Kartellrecht Flashcards
Privatrechtlicher Schadensersatzanspruch, § 33a I GWB
I. Verstoß nach § 33 I GWB
1. Verstoß gegen Art. 101 AEUV
- durch konkretes Verhalten
a) Eignung zur spürbaren Beeinträchtigung des zwischenstaatl. Handels
b) Unternehmen
= jede wirtschaftliche Tätigkeit ausübende Einheit unabhängig von ihrer Rechtsform, einer etwaigen Gewinnerzielungsabsicht, dem Umfang der Tätigkeit oder der Art ihrer Finanzierung; „wirtschaftlich“ ist jede Tätigkeit, die darauf ausgerichtet ist, Güter oder Dienstleistungen auf einem bestimmten Markt anzubieten oder nachzufragen
c) Vereinbarung
- weite Auslegung des Begriffs im Sinne eines gemeinsamen Willens, sich auf dem Markt in bestimmter Weise zu verhalten; ob eine rechtliche oder bloß tatsächliche Bindung beabsichtigt ist, ist nicht von Bedeutung
hier:
d) bezweckte/bewirkte Wettbewerbsbeschränkung
aa) bezweckte Wettbewerbsbeschränkung
- Bsp.: Regelbeispiel: Art. 101 I lit. AEUV: Einschränkung/Kontrolle des Absatzes
- bei vertikalen Beschränkungen genügt bloße Beschränkung der Handlungsfreiheit nicht (Selbstständigkeitspostulat als alleiniger Maßstab ungeeignet)
- aber: zugelassene Vertriebshändler werden in ihren Absatzmöglichkeiten über das Internet beschränkt
- objektive Tendenz der Beschränkung des intra-brand-Wettbewerbs hinsichtlich der Vertriebscharakteristika und der Erschwerung des Marktzutritts für Händler (Preisvergleichsportale günstige/einfach Möglichkeit für Markteintritt)
bb) Ausnahme: Zulässige Beschränkungen iRd Selektivvertriebs
- legitime Bedürfnisse können ggf. Einschränkungen des intra-brand-Wettbewerbs zugunsten eines intensiveren inter-brand-Wettbewerbs rechtfertigen -> dann Wettbewerbsbeschränkung (-)
- Voraussetzungen nach Rspr. des EuGH (kumulativ):
(1) legitimes Ziel
- grds. muss Selektivvetriebssystem Wahrung der Qualität der Erzeugnisse bzw. der Gewährleistung ihres richtigen Gebrauchs dienen
- Aufbau bzw. Erhaltung eines bestimmten Images mögliche legitimes Ziel zur Rechtfertigung selektiven Vertriebs? Anders: Umfasst Qualität der Erzeugnisse iSd EuGH-Rspr. auch unbeschädigtes Image?
-> contra: starke Markenimages führen zu Marktmacht und errichten Marktzutrittsschranken -> Wettbewerbshemmnis
-> pro: Markenimages lösen u.U. sog. market for lemons-Problem (Reputationsschutz kann Marktversagen verhindern)
- Gefahr eines market for Lemons?
- Bspw. Uhren = Erfahrungsgüter (Qualität zeigt sich erst nach Kauf und längerem Gebrauch)
- Strategie als legitime Lösung des Problems? -> Investition in Werbung, von Investitionen in Imageaufbau kann grds. verlässliches Qualitätssignal ausgehen, das Marktversagen entgegenwirkt -> hier: allenfalls mittelmäßige Verarbeitungsqualität der Uhren -> Verlässlichkeit des Qualitätssignals im konkreten Fall nicht gegeben!
