StGB BT Flashcards
Anforderungen an den spezifischen Gefahrzusammenhang bei § 227
- „Letalitätslehre“: Anknüpfung an Körperverletzungserfolg (Roxin AT I § 10 Rn. 115) Erforderlich ist, dass gerade der Körperverletzungserfolg zum Tod des Opfers führt, Bsp.: Verbluten nach Messerstich. Eine Untermeinung lässt dabei ausreichen, dass die Todesfol-ge bereits durch unmittelbare Folgen der Körperverletzung eintritt,
Bsp.: Tod durch messerstichbedingte Blutvergiftung.
dafür: • Hoher Strafrahmen gebietet restriktive Auslegung der Norm
• Wortlaut „durch die Körperverletzung“
- Anknüpfung an Körperverletzungshandlung (h.M., BGHSt 14, 110; Rengier BT II § 16 Rn. 11) Es reicht für § 227 StGB aus, wenn die Todesfolge durch die Körperverletzungshandlung herbeigeführt wird. Auf den Körperverletzungserfolg allein kommt es dabei nicht an.
dafür: • Wortlaut: Herbeiführung des Todes durch „die Körperverletzung“, der im allgemeinen Sprachgebrauch wie (systematischer Vergleich) im Sprachgebrauch des Gesetzes in § 223 I Alt. 1 und § 224 I Nr. 5 die Handlung bezeichnet
• Die Handlung selbst kann genauso (lebens-)gefährlich sein
• Der Klammerzusatz bezieht die §§ 223 II, 224 II, 225 II und daher auch das Versuchsstadium mit ein, in dem es aber außer in Fällen des Zurechnungsausschlusses noch keinen Verletzungserfolg gibt.
• Auch Variante des „Quälens“ in § 225 in Bezug genommen, bei der es ebenfalls keinen Körperverletzungserfolg gibt.
Gift, § 224 I Nr. 1
Jeder anorganische oder organische Stoff, der unter bestimmten Bedingungen durch chemische oder chemisch-physikalische Wirkung nach seiner Art und der vom Täter eingesetzten Menge im konkre-ten Fall geeignet ist, die Gesundheit erheblich zu beschädigen.
Problem: § 224 I Nr. 1 bei alltäglichen Stoffen? Die Anwendbarkeit des § 224 I Nr. 1 ließe sich insoweit mit dem Argument verneinen, dass der Wortlaut einen gesundheitsschädlichen Stoff voraussetze, was bei alltäglichen Stoffen regelmäßig gerade nicht gegeben sei. Hiergegen spricht jedoch, dass auch in den anderen Fällen des § 224, v.a. bei Nr. 2, auf die konkrete Art der Verwendung abgestellt wird, was auch besondere Dispositionen des Opfers umfasst. Dies ist auch vom Wortlaut her noch möglich und ent-spricht dem Zweck der Vorschrift, besonders gefährliche Begehungsweisen, die mit einem höheren Risi-ko für das Opfer einhergehen, schärfer zu bestrafen. Schließlich zeigt auch die alte Weisheit „die Dosis macht das Gift“, dass letztlich jeder Stoff in hinreichender Menge die Gefahren verursachen kann, vor denen § 224 I Nr. 1 schützen soll
Prüfungsschema § 323c
I. Tatbestand
- Objektiver Tatbestand
a) Unglücksfall/gemeine Gefahr/gemeine Not
- Unglücksfall: Für zu schützenden Rechtsgutsträger (str.) plötzliches Ereignis, das erhebliche Gefahren für Menschen oder – zumindest nach h.M. – bedeutende Sachwerte verursacht und weiteren Schaden zu verursachen droht. Verknüpfung: Umstritten bei Suizidversuch, die h.M. bejaht dann einen Unglücksfall
- Gemeine Gefahr: Es muss konkret ein erheblicher Personen- oder Sachschaden für unbestimmt/unbestimmbar viele Personen drohen.
