Klassifikationssysteme psychischer Störungen ICD-11 & DSM-5 Flashcards

1
Q

Klassifikationssysteme

A

Warum brauchen wir Klassifikationssysteme? Wir brauchen international vergleichbare Kriterien & einheitliche Nomenklatur, z.B. für Versicherungen.

ICD-11: Im Moment Übergangsphase von ICD-10 zu 11. Seit 2018. International Classification of Disease der WHO. Internationale Klassifikation ALLER Krankheiten, psychische Störungen nur ein TEILBEREICH.

DSM-5: Seit 2013. Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders der APA. NUR psychische Störungen.

HAUPTUNTERSCHIED: DSM ist PRÄZISER! Hat genauere diagnostische Kriterien & stärkere OPERATIONALISIERUNG (mehr Subtypisierungen). ICD ist schwammig, hat sich aber nach und nach dem DSM angeglichen. Forschung: weltweit mit DSM-Klassifikation. Klinische Praxis: mehrheitlich ICD.

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2
Q

Grundlagen und Ziele von Klassifikationssystemen (DSM & ICD)

A
  • Schaffung DESKRIPTIVER diagnostischer Kriterien
  • OBJEKTIVE & RELIABLE Klassifikation durch OPERATIONALE Kriterien
  • Ausschliessliche Orientierung auf Symptomatik bzw. Phänomenologie->DESKRIPTIV, darum ATHEORETISCH (nicht theoretisch, nicht ätiologisch informiert (nicht in Bezug auf Ursachen), keine Theorie zugrunde liegend, Störungen sind rein deskriptiv!)
  • REDUKTION DER KOMPLEXITÄT klinischer Phänomene (einfacher mit Label, einfacher zu sagen jemand hat Depression, als alle Symptome aufzuzählen. Erleichtert Kommunikation)
  • Verbesserung der KOMMUNIKATION zwischen Klinikern
  • Grundlage für Behandlungsmassnahmen & Prognosen (ist aber schwierig)
  • Juristisch, insb. versicherungsrechtlich relevant
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3
Q

Prinzip/Form von Klassifikationssystemen (DSM & ICD)

A

KATEGORIAL-POLYTHETISCH, FORMALE OPERATIONALE KRITERIEN.
z.B.
- Mind. 4 der 7 Symptome, wovon 1 zwingend S1 oder S2,
- Dauer/Verlauf mind. seit 4 Wochen bestehend, symptomfreie Phasen nicht länger als 2 Tage,
- signifikante (Signifikanz im subjektiven Sinn, nicht im statistischen!) psychosoziale Beeinträchtigung oder ausgeprägter Leidensdruck (Bei Störungen ohne Leidensdruck braucht es psychosoziale Beeinträchtigung, z.B. Persönlichkeitsstörungen. Hiermit ist auch Beeinträchtigung des Umfelds gemeint bzw. Beeinträchtigung der Person im Umfeld, z.B. Niemand will mit ihr arbeiten, sie gefährdet andere, was zu Führerausweisentzug führt),
- nicht besser erklärt durch Störung XY (Störungen sind hierarchisch angeordnet. Somatische kommen meist vor psychischen. z.B. psychotische Phänomene, die substanzbedingt sind, da darf man keine akut psychotische Störung diagnostizieren).

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4
Q

Problem bei klinischen Diagnosen

A
  • Eine Diagnose ist dichotom (man hat sie oder man hat sie nicht), Konstrukte sind aber ein Kontinuum. Es wird also für die Diagnose ein willkürlicher Schwellenwert festgelegt, z.B. 5/10 Symptome.
  • Problem: Die formale Definition ist stets willkürlich, sie beruht nicht auf stringenter Evidenz und wissenschaftlichen Befunden, sondern ist ein Konsensentscheid (=Kompromiss) innerhalb zuständiger Arbeitsgruppe mit vielfältigen soziopolitischen Interessen!
  • Dichotomisierung=binäre Kategorisierung in “Diagnose nicht vorhanden”=gesund vs. “Diagnose vorhanden”=krank.
  • Gefahr: Person B und C sind sich sehr ähnlich, aber B wird für gesund erklärt und C für gestört. z.B. bei Depression sieht man beiden vlt keinen Unterschied an. Be Revisierungen der Diagnosekriterien kann es passieren, dass B plötzlich auch als gestört gilt von heute auf morgen.
  • Die grösste Gruppe, die Hausärzte mit Depression diagnostizieren, erfüllen nicht genug Kriterien eigentlich, aber werden diagnostiziert, damit sie Hilfe erhalten, auch wenn nur 5/10 anstatt 6/10 Kriterien erfüllt.
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5
Q

Kritik an Klassifikationssystemen (DSM & ICD)

A
  • aus gesundheitspolitischer & humanitärer Perspektive: “Diagnostische Inflation”: Hinzunahme immer weiterer, auch subklinischer Diagnosen, Herabsetzung diagnostischer Schwellenwerte, Medikalisierung, Überdiagnostik, Überbehandlung->normales Verhalten wird pathologisiert! DSM-I 106 Diagnosen, DSM-V über 300! Nur weil es viele haben, heisst es aber nicht, dass es keine Störung ist, sonst wäre Grippe auch keine Krankheit mehr.
  • aus methodischer & inhaltlich-konzeptueller Perspektive: ungenügende Validität & Reliabilität! Denn:
    nicht evidenz-basiert, rein deskriptiv, atheoretisch.
    Probleme mit Komorbidität (wünschenswert wäre, dass eine Diagnose eine Person klar beschreibt, oftmals erfüllt man aber Symptome für mehrere Störungen, Diagnose nicht sehr spezifisch), Heterogenität (zwei Personen mit gleicher Störung können sehr unterschiedliche Symptome haben, wenn man nur 4/9 braucht kann es sein, dass sie kein einziges Symptom gemeinsam haben) & Restdiagnosen.
    Keine stringente & präzise Definition, was psychische Störungen eigentlich sind! Weder im ICD noch im DSM. Soziale Devianz vs. individuelles Leid vs. statistische Norm vs. evolutionsbiologische Dysfunktion.
    DSM sind Konstrukte, keine Krankheiten! Sie sind rein beschreibend, nicht erklärend. Clinically useful, when used carefully, sagt DSM-IV-Gründer, zirkulär, erklären nichts.
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