9/9 (Schadensrecht II: Immaterielle Schäden; Grenzfälle; Mitverantwortlichkeit; Leistungsstörung in der Fallbearbeitung) Flashcards

1
Q

Entschädigung in Geld bei Persönlichkeitsverletzungen

A
  • keine Korrektur wegen geringerer Intensität der RG-Verletzung im Vergleich zur Entschädigungshöhe bei Verletzung von physischer oder psychischer Integrität
    pro: eigene Form der Präventivfunktion erklärt Höhe der Entschädigung bei APR Verletzung
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2
Q

P: Verlust von Gebrauchsvorteilen

A
  • erwerbswirtschaftlich: regelmäßig als entgangener Gewinn nach § 252 BGB
  • privat (vor allem Pkw)
  • > Kostenersatz für Mietsache (§ 249 II 1 BGB), auch fiktiv (hM)
    con: läuft auf Ersatzfähigkeit von bloß immateriellen Schäden hinaus (und unterläuft damit § 253 BGB)
    pro: Sparsamkeit des Geschädigten soll nicht Schädiger entlasten
    pro: viele Geschädigte wissen nicht um ihre Möglichkeit des Kostenersatzes für eine Mietsache, was iE nicht den Schädiger entlasten soll
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3
Q

Voraussetzungen des Kostenersatzes von verloren gegangenen Gebrauchsvorteilen

A
  1. Wirtschaftsgüter von allgemeiner und zentraler Bedeutung für die Lebenshaltung
    - > “auf deren ständige Verfügbarkeit die eigenwirtschaftliche Lebenshaltung typischerweise angewiesen ist”
    - > Mittelweg zwischen strenger Regelung des § 253 BGB und der unerwünschten Privilegierung des Schädigers
  2. Fühlbarkeit der Nutzungsbeeinträchtigung
    a. Nutzungswille
    b. hypothetische Nutzungsmöglichkeit
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4
Q

P: Ersatz von Aufwendungen, die infolge des schädigenden Ereignisses fehlgeschlagen sind

A
  • eA (mM): Frustrationsthese: Vermögensschaden ist auch darin zu erkennen, dass (wegen Körper- oder Gesundheitsverletzungen) Gebrauchsmöglichkeiten eingeschränkt werden
    con: ausufernde Ausdehnung der Ersatzpflicht
    con: Vermögensschaden umfasst allein Wert der Sache (am Markt)
    con: Gebrauchsmöglichkeiten von Sachen liegt bei Körper- oder Gesundheitsverletzungen regelmäßig nicht im Schutzbereich der Norm
  • aA (hM): ersatzfähig nur unter engen Voraussetzungen (bei vertraglichen Ersatzansprüchen):
  • > erwerbswirtschaftlich: Rentabilitätsvermutung
  • > eigenwirtschaftlich: § 284 BGB
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5
Q

Ersatzfähigkeit von Vorsorgeaufwendungen

A

con: allgemeine Dogmatik: keine Zurechenbarkeit, da vor dem haftungsbegründenden Ereignis
pro: Rspr. & Lit: anteiliger Ersatz von Kosten für vorsorgliche Bereithaltung von Ersatzsache (Ersatzwagen in der Hinterhand)
- > pro: Interessensausgleich: begrenzt durch den Schaden, den der Geschädigte ohne den Einsatz des Ersatzfahrzeuges erlitten hätte
pro: Entlastung des Schädigers, da zu ersetzender Schaden ohne Ersatzfahrzeug oft wesentlich höher
- > con: in erster Linie Interesse des Geschädigten, sodass nur konkrete Kosten ersatzfähig sind

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6
Q

P: Verlust oder Einschränkung der (unentgeltlichen) Arbeitskraft

A
  • unproblematisch: Ersatz von Vermögensnachteilen bei Ausfall entgeltlicher Arbeit (Verlust des Einkommens, entgangener Gewinn)
  • str.: unentgeltliche/ehrenamtliche Arbeit
    con (hM): Arbeitskraft als solche ist eine bloße Eigenschaft der Person und hat als solche keinen messbaren Vermögenswert
    -> pro: § 252 regelt Ersatz für den Verlust von Arbeitskraft abschließend und stellt Arbeitskraft nicht als eigenes Gut dar
    pro: wenn unentgeltliche Arbeit einer bezahlten Tätigkeit vergleichbar sei und damit einen Marktwert habe (bspw. karitative Arbeit) und konkret durch schädigenden Ereignis vereitelt wurde
    -> pro: ansonsten Diskrimierung von unentgeltlicher Arbeit
    -> pro: Parallele zum Eigentum, dessen Beschädigung auch unabhängig von Weiterveräußerungsmöglichkeit ersatzfähig ist
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7
Q

