Internationales Privatrecht I - 2 Flashcards
Transnationales Privatrecht i.w.S. vs. i.e.S.
- alles materiellrechtlich
- Sachrecht
Transnationales Privatrecht i.w.S.
= “vereinheitlichter, übernationaler Regulierungsrahmen für grenzüberschreitende Rechtsbeziehungen, mit dem Ziel der Vermeidung klassischer kollisionsrechtlicher Fragen, wobei die Urheber, Akteure und die Rechtsnatur ganz unterschiedlich sein können (z.B. völkerrechtliche Verträge, private Initiativen, hard law, soft law etc.)”
Transnationales Privatrecht i.e.S.
= “weder nationale noch völkerrechtliche noch supranationale Regulierung bzw. Standardsetzung, die vorwiegend auf allg. Grundsätzen und etablierten Handelspraktiken beruht und primär von privaten Akteuren entwickelt und durchgesetzt wird («rein private Regulierung», z.B. ICANN, Incoterms®, lex mercatoria, lex sportiva, [z.B. UNCITRAL-]Modellgesetze, aber auch ISO-Normen, IFRS-Rechnungslegungsstandards etc.)”
Internationales Privatrecht
Begriff
- privatrechtliche Sachverhalte mit relevantem Auslandsbezug (IPRG 1 I)
- Metarecht; nicht: Sachrecht
- Hauptaufgabe; Bestimmung der adäquaten Rechtsordnung für Beantwortung privatrechtlicher Rechtsfrage
- Selektionsfunktion
IPR i.w.S. vs. IPR i.e.S.
IPR i.e.S.
Hauptaufgabe:
- Bestimmung des anwendbaren Rechts in Sachverhalten mit relevanter Auslandsberührung
IZVR
Hauptaufgabe:
- Bestimmung der int. Zuständigkeit von Gerichten
- Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen
⇒ Zivilverfahrensrecht in Sachverhalten mit relevanter Auslandsberührung
IPR i.w.S. = IPR i.e.S. + IZVR
Die drei Grundfragen des internationalen Privatrechts
- Zuständigkeit
- Anwendbares Recht (IPR i.e.S.)
- Anerkennung/Vollstreckung
Rechtsquellen des IPR i.w.S.
convention simple
convention double
convention triple
sagt uns, wieviele der drei Grundfragen des internationalen Privatrechts Gegenstand des völkerrechtlichen Vertrages sind
z.B.: LugÜ regelt gerichtliche Zuständigkeit + Anerkennung/Vollstreckung => convention double
Wirkung von Staatsverträgen
erga omnes vs. inter partes
erga omnes =
z.B.: Haager Übereinkommen über den Schutz von Kindern
inter partes
Rechtsquellen des IPR i.w.S.
- völkerrechtlich (bilateral/multilateral)
- national-autonom (z.B.: IPRG)
- unional (in EU-Mitgliedsstaaten)
LugÜ
- Bedeutung
- Stellung im Hinblick auf das IPRG
- wichtigste Rechtsquelle im europäischen Kontext
- geniesst Vorrang ggü. IPRG (IPRG 1 II → rein deklaratorisch)
Zuständigkeit
international vs. örtlich vs. sachlich vs. funktional
- international = die Gerichte welchen Staaates
- örtlich = an welchem Ort innerhalb des zuständigen Staates (international und örtlich ergeben “Gerichtsstand”)
- sachlich = welches Gericht gemäss seines Aufgabenbereiches
- funktional = welches Gerichtsorgan in den verschiedenen Stadien desselben Verfahrens
AnwendungsVSS des LugÜ
-
zeitlich
- LugÜ 63 I
-
sachlich
- LugÜ 1 I/II
-
räumlich-persönlich
- GrundsatzVSS: Beklagten(wohn)sitz … (LugÜ 59 f.) in einem Vertragsstaat (LugÜ 2 I)
- dann LugÜ eröffnet
- aber: erweiterter Anwendungsbereich (z.B. LugÜ 22, 24 und 23, 16 I)
- dann: LugÜ unabhängig vom Beklagtenwohnsitz eröffnet
Rolle des EuGH bei Fragen zum LugÜ
- EuGVVO ist praktisch deckungsgleich mit LugÜ
- faktische allgemeine Leitkompetenz des EuGH
LugÜ 64 II a.
