2/2 (Zwangsmaßnahmen; Hauptverhandlung; Beweisrecht; Urteil) Flashcards

1
Q

Zwangsmaßnahmen: Verdachtsgrade

A
  • Anfangsverdacht = aufgrund konkreter tatsächlicher Anhaltspunkte ist das Vorliegen einer verfolgbaren Straftat nach kriminalistischer Erfahrung möglich (geringe Wahrscheinlichkeit genügt)
  • > erforderlich für Einleitung eines Ermittlungsverfahrens
  • hinreichender Tatverdacht = nach Abschluss der Ermittlungen erscheint die Verurteilung des Beschuldigten wahrscheinlich (dh wahrscheinlicher als ein Freispruch)
  • > erforderlich für Anklageerhebung und für Eröffnung des Hauptverfahrens
  • dringender Tatverdacht = nach aktuellem Ermittlungsstand besteht die hohe Wahrscheinlichkeit, dass der Beschuldigte eine Straftat schuldhaft begangen hat
  • > erforderlich insb. für U-Haft
How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
2
Q

Zwangsmaßnahmen: Festnahmerecht: P: Muss der Festgenommene tatsächlich eine Straftat begangen haben?

A
  • eA: dringender Tatverdacht ausreichend
    pro: systematisch: auch bei allen anderen Zwangsmaßnahmen muss Verdacht für Rechtmäßigkeit ausreichen
    pro: Jedermann darf kein strengere Maßstab auferlegt werden als Strafverfolgungsorganen
    con: Unschuldig Festgenommener hat kein Notwehrrecht
  • hL: tatsächliche Tat erforderlich
    pro: systematisch: anders als Abs. 2 verweist § 127 Abs. 1 StPO nicht auf die U-Haft-Voraussetzungen, für die auch dringender Tatverdacht genügt
    pro: Jedermann über ETBI “geschützt”
How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
3
Q

Zwangsmaßnahmen: Körperliche Untersuchung: P: Aktive Mitwirkungspflicht bzw. passive Duldungspflicht (v.a. Einsatz von Brechmitteln)

A
  • hM: keine aktive Mitwirkungspflicht
    pro: nemo-tenetur-Grundsatz
  • eA: auch keine passive Duldungspflicht, wenn sie zur aktiver Mitwirkung (Erbrechen) führt
    pro: nemo tenerur
    pro: Art. 1 I GG, Art. 2 II GG (Brechmittel)
  • aA: zulässig, wenn Schwere der Tat und Mangel an anderen Mittel die Maßnahme verhältnismäßig erscheinen lässt
  • EGMR: Verstoß gegen Art. 3 EMRK (Folterverbot), idR auch mildere Maßnahmen: natürliche Ausscheidung)
How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
4
Q

Zwangsmaßnahmen: P: Grenze der rechtlichen Zulässigkeit

A
  • BGH: unrechtmäßig, wenn das tatprovozierende Verhalten ein solches Gewicht erlangt, dass demgegenüber der eigene Beitrag des Täters in den Hintergrund rückt (bspw. nachhaltiges Drängen; keine Tatgeneigtheit)
  • EGMR: unrechtmäßig, wenn die Tat ohne die Einflussnahme des Provokateurs nicht begangen worden wäre
How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
5
Q

Zwangsmaßnahmen: P: Folgen der rechtlichen Unzulässigkeit beim agent provocateur

A
  • BGH früher: Strafmilderungsgrund
  • EGMR: Verletzung von Art. 6 I EMRK, Beweisverwertungsverbot zur Kompensation der Rechtsverletzung erforderlich
    1. Senat BGH: Verfahrenshindernis -> Einstellung
  • BVerfG: Verfahrenshindernis nur in extremen Ausnahmefällen, unmittelbare Beweise aus Tatprovokation unterliegen Beweisverwertungsverbot
    pro: EMRK-konform
    1. Senat BGH: kein regelmäßiges Verfahrenshindernis
How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
6
Q