Ersatzfähigkeit von nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit

A
  • frühere Rspr: Kommerzialisierungsgedanke: Urlaub idR durch Vermögensaufwendungen erkauft und damit kommerzialisierbar; (-) bei bloßer Freizeit
    con: § 253, im Kern geht es um immateriellen Schaden
  • heute: § 651 n II regelt Urlaubsschaden abschließend; nur im vertraglichen Bereich ersatzfähig
    con: § 651 n II regelt nur vertraglichen Risikobereich; darüber hinaus ist nicht auf andere Verträge (analoge Anwendung) oder Deliktsrecht gesagt
  • > dagegen con: § 651 n II als gesetzliche Ausnahme iSd § 253 I, sodass der Gesetzgeber den immateriellen Schaden nur in diesem Fall ersatzfähig ausgestalten wollte -> keine analoge Anwendung, keine Übertragung ins Deliktsrecht
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8
Q

Ersatzfähigkeit von nutzlos aufgewendeter Freizeit

A
  • im Deliktsrecht: aus gleichen Erwägung wie bei nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit kann erst recht bloße Freizeit nicht ersatzfähig sein
  • im Vertragsrecht:
  • > tw: Übertragung des Kommerzialisierungsgedankens, wenn durch den Vertrag eine bestimme Freizeitgestaltung ermöglicht werden sollte, wofür Aufwendungen getätigt wurden
  • > hM: (-), da ansonsten nahezu alle Genüsse der Freizeit als Vermögensgut anzusehen wäre
    pro: § 253 würde unterlaufen
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9
Q

P: Vorliegen eines Vermögensschadens: Schadensersatz bei Geburt eines ungewollten Kindes (wrongful birth)

A
  • nach Differenzmethode: grds. (+), da keine Unterhaltspflicht nach § 1601 BGB
  • Korrektur aus normativen Gründen?
  • > BVerfG (2. Senat): Kind weder als Schaden noch als Schadensquelle (für Unterhaltsansprüche)
    pro: Art. 1 I GG
    con: Kostenfaktor des Kindes auch bei gewollten Kindern Realität; daher kein Korrektur anhand Art. 1 I GG, solange Kind immaterieller Wert beikommt und es nicht auf seinen Status als Kostenfaktor reduziert wird
  • > BVerfG (1. Senat) & BGH: Unterhaltskosten als ersatzfähiger Schaden
    pro: Recht des Kindes auf Leben aus Art. 2 II GG wird durch Aussicht auf finanzielle Entlastung eher gestärkt als geschwächt
    pro: Schadensquelle ist nicht das Kind, sondern die Vertragsverletzung bzw. Verletzungshandlung
  • > Ausnahmen:
  • -> bei fehlgeschlagenem Schwangerschaftsabbruch: (+), wenn rechtmäßig gewesen wäre
  • -> bei Täuschung der Mutter über Empfängnisverhütung: Unterhaltspflicht des Vaters nicht als Schaden durch Mutter (da bei Wegfall der Unterhaltspflicht Motivation der Mutter zur Austragung geschwächt)
  • > Vorteilsausgleichung beachten (Kindergeld)
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10
Q

P: Vorliegen eines Vermögensschadens: Schadensersatz bei Geburt eines behinderten Kindes (wrongful life)

A
  • hM: wenn Kind ansonsten nicht gezeugt oder ausgetragen worden wäre, beschränkt sich der SE nicht nur auf krankheitsbedingte Mehrkosten, sondern auf die volle Unterhaltspflicht (wenn vom Schutzzweck des Behandlungsvertrages umfasst)
  • > kein eigener SEA für Kind
    pro: paradoxer Anknüpfungspunkt wäre die Nichtverhinderung der eigenen Geburt als Pflichtverletzung
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11
Q