(Bsp.: Überschwemmung, Erdbeben)
- Gemeine Not: Notlage für die Allgemeinheit; Überschneidung mit gemeiner Gefahr (Bsp.: Ausfall der Trinkwasserversorgung)
• Umstritten ist, ob das Vorliegen der Tatsituation ex ante aus Sicht des Unterlassenden oder ex post aus objektiver Sicht zu beurteilen ist. Um das Fehlen einer Versuchsstrafbarkeit nicht zu umgehen, kann jedenfalls nicht die rein subjektive Sicht des Unterlassenden entscheidend sein; auch die Rspr. stellt deshalb wohl i.d.R. auf eine objektivier-te ex-ante-Sicht („nachträgliche Prognose“) ab
b) Unterlassen einer möglichen, erforderlichen und zumutbaren Rettungshandlung
• Erforderlichkeit: Es muss die aus ex-ante-Sicht eines verständigen Beobachters wirk-samste Hilfe geleistet werden; Bsp. (-), wenn schon anderer wirksam hilft
- Beachte: Es gibt keine örtliche Beschränkung der allgemeinen Hilfspflicht auf Personen in Nähe des Unglücksortes
- Zumutbarkeit: normatives Tatbestandsmerkmal (bei unechten Unterlassungsdelikten nur Schuldmerkmal!); verlangt Abwägung der individuell widerstreitenden Interessen, insbes. der Gefahren für den Retter und einer etwaigen Verletzung anderweitiger Rechtspflichten. Problem: Zumutbarkeit bei drohender Strafverfolgung für „Helfer“?
o (+), Tat des Helfers im Zusammenhang mit Unfall steht, arg. § 35 I 2
o (-), wenn Strafverfolgung wegen Tat droht, die nicht mit Unfall zusammenhängt, arg. Selbstbelastungsfreiheit, aber Abwägung im Einzelfall erforderlich!
o (-), wenn Strafverfolgung für Angehörigen droht, arg. §§ 52, 55 I Alt. 2 StPO (str., aA (+), da Gedanke des § 258 VI nicht erweitert werden darf)
- Subjektiver Tatbestand: Vorsatz
II. Rechtswidrigkeit
III. Schuld
Aussetzung § 221 Prüfungsschema
I. Tatbestand
- Objektiver Tatbestand
a) Tathandlung
aa) § 221 I Nr. 1: Versetzen in eine hilflose Lage
(1) Bestehen einer hilflosen Lage für eine andere Person
hilflose Lage: Situation, in der sich das Opfer nicht selbst (oder durch hilfsbereite Dritte, str.,) vor der abstrakten Gefahr des Todes / einer schweren Gesundheitsschädigung zu schützen vermag
(2) Versetzen, d.h. kausale und zurechenbare Herbeiführung dieser Lage
bb) § 221 I Nr. 2 StGB: Imstichlassen in hilfloser Lage
(1) Bestehen einer hilflosen Lage für eine andere Person
(2) Bestehen einer Obhuts- / Beistandspflicht = Garantenpflicht
(3) Tathandlung: im Stich lassen
Imstichlassen (I Nr. 2): Beistandspflichtiger entzieht sich der Beistandshandlung, obwohl er zu dieser in der Lage und sie ihm zumutbar wäre (also nicht zwingend räumliche Trennung erforderlich)
b) Dadurch (Kausalität, obj. Zurechnung): konkrete Gefahr des Todes oder einer schweren Gesund-heitsschädigung
2. Subjektiver Tatbestand: dolus eventualis
II. Rechtswidrigkeit
III. Schuld
IV. Strafzumessungsregel für minder schwere Fälle nach § 221 IV StGB
Erfordert das Versetzen eine räumliche Veränderung des Opfers?
- hM; BGH: „Versetzen“ ist die Verursachung einer hilflosen Lage auf beliebige Art und Weise. Es ist keine räumliche Veränderung des Opfers erforderlich, möglich ist auch Veränderung des Zustands des Opfers (z.B. Bewusstlosigkeit, Fesseln, Betäuben).
dafür: • Reformgesetzgeber des 6. StrRG 1998 hat bewusst in Kenntnis der Diskussion den früheren Wortlaut („aussetzt“) verändert, um Tatbestand weiter zu machen.
