BT I Flashcards
Besondere Skrupellosigkeit: Definition
Liegt vor, wenn in der Tat eine aussergewöhnlich krasse Missachtung fremden Lebens bei der Durchsetzung eigener Absichten zum Ausdruck kommt. Gesamtwürdigung der äusseren und inneren Umstände nötig.
Besonders verwerfliche Beweggründe (6)
Handeln:
- aus Mordlust
- Rache (nur wenn ohne ernsthaften, rational nachvollziehbaren Grund erfolgt)
- aus Habgier
- aus krass egoistischen Motiven
- zur Verfolgung politisch/religiös fundamentalistischer Zwecke
- zur Befriedigung sexueller Lust
Besonders verwerflicher Zweck der Tat (4)
- Eliminationsmord
- Verdeckungs- und Ermöglichungsabsicht
- Tötung zur Erlangung eines Erbes
- Bestrafung mit Tod
Besonders verwerfliche Art der Ausführung (4)
- Grausamkeit (mehr physische/psychische Leiden als notwendig)
- heimtückisches Vorgehen (Ausnutzung der Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers)
- Besonderes Tatmittel (Gift, Feuer o.ä.)
- Verwendung eines gemeingefährlichen Mittels
Handeln in einer nach den Umständen entschuldbaren heftigen Gemütsbewegung (obj. TB-Element)
Heftige Gemütsbewegung (Affekt):
Gegeben, wenn eine starke Gefühlserregung die Fähigkeit des Täters zur Selbstbeherrschung beeinträchtigt. Unterteilt in sthenische und asthenische Affekte.
Nach den Umständen entschuldbar:
Täter trifft kein (vorwiegendes) Verschulden an Konfliktsituation, Entstehung des Affekts erscheint aus Sicht des objektiven Betrachters als menschlich verständlich.
Durchschnittsmensch aus der gleichen Rechtsgemeinschaft wäre in derselben Situation ebenfalls leicht in einen solchen Affekt geraten.
Handeln unter grosser seelischer Belastung
Handeln in grosser psychischer Zwangslage, die sich über einen langen Leidenszeitraum aufgebaut hat und Täter so sehr verzweifeln lässt, dass sie ihn zur Tötung eines Menschen bewegt.
Muss analog Gemütsbewegung entschuldbar sein.
Verlangen i.S.v. StGB 114 (4)
- Opfer muss Tod erkennbar aus eigener Initiative gewünscht haben.
- Erforderlich ist eine dringliche aktive (nicht notwendig verbale) Aufforderung der Täters
- Blosse Einwilligung genügt nicht
- Motivation grds. gleichgültig
Ernsthaftigkeit i.S.v. StGB 114 (2)
- Betroffener hat Todeswunsch bewusst überdacht
- Betroffener ist zum Zeitpunkt der Äusserung urteilsfähig und frei von Willensmängeln
Eindringlichkeit i.S.v. StGB 114 (2)
- Erforderliches Mass ist beharrliches und intensives Bitten (Bundesrat) bzw. ausdrückliche Bekräftigung des Sterbewillens (Lit.)
- nicht erforderlich ist Flehen (oder inständiges Bitten)
Achtenswerte Beweggründe i.S.v. StGB 114 (3)
- ethisch hochstehende oder zumindest ethisch nachvollziehbare Überzeugungen des Täters
- “Mitleid” umfasst Erbarmen, Empathie, Menschlichkeit
- Blosses Fehlen von egoistischen Beweggründen reicht nicht aus
Selbstmord i.S.v. StGB 115 (3)
- zumindest tatherrschaftlicher und eigenverantwortlicher Versuch
- massgeblich sind die allgmeinen Regeln zur Tatherrschaft
- Urteilsfähigkeit gem. ZGB 16
Verleitung/Beihilfe i.S.v. StGB 115
- Verleitung zum Selbstmord:
Täter ruft bei einem anderen Menschen den Entschluss hervor, sich selbst zu töten (=Anstiftung) - Beihilfe zum Selbstmord:
Kausaler physischer oder psychischer Beitrag zur Selbsttötung eines anderen Menschen (=Gehilfenschaft)
Selbstsüchtige Beweggründe i.S.v. StGB 115 (2)
Täter strebt mit Tötung (überwiegend) eigenen persönlichen Vorteil an
- materieller Art (Bereicherungsstreben)
- ideeller / affektiver Art (bspw. infolge Hass, Rachsucht, Bosheit etc.)