Zwangsmaßnahmen: Rechtsschutz

A
  • Nicht erledigte Maßnahmen
  • > Anordnung durch Richter: § 304 StPO
  • > Anordnung durch Pol/StA: § 98 II S. 2 StPO (bei allen anderen Maßnahme als Beschlagnahme: analog!)
  • > Art und Weise der Durchführung: § 98 II S. 2 StPO analog
  • Erledigte Maßnahmen
  • > Maßnahme nach § 101 I StPO: § 101 VII S. 2 StPO (2-Wochen Frist)
  • > Sonstige Maßnahmen: bei Rechtsschutzinteresse (!)
  • –> Anordnung durch Richter: § 304 StPO
  • –> Anordnung durch Pol/StA: § 98 II S. 2 StPO (bei allen anderen Maßnahme als Beschlagnahme: analog!)
  • –> Art und Weise der Durchführung: § 98 II S. 2 StPO analog
How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
7
Q

Zwangsmaßnahmen: Rechtsschutz: P: Verhältnis von RS nach § 101 VII S. 2 StPO zu allgemeinem RS

A
  • eA: neben allgemeinem RS
    pro: Telos: Betroffener soll davon befreit werden, RS-Interesse nachweisen zu müssen
  • Rspr: abschließende Sonderregelung
    pro: ansonsten läuft vom Gesetzgeber explizit als Sonderregelung eingeführte Fristwahrung leer
How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
8
Q

Beweisverfahren: Arten

A
  • Strengbeweisverfahren: alle Beweiserhebungen innerhalb der Hauptverhandlung, die die Schuld und die Rechtsfolgen betreffen
  • > förmliches Beweisverfahren nach §§ 239 ff. StPO mit gesetzlich bestimmten Beweismitteln
  • Freibeweisverfahren: sonstige Beweiserhebungen, insb. innerhalb der Hauptverhandlung zu prozessualen Fragen sowie außerhalb der Hauptverhandlung
  • > keine Bindung an gesetzliche Beweismittel (beliebige Art und Weise)
How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
9
Q

Beweisverfahren: Anträge

A
  1. Im Strengbeweisverfahren
    a. Tatsachenbehauptung + Beweismittel bestimmt: Beweisantrag -> Ablehnung nur förmlich möglich in den Fällen der §§ 244 III-V, 245 II StPO
    b. Tatsachenbehauptung + kein Beweismittel bestimmt: Beweisermittlungsantrag -> Ablehnung formlos möglich, aber Bindung an Ausklärungsgrundsatz, § 244 II StPO
    c. Beweiserhebung angeregt: Beweisanregung -> Ablehnung formlos möglich, aber Bindung an Ausklärungsgrundsatz, § 244 II StPO
  2. Im Freibeweisverfahren: Beweisanregung -> Ablehnung formlos möglich, aber Bindung an Ausklärungsgrundsatz, § 244 II StPO
How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
10
Q

Beweisverfahren: Reichweite des § 252 StPO über ein bloßes Verlesungsverbot hinaus

A
  • hL: § 252 als allgemeines Verwertungsverbot
    pro: bereits § 250 S. 2 StPO sieht ein Verlesungsverbot vor
  • > somit sind auch die Einführung von Aussagen des Zeugnisverweigerungsberechtigten durch Vernehmung der Person, die ihn vernommen hat, untersagt
  • Rspr.: Differenzierung
  • > bei nichtrichterlichen Vernehmungen: allgemeines Verwertungsverbot
  • > bei richterlichen Vernehmungen
    pro: Gesetz bringt richterlichen Vernehmungspersonen größeres Vertrauen entgegen, §§ 251, 254 StPO
    pro: für Zeugen hat Vernehmung durch Richter erkennbar höhere Bedeutung
  • -> somit Richter als Zeuge von Hörensagen zulässig, wenn:
    1. Zeugnisverweigernder wurde als Zeuge (nicht als Beschuldigter) vernommen
    2. Zeugnisverweigerungsrecht bestand schon zu diesem Zeitpunkt
    3. Belehrung über Zeugnisverweigerungsrecht
    4. Wirksamer Verzicht auf dieses Recht
  • Anschlussproblem: qualifizierte Belehrung dergestalt erforderlich, dass Richter als Zeuge über Vernehmung vernommen werden darf, auch wenn Zeuge später sich auf sein Zeugnisverweigerungsrecht beruft?
  • > eA: Zeuge kann Tragweite seiner Aussage nicht richtig einschätzen
  • > Großer Senat: nicht erforderlich
    pro: Belehrungen über die Verwendungsmöglichkeiten von Zeugenaussagen sind systemfremd
    pro: selbst Beschuldigter muss nicht entsprechend qualifiziert belehrt werden
How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
11
Q

