Einzelfallforschung Flashcards
Wie ist Einzelfallforschung definiert?
Einzelfallforschung ist die genau Untersuchung einer Untersuchungseinheit – 1 Person, 1 Familie, 1 Gruppe, 1 Staat …
wobei Kontextvariablen mit erfasst und genau beschrieben werden – Umgebung, Geschichte, soziales Umfeld externe Ereignisse …
Einzelfallforschung vs. Gruppenforschung
Geschichte der Einzelfallforschung
viel länger schon präsent in der Psychologie als Gruppenforschung
angewandt von den “Vätern” der Psychologie – Wundt, Fechner, Pavlov, Ebbinghaus, Skinner, Freud
Erkenntnisse, die (damals) an einer oder wenigen Personen gewonnen wurden, können auch Allgemeingültigkeit besitzen
—- Beispiel: Lerngesetze nach Ebbinghaus (Selbstversuch mit Messwiederholungen)
Rolle der Einzelfallforschung in der Psychologie heutzutage
im Laufe der zeit wurde Einzelfallforschung (zumindest in Forschung & Lehre) großenteils durch Gruppenforschung ersetzte (–> Verbreitung statistischer Auswertungsmethoden)
aber:
Unzufriedenheit der Anwendungsgebiete mit Gruppenforschung führte ebenfalls zu einer Erweiterung des Methodenrepertoires der Einzelfallforschung
(Gibt es überhaupt den “Durchschnittsmenschen”?)
Einzelfallforschung in der klinischen Psychologie auch weit verbreitet: Welche spezifische Behandlungsform ist unter welchen Bedingungen bei welchen spezifischen Patienten wirksam?
Anekdotischer Fallbericht
aus der Erinnerung angefertigte Beschreibungen
- unsystematisch & nicht wiederholbar
- interne & externe Validität zweifelhaft
- spekulative Ursachenbeschreibung & Verallgemeinerbarkeit
aber: kann wichtige Erkenntnisse liefern & Forschung anregen (Hypothesengenerierung)
Unkontrollierte Fallstudie
Systematische Aufzeichnungen über einen “Fall”
- objektiv und reliabel
- keine Kontrolle von Störvariablen, keine UV –> interne Validität nicht gegeben
- externe Validität fragwürdig
Analogie zur Korrelationsstudie –> keine Kausalaussagen
Kontrollierte / experimentelle Einzelfallstudie
(Quasi-)experimentelle Studie:
- präzise operationalisiertes Verhalten (Objektivität, Reliabilität, Validität)
- Variation einer UV
- Durchführung wiederholter Messungen
- Kontrolle von Störvariablen
–> interne Validität
- ggf. Replikation –> externe Validität
Objektiv & reliabel, Konstruktvalidität, hohe interne Validität –> Kausalaussagen angestrebt
Experimentelle Einzelfallforschung in Anwendungsbereichen
Klinische Psychologie, pädagogische Psychologie / Sonderpädagogik
–> Anwendung der experimentellen Einzelfallforschung vor allem bei der Verhaltenstherapie & Verhaltensmodifikation
Kombination aus theoretischer Fundierung, wissenschaftlichem Anspruch und praktischem Interesse
Berücksichtigung der spezifischen, individuellen Bedingungen ist zur “Problemlösung”/Behandlung wichtig
Wie wird bei der experimentellen Einzelfallstudie Kontrolle über Störvariablen ausgeübt?
durch einen Vergleich der individuellen Werte über die Zeit (mehrere Messzeitpunkte)
–> Kontrolle innerhalb einer Person
Was bedeutet interne Validität in einer experimentellen Einzelfallstudie?
Interne Validität ist dann gegeben, wenn die Veränderung kausal auf die Intervention zurückzuführen ist –> Kausalschluss
(Der Nachweis, dass die Veränderung eindeutig auf die Intervention zurückgeht, könnte man auch als “wissenschaftliches Ziel” bezeichnen (im Gegensatz zum klinischen Ziel der Verbesserung (Interventionsziel)).)