• „versetzen“ verlangt dem Wortlaut nach bloß einen Wirkungszusammenhangs.
• § 221 I StGB will die körperliche Unversehrtheit schützen, so dass unerheblich ist, wie diese herbeigeführt wird.
- MM: „Versetzen“ im Sinne des § 221 I Nr.1 StGB erfordert eine räumliche Veränderung.
dafür: • früherer Wortlaut („aussetzen“) findet sich weiterhin in der amtlichen Überschrift, so dass eine inhaltliche Änderung nicht beabsichtigt war
Der Zusammenhang von Tathandlung und konkreter Gefahr
- konkrete Gefahr = es hängt nur vom Zufall ab, ob Schaden (also Tod oder schwere Gesundheitsschädigung) eintritt oder nicht („gerade nochmal gut gegangen“)
- „dadurch“ = Kausalität zwischen hilfloser Lage und konkreter Gefahr (Zweiaktigkeit, d.h. Tathandlung und Gefährdung werden nach Wortlaut strikt voneinander getrennt)
- hilflose Lage und konkrete Gefahr dürfen nicht zusammenfallen, die hilflose Lage muss also eine selbständige Bedeutung erlangen („stabile Zwischenlage“), weil die hilf-lose Lage sonst keine eigene Bedeutung mehr hätte.
Bsp.: § 221 I Nr. 1 (-), wenn T dem O so auf den Kopf schlägt, dass es zum Schädelbruch mit konkreter Lebensgefahr kommt, weil sich diese dann nicht aus der hilflosen Lage entwickelt
Bsp.: § 221 I Nr. 1 (+), wenn O verletzt liegen bleibt und stark blutet und nun sich wegen des Blutens kontinuierlich die Todesgefahr „verschärft“ – hier greift auch der Schutzzweck, nämlich dass je-mand einer Gefahr hilflos ausgesetzt wird
• Str. ist, inwieweit dies auch für Nr. 2 gilt. Dagegen lässt sich anführen, dass die Hilflo-sigkeit bei Nr. 2 schon gegeben ist und nicht erst durch den Täter herbeigeführt wird. Es besteht also kein Bedürfnis danach, zusätzlich zu prüfen, ob sie nach dem Imstich-lassen eine weitere selbstständige Bedeutung erlangt (sich stabilisiert) hat. Sinnvoll ist diese Einschränkung aber auch bei der Nr. 2, wenn man sie so versteht, dass das Im-stichlassen zu einer spürbaren Verschärfung der hilflosen Lage führen muss – es darf also im Moment des Imstichlassens die konkrete Gefahr noch nicht bestehen.
Grad der körperlichen Auswirkung (§ 223)
- h.M.: Erforderlich, ist irgendeine körperliche Auswirkung; dabei wird z.T. auf die bloße „Reizung der die sinnlichen Eindrücke vermittelnden Empfindungsnerven des Zentralnervensystems“ abgestellt, vgl. z.B. LK-Lilie § 223 Rn. 8. Rein seelische Beeinträchtigungen finden allen-falls iRd § 225 StGB Beachtung („quälen“).
- Einschränkung: Sofern durch rein psychische oder seelische Belästigungen tatsächlich körperliche Verän-derungen hervorgerufen werden (z.B. Depressionen mit Schlafstörungen), muss wegen des weiten Begriffs der körperlichen Auswirkung wie immer über die Erheblichkeitsklausel ein Ausgleich geschaffen werden. Hier kommt es auf einen objektiven Maßstab an.
Fallen unbewegliche Gegenstände unter § 224 I Nr. 2 Alt. 2 StGB?