Beweisverfahren: Reichweite des § 252 StPO über ein bloßes Verlesungsverbot hinaus: Aufhebung des allgemeinen Verwertungsverbots bei nichtrichterlicher Vernehmung durch Zustimmung des Zeugen

A
  • eA: (-)
    pro: Zeuge könnte über Unmittelbarkeitsgrundsatz disponieren
    pro: Zeuge könnte sich konfrontativer Befragung durch Verteidiger entziehen
  • Rspr: (+), wenn wirksame Gestattung der Verwertung nach Zeuge ordnungsgemäß über die Konsequenzen seiner Tuns belehrt
  • > Verwertungshindernis nach § 252 StPO beseitigt, aber nicht allgemeines Verlesungsverbot nach § 250 S. 2 StPO, sodass nur Vernehmender als Zeuge von Hörensagen vernommen werden kann
How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
12
Q

Beweisverfahren: Reichweite des § 252 StPO über ein bloßes Verlesungsverbot hinaus: Erstreckung auf Aussagen aus nichtförmlichen Vernehmungen

A
  • auch bei vernehmungsähnlichen Situationen:
  • > informatorische Befragungen durch Polizei
  • > außergerichtliche Gespräche des Verteidigers mit Zeugen
  • (-) aber bei Spontanäußerungen und bei Gesprächen mit V-Leuten
    pro: Telos des § 252 soll sein, dem Zeugen den Konflikt zwischen Wahrheitspflicht in der Vernehmung und familiärer Bindung zu ersparen -> nicht einschlägig, wenn Zeuge freiwillig ggü nichtamtlich auftretender Person Aussagen tätigt
  • > Ausnahme, wenn V-Mann gerade der Umgehung des Zeugnisverweigerungsrechts dient (§ 252 analog)
How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
13
Q

Beweisverbote: Beweiserhebungsverbote: Arten

A
  1. Beweisthemenverbote: Verbot der Aufklärung bestimmter SV
  2. Beweismittelverbote: Untersagung bestimmter Beweismittel (bspw. Ersetzung des Personalbeweises durch Urkundenbeweis, § 250 S. 2)
  3. Beweismethodenverbote: v.a. nicht abschließender Katalog der verbotenen Vernehmungsmethoden, § 136a
How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
14
Q

Beweisverbote: Beweiserhebungsverbote: Arten: Beweismethodenverbote: Abgrenzung von Täuschung und (zulässiger) “kriminalistischer List”

A
  • “Stimmenfalle”: Vergleich der Stimme des Verdächtigen wird ohne dessen Wissen ermöglicht
  • > BGH: grds. zulässig, es sei denn, Verdächtiger hat zuvor Stimmvergleich explizit abgelehnt oder Verhör dient allein dem Zweck des Stimmvergleichs
How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
15
Q

Beweisverbote: Beweiserhebungsverbote: Arten: Beweismethodenverbote: Täuschungsbedingte Selbstbezichtigung außerhalb von Vernehmungen

