StGB BT Flashcards

0
Q

Anforderungen an den spezifischen Gefahrzusammenhang bei § 227

A
  1. „Letalitätslehre“: Anknüpfung an Körperverletzungserfolg (Roxin AT I § 10 Rn. 115) Erforderlich ist, dass gerade der Körperverletzungserfolg zum Tod des Opfers führt, Bsp.: Verbluten nach Messerstich. Eine Untermeinung lässt dabei ausreichen, dass die Todesfol-ge bereits durch unmittelbare Folgen der Körperverletzung eintritt,

Bsp.: Tod durch messerstichbedingte Blutvergiftung.

dafür: • Hoher Strafrahmen gebietet restriktive Auslegung der Norm
• Wortlaut „durch die Körperverletzung“

  1. Anknüpfung an Körperverletzungshandlung (h.M., BGHSt 14, 110; Rengier BT II § 16 Rn. 11) Es reicht für § 227 StGB aus, wenn die Todesfolge durch die Körperverletzungshandlung herbeigeführt wird. Auf den Körperverletzungserfolg allein kommt es dabei nicht an.

dafür: • Wortlaut: Herbeiführung des Todes durch „die Körperverletzung“, der im allgemeinen Sprachgebrauch wie (systematischer Vergleich) im Sprachgebrauch des Gesetzes in § 223 I Alt. 1 und § 224 I Nr. 5 die Handlung bezeichnet
• Die Handlung selbst kann genauso (lebens-)gefährlich sein
• Der Klammerzusatz bezieht die §§ 223 II, 224 II, 225 II und daher auch das Versuchsstadium mit ein, in dem es aber außer in Fällen des Zurechnungsausschlusses noch keinen Verletzungserfolg gibt.
• Auch Variante des „Quälens“ in § 225 in Bezug genommen, bei der es ebenfalls keinen Körperverletzungserfolg gibt.

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1
Q

Gift, § 224 I Nr. 1

A

Jeder anorganische oder organische Stoff, der unter bestimmten Bedingungen durch chemische oder chemisch-physikalische Wirkung nach seiner Art und der vom Täter eingesetzten Menge im konkre-ten Fall geeignet ist, die Gesundheit erheblich zu beschädigen.

Problem: § 224 I Nr. 1 bei alltäglichen Stoffen? Die Anwendbarkeit des § 224 I Nr. 1 ließe sich insoweit mit dem Argument verneinen, dass der Wortlaut einen gesundheitsschädlichen Stoff voraussetze, was bei alltäglichen Stoffen regelmäßig gerade nicht gegeben sei. Hiergegen spricht jedoch, dass auch in den anderen Fällen des § 224, v.a. bei Nr. 2, auf die konkrete Art der Verwendung abgestellt wird, was auch besondere Dispositionen des Opfers umfasst. Dies ist auch vom Wortlaut her noch möglich und ent-spricht dem Zweck der Vorschrift, besonders gefährliche Begehungsweisen, die mit einem höheren Risi-ko für das Opfer einhergehen, schärfer zu bestrafen. Schließlich zeigt auch die alte Weisheit „die Dosis macht das Gift“, dass letztlich jeder Stoff in hinreichender Menge die Gefahren verursachen kann, vor denen § 224 I Nr. 1 schützen soll

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2
Q

Prüfungsschema § 323c

A

I. Tatbestand

  1. Objektiver Tatbestand

a) Unglücksfall/gemeine Gefahr/gemeine Not
- Unglücksfall: Für zu schützenden Rechtsgutsträger (str.) plötzliches Ereignis, das erhebliche Gefahren für Menschen oder – zumindest nach h.M. – bedeutende Sachwerte verursacht und weiteren Schaden zu verursachen droht. Verknüpfung: Umstritten bei Suizidversuch, die h.M. bejaht dann einen Unglücksfall
- Gemeine Gefahr: Es muss konkret ein erheblicher Personen- oder Sachschaden für unbestimmt/unbestimmbar viele Personen drohen.
(Bsp.: Überschwemmung, Erdbeben)
- Gemeine Not: Notlage für die Allgemeinheit; Überschneidung mit gemeiner Gefahr (Bsp.: Ausfall der Trinkwasserversorgung)

• Umstritten ist, ob das Vorliegen der Tatsituation ex ante aus Sicht des Unterlassenden oder ex post aus objektiver Sicht zu beurteilen ist. Um das Fehlen einer Versuchsstrafbarkeit nicht zu umgehen, kann jedenfalls nicht die rein subjektive Sicht des Unterlassenden entscheidend sein; auch die Rspr. stellt deshalb wohl i.d.R. auf eine objektivier-te ex-ante-Sicht („nachträgliche Prognose“) ab

b) Unterlassen einer möglichen, erforderlichen und zumutbaren Rettungshandlung
• Erforderlichkeit: Es muss die aus ex-ante-Sicht eines verständigen Beobachters wirk-samste Hilfe geleistet werden; Bsp. (-), wenn schon anderer wirksam hilft

  • Beachte: Es gibt keine örtliche Beschränkung der allgemeinen Hilfspflicht auf Personen in Nähe des Unglücksortes
  • Zumutbarkeit: normatives Tatbestandsmerkmal (bei unechten Unterlassungsdelikten nur Schuldmerkmal!); verlangt Abwägung der individuell widerstreitenden Interessen, insbes. der Gefahren für den Retter und einer etwaigen Verletzung anderweitiger Rechtspflichten. Problem: Zumutbarkeit bei drohender Strafverfolgung für „Helfer“?

o (+), Tat des Helfers im Zusammenhang mit Unfall steht, arg. § 35 I 2

o (-), wenn Strafverfolgung wegen Tat droht, die nicht mit Unfall zusammenhängt, arg. Selbstbelastungsfreiheit, aber Abwägung im Einzelfall erforderlich!

o (-), wenn Strafverfolgung für Angehörigen droht, arg. §§ 52, 55 I Alt. 2 StPO (str., aA (+), da Gedanke des § 258 VI nicht erweitert werden darf)

  1. Subjektiver Tatbestand: Vorsatz

II. Rechtswidrigkeit

III. Schuld

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3
Q

Aussetzung § 221 Prüfungsschema

A

I. Tatbestand

  1. Objektiver Tatbestand
    a) Tathandlung
    aa) § 221 I Nr. 1: Versetzen in eine hilflose Lage

(1) Bestehen einer hilflosen Lage für eine andere Person
hilflose Lage: Situation, in der sich das Opfer nicht selbst (oder durch hilfsbereite Dritte, str.,) vor der abstrakten Gefahr des Todes / einer schweren Gesundheitsschädigung zu schützen vermag