Grundprinzipien des § 254 BGB

A
  1. Gleichbehandlungsgrundsatz
    - > Verschulden, nicht bloße Mitverursachung des Geschädigten
    - > verschuldensunabhängige Einstandspflichten auch beim Geschädigten (Bsp: § 7 StVG analog)
  2. Quotenteilungsprinzip
    - > Schaden quotenmäßig nach Verantwortungsverteilung aufzuteilen
  3. Verantwortlichkeitsprinzip
    - > Grund für Berücksichtigung des Mitverschuldens ist Verantwortlichkeit des Einzelnen für die Folgen seines Verhaltens
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12
Q

P: Bezugspunkt des Verschuldens bei § 254 BGB

A
  • eA: auch seitens des Geschädigten muss ein rechtswidriges Verhalten vorliegen
    pro: Gleichbehandlungsgrundsatz
    con: selbstschädigendes Verhalten grds. nicht verboten
  • hM: Verschulden gegen sich selbst = Nichteinhaltung der Sorgfalt, die ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Vermeidung des eigenen Schadens anzuwenden pflegt (und nur, wenn Vermeidung des Schadens in den Verantwortungsbereich des Geschädigten fällt)
  • wA: Verschulden gegen sich selbst nur im eigenen Verantwortungsbereich; dieser wird durch Obliegenheiten des Geschädigten umgrenzt (Obliegenheitsfeststellung unter Interessensabwägung von Haftungsrisiko und Handlungsfreiheit)
    pro: Gleichbehandlungsprinzip: Obliegenheitsverletzung als Spiegelbild zur Rechtswidrigkeit
    con: § 254 sieht keine Obliegenheitsverletzung als TBM vor
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13
Q

§ 254 I: Mitverantwortlichkeit bei der Entstehung eines Schadens

A
  1. Mitverursachung & objektive Zurechenbarkeit
  2. Obliegenheitsverletzung
  3. Verschulden: § 276 analog (objektiver Maßstab)
    - > P: Zurechnungsfähigkeit: §§ 827, 828 analog (hM)
    - -> con: §§ sollen nur vor SEA schützen
    - -> pro: Wortlaut des § 254 “Verschulden”: erfordert begriffsnotwendig Zurechnungsfähigkeit
    - -> pro: besondere Bedeutung des Schutzes von Kindern/schwächeren Verkehrsteilnehmern
  4. bei Gefährdungshaftung des Geschädigten (+), analog zu Gefährdungstatbeständen
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14
Q

§ 254 II: Obliegenheit zur Schadensabwendung oder Schadensminderung

A

= Obliegenheit, sich im Rahmen des Zumutbaren um die Abwendung oder Minderung des Schadens zu bemühen

  • > Interessensabwägung im Einzelfall zwischen Handlungsfreiheit des Geschädigten und Haftungsrisiko des Schädigers
  • -> insb. bei Operation oder Umschulung: höchstpersönliche Belange des Geschädigten zu berücksichtigen
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15
Q

§ 254 II: Warnung vor ungewöhnlich hohem Schaden

A
  • Warnpflicht als besondere Ausprägung der Schadensabwendungspflicht
  • > betrifft oft schon haftungsbegründenden Kausalverlauf
  • > § 254 II macht jedoch deutlich, dass die Nichtvorhersehbarkeit des Schadens für den Schädiger nicht die Schadenszurechnung ausschließt
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16
Q