A
  • §§ 136, 136a: (-), da mangels amtlichem Auftreten der Personen (bspw. V-Leute) keine Vernehmung
  • §§ 136, 136a analog: (-), da kein § 136a vergleichbarer Schweregrad der Beeinträchtigung der Willensentschließungs- und betätigungsfreiheit (hM)
  • Verstoß gegen nemo-tenetur-Grundsatz?
    1. Konstellation: Geständnis ggü V-Leuten
  • > eA: nemo-tenetur schütze nur die Freiheit von Zwang (frühere hM)
  • > aA: umfassender Schutz der Freiheit, am Strafverfahren mitzuwirken
  • > BGH: grds. kein Verstoß, außer wenn sich Verdächtiger schon zuvor auf sein Schweigerecht berufen hat und der V-Mann eine vernehmungsähnliche (bedrängende) Befragung durchführt
    2. Konstellation: Mithören eines Gespräches durch amtliche Ermittlungsperson, dass nichtamtliche Person mit Verdächtigem führt
  • > BGH: Kriterien wie bei 1.: kein Verstoß, außer wenn sich Verdächtiger schon zuvor auf sein Schweigerecht berufen hat und der V-Mann eine vernehmungsähnliche (bedrängende) Befragung durchführt
  • > zusätzlich BVerfG: nur rechtmäßig vor dem Hintergrund der Beeinträchtigung des APR des Verdächtigen aus Art. 2 I iVm Art. 1 I GG (Mithören), wenn zur Aufklärung besonders schwerer Straftaten
    3. Konstellation: Abhören eines Gespräches einer nichtamtlichen Person mit Verdächtigem
  • > BGH: Kriterien aus 1.: kein vorheriges Berufen, kein vergleichbarer psychologischer Druck wie in einer Vernehmung
    con: Staat dürfe sich seiner Belehrungspflicht nicht dadurch entziehen, dass er Privatpersonen vorschickt
How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
16
Q

Beweisverbot: Beweisverwertungsverbot: Arten

A
  1. Selbständige Beweisverwertungsverbote: Verbot bei rechtmäßiger Beweiserhebung
  2. Unselbständige Beweisverwertungsverbote: Verbot bei unrechtmäßiger Beweiserhebung - Kriterien: Beweiserhebungsverbot führt zu Beweisverwertungsverbot, wenn
    a. Rechtskreis (v.a. frühere BGH-Ansicht, jetzt eher zusätzliches Kriterium): die Vorschrift wesentlich dem Schutz des Rechtskreises des Betroffenen dient (vs. wenn sie nur untergeordnete Bedeutung hat)
    b. Schutzzweck der Norm: sich entsprechend darstellt
    c. Abwägung (heute vorrangige BGH-Methode): das Individualinteresse des Angeklagten auf Wahrung seiner Rechte schwerer wiegt als das Interesse an staatlicher Strafverfolgung
17
Q

Beweisverbot: Beweisverwertungsverbot: P: Verwendbarkeit von Beweisen, die im Zuge präventiver Maßnahmen erlangt wurden

A
  • § 161 III StPO: nur, wenn die entsprechende Vorschrift auch nach den Vorschriften der StPO hätte angeordnet werden dürfen
  • P: “legendierte Kontrolle” (innerdeutsche Verkehrskontrolle (präventive Maßnahme) wird (anstatt repressiver Durchsuchung und Beschlagnahme an der Grenze) zur Erlangung von Beweismaterial durchgeführt)
  • > eA: primär wird Polizei repressiv tätig -> allein StPO-Vorschriften einschlägig -> idR (mangels richterlicher Anordnung etc) rechtswidrig
  • -> da rechtswidrige Maßnahme gezielt zur Umgehung der gesetzlichen StPO-Vorschriften durchgeführt wurde: Beweisverwertungsverbot
  • > BGH: nicht nur repressiv, sondern auch präventiv (Aus-dem-Verkehr-Ziehen von Drogen durch Verkehrskontrolle) -> doppelfunktionale Maßnahme
  • -> nach PolG rechtmäßig, als hypothetischer Ersatzeingriff nach § 161 III StPO zulässig
  • –> kein Beweisverwertungsverbot
18
Q

Beweisverbot: Beweisverwertungsverbot: Unterbliebende Belehrung des Zeugen entgegen § 52 III S. 1

A
  • Grds: Verwertungsverbot (hM)
    pro: Rücksicht auf familiäre Verbundenheit über Vermeidung des inneren Konfliktes des Zeugen hinaus
  • kein Verwertungsverbot: wenn Zeuge sein Zeugnisverweigerungsrecht gekannt hat und auch bei Belehrung ausgesagt hätte
19
Q

Beweisverbot: Beweisverwertungsverbot: Verletzung der Schweigepflicht durch Vertrauensperson (bspw. Arzt) iSd § 53 StPO