Entscheidungszuständigkeit nach LugÜ
Schema
-
ausschliessliche Gerichtsstände (LugÜ 22)
- diese haben Verdrängungswirkung
- ggf. rügelose Einlassung (LugÜ 24)
- Gerichtsstandsvereinbarung (LugÜ 23, Vorbehalte von 23 V)
-
Schutzgerichtsstände
- Versicherungen (LugÜ 8 ff.)
- Verbraucher- (LugÜ 15 ff.) und
- Individualarbeitsrechtssachen (LugÜ 18 ff.)
⇒ verdrängen grds. (vorbehalten 5 V) Zuständigkeiten nach LugÜ 2, 5 ff.
-
allgemeine Zuständigkeit (LugÜ 2 I)
- “actor sequitur forum rei”
-
Alternativ zu (5): besondere Zuständigkeiten
- Wahlgerichtsstände (LugÜ 5 ff.)
- Achtung: LugÜ 5 erster Satz lautet “in einem anderen Staat”
Grundsatz der lex fori
-
prozessuale Dimension:
- angerufenes Gericht wendet eigenes (insb. internationales) Prozessrecht an
-
(i.e.S.) kollisionsrechtliche Dimension:
- angerufenes Gericht wendet eigenes IPR i.e.S. an (welches freilich nicht nationalen Ursprungs zu sein braucht)
Forum-non-conveniens-Doktrin und schweizerisches IZPR
Grundsatz entstammt dem klassischen common law
→ Anwendungsbereich: Koordination paralleler Verfahren, aber auch allgemein in anderen Konstellationen:
→ nicht anwendbar in CH im Rahmen des LugÜ 2 I
begründet die Möglichkeit eines
- an sich zuständigen Gerichts,
- von dieser Zuständigkeit keinen Gebrauch zu machen,
- wenn (a) ein anderes Forum offensichtlich näher mit dem Sachverhalt verbunden ist und (b) zu dessen Beurteilung besser geeignet erscheint
Rangfolge der Rechtsquellen im IPR i.e.S.
- Völkervertraglich vereinheitlichtes Sachrecht (z.B.: CISG)
- Völkervertragliches IPR (z.B.: Haager Kauf-IPR)
- autonomes IPR (z.B.: IPRG)
Welche Anwendbarkeitsdimensionen gibt es für VR Verträge?
- (zeitlich)
- sachlich
- räumlich
- persönlich
IPR-Verweisungsnormen vs. IPR-Sachnormen
-
IPR-Verweisungsnormen = Kollisionsnormen
- z.B.: IPRG 116 I
-
IPR-Sachnormen = regelt Sachfrage
- z.B.: IPRG 102 II
Einseitige vs. allseitige Kollisionsnormen
Einseitige Kollisionsnorm
= Anwendungsbefehl nur für eigene materielle RO
- z.B.: IPRG 159
- typisches Motiv: Schutz von Ordnungs-, Partei- oder Verkehrsinteressen
Allseitige Kollisionsnorm
= Verweis auf eigene und jede ausländische RO
- z.B.: IPRG 68 I, 100 I
- moderner
Zwischenformen
- mehrseitige Kollisionsnorm = Verweis nur auf bestimmte Rechtsordnungen, insb. solche von Vertragsstaaten
- partielle Rücknahme allseitiger Kollisionsnormen (z.B.: IPRG 135 II, 137 II)
Struktur der Kollisionsnorm (Verweisungsnorm)
Beispiel: IPRG 90 I
Der Nachlass einer Person mit letztem Wohnsitz in der Schweiz untersteht schweizerischem Recht.
IPRG 90 I: “Der Nachlass einer Person mit letztem Wohnsitz in der Schweiz untersteht schweizerischem Recht.”
