Besitz Flashcards
Wo ist Besitz geregelt? Wie ist es unterteilt?
ZGB 919 ff.
A. Begriff und Arten
B. Übertragung
C. Rechtswirkungen
Besitz im materiellen Sinne
Besitz ist die tatsächliche Gewalt einer Person über eine Sache (ZGB 919 I).
Die Beziehung muss fest und auf Dauer gerichtet sein (ZGB 921 e contrario) - vorübergehende Verhinderung oder Unterlassung der Ausübung der tatsächlichen Gewalt führt nicht zum Besitzesverlust (ZGB 921).
Ob tatsächliche Gewalt ausgeübt wird, bestimmt sich nach T und G (ZGB 2 I) sowie nach Verkehrsanschauung und den konkreten Umständen (räumliche Beziehung
Beispiele der tatsächlichen Gewalt bei beweglichen und unbeweglichen Sachen
Bewegliche Sache: Wer sie auf sich trägt oder in seinem Gewahrsam hält
Unbewegliche Sache: Wer eine Liegenschaft bewohnt oder ein Grundstück bewirtschaftet und verwaltet
Was ist, wenn die räumliche Beziehung gelockert ist?
Je nach Verkehrsanschauung kann auch hier die tatsächliche Sachherrschaft vorliegen.
Bsp.: Snowboard oder Ski vor dem Skirestaurant
Besitz im formellen Sinne
Gesamtheit der Rechte, die das Gesetz bei tatsächlicher Herrschaft gewährt
Wille zur Sachherrschaft
In abgeschwächter From: abstrakter Wille, eine Sache in einer bestimmten Weise zu erwerben, muss genügen. Deshalb bedarf es wohl auch für den Besitzerwerb der Urteilsfähigkeit (ZGB 16).
Wichtig bei: Aneignung (ZGB 718)
Besitzdiener
Bedeutung: Besitzdiener kann keine Klage aus Besitzesstörung erheben oder Sache durch Besitzeskonstitut übertragen.
Besitzdiener: Person, die von einer anderen Person die Gewalt über eine Sache erhält (Bsp. sie hält es in den Händen, ist aber nicht Besitzer). Er übt somit nur Besitz im Namen und für Rechnung eines anderen aus, ohne selber Rechte auf die Sache geltend zu machen. Urteilsfähigkeit genügt somit.
Weisungsgebunden. Besitzer kann die Sache jederzeit entziehen.
Bsp: Restaurantgast und Besteck
Beauftragte, G.o.A. und Aufbewahrer: Wo sind sie in die Kategorien des besitzes einzuordnen?
Unselbständige Besitzer
Besitz und Eigentum
Besitz knüpft an die tatsächliche Gewalt, ohne Rücksicht auf die Rechtmässigkeit der Besitzausübung.
–> Auch der Dieb der gestohlenen Sache kann zum Besitzer werden
Objekt des Besitzes
Bewegliche und unbewegliche Sachen, Bestandteile und Zugehör.
Einfacher und mehrfacher Besitz
Mehrfacher Besitz: Dieselbe Sache weist mehrere Besitzer auf
Bsp.:
- Mitbesitzer (gleichgestellt)
- gestufter/mehrfacher Besitz (ZGB 920; eine Person überträgt der anderen beschränktes dingliches oder persönliches Recht an der Sache). Liegt gestufter Besitz vor, so ist zu unterscheiden (ZGB 920 II):
(i) selbständiger Besitz: Eigentümer
(ii) unselbständiger Besitz: Fremdbesitz, wer eine Sache zu einem beschränkten dinglichen oder obligatorischen Recht übertragen bekommt. (ABER: Der Mieter, der im Verhältnis zum Vermieter unselbständiger Besitzer ist, kann im Verhältnis zum Untermieter selbständiger Besitzer sein, obwohl er nicht Eigentümer ist).
Unmittelbarer und mittelbarer Besitz
Unmittelbarere Besitz: Eine Person übt direkt (ohne Mittelperson) die Herrschaft über eine Sache aus, d.h. über eine Person, die ein beschränktes dingliches oder persönliches Recht an der Sache hat (Besitzmittler).
Eigen- und Fremdbesitzer
Wer eine Sache mit dem Willen als ihm gehörend besitzt, ist Eigenbesitzer. Derjenige, der die Sache ohne diesen Willen besitzt, ist Fremdbesitzer.
Alleinbesitz und Fremdbesitz
Alleinbesitz: Besitz wird von einer einzigen Person ausgeübt (nicht massgebend, ob selbständiger mittelbarere Besitzer etc.).
Mitbesitz: Zwei oder mehreren Personen steht der Besitz an einer Sache auf gleicher Stufe zu.
Zu unterscheiden beim Mitbesitz ist zwischen Mitbesitz i.e.S. und Gesamtbesitz:
(i) Mitbesitz i.e.S.: Der eine Besitzer kann ohne Mitwirkung des andere die Sachherrschaft ausüben (z.B. Zugang zum Safe mit einem Schlüssel, den beide je haben).
(ii) Gesamtbesitz: Die Sachherrschaft kann nur gemeinsam ausgeübt werden (z.B. zwei Schlüssel für ein Safe nötig).