(2) Versetzen, d.h. kausale und zurechenbare Herbeiführung dieser Lage
bb) § 221 I Nr. 2 StGB: Imstichlassen in hilfloser Lage
(1) Bestehen einer hilflosen Lage für eine andere Person
(2) Bestehen einer Obhuts- / Beistandspflicht = Garantenpflicht

(3) Tathandlung: im Stich lassen
Imstichlassen (I Nr. 2): Beistandspflichtiger entzieht sich der Beistandshandlung, obwohl er zu dieser in der Lage und sie ihm zumutbar wäre (also nicht zwingend räumliche Trennung erforderlich)

b) Dadurch (Kausalität, obj. Zurechnung): konkrete Gefahr des Todes oder einer schweren Gesund-heitsschädigung
2. Subjektiver Tatbestand: dolus eventualis

II. Rechtswidrigkeit

III. Schuld

IV. Strafzumessungsregel für minder schwere Fälle nach § 221 IV StGB

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4
Q

Erfordert das Versetzen eine räumliche Veränderung des Opfers?

A
  1. hM; BGH: „Versetzen“ ist die Verursachung einer hilflosen Lage auf beliebige Art und Weise. Es ist keine räumliche Veränderung des Opfers erforderlich, möglich ist auch Veränderung des Zustands des Opfers (z.B. Bewusstlosigkeit, Fesseln, Betäuben).

dafür: • Reformgesetzgeber des 6. StrRG 1998 hat bewusst in Kenntnis der Diskussion den früheren Wortlaut („aussetzt“) verändert, um Tatbestand weiter zu machen.
• „versetzen“ verlangt dem Wortlaut nach bloß einen Wirkungszusammenhangs.
• § 221 I StGB will die körperliche Unversehrtheit schützen, so dass unerheblich ist, wie diese herbeigeführt wird.

  1. MM: „Versetzen“ im Sinne des § 221 I Nr.1 StGB erfordert eine räumliche Veränderung.

dafür: • früherer Wortlaut („aussetzen“) findet sich weiterhin in der amtlichen Überschrift, so dass eine inhaltliche Änderung nicht beabsichtigt war

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5
Q

Der Zusammenhang von Tathandlung und konkreter Gefahr

A
  • konkrete Gefahr = es hängt nur vom Zufall ab, ob Schaden (also Tod oder schwere Gesundheitsschädigung) eintritt oder nicht („gerade nochmal gut gegangen“)
  • „dadurch“ = Kausalität zwischen hilfloser Lage und konkreter Gefahr (Zweiaktigkeit, d.h. Tathandlung und Gefährdung werden nach Wortlaut strikt voneinander getrennt)
  • hilflose Lage und konkrete Gefahr dürfen nicht zusammenfallen, die hilflose Lage muss also eine selbständige Bedeutung erlangen („stabile Zwischenlage“), weil die hilf-lose Lage sonst keine eigene Bedeutung mehr hätte.

Bsp.: § 221 I Nr. 1 (-), wenn T dem O so auf den Kopf schlägt, dass es zum Schädelbruch mit konkreter Lebensgefahr kommt, weil sich diese dann nicht aus der hilflosen Lage entwickelt

Bsp.: § 221 I Nr. 1 (+), wenn O verletzt liegen bleibt und stark blutet und nun sich wegen des Blutens kontinuierlich die Todesgefahr „verschärft“ – hier greift auch der Schutzzweck, nämlich dass je-mand einer Gefahr hilflos ausgesetzt wird

• Str. ist, inwieweit dies auch für Nr. 2 gilt. Dagegen lässt sich anführen, dass die Hilflo-sigkeit bei Nr. 2 schon gegeben ist und nicht erst durch den Täter herbeigeführt wird. Es besteht also kein Bedürfnis danach, zusätzlich zu prüfen, ob sie nach dem Imstich-lassen eine weitere selbstständige Bedeutung erlangt (sich stabilisiert) hat. Sinnvoll ist diese Einschränkung aber auch bei der Nr. 2, wenn man sie so versteht, dass das Im-stichlassen zu einer spürbaren Verschärfung der hilflosen Lage führen muss – es darf also im Moment des Imstichlassens die konkrete Gefahr noch nicht bestehen.

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6
Q

Grad der körperlichen Auswirkung (§ 223)

A
  1. h.M.: Erforderlich, ist irgendeine körperliche Auswirkung; dabei wird z.T. auf die bloße „Reizung der die sinnlichen Eindrücke vermittelnden Empfindungsnerven des Zentralnervensystems“ abgestellt, vgl. z.B. LK-Lilie § 223 Rn. 8. Rein seelische Beeinträchtigungen finden allen-falls iRd § 225 StGB Beachtung („quälen“).
  2. Einschränkung: Sofern durch rein psychische oder seelische Belästigungen tatsächlich körperliche Verän-derungen hervorgerufen werden (z.B. Depressionen mit Schlafstörungen), muss wegen des weiten Begriffs der körperlichen Auswirkung wie immer über die Erheblichkeitsklausel ein Ausgleich geschaffen werden. Hier kommt es auf einen objektiven Maßstab an.
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7
Q

Fallen unbewegliche Gegenstände unter § 224 I Nr. 2 Alt. 2 StGB?

A
  1. Teile der Lit.: Ja, auch unbewegliche Gegenstände können gef. Werkzeug i.S.d. § 224 I Nr. 2 Alt. 2 sein, der nur den Einsatz eines irgendwie gearteten Gegenstandes gegen das Opfer verlangt.

dafür: • es kommt nur auf konkrete Geeignetheit an, schwere Verletzungen herbeizuführen

• (Scheinbarer) Widerspruch: Wurf in Kreissäge nicht erfasst, Wurf mit Kreissäge schon

dagegen: • Scheinbarer Widerspruch als hinnehmbare Grenze des § 224 I Nr. 2 StGB

• Alleine das Abstellen auf den Vorsatz des Täters (bewusstes Ausnutzen des Gegen-stands gegen das Opfer) kann nicht ausreichen

  1. Rspr. / h.Lit. Nein, nur bewegliche Gegenstände können unter § 224 I Nr. 2 Alt. 2 StGB subsumiert wer-den (aber: Flüssigkeit kann gefährliches Werkzeug sein).

dafür: • Wortlaut des § 224 I Nr. 2 Alt. 2 StGB: „Werkzeug“ impliziert die Möglichkeit des In-die-Hand-Nehmens bzw. gezielten und gelenkten Einsatzes gegen das Opfer

• Bei schweren Fällen gibt es ja noch die Möglichkeit des § 224 I Nr. 5 StGB

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8
Q

Gemeinschaftliche Tatbegehung, § 224 I Nr. 4

A

Ausgangspunkt: Es müssen mindestens zwei Personen beteiligt sein. Fraglich ist, welche Anforderungen darüber hinaus an die gemeinschaftliche Tatbegehung zu stellen sind.