A
  • eA: (+)
    pro: Strafbarkeit nach § 203 StGB
    pro: Vertrauensverhältnis, das § 53 StPO voraussetzt, sei nur herstellbar, wenn Betroffene sich darauf verlassen könne, dass Vertrauen nicht missbraucht werde
  • hM: (-)
    pro: § 53 gibt ein Recht, aber keine Pflicht zur Aussageverweigerung
    pro: Norm schützt den Zeugen davor, in Konflikt zu geraten; Schutzzweck nicht einschlägig, wenn sich Zeuge freiverantwortlich in Kenntnis seines Zeugnisverweigerungsrechts dazu entscheidet, auszusagen
20
Q

Beweisverbot: Beweisverwertungsverbot: Fehlende Zeugenbelehrung nach § 55 II StPO (Zeugnisverweigerungsrecht, wenn Zeuge sich oder Angehörigen der Gefahr der Strafverfolgung aussetzen würde)

A
  • eA: (+)
    pro: auch Schutz des Angeklagten vor Aussagen bezweckt, deren Wahrheitswert wegen der Selbst- oder Drittbegünstigungstendenz des Zeugen von vornherein zweifelhaft ist
    con: etwaige Zweifelhaftigkeit ist auch bei Beweiswürdigung angemessen zu berücksichtigen
  • hM: (-)
    pro: Norm soll nur Zeugen vor Selbstbelastung und innerem Konflikt schützen; Rechtskreis des Angeklagten wird nicht berührt
21
Q

Beweisverbot: Beweisverwertungsverbot: Fehlerhafte Belehrung des Beschuldigten: Grundsatz

A
  • Verstoß gegen § 136 I StPO: grds. (+)
    -> BGH: gilt nicht, wenn
    1. Beschuldigter sein Recht kannte
    ODER
    2. der Verteidiger des Beschuldigten der Verwertung zustimmt bzw. ihr bis zum Abschluss der Befragung des Angeklagten nach § 257 StPO nicht widerspricht (sog. Widerspruchslösung) - allerdings nicht im Ermittlungsverfahren erforderlich, hier ist Verwertungsverbot von Amts wegen zu berücksichtigen
    pro: Widerspruchslösung dient der Schonung der Justizressourcen, Tatgericht soll noch in der Hauptverhandlung prüfen können, ob ein Verwertungsverbot vorliegt
  • Verwertungsverbot sowohl hinsichtlich Aussagefreiheit als auch Verteidigerrecht
  • § 136 I StPO nicht einschlägig bei informatorischer Befragung und Spontanäußerungen
22
Q

Beweisverbot: Beweisverwertungsverbot: Fehlerhafte Belehrung des Beschuldigten: Umfang der erforderlicher Verteidigerbelehrung

A
  • Auf effektive Art und Weise: insbesondere auch Hinweis auf anwaltlichen Notdienst (bloße “Scheinaktivität” reicht nicht aus, sodass erwartete Erfolglosigkeit und Entmutigung des Beschuldigten ausgenutzt werden kann)
  • Pflichtverteidigerbelehrung, § 136 I S. 5 StPO: Beweisverwertungsverbot nicht zwingend (BGH)
    pro: wiegt weniger schwer als die grundsätzliche Belehrung über das Verteidigerrecht aus § 136 I S. 2 StPO
  • > Abwägung im Einzelfall
23
Q

Beweisverbot: Beweisverwertungsverbot: Fehlerhafte Belehrung des Beschuldigten: P: Fortwirkung auf weitere Vernehmungen

A
  • Konstellation: unterbliebene Belehrung des Beschuldigten während des Ermittlungsverfahrens, erneute Vernehmung in der Hauptverhandlung mit Aussage desselben Inhalts (bspw. Wiederholung des Geständnisses)
  • hL: qualifizierte Belehrung erforderlich, ansonsten Verwertungsverbot (Hinweis darauf, dass bisherige Aussage nicht verwertbar)
    pro: Angeklagter wird davon ausgehen, dass er durch erste Aussage bereits auf diese festgelegt sei
  • BGH: Abwägung im Einzelfall
  • > neben Schwere des Verstoßes und Strafverfolgungsinteresse maßgeblich, ob Angeklagter davon ausgeht, dass er von erster Aussage nicht mehr abrücken könne; Indiz hierfür ist, dass zweite Aussage eine bloße Wiederholung der ersten ist
24
Q