Bedrohungen der internen Validität
Testing - Veränderungen aufgrund wiederholten Messens (z.B., Lern- und Übungseffekte)
History - Zwischenzeitliches Geschehen (die Alternativerklärung bieten)
Instrumentation - Veränderungen des Messprozederes über die Zeit (z.B., Beobachter werden weniger “objektiv” oder RT Messgerät wird weniger sensibel)
Statistische Regression - Wenn Probanden zu Beginn der Untersuchung besonders extreme Werte aufweisen, ist eine Regression zur Mitte zu erwarten (natürliche Schwankungen über Zeit, Erwartungseffekte, Messfehler zu Anfang)
Maturation - Reifungsprozesse im Verlauf der Untersuchung, die eine plausible Alternativerklärung bieten
Diffusion of treatment - Tritt auf, wenn in Nicht-Interventionsphasen Interventionen weitergeführt werden (z.B., ABAB-Plan)
Was kann die Generalisierbarkeit der Ergebnisse von experimentellen Einzelfallstudien beeinflussen
Experimentelle Mortalität; Selektion; Selektion x Maturation
Was versuchen die Versuchspläne der experimentellen Einzelfalluntersuchungen auszuschließen?
Ausschluss anderer Erklärungen (Bedrohungen der internen Validität) oder des Zufalls als Erklärung für die Veränderung
Was stellt die Baseline dar und wie sollte sie gemessen werden?
Welche Arten von Baselines gibt es und welche Baseline wird präferiert?
Baseline = Verhalten, wie es ohne Intervention auftritt (Grundrate / A-Phase)
Die Baseline muss über mehrere Messzeitpunkte erfasst werden und sollte stabil (d.h., trendfrei und wenig variabel sein).
Verschiedene Arten von Baselines: variabel, mit Trend, stabil
Manchmal wird die Dauer der Baseline-Messung im Vorfeld festgelegt, manchmal wird sie so lange fortgesetzt, bis die Baseline stabil ist (nicht immer möglich aus praktischen und ethischen Gründen).
Was ist die Funktion der Baseline in der experimentellen Einzelfallstudie?
Die Baseline stellt eine Prognose (Verhalten ohne Effekt der Intervention) dar, zu der die Entwicklung des Verhaltens unter Interventionsbedingungen verglichen werden kann.
Wann kann man in der experimentellen Einzelfallstudie von einer Wirkung der Intervention (UV) auf das Verhalten ausgehen (AV) –> Kausalschluss?
Wenn sich das Verhalten
- deutlich
- in die erwartete Richtung
- abrupt
ändert und diese Änderung mehrfach und nur bei Einsetzen/Andauern der Intervention auftritt.
Eine Änderung kann betreffen:
- das Niveau
- den Trend
- die Variabilität
Was gilt es bei der Operationalisierung des Zielverhaltens zu beachten?
Ziel der hohen Objektivität und Reliabilität:
- Zielverhalten wird operational definiert
- ist leicht zu erfassen
- hat mehrere Indikatoren
- Anfälligkeit für Erwünschtheit wird minimiert
- präferiert: objektiv beobachtbares Zielverhalten
Oft überprüft durch Interrater-Übereinstimmungen
AB-Plan - Aufbau & Vor-/Nachteile
A-Phase: Baseline Phase
B-Phase: Interventionsphase
- mehrere Messungen des Zielverhaltens in beiden Phasen
–> Intervention gilt als erfolgreich, wenn sich das Zielverhalten deutlich und abrupt nach Einsetzen der Intervention in die gewünschte Richtung verändert
Vorteile:
- leicht durchzuführen
- nicht zeitintensiv
- wenig ethische und praktische Probleme
Nachteile:
- mangelnde interne Validität (Möglichkeit der zufälligen Veränderung oder Veränderung durch die “Bedrohungen der internen Validität”, z.B.: Maturation, History etc.)
- erfüllt nicht die Kriterien eines experimentellen Versuchsplans
ABA Plan - Aufbau & Vor-/Nachteile
Baseline - Intervention - Baseline
–> Intervention gilt als erfolgreich, wenn sich das Zielverhalten zur Interventionsphase abrupt in die erwartete Richtung ändert und diese Änderung bei der zweiten Baseline-Phase wieder verschwindet
Vorteile:
- höhere interne Validität als AB-Plan
Nachteile:
- Untersuchung endet mit Baseline-Phase –> praktische & ethische Probleme
- setzt reversibles Verhalten voraus (B1 –> A2)
BAB-Plan - Aufbau & Vor-/Nachteile
Intervention - Basline - Intervention
–> Intervention gilt als erfolgreich, wenn sich das Verhalten in der zweiten Phase zunächst verschlechtert und sich dann in der dritten Phase wieder bessert.