  1. Mittäterschaftstheorie
    § 224 I Nr. 4 StGB ist nur verwirklicht, wenn mindestens zwei Personen die Körperverlet-zung mittäterschaftlich begehen (und dabei am Tatort anwesend sind).

dafür: • Wortlaut: „gemeinschaftlich“ erinnert an § 25 II; „Begehung“ nur durch Täter möglich;

  • erhöhte Gefährlichkeit erst bei mittäterschaftlichem Zusammenwirken am Tatort
  • erhöhter Strafrahmen erfordert restriktive Auslegung

dagegen: • erhöhte Gefährlichkeit kann auch bei bloßem Teilnahmeverhältnis bestehen, rechtliche Einordnung des Tatbeitrags nicht vorrangig an Gefährlichkeit orientiert

• restriktive Auslegung darf nicht zu Lasten des Opferschutzes gehen

  1. Mittäterschaftsneutrale Gefährlichkeitstheorie (hM, Rspr)
    § 224 I Nr. 4 StGB ist verwirklicht, wenn ein Täter die Körperverletzung zusammen mit ei-nem Teilnehmer begeht, der allerdings am Tatort anwesend und zum aktiven Eingreifen bereit sein muss, da nur dann eine erhöhte Gefährlichkeit für das Opfer besteht.
    dafür: • Wortlaut: „mit einem anderen Beteiligten“ spricht für Einbezug der Teilnahme, vgl. Definition in § 28 II StGB
  • „gemeinschaftlich“ im Sinne des § 224 I Nr.4 StGB deutet nur auf das erforderliche Zusammenwirken am Tatort hin
  • Intention des § 224 I Nr.4 StGB ist, einen höheren Strafrahmen zu bieten, wenn sich das Opfer mehreren Angreifern ausgeliefert sieht; auf eine exakte – oft unklare – Ab-grenzung nach Täterschaft / Teilnahme kann es für das Opfer deshalb nicht ankommen.
  • erhöhte Gefährlichkeit kann auch bei bloßer Teilnahme vorliegen

dagegen: • Opferschutz darf nicht zu einer unverhältnismäßig hohen Bestrafung führen; Strafrah-men des § 223 genügt für angemessene Bestrafung

• Bei den Teilnahmeformen Anstiftung und psychischer Beihilfe ist § 224 I Nr.4 StGB ohnehin nur schwer denkbar, da gemeinschaftliches Handeln am Tatort erforderlich ist

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9
Q

Art der Lebensgefahr bei § 224 I 1 Nr. 5

A

Ausgangspunkt: Erforderlich ist zunächst eine Körperverletzungshandlung, welche in sich eine Lebensge-fahr für das Opfer birgt. Nicht erforderlich ist nach allen Ansichten ein Körperverletzungs-erfolg (anders bei Erfolgsqualifikationen die – nicht herrschende – Letalitätstheorie).

  1. Abstrakte Lebensgefahr (hM/Rspr) Verlangt wird eine abstrakte Lebensgefahr insofern, als die Begehungsweise der Körperver-letzung nach den Umständen des konkreten Falles objektiv generell geeignet sein muss, das Leben des Opfers zu gefährden. Eine tatsächliche, konkrete Lebensgefahr ist nicht er-forderlich, vielmehr handelt es sich bei § 224 I Nr. 5 StGB um ein „Eignungsdelikt“.

(Im subjektiven Tatbestand ist nach dieser Ansicht erforderlich, dass der Täter erkennt, eine generelle Gefahr für das Leben seines Opfers zu begründen.)

dafür: • Wortlaut: „das Leben gefährdende Behandlung“ = abstrakte gefährliche Handlung

  • Die Straferhöhung des § 224 StGB knüpft insgesamt nicht an tatsächliche Folgen an, sondern nur an die erhöhte Gefahr
  • Bei Erfordernis einer konkreten Gefahr ist die Abgrenzung zu §§ 212, 22, 23 I StGB nicht sinnvoll möglich
  1. Konkrete Lebensgefahr (teilweise Lit.) Die Begehungsweise der Körperverletzung muss für das Opfer eine ganz konkrete Lebens-gefahr herbeiführen, d.h. der Eintritt des Todes darf nur noch vom Zufall abhängig gewesen sein. Die bloß abstrakte Gefährlichkeit reicht nicht aus.

dafür: • Erhöhte Strafdrohung bei nur abstrakter Gefahr nicht gerechtfertigt

• Vergleich zu anderen Alternativen des § 224, bei denen konkrete Gefahr verlangt wird.

dagegen: • Wortlaut: konkrete Gefahr gerade nicht erforderlich

• Im subjektiven Tatbestand fordert die strengere Ansicht, dass der Täter die konkrete Lebensgefahr herbeiführen will, bzw. sich ihrer bewusst ist. Dies führt zu massiven Ab-grenzungsproblemen zu §§ 212, 22, 23 StGB (bedingter Tötungsvorsatz).