- Teile der Lit.: Ja, auch unbewegliche Gegenstände können gef. Werkzeug i.S.d. § 224 I Nr. 2 Alt. 2 sein, der nur den Einsatz eines irgendwie gearteten Gegenstandes gegen das Opfer verlangt.
dafür: • es kommt nur auf konkrete Geeignetheit an, schwere Verletzungen herbeizuführen
• (Scheinbarer) Widerspruch: Wurf in Kreissäge nicht erfasst, Wurf mit Kreissäge schon
dagegen: • Scheinbarer Widerspruch als hinnehmbare Grenze des § 224 I Nr. 2 StGB
• Alleine das Abstellen auf den Vorsatz des Täters (bewusstes Ausnutzen des Gegen-stands gegen das Opfer) kann nicht ausreichen
- Rspr. / h.Lit. Nein, nur bewegliche Gegenstände können unter § 224 I Nr. 2 Alt. 2 StGB subsumiert wer-den (aber: Flüssigkeit kann gefährliches Werkzeug sein).
dafür: • Wortlaut des § 224 I Nr. 2 Alt. 2 StGB: „Werkzeug“ impliziert die Möglichkeit des In-die-Hand-Nehmens bzw. gezielten und gelenkten Einsatzes gegen das Opfer
• Bei schweren Fällen gibt es ja noch die Möglichkeit des § 224 I Nr. 5 StGB
Gemeinschaftliche Tatbegehung, § 224 I Nr. 4
Ausgangspunkt: Es müssen mindestens zwei Personen beteiligt sein. Fraglich ist, welche Anforderungen darüber hinaus an die gemeinschaftliche Tatbegehung zu stellen sind.
- Mittäterschaftstheorie
§ 224 I Nr. 4 StGB ist nur verwirklicht, wenn mindestens zwei Personen die Körperverlet-zung mittäterschaftlich begehen (und dabei am Tatort anwesend sind).
dafür: • Wortlaut: „gemeinschaftlich“ erinnert an § 25 II; „Begehung“ nur durch Täter möglich;
- erhöhte Gefährlichkeit erst bei mittäterschaftlichem Zusammenwirken am Tatort
- erhöhter Strafrahmen erfordert restriktive Auslegung
dagegen: • erhöhte Gefährlichkeit kann auch bei bloßem Teilnahmeverhältnis bestehen, rechtliche Einordnung des Tatbeitrags nicht vorrangig an Gefährlichkeit orientiert
• restriktive Auslegung darf nicht zu Lasten des Opferschutzes gehen
- Mittäterschaftsneutrale Gefährlichkeitstheorie (hM, Rspr)
§ 224 I Nr. 4 StGB ist verwirklicht, wenn ein Täter die Körperverletzung zusammen mit ei-nem Teilnehmer begeht, der allerdings am Tatort anwesend und zum aktiven Eingreifen bereit sein muss, da nur dann eine erhöhte Gefährlichkeit für das Opfer besteht.
dafür: • Wortlaut: „mit einem anderen Beteiligten“ spricht für Einbezug der Teilnahme, vgl. Definition in § 28 II StGB
- „gemeinschaftlich“ im Sinne des § 224 I Nr.4 StGB deutet nur auf das erforderliche Zusammenwirken am Tatort hin
- Intention des § 224 I Nr.4 StGB ist, einen höheren Strafrahmen zu bieten, wenn sich das Opfer mehreren Angreifern ausgeliefert sieht; auf eine exakte – oft unklare – Ab-grenzung nach Täterschaft / Teilnahme kann es für das Opfer deshalb nicht ankommen.
- erhöhte Gefährlichkeit kann auch bei bloßer Teilnahme vorliegen
dagegen: • Opferschutz darf nicht zu einer unverhältnismäßig hohen Bestrafung führen; Strafrah-men des § 223 genügt für angemessene Bestrafung
• Bei den Teilnahmeformen Anstiftung und psychischer Beihilfe ist § 224 I Nr.4 StGB ohnehin nur schwer denkbar, da gemeinschaftliches Handeln am Tatort erforderlich ist
Art der Lebensgefahr bei § 224 I 1 Nr. 5
Ausgangspunkt: Erforderlich ist zunächst eine Körperverletzungshandlung, welche in sich eine Lebensge-fahr für das Opfer birgt. Nicht erforderlich ist nach allen Ansichten ein Körperverletzungs-erfolg (anders bei Erfolgsqualifikationen die – nicht herrschende – Letalitätstheorie).