Vorteile:
- keine Baseline-Messung zu Beginn (oftmals aus praktischen & ethischen Gründen sinnvoll)
Nachteile:
- ursprüngliche Baseline ist unbekannt –> der eigentliche Interventionseffekt kann nicht genau bestimmt werden
- Der Interventionseffekt lässt sich generell am besten aus der Differenz zwischen erster Baseline und erster Interventionsphase bestimmen, weil es dann noch keinen Transfer gibt.
- setzt reversibles Verhalten voraus (B1 –> A1)
ABAB-Plan - Aufbau & Vor-/Nachteile
Baseline - Intervention - Baseline - Intervention
Die Intervention wird als erfolgreich angesehen, wenn die Interventionswirkung zweimal und die Rückkehr zur Baseline einmal beobachtet wird (zu gesetzten Zeitpunkten und in erwartete Richtung).
Vorteile:
- vergleichsweise sehr hohe interne Validität: es passiert an 3 Zeitpunkten etwas, was die Wirkung von Zufall oder Störvariablen unwahrscheinlich macht
- endet mit Interventionsphase –> Stabilisation des Effektes (praktische Relevanz)
Nachteile:
- zeitintensiv und aufwändiger
- Beginn mit Baseline-Phase (praktische und ethische Probleme)
- setzt reversibles Verhalten voraus (B1 –> A2)
- Transfereffekte der Intervention zur zweiten Baseline-Phase
Was sind Umkehrpläne und was gilt es bei Umkehrplänen zu beachten?
Umkehrpläne = alle Einzelfallstudien-Versuchspläne, die eine Rückkehr von einer Interventionsphase zu einer Baseline-Phase erfordern
Erforderlich: das Verhalten verändert sich (voraussichtlich) wieder hin zum ursprünglichen Verhalten (reversibel)
Praktische und ethische Probleme der Umkehrphasen (Absetzen der Intervention stößt auf Unverständnis oder ist sogar gefährdend)
Wie ist ein Vergleich mehrerer Interventionen möglich?
Eine zweiter Intervention C wird dem Versuchsplan hinzugefügt:
A - B - A - C - A
A - B - BC
eine Reihe von unterschiedlichen Kombinationen sind möglich und gebräuchlich
–> Vergleiche zwischen verschiedenen Intervention sind eingeschränkt durch Reihenfolge-Effekte
Multiple Grundratenversuchspläne (MGV; multiple baseline designs) – Aufbau & Vor-/Nachteile gegenüber ABAB-Plan
3 Varianten:
Wiederholung (mind. 3) eines AB-Plans…
- über versch. Situationen
- über versch. Personen
- über versch. Verhaltensweisen
Vorteile (gg. ABAB-Plan):
- Steigerung der internen Validität durch intra-individuelle (über Situationen und Verhalten) und inter-individuelle (über Personen) Replikation
- keine Umkehrphase nötig
Nachteile (gg. ABAB-Plan):
- Dieselbe oder eine ähnliche Intervention muss unabhängig in versch. Situation oder auf versch. Verhaltensweisen oder versch. Personen anwendbar sein.
- Transfereffekte über Situationen, Verhaltensweisen oder Personen
Multipler Grundratenversuchsplan über Situationen
Über Situationen:
- Baselines eines Verhaltens werden in versch. Situationen bei derselben Person gemessen (gleichzeitiger Beginn)
- die Intervention wird dann zeitversetzt in den versch. Situationen gestartet
–> eine Verhaltensänderung zeigt sich immer nur in der Situation, in der zu diesem Zeitpunkt die Intervention gestartet wurde (in erwartete und gleiche Richtung)
–> interne Validität durch Replikation über Situationen hinweg
z.B.: Intervention gegen störendes Verhalten in 3 versch. Unterrichtsfächern
Voraussetzungen:
- Das Verhalten in den versch. Situationen ist unabhängig voneinander (kein spontaner Transfer von einer Situation zur anderen).
- Es wird ein ähnlicher Interaktionseffekt in allen Situationen (bzgl. Stärke und Zeitverlauf) erwartet.