- Gleichgültigkeit genügt nicht
“Während der Geburt” und “unter dem Einfluss des Geburtsvorganges” gem. StGB 116
- Während der Geburt:
Abgrenzung ggü. Schwangerschaftsabbruch (Geburtsvorgang ab Einsetzen der Geburtswehen) - Unter dem Einfluss des Geburtsvorgangs:
Auch gewisser Zeitrahmen nach der Geburt, Grenze ist einzelfallabhängig zu bestimmen
Konkurrenzen bei Tötungsdelikten
- StGB 111
- StGB 112, 113, 114, 116 sind lex specialis
- StGB 115 eigenständiges Delikt, keine Konkurrenz
- StGB 117 tritt subsidiär zurück
- StGB 112
- StGB 111 tritt zurück
- StGB 113, 114 keine Konkurrenz möglich
- StGB 116
- StGB 113
- StGB 111 tritt zurück
- StGB 114, 116 sind lex specialis
- StGB 114 ist lex specialis ggü. StGB 111, 112, 113
Schädigung der Gesundheit i.S.v. StGB 123 (3)
- körperliche wie auch geistige Gesundheit
- jedes Hervorrufen oder Steigern eines pathologischen Zustandes (relativer Gesundheitsbegriff), Heilungsvorgang nötig
- erforderliches Ausmass wird beurteilt nach Dauer und Intensität (zw. schwerer und einfacher Körperverletzung)
Schädigung des Körpers i.S.v. StGB 123
Geringe eigenständige Bedeutung, da eine Schädigung der Gesundheit meist auch eine Schädigung des Körpers beinhaltet.
Leichter Fall gem. StGB 123 Ziff. 1 Abs. 2 (2)
- Mass der Tätlichkeit überschritten, es bewegt sich aber in der untersten Bandbreite des Grundtatbestandes
- Einbeziehung der gesamten Umstände über obj. Verletzungsfolgen hinaus
Gift i.S.v. StGB 123 Ziff. 2 Abs. 2
Substanz, die infolge chemischer Einwirkung auf den menschlichen Körper die Gesundheit schädigt oder das Leben zerstören kann. Dosierung muss hinreichend hoch sein, um Schäden i.S.v. StGB 123 verursachen zu können (str.).
Waffe i.S.v. StGB 123 Ziff. 2 Abs. 2
Gegenstände, die ihrer Bestimmung nach zu Angriff und Verteidigung dienen und zur Verursachung schwerer Schäden bestimmt sind.
Gefährlicher Gegenstand i.S.v. StGB 123 Ziff. 2 Abs. 2
Sache, die bei der konkreten Art ihrer Verwendung die Gefahr einer schweren Schädigung mit sich bringt.
Wehrlose Person i.S.v. StGB 123 Ziff. 2 Abs. 3
Person, die sich ggü. dem Angreifer und der bedrohenden Handlung nicht mit einiger Aussicht auf Erfolg zur Wehr setzen kann (kann vielfältige Gründe haben).
Obhuts- oder Sorgeverhältnis i.S.v. StGB 123 Ziff. 2 Abs. 3
Gesetzliche, vertragliche oder faktische Verantwortung für den Schutz von Leib und Leben des Geschädigten.
Opfer im häuslichen Bereich i.S.v. StGB 123 Ziff. 2 Abs. 4 & 5
- Eheleute / eingetragene Partner
- Ergibt sich aus Eintrag im Zivilstandsregister und
- Gilt bis 1 Jahr nach der Scheidung/Auflösung!
- Lebenspartner mit gemeinsamem Haushalt
- Gemeinsamer Haushalt
- Intimes Verhältnis
- Gilt bis 1 Jahr nach der (faktischen) Trennung
Tätlichkeit i.S.v. StGB 126
Das allgemein übliche und gesellschaftlich geduldete Mass überschreitende physische Einwirkung auf einen Menschen, die keine Schädigung des Körpers oder der Gesundheit zur Folge hat.
Problem: Grenzziehung und Massstab des sozial Geduldeten
Wiederholte Begehung i.S.v. StGB 126
Zahlreich und systematisch, sei es auch nur während einiger Stunden oder Tage, jedoch nicht bei so engem Zusammenhang der Einzelakte, dass sie als natürliche Handlungseinheit erscheinen.