- market for lemons-Situation kann Schutzwürdigkeit der Inventionen des H nicht begründen
- Markenimages können echte psychologische Bedürfnisse befriedigen: Image als wesentlicher Produktbestandteil und Mittel zur Produktdifferenzierung; auch Befriedigung solcher Bedürfnisse kann grds. selektiven Vertrieb erfordern: Händlern selbst fehlen entsprechende Investitionsanreize, weil Investitionen allen Händlern zugute kämen (Trittbrettfahrer-Problem)
- Werbeansprache zielt auf Verkauf eines Lebensgefühls ab, gerade beim Produkt Uhr ist das plausibel: typischerweise nicht nur Zeitmesser, sondern auch modisches Accessoire, moderater Preis der Uhren im Vergleich zu teuren Luxusuhren steht Schutzbedürftigkeit nicht entgegen -> H will kein Luxusimage aufbauen, sondern urbanes Lebensgefühl transportieren, mittelmäßige Qualität steht ebenfalls nicht entgegen; in einer freien Wettbewerbsordnung ist Produktdifferenzierung erwünscht -> gleichauf mit europäischer Rspr. zum Markenrecht, die einen Schutz vor Rufausbeutung anerkennt
(2) Auswahl anhand objektiver Kriterien qualitativer Natur, die diskriminierungsfrei angewandt werden
- Bsp.: (+) Unterstützung von Preisvergleichsportalen ist objektiv überprüfbares, qualitatives Kriterium; Verbot gilt gegenüber
(3) Kriterien dürfen nicht über das Erforderliche hinausgehen (Verhältnismäßigkeit)
a) Geeignetheit
- Bsp.: Verbot zumindest förderlich, denn es verhindert, dass Uhren auf Plattformen erscheinen, die kein dem Image dienliches visuelles Umfeld bieten (z.B. weil viele Portale nicht für mobile Endgeräte optimiert sind etc.)
b) Erforderlichkeit
- Verbot der Unterstützung von Preisvergleichsseiten bleibt deutlich hinter einem - eindeutig unzulässigen - Pauschalverbot des Internetvertriebs zurück
- andererseits kein nach Rspr. des EuGH und deutscher Gerichte grds. zulässiges Verbot der Einschaltung von Drittverkaufsplattformen wie Amazon Marketplace oder eBay
e) Spürbarkeit
- bei bezweckten Beschränkungen stets gegeben (Expedia-Rspr. des EuGH)
f) Freistellung gem. Art. 101 Abs. 3 AEUV
- Verstoß gegen § 1 GWB
- grds. § 1 GWB neben Art. 101 AEUV anwendbar (Art. 3 Abs. 1 VO 1/2003)
- Art. 3 Abs. 2 VO 1/2003 regelt nur Konstellation, in der Vereinbarung nicht nach Art. 101 AEUV verboten ist, sagt aber nicht umgekehrt, dass eine nach Art. 101 AEUV verbotene Vereinbarung stets auch nach § 1 GWB verboten sein muss
- wegen der im Wesentlichen gleichen Wortlaute des § 1 GWB und des Art. 101 AEUV ist auch ein Verstoß gegen § 1 GWB zu bejahen
II. Aktivlegitimation
- gem. § 33a I iVm § 33 I, III GWB jeder Betroffene, d.h. jeder, der als Mitbewerber oder sonstiger Marktbeteiligter durch den Verstoß beeinträchtigt ist
- Bsp. E ist „sonstiger Marktbeteiligter iSd § 33 III Alt. 2 GWB und vom Unterstützungsverbot unmittelbar in seiner Freiheit als Händler beeinträchtigt
-> hängt hier davon ab, ob Uhren auch im Eigenvertrieb verkauft wurden. Merkmal der Betroffenheit verliert zunehmend an eigenständiger Bedeutung - Teil des Schrifttums will es ganz ignorieren!
-> Versagung des Anspruchs wegen eigener Beteiligung am Verstoß?
EU: Ausschluss des Schadensersatzanspruchs zulasten von Personen, die erheblichen Beitrag Verstoß leisten grds. zulässig (unclean hands-Einwand) (Courage)
DE: kein pauschaler Anspruchsausschluss, sondern Gewährung bei derartigen Konstellationen allenfalls Mitverschuldenseinwand gem. § 254 Abs. 1 BGB
III. Passivlegitimation
IV. Vorsatz oder Fahrlässigkeit
- Fahrlässigkeit iSd § 276 II BGB -> Verzicht auf Einholung von Rechtsrat
V. Kausaler Schaden
- Naturalrestitution gem. §§ 249 I, 252 S. 1 BGB
- aufgrund des Unterstützungsverbots hat E weniger Uhren verkauft und 10000 € weniger eingenommen
- allerdings beruht Befolgung des Verbots auf freiwilligem Entschluss -> Ausschluss der Zurechnung?