Rechtsbesitz
ZGB 919 II:
Grundsätzlich kann Sachherrschaft nur an körperlichen sachen ausgeübt werden. ZGB 919 II stellt jedoch die tatsächliche Ausübung der Rechte aus negativen Grunddienstbarkeiten und Grundlasten dem Sachbesitz gleich.
Negativ: Rechtsbesitz findet nur Anwendung, wenn der Berechtigte nicht gleichzeitig Sachbesitz hat. Positive Dienstbarkeiten, wie Fusswegrecht vermitteln immer teilweise auch tatsächliche Sachherrschaft. Beim Bauverbot (negative Dienstbarkeit) ist dies z.B. aber nicht so.
Erbenbesitz
ZGB 560 II
Im Todeszeitpunkt geht der Besitz des Erblassers o.W. auf die Erben über. Sie haben aber in diesem Zeitpunkt keine tatsächliche Sachherrschaft und können deswegen nur mittelbare Besitzer werden.
Legitimationsfunktion des Besitzes
ZGB 930 I: Eigentumsvermutung
Dient der Verteilung der Beweislast: Der Nichtbesitzer trägt die Beweislast bezüglich seines dingliches Rechts
Traditionsfunktion des Besitzes
Besitz ist VSS für die rechtsgeschäftliche Übertragung dinglicher Rechte (insb. Eigentum) an beweglichen Sachen (ZGB 714 I).
Defensivfunktion des Besitzes
Besitzer geniesst Schutz gegen fremde Einwirkung auf die Sache (verbotene Eigenmacht) durch die Besitzesschutzklage.
Offensivfunktion des Besitzes
Besitz gewährt grundsätzlich Schutz bei unfreiwilligem Abhandenkommen einer Sache durch die Besitzesrechtsklage.
Initiationsfunktion des Besitzes
Besitz ist unerlässliche VSS für:
- Aneignung (ZGB 658 und 718)
- Ersitzung (ZGB 661-662 und 728)
Besitzesschutz
- Regelung
- Ausgangspunkt
- Rechtsbehelfe
- quasi Aktiv- und Passivlegitimation
ZGB 926-929
Ausgangspunkt ist stets Störung des Besitzes an Fahrnis oder Grundstück durch verbotene Eigenmacht.
Rechtsbehelfe des Besitzesschutzes sind:
- Selbsthilfe (ZGB 926)
- Besitzesschutzklagen (ZGB 927-929)
Sie richten sich gegen den Störer bzw. Urheber der verbotener Eigenmacht. Schutz erfährt der aktuelle Besitzer (unabhängig von der materiellen Berechtigung der beteiligten Parteien).
VSS des Besitzesschutzes
- Aktivlegitimation
- Passivlegitimation
- Aktivlegitimation: Aktuelle(r) Besitzer. Nicht massgebend ist die Entstehungsart (obligatorisch/dinglich) der tatsächlichen Sachherrschaft und die Gutgläubigkeit des Besitzers.
(i) unabhängig davon, ob unmittelbar, mittelbar, selbständig und unselbständig
(ii) Mehrfacher Besitz: Der unmittelbare Besitzer kann sich gegenüber dem mittelbaren auf Besitzesrechtsschutz berufen
(iii) Mitbesitzer: Unabhängig von anderen Mitbesitzern und auch gegenüber anderen Mitbesitzern (sofern nicht der Umfang/Recht zur Debatte steht)
(iv) NICHT: Besitzdiener - Passivlegitimation: Störer/Urheber verbotener Eigenmacht
(bei ZGB 927/Besitzesentziehung sind zusätzlich der Universalsukzessor des Störers und der bösgläubige Singularsukzessor passivlegitimiert
(Ansprüche aus ZGB 928 können gegen den Störer, aber auch gegen dessen Universalsukzessor gelten gemacht werden sowie gegen Personen, die trotz Verpflichtung, eine Störung durch dritte nicht verhindern)
VSS des Besitzesschutzes
- Störung des fremden Besitzes
Störung kann durch Entzug der Sache oder sonstige Störungen entstehen. Sie muss übermässig sein und über die gewöhnlichen Duldungspflichten des Berechtigten hinausgehen.
Als sonstige Störungen gelten Störungen, die der anderen Person zwar die tatsächliche Sachherrschaft belassen, sie in ihrem Besitze aber dennoch beeinträchtigen (Durchschneiden von Leitungen, überfliegen durch Modellflugzeuge).
Massstab der Übermässigkeit bestimmt sich nach ZGB 648.
Zudem kann auch Verhalten eines Tieres abgewehrt werden (soweit sie durch menschliches Handeln bestimmt werden).
VSS des Besitzesschutzes
- Verbotene Eigenmacht
Jede Beeinträchtigung des Besitzes, die gegen den Willen des Besitzers oder ohne Vorliegen einer Erlaubnisform erfolgt (widerrechtliche Beeinträchtigung des Besitzes).