Schutzbefohlene i.S.v. StGB 126
Personen, die unter der Obhut des Täters stehen oder für die er zu sorgen hat.
Opfer im häuslichen Bereich i.S.v. StGB 126
Definitionen gleich wie bei StGB 123 Ziff. 2 Abs. 4 & 5
Lebensgefährliche Verletzungen i.S.v. StGB 122 Abs. 1
Herbeiführung eines Zustands, in welchem sich die Möglichkeit des Todes dermassen verdichtet, dass sie zur ernstlichen und dringlichen Wahrscheinlichkeit wird.
Wichtiges Glied / Organ i.S.v. StGB 122 Abs. 2
- Wichtiges Glied:
- Insb. Extremitäten
- Problem: individueller oder objektiver Massstab?
- Wichtige Organe:
- Lebenswichtige Organe, Sinnesorgane und Geschlechtsorgane (Milz bspw. str.)
Verstümmelung & Unbrauchbarmachung i.S.v. StGB 122 Abs. 2
Organ oder Glied wird in den Grundfunktionen dauerhaft erheblich gestört oder gänzlich verloren, wobei dauerhafte aber geringfügige Einschränkungen nicht genügen.
Bleibende Arbeitsunfähigkeit, Gebrechlichkeit oder Geisteskrankheit i.S.v. StGB 122 Abs. 2
Irreversibler Zustand dauernden Krankseins oder andere dauernde Beeinträchtigungen der Gesundheit. Problem: Erforderlicher Grad?
Arge und bleibende Entstellung des Gesichts i.S.v. Art. 122 Abs. 2
Fortbestehen der Entstellung nach Abschluss des Heilungsprozesses. Problem: Erforderliches Ausmass sowie Individualisierung des Bewertungsmassstabs.
Andere Schwere Schädigung i.S.v. StGB 122 Abs. 3
Generalklausel für Schädigungen von gleicher Intensität wie in Abs. 1 und 2.
Weibliche Genitalien i.S.v. StGB 124
Innere und äussere Genitalien weiblicher Personen.
Verstümmelung i.S.v. StGB 124
Teilweise oder vollständige Entfernung der weiblichen Genitalien.
Erhebliche und dauerhafte Beeinträchtigung i.S.v. StGB 124
Dauerhafte Einschränkung der Grundfunktionen der weiblichen Genitalien.
Schädigung der Gesundheit oder des Körpers sowie schwere Schädigung i.S.v. StGB 125
Entsprechen dem Taterfolg von StGB 123 bzw. 122.
Konkurrenz von StGB 126 und 125
Verursacht die gewollte Tätlichkeit eine nicht in Kauf genommene Schädigung an Körper oder Gesundheit, so kommt neben StGB 126 auch StGB 125 in echter Idealkonkurrenz zur Anwendung (wenn die Voraussetzungen des Fahrlässigkeitsdelikts erfüllt sind).
Konkurrenzen zu StGB 123
- StGB 123 kann in echte Konkurrenz zu fahrlässiger schwerer KV nach StGB 125 Abs. 2 bzw. fahrlässiger Tötung nach StGB 117 treten.
- StGB 134 wird konsumiert, ausser wenn die Gefährdung des Betroffenen über das mit einer einfachen KV verbundene Mass hinausgeht.