P: § 254 II S. 2: Verantwortlichkeit des Geschädigten für Dritte

A
  • ganz hM: gilt für § 254 II S. 1 und § 254 I
    pro: Redaktionsversehen, sollte Abs. 3 sein
  • eA: Rechtsgrundverweisung (hM): zwischen Geschädigtem und Schädiger muss Schuldverhältnis oder ähnliche rechtliche Sonderverbindung bestehen
    pro: Gleichbehandlungsprinzip als Telos von § 254: nicht gerechtfertigt, dass § 278 im außervertraglichen Bereich einseitig zulasten des Geschädigten angewandt wird (§ 278 analog greift gerade nicht im Deliktsrecht zulasten des Schädigers)
    pro: nicht ersichtlich, warum Zurechnung bei Mitverschulden weiter gehen soll als bei Haftungsbegründung (keine Entlastungmöglichkeit wie bei § 831 möglich)
    => Prüfung von § 831 analog (hM) (mit Analogievoraussetzungen)
    -> con: § 831 statuiert eigenes Verschulden
    –> dagegen con: § 831 zielt materiell dennoch auf die Zuweisung fremden deliktisches Handelns ab
  • aA: Rechtsfolgenverweisung (Teile Lit)
    pro: “entsprechende” Anwendung lässt das Erfordernis des Schuldverhältnisses entfallen
  • > con: “entsprechend” ist die Anwendung schon deshalb, weil § 278 auf den Schädiger zugeschnitten ist; es ist gerade fraglich, ob darüber hinaus noch weitere Elemente angepasst werden müssen
    con: § 278 steht in systematischem Zusammenhang mit vertraglichen SV; § 831 analog läge für außervertraglichen Bereich näher
    con: aus dem Verantwortungsprinzip ist im Deliktsrecht grds. keine Zurechnung des Verhaltens Dritter möglich; als Ausnahmen werden Sonderverbindungen konstruiert -> Ausnahmecharakter
    con: wenn auf Sonderverbindung verzichtet wird, ist fraglich, welches Drittverhalten überhaupt relevant wird, da keine Verbindlichkeit des Geschädigten besteht, die der Dritte erfüllen könnte
  • wA: vermittelnde Auffassung: im außervertraglichen Bereich kann § 278 nur auf die Hilfspersonen des Geschädigten entsprechend angewandt werden, nicht aber auf gesetzliche Vertreter
17
Q

P: Handeln auf eigene Gefahr

A

= wenn sich Geschädigter bewusst und ohne zwingenden Grund einer Gefahr ausgesetzt hat, die vom Schädiger geschaffen worden ist und beherrscht wird

  • Teilnahme an gefährlichen Fahrten
  • > ältere Rspr: Einwilligung (konkludent)
    con: trotz Erkennbarkeit wird idR auf Ausbleiben einer Verletzung vertraut (Einwilligung als bloße Willensfiktion)
  • > BGH heute: Fälle des Mitverschuldens (aber nur, wenn sich gerade die Gefahr verwirklicht hat, derentwegen dem Geschädigten der Vorwurf einer Außerachtlassung der in eigenen Angelegenheiten gebotenen Sorgfalt gemacht wird)
  • Teilnahme an gefährlichen Sportarten
  • > Rspr: § 242: venire contra factum proprium, wenn SEA nach Verletzung durch regelkonformes Verhalten von Mitspielern
  • -> aber BGH: nicht, wenn Versicherungsschutz besteht, da Versicherung gerade zur Geltendmachung bei etwaigen Schäden dient
  • > Teile der Lit: § 254
  • > Looschelders: § 823 I bereits TBlich (-)
  • bei Gefährdungshaftung: bewusste Inaufsichnahme der Gefahr durch Geschädigten kann bereits haftungsbegründenden TB ausschließen (besonders str. aber bei § 833 S. 1 und Reitpferden)
18
Q

P: Vorliegen eines Vermögensschadens: Schadensersatz bei nur leidensverlängernder Lebensverlängerung (wrongful survival)

A
  • immaterieller SE (BGH): (-)
    pro: (Weiter-)Leben kann kein Schaden sein (Art. 1 I, 2 II GG)
    con: Privatautonomie
  • > dagegen con: Verfassungsordnung und Dritte können daher gerade nicht Lebensunwert bestimmen, sondern nur das Individuum selbst
    pro: keine Differenzhypothese bildbar (Bedeutung des Todes kann nicht festgestellt werden)
    pro: Parallele zu wrongful life, bei der Lebender selbst auch keinen eigenen Anspruch hat
  • materieller SE (wie Pflegebedarf, künstliche Ernährung; BGH): (-)
    pro: wie bei wrongful birth / life
    con: BGH: “wertende Betrachtung” -> Schutzzweckzusammenhang: Zweck der (Aufklärungs- und Informations-)Pflichten ist nicht, wirtschaftliche Belastungen zu verhindern; insb. dienen die Pflichten nicht dazu, den Erben das Vermögen des Patienten möglichst ungeschmälert zu erhalten