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10
Q

§ 226 I Nr. 1

A
  • Qualifikationsmerkmal ist der Verlust bestimmter Körperfunktionen, worunter eine dauernde Beeinträchtigung zu verstehen ist, d.h., es darf sich nicht um eine vorübergehende Einschränkung handeln, welche ggf. operativ beseitigt werden kann, solange eine solche Operation zumutbar ist. Nicht erforderlich: totaler Verlust der betreffenden Fähigkeit. Irrelevant ist die Ersetzbarkeit durch Prothesen (z.B. Sehhilfen).
  • Sehvermögen: Opfer muss nicht vollständig erblinden, ausreichend, wenn die Fähigkeit (nahezu) verloren geht, Gegenstände als solche zu erkennen. Ausreichend, wenn Opfer „nur“ ein Auge verliert, auch wenn verbleibendes gesund ist. Ob eine geringe Sehfähigkeit von ca. 10% bleibt, ist irrelevant (weitestgehender Verlust).
  • Hörvermögen: Taubheit auf einem Ohr genügt nicht. Genauso dürfte jedoch der Fall behandelt werden, dass das Hörvermögen insgesamt auf ca. 10% vermindert wird.
  • Sprechvermögen: Ein bloßes Stottern genügt nicht, wenn insgesamt noch verständig kommuniziert werden kann. Umgekehrt ist ein völliges Verstummen nicht erforderlich.
  • Fortpflanzungsfähigkeit: Männliche Fähigkeit, ein Kind zu zeugen, wobei bereits Kinder erfasst sind, bei denen sie angelegt ist, weibliche Fähigkeit, ein Kind zu gebären
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11
Q

§ 226 I Nr. 2: Verlust wichtiger Körperglieder

A

• Zentrales Merkmal der Nr. 2 ist das des Körperglieds. Hierzu zählen jedenfalls alle Teile des Körpers, die eine eigene Funktion besitzen und mit dem Rest des Körpers durch ein Gelenk verbunden sind. Ob z.B. auch Organe darunter fallen, ist str.
* Problem: Wie wird die Wichtigkeit eines Körpergliedes bestimmt?
Ein Körperglied ist wichtig, wenn es für das Leben jedes Menschen von erheblicher Bedeutung ist. (Bsp.: Hand, Fuß) Str. ist, ob daneben die individuellen Verhältnisse des Opfers (Bsp.: Linkshänder) berücksichtigt werden müssen.

  1. e.A.: Individuelle Verhältnisse des Opfers (v.a. Beruf) beachtlich

dafür: • Berufs-Geiger trifft Verlust des kleinen Fingers viel mehr als Durchschnittsbürger.

  1. a.A.: Individuelle Verhältnisse des Opfers spielen keine Rolle

dafür: • Wortlaut knüpft nicht an individuelle Verhältnisse an

  1. Vermittelnde Ansicht: Individuelle Körpereigenschaften (z.B. Linkshänder) sind zu be-rücksichtigen, außerkörperliche Umstände (zB Beruf) nicht (BGHSt 51, 252 = NJW 2007, 1988, vgl. hierzu ausführlich Jesse NStZ 2008, 605).
    dagegen: • individuelle Eigenschaften fallen schon unter die allgemeine Wichtigkeit

• Verlust i.S.d. § 226 I Nr.2 StGB ist die dauerhafte physische Lostrennung vom Körper. Künstliche Surrogate (Prothesen, etc.) ändern nichts am Verlust, selbst, wenn sie die ursprüngliche Körperfunktion nahezu wieder herstellen.

• Gleich gestellt ist dem Verlust die dauerhafte Gebrauchsunfähigkeit. Fraglich ist, wie diese von einer dauernden Gebrauchs- oder Funktionsbeeinträchtigung abzugrenzen ist. Kriterium: „Anzahl“ der ausgefallenen Funktionen, Beispiel:
o Versteifung eines Fingerkuppengelenks: bloße Funktionsbeeinträchtigung
o Versteifung aller drei Fingergelenke: Finger kann nicht mehr in ursprünglicher Funktion benutzt werden, faktisch Wirkung eines physischen Verlustes.

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12
Q

§ 226 I Nr. 3 StGB

A

• Eine Person ist in erheblicher Weise dauernd entstellt, wenn ihre äußere Gesamterscheinung in ihrer ästhetischen Wirkung derart verändert ist, dass auf Dauer starke psychische Nachteile im Verkehr mit der Umwelt zu erwarten sind. Dauerhaft ist die Entstellung, wenn sie endgültig oder für unbestimmt langen Zeitraum wirkt.

o muss nicht ständig sichtbar sein (was aber i.R.d. Erheblichkeit eine Rolle spielt)

o (-), wenn zumutbare medizinische oder kosmetische Korrekturmöglichkeiten be-stehen; ob die Korrekturen tatsächlich vorgenommen werden, ist egal (arg.: Straf-barkeit des Täters darf nicht vom Opferverhalten abhängig gemacht werden)

  • Siechtum: chronischer Krankheitszustand, der den Gesamtorganismus in Mitleiden-schaft zieht und allgemeine Hinfälligkeit zur Folge hat. Diese Variante kann z.B. bei ei-ner Infektion mit dem HI-Virus vorkommen.
  • Lähmung: erhebliche Beeinträchtigung der bestimmungsgemäßen Bewegungsfähig-keit eines Körperteils. Überschneidungen bestehen mit § 226 I Nr. 2 Alt. 2; maßgeblich ist für die Nr. 3, dass keine vollständige Bewegungsunfähigkeit eines wichtigen Kör-pergliedes erforderlich ist (so aber Nr. 2), dafür muss sich Lähmung auf Bewegungsfähigkeit des ganzen Körpers auswirken.

Bsp.: versteiftes Hüftgelenk, so dass nur mit Krücken gegangen werden kann.

  • Geistige Krankheit / Behinderung: Eine geistige Krankheit besteht u.a. bei exogenen und endogenen Psychosen. Der Begriff ist jedoch weiter als der der krankhaften seelischen Störung in § 20, bezieht vielmehr auch das 3. und 4. der dortigen Eingangs-merkmale ein. Von § 226 I Nr. 3 Alt. 4 umfasst sind nach h.M. aber nur geistige Behinderungen und nicht allgemein Behinderungen, da die Aufzählung der übrigen „Behin-derungen“ des § 226 sonst überflüssig wäre
  • Verfallen: Krankheitszustand, der für längere Zeit besteht und dessen Heilungszeitpunkt – auch wenn er wahrscheinlich ist – sich nicht bestimmen lässt.
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13
Q

Aufbauschema § 231 StGB

A

I. Tatbestand

  1. Objektiver Tatbestand
    a) Vorliegen einer Schlägerei oder eines von mehreren verübten Angriffs an der / dem
    b) der Täter sich beteiligt
  2. Subjektiver Tatbestand: Vorsatz bezüglich des objektiven Tatbestandes
  3. Tatbestandsannex = Objektive Bedingung der Strafbarkeit
    a) Eintritt einer schweren Folge (Tod oder eine Folge des § 226 I StGB)
    b) Verursachung durch die Schlägerei / den Angriff

