherheitsrat (Art. 23 ff. UN-Charta)
- Wirtschafts- und Sozialrat (Art. 61 ff. UN-Charta)
- Treuhandrat (Art. 75 ff. UN-Charta, Tätigkeit 1994 eingestellt)
- Internationaler Gerichtshof (Art. 92 ff. UN-Charta)
- Sekretariat (Art. 97 ff. UN-Charta)
-
warum Menschenrechtsrat nicht?
- man hätte Charta revidieren müssen, scheiterte im Sicherheitsrat
- daher: der GV angehängt
-
Sonderorganisationen
- Art. 57 UN-Charta; autonome Organisationen
- U.a. Weltbankgruppe, IWF, IAO, FAO, UNESCO, WHO
Weitere VR-Subjekte
- IKRK
- NGOs
- Individuen
IKRK
- Verein nach ZGB 60 ff.
- Genfer Abkommen verleiht Völkerrechtssubjektivität
NGO
- brauchen Anerkennungsakt
Individuen
- eher vr Rechte als Pflichten
ius ad bellum vs. ius in bellum
ius ad bellum = VR, das zur Anwendung kommt zur Kriegsauslösung
ius in bellum = “Recht im Krieg (egal, wie und warum ein Konflikt entstanden; Opfer im Vordergrund)”
Anwendbares Recht vor dem IGH
IGH-Statut 38 I
- vr Verträge
- Völkergewohnheitsrecht
- allgemeine Rechtsgrundsätze
- Entscheide von Gerichten und Lehrmeinungen
- Entscheide und Lehrmeinungen sind Rechtfindungsquellen
- gelten eig nur zwischen den Parteien
- Liste nicht abschliessend (str.)
- Hierarchie? ius cogens geht vor
Völkerrechtliche Verträge
Definition
= “Verbindliche Vereinbarungen zur Begründung von Rechten und Pflichten zwischen Völkerrechtssubjekten auf dem Gebiet des Völkerrechts”
Vereinbarung => Konsens
Abschluss von völkerrechtlichen Verträgen
Ablauf des mehrphasigen Verfahrens
- Verhandlung
- WVK 7
- BV 184 II
- Paraphierung
- WVK 9: vorläufige Feststellung des Vertragstextes
- Unterzeichnung
- WVK 7 I
- WVK 18 a.: Frustrationsverbot = Staat darf kein dem vr Vertrag widersprechendes Verhalten an den Tag legen
- (Genehmigung)
- BV 166 II
- (Evtl. Referendum)
- BV 141 I d., 140 I b.
- Ratifikation
- WVK 14 I, 16 II b.
- BV 184 II
- Inkraftterten
- WVK 24
- Publikation
- WVK 80