Grundlagen der Verhaltensbiologie Flashcards
Basiert auf dem Buch "Verhaltensbiologie" von P.M. Kappeler (5. Auflage, 2020)
Was ist die Grundregel des quantitativen wissenschaftlichen Arbeitens?
Überprüfbare Vorhersagen sind vor der Datenerhebung zu formulieren und die Daten mit statistischen Methoden auszuwerten.
Am Anfang steht dabei immer eine Frage, aus der idR aufgrund theoretischer Überlegungen und/oder empirischer Befunde eine Hypothese aufgestellt werden kann.
Was ist Verhalten?
Die intern koordinierte Kontrolle von Bewegungen oder Signalen, mit denen ein Organismus mit Artgenossen oder anderen Komponenten in seiner Umwelt interagiert, sowie Aktivitäten, die der Homöstase dienen.
Wer sind/waren wichtige Vertreter und Begründer der Verhaltensbiologie?
Charles Darwin
Ivan Pavlov
John Watson
Konrad Lorenz
Karl von Frisch
Nikolaas Tinbergen
Nennenswert sind auch Craig, Morgan, Whitman, Romanes, Heinroth, von Uexküll
Was war das jeweilige Hauptgebiet der Begründer der Verhaltensbiologie bzw. wofür sind sie bekannt?
- Charles Darwin: Evolutionstheorie; einer der ersten systematischen Verhaltensforscher
- Ivan Pavlov: demonstrierte erstmalig den bedingten Reflex und führte Konditionierungsexperimente durch (Pavlov’scher Hund)
- John Watson: etablierte den Behaviorismus
- Konrad Lorenz: wird als Begründer der vergleichenden Verhaltensforschung angesehen, untersuchte Instinkthandlungen (bes. bei Gänsen, Raben)
- Karl von Frisch: gilt als Mitbegründer der modernen Verhaltensphysiologie, untersuchte den Bienentanz
- Nikolaas Tinbergen: legte das Augenmerk auf evolutive Anpassungswerte des Verhaltens, und damit Grundsteine für Verhaltensökologie (+ Tinbergens 4 Fragen)
Was sind Tinbergen’s 4 Fragen?
Bezogen auf das Verhalten:
- Proximate Ursachen: welche internen und externen Ursachen kontrollieren eine Verhaltensweise mithilfe welcher Mechanismen?
- Entwicklung: wie entsteht eine Verhaltensweise in der Ontogenese eines Individuums? Welche Faktoren beeinflussen sie und wie interagieren genetische und externe Einflüsse dabei?
- Ultimate Funktion: der derzeitige Nutzen des Verhaltens - welche Konsequenzen hat das Verhalten für Überleben/Fortpflanzung des Individuums? Was ist dabei der Anpassungswert?
- Phylogenetischer Ursprung: wie ist eine Verhaltensweise im Laufe der Phylogenese einer Art entstanden? Wie ist ein bestimmtes Merkmal über den Stammbaum einer Tiergruppe verteilt?
Warum ist Verhaltensforschung auch im Artenschutz wichtig?
Nur mit fundierten Informationen über Paar- und Sozialverhalten, sowie Habitat und Nahrungswahl können bedrohte Tierarten erfolgreich in Gefangenschaft gehalten, gezüchtet, und anschließend ausgewildert werden.
Wichtig ist auch, die Migrations- und Dispersionsmuster sowie Raumansprüche und die ökologische Rolle als Beute und/oder Räuber für andere Arten zu kennen, um geeignete Schutzgebiete zu identifizieren und ggf. zu schaffen.
Sind grundsätzlich Schlüsse vom Verhalten von Tieren auf den Menschen zulässig?
Nein, direkte Schlüsse sind nicht zulässig. Beobachtungen helfen uns aber, Fragestellungen zu entwickeln, die Aufschluss darüber geben können, ob vergleichbare Verhaltensweisen beim Menschen bestehen.