II. Rechtswidrigkeit

Hier speziell: § 231 II StGB

III. Schuld

Hier speziell: § 231 II StGB

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14
Q

Beteiligung an einer Schlägerei / von mehreren verübtem Angriff

A

Eine Schlägerei ist ein in gegenseitige Körperverletzungen ausartender Streit zwischen mindestens drei Personen.

o Hierbei werden diejenigen „Beteiligten“ nicht berücksichtigt, die zwar am Geschehen mitwirken, aber nur in reiner Schutzwehr (§ 32) tätig werden oder die Situati-on abzuwiegeln versuchen. Sehr wohl „beteiligt“ ist nach h.M., wer trotz Notwehrlage zum Ausweichen verpflichtet ist, etwa in Provokationsfällen.

o Neueste BGH-Rechtsprechung (NStZ 2014, 147): Die für eine Schlägerei erforder-lichen wechselseitigen Tätlichkeiten zwischen mehr als zwei Personen müssen nicht gleichzeitig begangen werden. Für eine Schlägerei kann es genügen, dass nacheinander jeweils nur zwei Personen gleichzeitig wechselseitige Tätlichkeiten verüben. Dafür muss zwischen diesen Vorgängen aber ein so enger innerer Zu-sammenhang bestehen, dass sie nicht in einzelne „Zweikämpfe“ getrennt werden können und ein einheitliches Gesamtgeschehen mit mehr als zwei aktiv Beteiligten vorliegt. Allerdings liegt keine Schlägerei mehr vor, wenn sich so viele Beteiligte entfernen, dass nur noch zwei Personen verbleiben, die gegeneinander tätlich sind.

• Die zweite Tatbestandsalternative ist ein von mehreren verübter Angriff; hierunter ist eine feindselige, unmittelbar auf den Körper eines anderen abzielende Einwirkung von mindestens zwei Personen zu verstehen.

o Erforderlich ist dabei die Einheitlichkeit des Angriffs, des Angriffsgegenstandes und des Angriffswillens

o Nicht erforderlich ist das Vorliegen von Mittäterschaft oder von Tätlichkeiten (ins-besondere: Körperverletzung des Opfers), auch die bloße Verfolgung eines Opfers ist ausreichend (d. h. in den tödlich endenden „Verfolgerfällen“ wie dem Gubener Hetzjagdfall (BGHSt 48, 34) ist neben § 227 immer auch an § 231 zu denken!)

• Beteiligt ist, wer am Tatort anwesend ist und auf Körperverletzungen ausgerichtete Handlungen vornimmt,

Bsp.: psychische Mitwirkung durch Anfeuern bei einer Schlägerei (mit mindestens drei aktiv Beteiligten)

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15
Q

Zu welchem Zeitpunkt muss die Beteiligung vorliegen? § 231 StGB

A

Ausgangspunkt: Fraglich ist, ob eine Strafbarkeit nach § 231 I StGB auch dann vorliegt, wenn ein Beteiligter noch nicht oder nicht mehr beteiligt war, als die schwere Folge eingetreten ist.

  1. Ansicht (h.M.) Der Zeitpunkt der Beteiligung ist ohne Belang. Maßgeblich sind nur das Eintreten der schweren Folge und die Beteiligung als solche, sofern sich das Hinzukommen oder Aus-scheiden nicht auf die Einordnung des Geschehens als „Schlägerei“ auswirkt.

dafür: • § 231 StGB ist ein abstraktes Gefährdungsdelikt, so dass es nicht auf eine konkrete Verursachung ankommt.

• § 231 StGB dient auch dem Zweck, Beweisschwierigkeiten im Hinblick auf Art und Zeitpunkt der konkreten Verursachungsbeiträge zu überwinden.

dagegen: • Wenn sicher feststeht, dass eine Kausalität zwischen Beteiligung und schwerer Folge ausgeschlossen ist (so v.a., wenn schwere Folge eintritt, bevor der Betreffende über-haupt am Geschehen teilnimmt), führt diese Ansicht zu unbilligen Ergebnissen.
2. Ansicht Eine Beteiligung nach Eintritt der schweren Folge fällt nicht unter § 231 StGB, im Gegen-satz zum Ende der Beteiligung vor Eintritt der schweren Folge.

dafür: • § 231 StGB stellt die besondere Gefährlichkeit einer Schlägerei unter Strafe; deshalb kann die spätere Beteiligung nicht unter die Norm fallen.

• Bei einer Beteiligung vor Eintritt der schweren Folge kann eine Kausalität nicht zwin-gend ausgeschlossen werden, im umgekehrten Fall aber schon.

dagegen: • Der genaue Zeitpunkt des „Austretens“ ist meist nicht ermittelbar, so dass über „in dubio pro reo“ selten gerechte Lösungen gefunden werden können.
3. Ansicht Erforderlich ist immer, dass der Täter zum Zeitpunkt des Eintrittes der schweren Folge an der Schlägerei beteiligt war.

dafür: • Wenn ein Täter nicht mehr oder noch nicht beteiligt war, kann dessen Verhalten nicht zum Eintritt der schweren Folge geführt haben.

dagegen: • Die spezifische Gefährlichkeit einer Schlägerei besteht auch dann noch, wenn ein Täter sich bereits entfernt hat; dessen Tatbeitrag (z. B. Anstacheln des Geschehens) wirkt noch fort.

16
Q

Rechtsnatur § 231 II

A

Die Rechtsnatur des § 231 II StGB ist nicht eindeutig. Zum Teil wird er als bloßer „Finger-zeig“ des Gesetzgebers in Richtung der allgemeinen Rechtfertigungs- und Entschuldi-gungsgründe gesehen, die dann geprüft werden müssen. Andere sehen in § 231 II StGB einen Tatbestandsausschluss. Klausurtaktisch kann es sich anbieten, der ersten Ansicht zu folgen, weil man so die ungewöhnliche Prüfung rechtfertigender oder entschuldigender Umstände auf Tatbestandsebene vermeidet und sicherstellt, dass der Prüfungspunkt „ob-jektive Bedingung der Strafbarkeit“ (nach dem TB, vor Rw und Schuld) erhalten bleibt.