- Abstrakte Lebensgefahr (hM/Rspr) Verlangt wird eine abstrakte Lebensgefahr insofern, als die Begehungsweise der Körperver-letzung nach den Umständen des konkreten Falles objektiv generell geeignet sein muss, das Leben des Opfers zu gefährden. Eine tatsächliche, konkrete Lebensgefahr ist nicht er-forderlich, vielmehr handelt es sich bei § 224 I Nr. 5 StGB um ein „Eignungsdelikt“.
(Im subjektiven Tatbestand ist nach dieser Ansicht erforderlich, dass der Täter erkennt, eine generelle Gefahr für das Leben seines Opfers zu begründen.)
dafür: • Wortlaut: „das Leben gefährdende Behandlung“ = abstrakte gefährliche Handlung
- Die Straferhöhung des § 224 StGB knüpft insgesamt nicht an tatsächliche Folgen an, sondern nur an die erhöhte Gefahr
- Bei Erfordernis einer konkreten Gefahr ist die Abgrenzung zu §§ 212, 22, 23 I StGB nicht sinnvoll möglich
- Konkrete Lebensgefahr (teilweise Lit.) Die Begehungsweise der Körperverletzung muss für das Opfer eine ganz konkrete Lebens-gefahr herbeiführen, d.h. der Eintritt des Todes darf nur noch vom Zufall abhängig gewesen sein. Die bloß abstrakte Gefährlichkeit reicht nicht aus.
dafür: • Erhöhte Strafdrohung bei nur abstrakter Gefahr nicht gerechtfertigt
• Vergleich zu anderen Alternativen des § 224, bei denen konkrete Gefahr verlangt wird.
dagegen: • Wortlaut: konkrete Gefahr gerade nicht erforderlich
• Im subjektiven Tatbestand fordert die strengere Ansicht, dass der Täter die konkrete Lebensgefahr herbeiführen will, bzw. sich ihrer bewusst ist. Dies führt zu massiven Ab-grenzungsproblemen zu §§ 212, 22, 23 StGB (bedingter Tötungsvorsatz).
§ 226 I Nr. 1
- Qualifikationsmerkmal ist der Verlust bestimmter Körperfunktionen, worunter eine dauernde Beeinträchtigung zu verstehen ist, d.h., es darf sich nicht um eine vorübergehende Einschränkung handeln, welche ggf. operativ beseitigt werden kann, solange eine solche Operation zumutbar ist. Nicht erforderlich: totaler Verlust der betreffenden Fähigkeit. Irrelevant ist die Ersetzbarkeit durch Prothesen (z.B. Sehhilfen).
- Sehvermögen: Opfer muss nicht vollständig erblinden, ausreichend, wenn die Fähigkeit (nahezu) verloren geht, Gegenstände als solche zu erkennen. Ausreichend, wenn Opfer „nur“ ein Auge verliert, auch wenn verbleibendes gesund ist. Ob eine geringe Sehfähigkeit von ca. 10% bleibt, ist irrelevant (weitestgehender Verlust).
- Hörvermögen: Taubheit auf einem Ohr genügt nicht. Genauso dürfte jedoch der Fall behandelt werden, dass das Hörvermögen insgesamt auf ca. 10% vermindert wird.
- Sprechvermögen: Ein bloßes Stottern genügt nicht, wenn insgesamt noch verständig kommuniziert werden kann. Umgekehrt ist ein völliges Verstummen nicht erforderlich.
- Fortpflanzungsfähigkeit: Männliche Fähigkeit, ein Kind zu zeugen, wobei bereits Kinder erfasst sind, bei denen sie angelegt ist, weibliche Fähigkeit, ein Kind zu gebären
§ 226 I Nr. 2: Verlust wichtiger Körperglieder
• Zentrales Merkmal der Nr. 2 ist das des Körperglieds. Hierzu zählen jedenfalls alle Teile des Körpers, die eine eigene Funktion besitzen und mit dem Rest des Körpers durch ein Gelenk verbunden sind. Ob z.B. auch Organe darunter fallen, ist str.