-> Fallgruppe der psychisch vermittelten Kausalität („Herausforderungsfall“)
-> wegen des wirtschaftlichen Drucks, der auf ihm lastete, durfte E sich herausgefordert fühlen
-> Zurechnung (+)
- Anspruchskürzung gem. § 254 I BGB wegen Mitverschuldens
-> s. Zurechnung
Unternehmen (u.a. Art. 101 AEUV)
jede wirtschaftliche Tätigkeit ausübende Einheit unabhängig von ihrer Rechtsform, einer etwaigen Gewinnerzielungsabsicht, dem Umfang der Tätigkeit oder der Art ihrer Finanzierung; „wirtschaftlich“ ist jede Tätigkeit, die darauf ausgerichtet ist, Güter oder Dienstleistungen auf einem bestimmten Markt anzubieten oder nachzufragen
Art. 101 AEUV Schema
I. Unternehmen
= jede wirtschaftlich selbstständige Einheit, die weder rein privat noch hoheitlich handelt
- mind. zwei (= Unternehmensvereinigung)
II. Vereinbarung oder abgestimmte Verhaltensweise
1. Vereinbarung
- alle vertikalen/horizontalen Absprachen mit Bindungswillen, auf allg. Zwang-/Drucksituation kommt es nicht an
2. aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen
= konkludent gemeinschaftlicher Wille, kausales Marktverhalten
≠ paralleles Marktverhalten (nicht erfasst!)
III. Wettbewerbsbeschränkung
- Kernbeschränkung (hardcore restrictions)
- bezweckte Wettbewerbsbeschränkung (restriction by object)
- Wettbewerbsschädlichkeit der Vereinbarung „schon ihrer Natur nach“
- Hinreichende Beeinträchtigung des Wettbewerbs - bewirkte Wettbewerbsbeschränkung (restriction by effect
IV. Spürbarkeit
- bei bezweckt/hardcore-Kartelle vermutet
- De-minimis-Bekanntmachung
- Vereinbarungen von geringer Bedeutung, die im Sinne des Art. 101 Abs. 1 AEUV den Wettbewerb nicht spürbar beschränken
- bei horizontalen Vereinbarungen: gemeinsam mehr als 10 % Marktanteil - bei vertikalen Verhältnissen: 15 % Marktanteil d. Beteiligten
V. Beeinträchtigung d. zwischenstaatlichen Handels
- grds. alle Fälle, die unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potenziell Handel beeinträchtigen können
- rein innerstaatliche Fälle daher nicht abgedeckt
- Abstrakte Eignung reicht (Möglichkeit der Marktabschottung)
- Spürbarkeit der Zwischenstaatlichkeit
- Regelfall, jedoch nicht geeignet, wenn:
- gemeinsamer Anteil auf keinem Markt 5 % überschreitet
- 40 Mio. Gesamtumsatz
VI. ungeschriebene Einschränkungen zum Kartellverbot
1. Rule of reason: Verbesserung des Wettbewerbs durch die Handlung (Gesamtwohlfahrtsgedanke)
2. Immanenztheorie: Für Vertragserfolg zulässige + notwendige Wettbewerbsbeschränkung (Franchising) -> s. § 2 GWB
VI. keine Freistellung gem. Art. 101 Abs. 3 AEUV/ GVO
1. Verbesserung der Warenerzeugung
2. angemessene Beteiligung d. Verbraucher
3. Beschränkung geht nicht über Ziel hinaus (Erforderlichkeit)
4. Beschränkung eröffnet nicht die Möglichkeit, den Wettbewerb auszuschalten
VII. Ergebnis
Art. 101 AEUV Schema (kurz)
I. Unternehmen
II. Vereinbarung oder abgestimmte Verhaltensweise
III. Bezweckte/bewirkte Wettbewerbsbeschränkung
IV. Spürbarkeit
V. Beeinträchtigung d. zwischenstaatlichen Handels
VI. keine Freistellung gem. Art. 101 Abs. 3 AEUV
VII. Ergebnis
Wettbewerbsbeschränkung
horizontal: Unternehmen auf derselben Wirtschaftsstufe
vertikal: Unternehmen auf verschiedenen Wirtschaftsstufen
interbrand + intrabrand
interbrand: Wettbewerb zwischen verschiedenen Herstellern