17
Q

Rechtfertigende Einwilligung

A

• Disponibilität des Rechtsgutes:
o Unproblematisch bei Individualrechtsgütern; Ausnahmsweise kraft gesetzgeberischer Entscheidung (-) bei Leben (vgl. § 216) und in manchen Fällen bei Körperintegrität (Grenze des § 228: Körperverletzung trotz Einwilligung sittenwidrig, z.B. Dopingabgabe an Sportler)
o (-), wenn Rechtsgut der Allgemeinheit geschützt wird (Bsp.: §§ 267, 154).
o Strittig: Einwilligung bei § 315c und 164 I. Nach h.M. unbeachtlich, auch hier Schutz der Allgemeinheit; (sehr str.,).

  • Einwilligungsfähigkeit: Einwilligender muss nach geistiger und sittlicher Reife im Stande sein, Bedeutung und Tragweite des Rechtsgutsverzichts zu erkennen und sachgerecht zu beurteilen. Feste Altersstufen wie im Zivilrecht bestehen dafür nicht. Sonst: Abstellen auf Einwilligung des gesetzlichen Vertreters.
  • Verfügungsbefugnis: Diese hat grundsätzlich nur der Rechtsgutsträger; sie kann z.B. fehlen bei zivilrechtlichen Verfügungsbeschränkungen.

• Keine Willensmängel: relevant bei Drohung, gewissen Täuschungen und unterlassener Aufklärung trotz bestehender Aufklärungspflicht (z.B. Arzt); Problem: Schadet jeder Willensmangel oder nur rechtsgutsbezogene Fehlvorstellung? (s.u.) Anforderungen an die ärztliche Aufklärung
o Arzt muss aufklären über Befund, Art der geplanten Heilbehandlung (v.a. bei der Anwendung von Außenseitermethoden, vgl. „Zitronensaftfall“) sowie deren typische Risiken (auch durch Formular). Je gravierender die möglichen Folgen, desto höhere Anforderungen sind an die Aufklärung zu stellen. Liegt etwa ein Erblindungsrisiko im Promillebereich, ist darüber aufzuklären.
o Aufklärung durch den behandelnden Arzt selbst.
o Grenzen der Aufklärungspflicht, wo Folgen der Aufklärung gravierender wären als Eingriff selbst (Schonungsgrundsatz; vgl. in diesem Zusammenhang auch das ärztliche Privileg/ Kontraindikation).

Bsp.: B befindet sich in Behandlung des Arztes A. Die neuesten – B noch nicht bekannten Untersuchungsergebnisse weisen auf eine Krebserkrankung hin. A erkennt, dass B nur durch eine Strahlenbehandlung zu helfen ist. Ihm ist aber klar, dass schon die Diagnose „Krebs“ bei B zu völliger Resignation und damit dem fast sicheren Tod führen würde. Er verzichtet daher auf die Aufklärung.

• § 228: Kein Verstoß gegen die guten Sitten bei §§ 223 ff. Hintergrund: Bestimmte Verfügungen über körperliche Integrität können mit Gemeinschaftsinteressen in Konflikt geraten. Inwieweit dies bei § 229 gilt, ist str., ggf. Zurechnungsausschluss wegen einverständlicher Fremdgefährdung. Wichtig:
o Sittenwidrig ist eine Tat, die gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt, so dass der Einwilligung die rechtliche Billigung nach der für das Zusammenleben grundlegenden Ordnung zu versagen ist.
o Abstellen auf Sittenwidrigkeit der Tat, nicht der Einwilligung, wobei Art, Umfang und (nach h.M. auch) Zweck der Körperverletzung, nicht aber die zugrunde lie-genden Motive einer Tat berücksichtigt werden.
o generell hat sich hier eine eher restriktive Handhabung durchgesetzt, bei der frühere moralisierende Betrachtungen zugunsten des objektivierbaren Kriteriums des Gewichts des Rechtsgutsangriffs aufgegeben wurden
Bsp.: Einwilligung in sadomasochistische Praktiken nicht per se sittenwidrig, sondern nur bei erheblicher Gefahr, v. a. bei Lebensgefahr wg Wertung des § 216, s. BGHSt 49, 166, 171).
o bei sportlichen Wettkämpfen sind i.d.R. nur grob regelwidrige oder vorsätzliche Verletzungshandlungen nicht mehr von der Einwilligung gedeckt.

  • Erklärung vor der Tat: Einwilligung muss (ausdrücklich oder konkludent) kundgetan worden sein, ist bis zur Begehung der Tat aber widerruflich.
  • Subjektive Voraussetzung: Täter muss Einwilligung kennen (und auf Grund dessen handeln, str).
18
Q

Voraussetzungen des TB-ausschließenden Einverständnisses

A

• Dispositionsbefugnis: Das Recht, über das betroffene Rechtsgut zu verfügen.
o Problem bei § 123: Wer verfügt über das Hausrecht? Im Verhältnis von Mieter und Vermieter i.d.R. der Mieter, Vermieter behält nur einen ‚Verfügungsrechtsrest’. Bei Ehegatten kann jeder Ehegatte grundsätzlich selbstständig über Hausrecht verfügen. Der andere kann jedoch in einer ein wirksames Einverständnis ausschließenden Weise widersprechen, sofern die Entscheidung seines Gatten für ihn unzumutbar ist (Verbot des Zutritts für den Liebhaber der Frau).

o Vertiefung: § 266 ist i.d.R. nicht erfüllt (kein Missbrauch/ keine Pflichtverletzung), wenn der Vermögensinhaber sein Einverständnis mit der Vermögensschädigung ausdrücklich oder konkludent vor der Tat erklärt hat. Anders jedoch der BGH bei entgegenstehenden Compliance-Vorschriften. Obwohl das Einverständnis bereits den Tatbestand ausschließt, müssen im Rahmen des § 266 StGB – wie bei einer rechtfertigenden Einwilligung – die Einwilligungsfähigkeit und die Freiheit von Willensmängeln vorliegen. Grund: Einverständnis hat anders als etwa bei § 240 nicht tatsächlichen, sondern normativen Charakter.

Allerdings kann ein Einverständnis bei Gesetzes- oder Pflichtwidrigkeit unwirksam sein (v.a. bei Kapitalgesellschaften strittig, ob trotz Einverständnis über Vermögen disponiert werden kann (s.o.) jedenfalls bei Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz ist Unwirksamkeit des Einverständnisses zu bejahen. Die h.M. greift eben trotz Einverständnisses auf normative Kriterien zurück. Die erschlichene Zustimmung zu riskanten Geschäften lässt daher die Pflichtverletzung nicht entfallen.