Beweisverbot: Beweisverwertungsverbot: Fehlerhafte Belehrung des Beschuldigten: P: Drittwirkung (zugunsten eines Mitbeschuldigten)

A
  • eA: (+)
    pro: Grundsatz des fair trial
    pro: ansonsten könnten von zwei nicht belehrten Beschuldigten beide aufgrund der jeweils vom anderen erlangten Aussage verurteilt werden
  • hM: (-)
    pro: Rechtskreis wird nicht berührt; Norm bezweckt nur Schutz des einen Beschuldigten
25
Q

Beweisverbot: Beweisverwertungsverbot: Fehlerhafte körperliche Untersuchung, § 81a StPO

A
  • idR (-)
    pro: Bezweckt nur Schutz der Gesundheit
  • Ausnahme: bei vorsätzlichem Verstoß, insb. bei Unterlaufen des Richtervorbehalts (Abwägung)
26
Q

Beweisverbot: Beweisverwertungsverbot: Fehlerhafte Telekommunikationsüberwachung

A
  • hM: (+) bei Verstoß gegen materiell-rechtliche, (-) bei Verstoß gegen formelle Voraussetzungen (allerdings (+), wenn Anordnung von Richter/StA völlig fehlt)
  • wenn TKÜ auf Katalogstraftat bezieht, hinsichtlich derer kein hinreichender Tatverdacht bestand: hypothetischer Ersatzeingriff denkbar (wenn auf andere Katalogtat hätte gestützt werden können)
27
Q

Beweisverbot: Beweisverwertungsverbot: Fehlerhafte Durchsuchung

A
  • hM: nur dann (+), wenn besonders schwerwiegender Fehler
  • > bspw. (-), wenn nur Tatverdacht eigentlich nicht hinreichend konkret war
  • > bspw. (+), wenn solange von Ermittlungspersonen zugewartet wird, dass Durchsuchung wegen Gefahr in Verzug von Ermittlungspersonen selbst angeordnet wird (bewusste Umgehung des Richtervorbehalts sonst sanktionslos)
    pro: Bedeutung von Art. 13 GG
  • > bspw. (+), wenn wegen Gefahr in Verzug durch StA angeordnet wird, obwohl Antrag schon beim Richter gestellt wurde (Eilzuständigkeit endet mit Antrag beim Richter, es sei denn, es kommen neue Umstände zutage, die die Eilzuständigkeit wieder zu begründen vermögen)
    pro: Kompetenzen des Richters aus Art. 13 II GG und Art. 91 I GG
28
Q

Beweisverbot: Beweisverwertungsverbot: APR-Eingriffe

A
  • Unterscheidung nach der Sphärentheorie (volle Verwertbarkeit - Abwägung - absolutes Verwertungsverbot)
  • P: Einordnung von Tagebuchaufzeichnungen
  • > kein Kernbereich, außer wenn Tagebuchaufzeichnungen sachlich Kernbereich berühren (hM)
  • > aA: generell Privatsphäre: Abwägung möglich
  • P: Einordnung von Selbstgesprächen
  • > Kernbereich, sofern in geschütztem Rückzugsraum geführt (hM), bspw. Wohnung, Krankenzimmer, PkW
29
Q

Beweisverbot: Beweisverwertungsverbot: Von Privatpersonen rechtswidrig gewonnene Beweise

A
  • hM: grds. kein Verwertungsverbot, da StPO-Vorschriften nicht auf Privatpersonen anwendbar sind
  • > Ausnahmen
  • -> Beweiserhebung durch eklatanten Menschenwürdeverstoß (Folter)
  • -> Beweisverwertung wäre erneuter Grundrechtseingriff (bspw. erneutes Abspielen einer Tonbandaufnahme)
  • -> Privatperson handelt gezielt im Auftrag der Strafverfolgungsbehörde
  • -> Strafverfolgungsbehörde muss sich Verhalten von Informanten zurechnen lassen (Gewährenlassen insb. in bedrängenden U-Haft-Situationen - BGH)
  • ähnliche Handhabung auch bei V-Leuten: jedenfalls Verwertungsverbot, wenn Personen gezielt zur Umgehung der Vernehmungs- und Belehrungsvorschriften eingesetzt werden
30
Q