Anknüpfungsgegenstand (“Der Nachlass”)
Anknüpfungssubjekt/-objekt (“einer Person”)
Anknüpfungszeitpunkt (“mit letztem”)
Anknüpfungspunkt (“Wohnsitz in der Schweiz”)
- kann sich beziehen auf Person/Sache/Ereignis/Rechtswahl
Statut (“untersteht schweizerischem Recht”) - Anknüpfungsgegenstand, -punkt und Statut braucht es immer
- Anknüpfungssubjekt und -zeitpunkt nicht zwingend
Anknüpfung vs. Qualifikation
Anknüpfung = Verfahren zur Ermittlung der anwendbaren RO
Qualifikation = Auslegung der Kollisionsnormen
Qualifikation ersten vs. zweiten Grades
- Qualifikation ersten Grades
- Auslegung der Kollisionsnorm
- Subsumtion des SV unter eine Kollisionsnorm
- Ergebnis: Berufung eines bestimmten Rechts
- Qualifikation zweiten Grades
- Auslegung des anzuwendenden materiellen Rechts
Ursachen & Lösungsmöglichkeiten
für Qualifikationsschwierigkeiten
Ursachen
- Systemunterschiede (Verjährung materielles/prozessuales Recht
- Lücken des eigenen Sachrechts (CH kennt kein Talak)
- Lücken des eigenen Kollisionsrechts (GoA und c.i.c. nicht im Kollisionsrecht → meistens vertraglich)
Lösungsmöglichkeiten (1 und 4 erlaubt)
- Qualifikation lege fori (=Auslegung nach eigenem Recht)
- Qualifikation lege causae (=anhand in der Sache anwendbaren Rechts beurteilen)
- rechtsvergleichende Qualifikation
- autonom-teleologische Qualifikation
Teilfrage
Teilfrage
= “Ausschnitte aus einem umfassenderen Rechtsverhältnis/-problem”
- wenn nach eigenem Statut beurteilt, dann Sonderanknüpfung
- NB: auch Hauptfragen (=in sich geschlossener Anknüpfungsgegenstand) können einer Sonderanknüpfung unterlegen
- z.B.: IPRG 120 für Konsumentenschutz
Vorfrage
Vorfrage
= “für die Anwendung einer Kollisions-/Sachnorm vorausgesetzte Rechtsverhältnis”
- kollisionsrechtlich begründete Vorfrage (sog. Erstfrage) ⇒ z.B.: IPRG 49 i.V.m. 44 f.
- „Unterhaltspflicht zw. Ehegatten“ impliziert „Eheschliessung“
- materiellrechtlich begründete Vorfrage ⇒ z.B.: ZGB 475 II i.V.m. IPRG 68 ff.
- „Kinder erben zu gleichen Teilen“ impliziert „Kindesverhältnis“
Behandlung von kollisionsrechtlichen Vorfragen
Grundsatz: selbständige (=gesonderte) Anknüpfung von Vorfragen nach schweizerischem Kollisionsrecht
- gilt bei Vorfragen des schweizerischen Rechts und ihrer Beurteilung durch CH-Gerichte generell
- gilt prinzipiell auch bei Vorfragen des ausländischen Rechts
- Vorteil: innerstaatlicher Entscheidungseinklang
Ausnahme: unselbständige Anknüpfung von Vorfragen nach ausländischem Recht mit überwiegendem Auslandsbezug
- IPR des Wirkungsstatuts denkbar
- Vorteil: internationaler Entscheidungseinklang
⇒ der Methodenkonflikt kann nur auftreten, wenn materiellrechtliche Hauptfrage nach ausländischem Recht zu beantworten ist
⇒ bei Teilfragen kommt eine unselbständige Anknüpfung gererell nicht in Betracht
Anknüpfungsarten
Alternative Anknüpfung
- z.B.: IPRG 124 I/II
- favor negotii
Subsidiäre Anknüpfung
- z.B.: HUÜ 5
- Primärergebnis wird korrigiert
Anknüpfungsleiter (Kaskadenanknüpfung)
- z.B.: IPRG 54
- Nacheinanderprüfen von Anknüpfungspunkten
Akzessorische Anknüpfung
- z.B.: IPRG 128 I
- Bereicherungsansprüche richten sich nach dem darauf geleisteten Schuldverhältnis