  • Einverständnisfähigkeit: Setzt nur natürliche Willensfähigkeit voraus.
  • Ob das Einverständnis erklärt wurde und dem Täter bekannt ist, ist egal, da es nur auf das tatsächliche Vorliegen ankommt. Glaubt der Täter irrtümlich an ein Einverständnis, liegt darin ein Tatbestandsirrtum gem. § 16 StGB; hat er umgekehrt keine Kenntnis von einem tatsächlich vorliegenden Einverständnis, liegt ein untauglicher Versuch vor.
  • Willensmängel sind unbeachtlich: Einverständnis darf nur nicht „unfrei“, also durch Drohung oder Gewalt bewirkt sein.
19
Q

Ärztlicher Heileingriff als tatbestandsmäßige Körperverletzung?

A

Ausgangspunkt: Heileingriffe sind nur solche Behandlungsmaßnahmen, die im Interesse des Opfers vorgenommen werden (zB Ziehen eines kariösen Zahns); Nur hier stellt sich das Problem der Erfüllung des Tatbestands des § 223, nicht dagegen bei fremdnützigen (zB Organspende), experimentellen oder kosmetischen Eingriffen.

  1. Teile der Lit.: Erfolgreich durchgeführter und von Heilungswillen getragener ärztlicher Heileingriff lässt bereits den Tatbestand des § 223 entfallen.
    dafür: • Ein Heileingriff ist keine „üble und unangemessene Behandlung“; es wird auch kein rechtlich missbilligte Risiko im Sinne der objektiven Zurechnung geschaffen.
    • Ein Heileingriff wird gerade zum Zwecke der Heilung vorgenommen, nicht zum Zwecke der Verletzung. Bei einer Gesamtbetrachtung stellt sich der Heileingriff gerade als Gegenteil einer Körperverletzung dar.
    • Eine Gleichstellung des Arztes mit einem “Messerstecher” wäre nicht sachgerecht.
  2. St. Rspr, Teil der Lit.: Die Rspr. behandelt dagegen jeden Eingriff in die körperliche Unversehrtheit als tatbestandsmäßige Körperverletzung.

dafür: • Bei isolierter Betrachtung des Eingriffs ist kein qualitativer Unterschied zu “normaler” KV feststellbar (Aufschlitzen der Bauchdecke durch Arzt beeinträchtigt das Wohlbefinden des Patienten genauso wie Aufschlitzen durch Messerstecher)
• Mit Bejahung des Tatbestands ist noch keine Unrechtsbewertung verbunden (auch Polizist erfüllt bei Festnahme §§ 239, 240), Gleichstellungsargument überzeugt nicht.
• Gegenansicht führt zu Strafbarkeitslücke bei eigenmächtigem Vorgehen des Arztes; das Selbstbestimmungsrecht des Patienten wäre dadurch nicht ausreichend geschützt.
• durch Erfordernis der Einwilligung wird Aufklärung durch Arzt sichergestellt

20
Q

Fallen ärztliche Werkzeuge unter § 224 I Nr. 2 Alt. 2?

A

Rspr. / h.M.: Nein, da sie nach Art ihrer bestimmungsgemäßen Verwendung (“in der Hand des Arztes”, zum Zweck der Heilung) nicht gefährlich sind, soweit sie nicht zu Angriffs- bzw. Verteidigungszwecken benutzt werden (teleologische Reduktion). Dieses Ergebnis mag zwar im Hinblick auf die Behandlung des Heileingriffs (tatbestandsmäßig) widersprüchlich erscheinen. Da es aber von der ganz h.M. geteilt wird, ist es in Klausuren die weniger „risikoträchtigere“ Lösung, dies ebenso zu handhaben.

21
Q

Welche Irrtümer machen eine Einwilligung unwirksam?

A

Ansicht 1: Alle Irrtümer, also auch bloße Motivirrtümer, sind relevant.

dafür: • Einwilligung beruht auf Bedeutung wahren Willens des Opfers, so dass sie jede Beeinträchtigung desselben durch Täuschung unwirksam macht.
dagegen: • Gefahr, dass durch Beachtlichkeit reiner Motivirrtümer allgemein die Dispositionsfreiheit geschützt wird und nicht das jeweils vom Tatbestand geschützte Rechtsgut.

Ansicht 2: Willensmängel sind grds. beachtlich; ausnahmsweise unbeachtlich, wenn sie nicht zu rechtsgutsbezogenen Fehlvorstellungen (d.h. über Bedeutung und Tragweite des Eingriffs) geführt haben, sondern sich nur auf Begleitumstände (z.B. Motive) beziehen.
dafür: • Eigenverantwortlichkeit und Rechtsgüterschutz werden in Einklang gebracht

Ansicht 3 (z.B. Roxin, Kühl): Täuschungsbedingte Willensmängel machen Einwilligung nur unwirksam, wenn sie selbstbestimmte Entscheidung über Preisgabe des Rechtsguts ausschließen.
dafür: • Rechtsgüter sind nur deshalb geschützt, weil sie der Selbstverwirklichung des Trägers dienen, so dass diese Autonomie über die Erheblichkeit des Willensmangels entscheidet.
dagegen: • Grenzziehung enorm schwierig, Rückgriff auf Fallgruppen nötig.

22
Q

Was ist ein Körperglied im Sinne des § 226 I Nr.2 StGB?

A
  1. hM Wichtige Körperglieder sind äußere Körperglieder, die eine in sich abgeschlossene Existenz und eine besondere Funktion im Gesamtorganismus haben und mit dem Körper durch ein Gelenk verbunden sind.

Bsp.: Bein, Fuß, Zeh, Knie, Arm, Finger, nicht Unterkiefer oder Zähne, da diese keine für sich abgeschlossene Existenz haben.

  1. aA Eine Verbindung über ein Gelenk ist nicht erforderlich. Maßgeblich sind alleine die abge-schlossene Existenz und die besondere Funktion.

Bsp.: Hier sind dann auch die Nase, oder die Ohrmuschel umfasst.

dagegen: • Überschneidungen mit der Nr.1/Nr.3, Verlust des Gehörs/erhebliche Entstellung.
3. MM Nicht nur äußere Körperglieder sind umfasst, sondern auch innere Organe.

dafür: • Verlust kann schwerer wiegen als der eines äußeren Körperteils

dagegen: • Wortlaut: Körperglied ist regelmäßig ein externes, während man bei Organen nicht von inneren Körpergliedern spricht.