Widerrechtlichkeit entfällt beim Vorliegen eines Rechtfertigungsgrundes. Einwilligung müsste ausdrücklich oder stillschweigend von einem urteilsfähigen Besitzer ausgehen und sich auf den konkreten Eingriff beziehen. Beruht die Einwilligung auf Irrtum oder Täuschung, so liegt keine verboten Eigenmacht vor - wohl aber bei einer Drohung.
Achtung: Bei mehrfachem und Mitbesitz schliesst die Einwilligung nur die verbotene Eigenmacht betreffend diesem Besitzer aus.
Nicht vorausgesetzt werden Urteils- oder Handlungsfähigkeit des Störers.
VSS Des Besitzesschutzes zusammengefasst
- Aktueller Besitzer
- Störer/dessen Universalsukzessor und bösgläubiger Universalsukzessor (927), zur Verhinderung der Störung verpflichteter (928)
- Störung fremden Besitzes
- Verbotene Eigenmacht
Selbsthilfe (ZGB 926)
- Folgen
- Arten
Wer zur Selbsthilfe berechtigt ist, wird weder nach OR 41 schadenersatzpflichtig, noch macht er sich strafbar. Auch kann der Angreifer gegen denn Berechtigten nicht widerum Selbsthilfe geltend machen.
Der Berechtigte, der Selbsthilfe anwendet, kann hingegen einen Schadenersatzanspruch nach OR 41 geltend machen.
Es gibt 2 Erscheinungsarten:
- Besitzwehr
- Besitzkehr
Selbsthilfe (ZGB 926): Besitzwehr
Defensiv (ZGB 926 I)
Besitzwehr kommt nur in Frage, solange der Besitz noch besteht, also die Sache dem Berechtigten noch nicht entzogen wurde. Sie ist während der ganzen Dauer der verbotenen Eigenmacht möglich.
Bsp: Vertreiben der Einbrecher, die vor der Türe noch vor dem Einbruch erwischt wurden
Selbsthilfe (ZGB 926): Besitzkehr
Offensiv (ZGB 926 II)
Eingriff zur Wiedererlangung des Besitzes. Dieser Eingriff darf allerdings nur unmittelbar nach Entzug vorgenommen werden.
Reagiert der Berechtigte nicht sofort, so bleibt ihm noch die Klage aus Besitzesentziehung (ZGB 927).
Bsp: Dem Einbrecher das soeben gestohlene Handy wegnehmen
Grenzen der Selbsthilfe
ZGB 926 III: in gesetzlich eng abgesteckten Grenzen möglich
Abwägung zwischen den Interessen des Besitzers und dem Schaden des Angreifers
Mitzuberücksichtigen ist das Verschulden und die Gutgläubigkeit des Angreifers
Massgeblich sind diejenigen Verhältnisse, die sich der selbst helfende Besitzer im ZP des Handelns erkannt hat oder erkennen konnte
Exzess bzw. Nichtbeachten des Verhältnismässigkeitsprinzips führen zur Widerrechtlichkeit nach OR 41
Verhältnis von Selbsthilfe und Klage aus Besitzesentziehung und aus Besitzesstörung
Wer keine Selbsthilfe ergreift, obschon er dazu berechtigt wäre, erfährt keinen Nachteil. Die Klagen nach ZGB 927 und 928 stehen weiterhin offen.
Ausnahme: Wenn aus Unterlassen der Wahrnehmung der Selbsthilfe auf die Zustimmung zur Besitzesverletzung geschlossen werden kann
Klage aus Besitzesentziehung (ZGB 927)
- Allgemein
- Nicht erfasst
Kann geltend gemacht werden, wenn die bewegliche oder unbewegliche (ZGB 937 II) Sache dem Besitzer durch verbotene Eigenmacht teilweise oder ganz entzogen wurde und er dadurch die tatsächliche Gewalt verloren hat.
Achtung: Nicht erfasst ist die Klage des mittelbaren Besitzers gegenüber dem unmittelbarem Besitzer (z.B. Mieter will Wohnung nach Mietverhältnis nicht zurückgeben)
Klage aus Besitzesentziehung (ZGB 927) VSS:
- Aktivlegitimation
- Passivlegitimation
Aktivlegitimation:
Frühere Besitzer, dem die Sache entzogen wurde. Bei gestuftem Besitz oder Mitbesitz, jeder, der von der verbotenen Eigenmacht betroffen ist. Achtung: Mittelbare Besitzer kann nur auf Rückgabe an den Unmittelbaren Besitzer klagen.
Passivlegitimation:
Täter der betroffenen Eigenmacht. Eingeklagt werden kann auch der Universalsukzessor des Täters sowie der bösgläubige Singularsukzessor.
Klage aus Besitzesentziehung (ZGB 927) VSS:
- Rechtsfolgen
Rückgabe der Sache (ZGB 927 I)
Achtung: Mittelbare Besitzer kann nur auf die Rückgabe an den unmittelbaren Besitzer klagen.
Erstattung von Früchten und Surrogaten: ZGB 938 ff.
Schadenersatz: ZGB 927 III
Was ist speziell and Klage aus Besitzesentziehung und Schadenersatz?
Die h.L. sieht darin einen Verweis auf OR 41 I, weswegen diejenigen VSS erfüllt werden müssen.