Tätereigenschaften i.S.v. StGB 127
- Obhutspflicht i.S. einer Garantenstellung gem. StGB 11 Abs. 2
- Muss vor Eintritt der Gefahr übernommen worden sein
Opfereigenschaften i.S.v. StGB 127
- Hilfe für das Opfer muss noch möglich sein (bei hoffnungslosem Zustand keine Anwendung von StGB 127)
- Gründe für Hilflosigkeit: Alter, Krankheit, Gebrechlichkeit, Unerfahrenheit, Bergnot, Schiffbruch, Naturkatastrophen, Unfall, Trunkenheit, Panikreaktion
Gefahr i.S.v. StGB 127
- Konkrete individuelle Gefahr: tatsächlich drohender Schadenseintritt für best. Person
- Erforderlicher Schweregrad der Gefahr ist umstritten
- Weist der Täter nach, dass er wirksame Vorkehrungen traf, um den Gefahreneintritt auszuschliessen, scheidet Annahme einer konkreten Gefährdung aus
Tatbestandsmässiges Verhalten bei StGB 127
Begehungsdelikt:
- einer Gefahr aussetzen: Person wird in Gefahrenbereich verbracht oder Gefahr wird zur Person gebracht
- Erfasst ist auch das Schaffen einer neuen Gefahr
Unterlassungsdelikt:
- Im Stich lassen: Verlassen der hilflosen Person nicht notwendig
- Nichtstun oder Ergreifen der falschen Rettungsmassnahmen genügt
Konkurrenzen von StGB 128 zu vorgängiger Verletzungsherbeiführung
- Mit Tötungsvorsatz
- schliesst das Nichthilfeleisten notwendigerweise mit ein
- dasselbe gilt für den Tötungsversuch (straflose Nachtat)
- Mit Körperverletzungsvorsatz
- gem. BGer echte Konkurrenz
- Meinungen in der Lehre geteilt. Donatsch: ebenfalls straflose Nachtat, ausser nach Notwehr
- Bei fahrlässiger Verletzung
- echte Konkurrenz mit StGB 117 und 125, dabei Fahrlässigkeitsdelikten der Vorsatz der unterlassenen Hilfeleistung nicht enthalten ist
Nothilfe durch verletzende Person bei StGB 128 (5)
- Täter ist zuständig für Verletzung des Opfers (begründet erhöhte Verantwortung für Opfer)
- Rechtswidrigkeit und Verschulden der Verletzung sind unbeachtlich
- Hilfe muss geboten und nützlich sein
- Irrelevant, ob Gefahr noch abgewendet werden kann (auch Schmerzlinderung im Sterbefall inbegriffen)
- Zumutbarkeit vorausgesetzt
Allgemeine Nothilfe gem. StGB 128: Unmittelbare Lebensgefahr, Täterkreis und Zumutbarkeit
- Unmittelbare Lebensgefahr
- *Keine weitere Voraussetzung nötig, um Lebensgefahr hervorzurufen** - Leben hängt an einem seidenen Faden
- Täterkreis
- *Personen**, welche dem Opfer räumlich nahe sind
- Zumutbarkeit
- gewisse materielle Werte müssen geopfert werden
- Gefährdung des eigenen Lebens / der eigenen Gesundheit gilt als unzumutbar
- Massstab: Solidaritätspflichten unter Mitbürgern
Ver-/Behindern von Nothilfe gem. StGB 128
- physische Einflussnahme (Blockaden etc.)
- falls nur psychische Beeinflussung auf potentielle Helfer ausgeübt wird, liegt nur Anstiftung vor
Konkurrenzen von StGB 129
- Tötungsdelikte
- KV (leichte und schwere)
- Subsidiär zu vorsätzlichen Tötungsdelikten und deren Versuch
- Grds. echte Konkurrenz zu fahrlässiger Tötung und Körperverletzungsdelikten (anderes Rechtsgut!)
- Lediglich hinter StGB 122 Abs. 1 tritt StGB 129 zurück, da ersterer als Qualifikation bereits die Lebensgefährdung erfasst
Subjektiver TB bei StGB 129
- Vorsatz (insb. sicheres Wissen des Täters um die Gefahr, also Möglichkeit des Erfolgseintritts); kein dolus eventualis möglich
- Skrupellosigkeit
- Gewissenlosigkeit aus sittlich besonders verwerflichen Motiven
- ein in schwerem Grade vorwerfbares, ein rücksichts- oder hemmungsloses Verhalten
Unmittelbare Lebensgefahr i.S.v. StGB 129
- Lebensgefahr
Nach gewöhnlichem Lauf der Dinge muss Wahrscheinlichkeit oder nahe Möglichkeit des Todes bestehen - unmittelbar
Gefahr, welche unvermittelt durch weitere Ursachen (ohne Zwischenschritt) in den Tod übergehen kann
Konkurrenzen bei StGB 133
- Beteiligte, welche nachweislich die Tötung/KV im Zuge des Raufhandels begangen haben, sind in echter Konkurrenz wegen StGB 111 ff., 177, 122 f. oder 125 strafbar.
- Echte Konkurrenz zu StGB 129