* Problem: Wie wird die Wichtigkeit eines Körpergliedes bestimmt?
Ein Körperglied ist wichtig, wenn es für das Leben jedes Menschen von erheblicher Bedeutung ist. (Bsp.: Hand, Fuß) Str. ist, ob daneben die individuellen Verhältnisse des Opfers (Bsp.: Linkshänder) berücksichtigt werden müssen.
- e.A.: Individuelle Verhältnisse des Opfers (v.a. Beruf) beachtlich
dafür: • Berufs-Geiger trifft Verlust des kleinen Fingers viel mehr als Durchschnittsbürger.
- a.A.: Individuelle Verhältnisse des Opfers spielen keine Rolle
dafür: • Wortlaut knüpft nicht an individuelle Verhältnisse an
- Vermittelnde Ansicht: Individuelle Körpereigenschaften (z.B. Linkshänder) sind zu be-rücksichtigen, außerkörperliche Umstände (zB Beruf) nicht (BGHSt 51, 252 = NJW 2007, 1988, vgl. hierzu ausführlich Jesse NStZ 2008, 605).
dagegen: • individuelle Eigenschaften fallen schon unter die allgemeine Wichtigkeit
• Verlust i.S.d. § 226 I Nr.2 StGB ist die dauerhafte physische Lostrennung vom Körper. Künstliche Surrogate (Prothesen, etc.) ändern nichts am Verlust, selbst, wenn sie die ursprüngliche Körperfunktion nahezu wieder herstellen.
• Gleich gestellt ist dem Verlust die dauerhafte Gebrauchsunfähigkeit. Fraglich ist, wie diese von einer dauernden Gebrauchs- oder Funktionsbeeinträchtigung abzugrenzen ist. Kriterium: „Anzahl“ der ausgefallenen Funktionen, Beispiel:
o Versteifung eines Fingerkuppengelenks: bloße Funktionsbeeinträchtigung
o Versteifung aller drei Fingergelenke: Finger kann nicht mehr in ursprünglicher Funktion benutzt werden, faktisch Wirkung eines physischen Verlustes.
§ 226 I Nr. 3 StGB
• Eine Person ist in erheblicher Weise dauernd entstellt, wenn ihre äußere Gesamterscheinung in ihrer ästhetischen Wirkung derart verändert ist, dass auf Dauer starke psychische Nachteile im Verkehr mit der Umwelt zu erwarten sind. Dauerhaft ist die Entstellung, wenn sie endgültig oder für unbestimmt langen Zeitraum wirkt.
o muss nicht ständig sichtbar sein (was aber i.R.d. Erheblichkeit eine Rolle spielt)
o (-), wenn zumutbare medizinische oder kosmetische Korrekturmöglichkeiten be-stehen; ob die Korrekturen tatsächlich vorgenommen werden, ist egal (arg.: Straf-barkeit des Täters darf nicht vom Opferverhalten abhängig gemacht werden)
- Siechtum: chronischer Krankheitszustand, der den Gesamtorganismus in Mitleiden-schaft zieht und allgemeine Hinfälligkeit zur Folge hat. Diese Variante kann z.B. bei ei-ner Infektion mit dem HI-Virus vorkommen.
- Lähmung: erhebliche Beeinträchtigung der bestimmungsgemäßen Bewegungsfähig-keit eines Körperteils. Überschneidungen bestehen mit § 226 I Nr. 2 Alt. 2; maßgeblich ist für die Nr. 3, dass keine vollständige Bewegungsunfähigkeit eines wichtigen Kör-pergliedes erforderlich ist (so aber Nr. 2), dafür muss sich Lähmung auf Bewegungsfähigkeit des ganzen Körpers auswirken.
Bsp.: versteiftes Hüftgelenk, so dass nur mit Krücken gegangen werden kann.