intrabrand: Wettbewerb zwischen verschiedenen Vertriebshändlern
Schranken der Wettbewerbsbeschränkung (u.a.) (Teil 1)
notwendige Nebenabreden (ancillary restraints): - funktionsnotwendig, um kartellrechtsneutralen Zweck zu verwirklichen (Bsp.: Unternehmenskaufverträge, Franchiseverträge)
selektiver Vertrieb (-> Coty):
- Auswahl Wiederverkäufer nach obj. Kriterien qualitativer Art, insb. fachliche Eignung des Personals + sachliche Ausstattung
- einheitliche, nichtdiskriminierende Anwendung der Kriterien
- notwendig + verhältnismäßig in Bezug auf das betreffende Produkt
konzerninterne Wettbewerbsbeschränkung:
- Verbot entzogen, wenn Muttergesellschaft beherrschenden Einfluss ausübt + daher Weisungen entscheiden kann (zumindest Mehrheitsbeteiligung, 100 %ige Kontrolle begründet Vermutung)
- wirtschaftliche Einheit
- Handelsvertreter als unselbstständige Hilfspersonen aufgrund der Eingliederung in das Unternehmen
Schranken der Wettbewerbsbeschränkung (u.a.) (Teil 2)
Spürbarkeit der Wettbewerbsbeschränkung:
- ungeschriebenes TB-Merkmal
- Wettbewerbsbeschränkung setzt Eignung voraus, Marktverhältnisse spürbar zu beeinflussen
- de-minimis-Regel
- besonders geringe Marktanteile schließen Wettbewerbsbeschränkungen aus
- Gesamtbetrachtung der Auswirkungen auf den Markt
- wenn mehrere gleichartige Vereinbarungen nebeneinander auf dem Markt, sind Auswirkungen in ihrer Gesamtheit zu berücksichtigen
- “Bündeltheorie”
Konkretisierung:
- horizontale Vereinbarungen: gemeinsamer Marktanteil nicht mehr als 10 %
- vertikale Vereinbarung -> Marktanteil auf beiden Stufen nicht mehr als 15 %
- gilt nicht bei bezweckt
bezweckte Wettbewerbsbeschränkung
- objektiv geeignet, Beeinträchtigung des Wettbewerbs herbeizuführen
- ihrem Wesen nach schädlich für Wettbewerb
- wenn objektiv sicher, dass bereits nach Zweck schädlich für Wettbewerb, muss Auswirkung auftun Markt nicht mehr geprüft werden (-> Expedia)
- > daher kommt es nicht auf Spürbarkeit an
hardcore restrictions (immer bezweckt!): horizontale Absprachen: - Festsetzung Preise + Mengen - Gebiets-/ Kundenaufteilung - kollektiver Boykott
vertikale Absprachen:
- vertikale Mindestpreisbindung
- Export-/Importverbote (Embargo)
- Verbot des passiven Verkaufs in andere Gebiete
- allg. Ausschluss d. Internetvertriebs (nicht aber Ausschluss d. Vertriebs über Drittplattformen -> Coty)
bewirkte Wettbewerbsbeschränkung
- > setzt Analyse ihrer Auswirkungen auf den Markt voraus
- tatsächliche und potenzielle Auswirkungen
- Beweislast beim Kläger/Wettbewerbsbehörde
Chicago School
Wettbewerb = Zustand, in dem Gesamtwohlfahrt optimiert. Antitrust-Recht soll Marktergebnis gewährleisten. Für jedes Verhalten typisierte Betrachtung, ob Effizienzvorteile oder -nachteile überwiegen.
more economic approach (“post Chicago”)
Ziel des Wettbewerbsrechts: Steigerung Gesamt-/Verbraucherwohlfahrt. Einzelfallbetrachtung. Vor-/Nachteile im konkreten Fall? Consumer harm?
internationale Anwendbarkeit des EU-Kartellrechts?
Auswirkungs-/Durchführungsprinzip
- konkrete Gefahr von Auswirkungen reicht bereits aus
Def.: Unternehmen
jede eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübende Einheit
Einseitige Verhaltensweise vs. Konzertierung
Einseitige Verhaltensweise vs. Konzertierung (= Gleichschaltung, Abstimmung) des Verhaltens