Was sind Instinkthandlungen?
Bewegungsmuster, die im Erbgut verankert, und damit angeboren sind, und laufen immer gleich ab*. Sie werden auch Erbkoordination genannt, zB Schlucken von Nahrung.
*Viele ursprünglich als Instinkt identifizierte Handlungen wurden später neu kategorisiert bzw. diese Kategorisierung und die Methoden zur Identifizierung infrage gestellt.
Welche 4 Konzepte leiten die Fragestellungen und analytischen Methoden der Verhaltensbiologie?
- Analyse von Kosten und Nutzen einer Verhaltensweise in Hinblick auf die ultimate Funktion
- Frage nach dem optimalen Verhältnis von Verhaltensstrategien - oft abhängig davon, was Artgenossen in derselben Situation machen
- Untersuchungen zum phylogenetischen Vergleich von Verhaltensphänotypen, oft mit rechnerischen Modellen
- Aus dem Vergleich zwischen Arten identifizierte evolutionäre Grundprinzipien
Welche Arten von Verhaltensstrategien gibt es?
- Alternative Strategien: Verhaltensweisen mit unterschiedlichen, aber gleichwertigen Lösungen
- Konditionale Strategien: zwei oder mehr Taktiken, die von Umwelteinflüssen und individuellen Lernerfahrungen abhängen
- Evolutionär stabile Strategien (ESS): sind in einer Population fest etabliert
- Gemischte ESS: zwei oder mehr Strategien existieren in einer Population, die in der Häufigkeit variieren können
Welche (rechnerischen, computergesteuerten) Modelle gibt es zur Untersuchung beim Vergleich zwischen phylogenetischen Verhaltensstrategien?
- Lineare Programmierung
- Systemmodell
- Optimalitätsmodell
- Grenzertragstheorem
- Simulationsmodell
Welches Modell eignet sich zur Berechnung von Grenzen bei Kosten und Nutzen einer Verhaltensweise?
- Grenzertragstheorem: zur Berechnung, welche Kosten und Nutzen bei Verhaltensweisen eine Rolle spielen (und wo die “Grenzen” des Fitnessgewinns bei einer Verhaltensweise liegen, zB wann wird eine Ressource oder ein “patch” aufgegeben und woanders weitergesucht)
Welches Modell eignet sich zur Berechnung von komplexen Systemen mit multiplen Variablen?
- Systemmodell: zur Ermittlung der Einflüsse der Variablen aufeinander, und was für Auswirkungen die Veränderung einer Variable auf die anderen Variablen hat (zB zur Berechnung der optimalen Gruppengröße mit Bezug auf Nahrungsverfügbarkeit, oder der Einfluss von einer geringeren Ressourcendichte auf die Gruppengröße, sowie auf die Zeit die mit Nahrungssuche verbracht werden muss)
Welches Modell eignet sich für eine grafische Lösung linearer Gleichungen?
- Lineare Programmierung: eine grafische Lösung mehrerer linearer Gleichungen (zB in welchem Verhältnis sollten Tiere theoretisch bestimmte Nahrungskomponenten zu sich nehmen, um ein Energiemaximum und eine optimale Versorgung zu erzielen, mit bestehenden Grenzen wie Magengröße etc).
Welches Modell eignet sich zur Untersuchung von Verhaltensregeln?
- Simulationsmodell: zur systematischen Untersuchung von bestimmten Verhaltensregeln auf verschiedenen Ebenen (zB Ebene Individuum vs. Ebene Gruppe)
Welches Modell eignet sich für eine quantitative Vorhersage für ein erwartetes Verhältnis von Kosten und Nutzen einer Verhaltensweise?
- Optimalitätsmodell: versucht quantitativ vorherzusagen, bei welchem Verhältnis von Kosten/Nutzen der Nettogewinn einer Verhaltensweise für das Individuum maximiert wird (zB optimale Territoriumsgröße mit Bezug auf Kosten: Ressourcenverteidigung, Anfälligkeit für Räuber, und Nutzen: Nahrungsverfügbarkeit, Paarungspartner).