- Geistige Krankheit / Behinderung: Eine geistige Krankheit besteht u.a. bei exogenen und endogenen Psychosen. Der Begriff ist jedoch weiter als der der krankhaften seelischen Störung in § 20, bezieht vielmehr auch das 3. und 4. der dortigen Eingangs-merkmale ein. Von § 226 I Nr. 3 Alt. 4 umfasst sind nach h.M. aber nur geistige Behinderungen und nicht allgemein Behinderungen, da die Aufzählung der übrigen „Behin-derungen“ des § 226 sonst überflüssig wäre
- Verfallen: Krankheitszustand, der für längere Zeit besteht und dessen Heilungszeitpunkt – auch wenn er wahrscheinlich ist – sich nicht bestimmen lässt.
Aufbauschema § 231 StGB
I. Tatbestand
- Objektiver Tatbestand
a) Vorliegen einer Schlägerei oder eines von mehreren verübten Angriffs an der / dem
b) der Täter sich beteiligt - Subjektiver Tatbestand: Vorsatz bezüglich des objektiven Tatbestandes
- Tatbestandsannex = Objektive Bedingung der Strafbarkeit
a) Eintritt einer schweren Folge (Tod oder eine Folge des § 226 I StGB)
b) Verursachung durch die Schlägerei / den Angriff
II. Rechtswidrigkeit
Hier speziell: § 231 II StGB
III. Schuld
Hier speziell: § 231 II StGB
Beteiligung an einer Schlägerei / von mehreren verübtem Angriff
Eine Schlägerei ist ein in gegenseitige Körperverletzungen ausartender Streit zwischen mindestens drei Personen.
o Hierbei werden diejenigen „Beteiligten“ nicht berücksichtigt, die zwar am Geschehen mitwirken, aber nur in reiner Schutzwehr (§ 32) tätig werden oder die Situati-on abzuwiegeln versuchen. Sehr wohl „beteiligt“ ist nach h.M., wer trotz Notwehrlage zum Ausweichen verpflichtet ist, etwa in Provokationsfällen.
o Neueste BGH-Rechtsprechung (NStZ 2014, 147): Die für eine Schlägerei erforder-lichen wechselseitigen Tätlichkeiten zwischen mehr als zwei Personen müssen nicht gleichzeitig begangen werden. Für eine Schlägerei kann es genügen, dass nacheinander jeweils nur zwei Personen gleichzeitig wechselseitige Tätlichkeiten verüben. Dafür muss zwischen diesen Vorgängen aber ein so enger innerer Zu-sammenhang bestehen, dass sie nicht in einzelne „Zweikämpfe“ getrennt werden können und ein einheitliches Gesamtgeschehen mit mehr als zwei aktiv Beteiligten vorliegt. Allerdings liegt keine Schlägerei mehr vor, wenn sich so viele Beteiligte entfernen, dass nur noch zwei Personen verbleiben, die gegeneinander tätlich sind.
• Die zweite Tatbestandsalternative ist ein von mehreren verübter Angriff; hierunter ist eine feindselige, unmittelbar auf den Körper eines anderen abzielende Einwirkung von mindestens zwei Personen zu verstehen.
o Erforderlich ist dabei die Einheitlichkeit des Angriffs, des Angriffsgegenstandes und des Angriffswillens
o Nicht erforderlich ist das Vorliegen von Mittäterschaft oder von Tätlichkeiten (ins-besondere: Körperverletzung des Opfers), auch die bloße Verfolgung eines Opfers ist ausreichend (d. h. in den tödlich endenden „Verfolgerfällen“ wie dem Gubener Hetzjagdfall (BGHSt 48, 34) ist neben § 227 immer auch an § 231 zu denken!)
• Beteiligt ist, wer am Tatort anwesend ist und auf Körperverletzungen ausgerichtete Handlungen vornimmt,
Bsp.: psychische Mitwirkung durch Anfeuern bei einer Schlägerei (mit mindestens drei aktiv Beteiligten)