Beweisverbot: Beweisverwertungsverbot: P: Fernwirkung von Beweisverboten

A
  • Konstellation: Behandlung von Beweisen, die mittelbar aufgrund eines unverwertbaren Beweismittels gewonnen wurden, selbst jedoch an sich rechtmäßig sind
  • eA: fruit of the poisonous tree doctrine
    pro: sonst würde Sinn und Zweck der Beweisverbote unterlaufen
  • > Ausnahme nur bei hypothetisch rechtmäßigem Ermittlungsverlauf (Beweismittel wäre höchstwahrscheinlich auch ohne Verfahrensverstoß erlangt worden)
  • aA: Schutzbereich der verletzten Verfahrensnorm bzw. Schwere des Verstoßes maßgeblich für Bestimmung der Reichweite
  • Rspr: (-)
    pro: Verfahrensverstoß darf nicht gesamtes Ermittlungsverfahren lahm legen
31
Q

Urteil: Arten und Gegenstand

A
  • Arten
    1. Prozessurteil: Einstellung aufgrund Verfahrenshindernis, dass sich erst in der Hauptverhandlung herausstellt, § 260 III StPO
    2. Sachurteil: Freispruch oder Verurteilung
  • Gegenstand: prozessuale Tat = gesamtes Verhalten des Beschuldigten, soweit es mit dem in der Anklage beschriebenem SV nach allgemeiner Lebensauffassung einen einheitlichen, inhaltlich zusammenhängenden Vorgang bildet
  • > Faustformel: Tateinheit bedeutet idR eine Tat; bei Tatmehrheit muss örtlicher und zeitlicher Zusammenhang und innere Verknüpfung des Täterverhaltens vorliegen
32
Q

Urteil: Urteilabsprachen: Verwertungsverbot eines Geständnisses bei einer ungültigen Verständigung

A
  • BGH: (-)
    pro: soweit Gericht sich an Vereinbarung gehalten hat, gibt es keinen Grund, analog § 257c IV S. 3 StPO ein Verwertungsverbot anzunehmen, da sich Gericht gerade nicht von seiner Zusage lösen will
    con: Vereinbarung wird als quasi-wirksam behandelt
  • Literatur: (+)
    pro: Gesetzeswidrige Vereinbarungen sollen unterbunden und nicht unterlaufen werden
33
Q

Urteil: Rechtskraft

A
  1. Formell = wenn das Urteil mit ordentlichen Rechtsmitteln (Berufung, Revision) nicht mehr angegriffen werden kann
    a. Absolute Rechtskraft: kein Teil kann von einer Seite angegriffen werden
    b. Relative Rechtskraft
    aa. Teilrechtskraft: nur ein Teil des Urteils wird angegriffen
    bb. Subjektiv-relative Rechtskraft: Urteil kann nicht mehr von allen Rechtsmittelberechtigten angegriffen werden
    => Voraussetzung für Strafvollstreckung, § 449 StPO
    => Voraussetzung für materielle Rechtskraft
  2. Materiell = bewirkt Endgültigkeit der im Tenor ausgesprochenen Entscheidung und Sperrwirkung
    => Verbrauch der Strafklage, Art. 103 III GG
    -> ne bis in idem hinsichtlich Doppelbestrafung (nicht nur nach Bestrafung, sondern auch nach rechtskräftigem Freispruch)
    -> ne bis in idem hinsichtlich Anklage (hM, zu enger Wortlaut des Art. 103 III GG)
34
Q

Urteil: Rechtskraft: Materiell: P: Strafklageverbrauch bei Prozessurteilen

A
  • Grds. nur Sachurteile

- Prozessurteile (+), soweit sie implizit eine Sachentscheidung treffen