Was sind wichtige Grundprinzipien beim phylogenetischen Vergleich? Was ist ihre Definition?
- Phylogenetisches Signal: die Tendenz von nah verwandten Arten, sich in Bezug auf die Ausprägung eines Merkmals mehr zu ähneln als zufällig ausgewählte Arten
- Phylogenetische Regression: zur Erforschung der Ko-Evolution (haben sich 2 Merkmale unabhängig voneinander entwickelt oder können die Veränderung in Merkmal B durch Änderungen in Merkmal A vorhergesagt werden?)
- Anzestrale Rekonstruktion: basiert auf der Logik der Parsimonie - wenn 2 rezente Schwesterarten ein gleiches Merkmal haben ist davon auszugehen, dass ein gemeinsamer Vorfahr dieses auch besaß
- Phylogenetische Zielermittlung: eine strategisch getroffene Wahl zusätzlicher Arten (zu den untersuchten) für die ergänzende Durchführung einer der vergleichenden Verfahren, wenn nicht für alle Arten die benötigten Daten vorliegen
Was für Kategorien gibt es beim Verhalten, in Bezug auf ihre Dauer?
- Ereignisse: sie sind von kurzer Dauer und zeitlich begrenzt, daher gut messbar (zB Bellen, Markieren, Picken)
- Zustände: hier handelt es sich um ausgedehnte Aktivitäten, Assoziationsmaße oder Körperhaltungen (zB (einander) Putzen, Schlafen, Widerkäuen)
Was sind 4 quantifizierbare Informationen für jede Verhaltenskategorie?
- Latenz: die Zeit zwischen einem Ereignis und dem ersten Auftreten der Verhaltensweise, oder der Abstand von 2 Verhaltensweisen
- Dauer: der Zeitraum zwischen Beginn und Ende einer definierten Verhaltenskategorie
- Häufigkeit: wie oft tritt eine Verhaltensweise pro Zeiteinheit auf?
- Intensität: keine generelle Definition - kann individuell bestimmt werden, solange man die Einheiten klar definieren kann, zB über die lokale Häufigkeit = Anzahl der Anteile einer Verhaltensweise; oder Abstufungen in der Ausprägung einer Verhaltensweise
Was besagt die Aufnahme- bzw. Aufzeichnungsregel?
Definiert, wer oder was wann und wie beobachtet wird - was wird wie wann aufgenommen? -> Muss in den Methoden klar definiert und protokolliert sein.
Welche Methoden der Aufzeichnung gibt es bei der Verhaltensforschung?
- Fokustiermethode: ein bestimmtes Individuum wird über einen längeren Zeitraum beobachtet
- Zensusmethode: alle beobachteten Tiere werden in regelmäßigen Abständen einem raschen Zensus unterworfen und dabei das momentane Verhalten aller sichtbaren Tiere aufgezeichnet
- Fokusverhaltensmethode: bei allen beobachteten Tieren wird jedes Auftreten bestimmter Verhaltensweisen oder Interaktionen dokumentiert
- Ad-libitum-Verfahren: keine exakten Vorgaben, was wann aufgezeichnet wird - die Datenaufnahme beschränkt sich darauf, was sichtbar oder relevant ist
Welche beiden grundlegenden Formate von zeitabhängigen Regeln gibt es bei den Methoden der Aufzeichnung?
- Kontinuierliche Aufzeichnung: exakte und detaillierte Aufzeichnungen über Häufigkeit, Beginn und Dauer aller ausgewählten Verhaltenskategorien werden angefertigt.
- Zeitabhängige Methode: eine Beobachtungssitzung wird in Intervalle mit einer bestimmten Länge eingeteilt. Jedes Mal, wenn das Ende eines Intervalls erreicht ist, wird Information über mehrere Verhaltenskategorien aufgezeichnet.