23
Q

Prüfungsaufbau der mutmaßlichen Einwilligung

A
  1. Objektive Voraussetzungen
    a) Betroffener ist Rechtsgutsträger
    b) Betroffener ist verfügungsbefugt
    c) Subsidiarität der mutmaßlichen Einwilligung (Einholen der tatsächlichen Einwilligung nicht möglich oder ganz offensichtlich unnötig)
    d) Handlung
    - liegt im materiellen Interesse des Betroffenen (GoA-Prinzip) oder
    - ein schutzwürdiges Erhaltungsinteresse des Betroffenen fehlt (Prinzip des mangelnden Interesses). Bei mangelnder Einwilligungsfähigkeit ist auf gesetzlichen Vertreter abzustellen
    e) Kein entgegenstehender Wille (auch wenn unvernünftig) erkennbar.
  2. Subjektive Voraussetzung:
    a) Handeln in Kenntnis der Umstände
    b) Pflichtgemäße Prüfung des mutmaßlichen Willens (str.)
    - Stellt sich trotz pflichtgem. Prüfung Mutmaßung nachträglich als falsch heraus: RF (+).
    - Fehlt Prüfung, entspricht Tat aber dem wahren Willen des Betroffenen: RF (+).
24
Q

Prüfungsaufbau der hypothetischen Einwilligung (nach BGH)

A
  1. Objektive Voraussetzungen
    a) Voraussetzungen der Einwilligung, insbes. Verfügbarkeit des Rechtsguts und Einwilligungsfähigkeit
    b) Unwirksamkeit der erklärten Einwilligung (insbes. wegen Aufklärungsmängeln)
    c) keine mutmaßliche Einwilligung (wegen Subsidiarität)
    d) Ermittlung des hypothetischen Willens des Patienten (ex-post-Betrachtung):
    - wie wäre ordnungsgemäß aufzuklären gewesen?
    - Hätte der Patient im konkreten Fall darin eingewilligt?
  2. Subjektive Voraussetzungen

Voraussetzungen und Einschränkungen auf der Grundlage der Rechtsprechung:
o kein Indiz für hypothetische Einwilligung ist eine tatsächlich im einwilligungsunfähigen Zustand erklärte Einwilligung
o Indiz gegen hypothetische Einwilligung: Täuschung über Erfolgsaussichten einer „Neulandmethode“, wenn diese für das Opfer die letzte Hoffnung darstellt (arg.: ohne Erfolgsaussichten hätte sich dieses i.d.R. nicht auf den Eingriff eingelassen).

• Liegt keine hypothetische Einwilligung vor, glaubt der Arzt dies aber (oder ist ihm das Gegenteil nicht nachzuweisen), liegt ein Erlaubnistatbestandsirrtum vor – Folge: Fahr-lässigkeitsdelikt prüfen. Achtung: Liegt hypothetische Einwilligung vor, scheidet Fahrlässigkeitsstrafbarkeit mangels Pflichtwidrigkeitszusammenhangs aus

25
Q

Ist die Figur der hypothetischen Einwilligung anzuerkennen?

A

Ausgangspunkt: Das Problem hat seine Ursache in den hohen Anforderungen, die die Rspr. an die Aufklärung durch den Arzt stellt. Auch bei eher kleinen Verstößen scheidet danach eine wirksame Einwilligung aus, der Arzt macht sich strafbar unabhängig vom Gelingen seines Eingriffs.

  1. BGH: Die hypothetische Einwilligung wirkt rechtfertigend

dafür: • Parallele zum „Pflichtwidrigkeitszusammenhang“ i.R.d. objektiven Zurechnung: Auch dort wird geprüft, ob bei rechtmäßigem Alternativverhalten (hier: bei ordnungsgemäß eingeholter Einwilligung) der tatbestandsmäßige Erfolg (hier: die Rechtswidrigkeit) entfallen wäre, wobei Zweifel nach dem Grundsatz „in dubio pro reo“ (zumindest nach h.M.) zu Gunsten des Täters gehen.

• Einheit der Rechtsordnung: in diesen Fällen keine zivilrechtliche Haftung, dann müsse auch die strafrechtliche Verantwortung ausgeschlossen sein.

  1. Teil d. Lit. (z. B. Kuhlen): Hypothetische Einwilligung anzuerkennen, aber kein Rechtfer-tigungsgrund, sondern nur Ausschluss der Zurechnung auf Rechtswidrigkeitsebene: Das Handlungsunrecht bleibt bestehen.

dafür: • Parallele zum rechtmäßigen Alternativverhalten überzeugt, Übertragung auf Rechts-widrigkeitsebene aber nur im Wege des „Zurechnungsausschlusses“, so dass wie auf der Tatbestandsebene die Möglichkeit der Strafbarkeit wegen Versuchs bleibt.

dagegen: • Dogmatische Konstruktion unklar, objektive Zurechnung auf Rechtswidrigkeitsebene bislang nicht anerkannt. V. a. Reichweite unklar, Begrenzung auf ärztliche Heileingriffe und Einwilligung wäre nicht überzeugend (so konsequent Kuhlen, der grds. eine Über-tragung auch auf Notwehr usw. erwägt).

• Versuchsstrafbarkeit zweifelhaft, wenn Arzt an Vorliegen der Voraussetzungen der hy-pothetischen Einwilligung glaubt – unklar, wie dieser Irrtum zu behandeln wäre, wenn man die hypothetische Einwilligung nicht als echten Rechtfertigungsgrund anerkennt.

  1. Teil d. Lit. (z.B. Puppe): Hypothetische Einwilligung ist abzulehnen.

dafür: • Selbstbestimmungsrecht des Patienten, dem die Einwilligung und die vorgeschaltete Aufklärung dient, wird übergangen

  • Figur ähnelt nachträglicher Genehmigung durch Opfer, die dem Strafrecht fremd ist.
  • Aufklärungspflicht des Arztes würde bedeutungslos, soweit der Arzt mit Zustimmung des Patienten rechnen durfte; Problem wird verschärft durch Anwendung des in-dubio-pro-reo-Grundsatzes, während im Zivilrecht, wo die Figur ur-sprünglich entwickelt wurde, der Arzt die Beweislast dafür trägt, dass der Patient trotzdem zugestimmt hätte.
  • Eine sachgerechte Einschränkung lässt sich anders erreichen, nämlich durch eine maßvolle Beschränkung der Aufklärungspflicht: Hier ließen sich – unter dem schon oben diskutierten Aspekt der Relevanz eines Irrtums – tragbare Lösungen finden.