1/2 (Prozessvoraussetzungen und -maximen; Gerichtsorga; Verfahrensbeteiligte; Ermittlungsverfahren) Flashcards
Ziele des Strafverfahrens
- Wahrheit
- Rechtsstaatlichkeit
- Rechtsfrieden
Gang des Strafverfahrens
I. Erkenntnisverfahren
- Ermittlungsverfahren, §§ 160-177: Besteht hinreichender Tatverdacht gegen Beschuldigten?
- Zwischenverfahren, §§ 199-211: Besteht der im Ermittlungsverfahren behauptete hinreichende Tatverdacht gegen den Angeschuldigten, sodass das Hauptverfahren eröffnet wird?
- Hauptverfahren, §§ 213-358:
a. Vorbereitung, §§ 213 ff.
b. Durchführung, §§ 226 ff.
c. Urteil, § 260 - Ggf. Rechtsmittelverfahren
II. Vollstreckungsverfahren, §§ 449 ff.
Prozessvoraussetzungen: Überblick
- Sachliche und örtliche Zuständigkeit des Gerichts
- Strafmündigkeit, § 19 StGB
- Verhandlungsfähigkeit (= Fähigkeit, in und außerhalb der Verhandlung seine Interessen wahrzunehmen, die Verteidigung in verständlicher und verständiger Weise zu führen sowie Prozesserklärungen abzugeben und entgegenzunehmen)
- Keine anderweitige Rechtshängigkeit (Zeitpunkt: Erlass des Eröffnungsbeschlusses des Hauptverfahrens, hM)
- Keine entgegenstehende Rechtskraft, Art. 103 III GG
- Keine Verjährung, §§ 78 ff. StGB
- Wirksamer Strafantrag bei Antragsdelikt (wenn nicht durch öffentliches Interesse ersetzbar)
- Wirksame Anklage und wirksamer Eröffnungsbeschluss
- Kein Tod des Beschuldigten
Prozessvoraussetzungen: Fehlen
- endgültig
- > Einstellung des Ermittlungsverfahrens, § 170 II StPO
- > Keine Eröffnung des Hauptverfahrens, § 204 StPO
- > Einstellung des Hauptverfahrens vor bzw. außerhalb der Hauptverhandlung (§ 206a StPO)
- > Einstellung des Hauptverfahrens durch Prozessurteil während der Hauptverhandlung (§ 260 III StPO), aber: Vorrang des Freispruchs (wenn zum möglichen Einstellungszeitpunkt bereits feststeht, dass Angeklagter freizusprechen wäre)
- vorübergehend
- > vorläufige Einstellung
- > im Hauptverfahren: auch Aussetzung oder Unterbrechung möglich, § 228
Prozessmaximen: Überblick
- Rechtsstaatsprinzip
- Offizialprinzip
- Akkusationsprinzip
- Legalitätsprinzip
- Untersuchungsgrundsatz, §§ 160 II, 244 II
- Unmittelbarkeitsgrundsatz, § 261
- Mündlichkeitsprinzip, § 261
- Freie richterliche Beweiswürdigung, § 261
- In dubio pro reo, Art. 6 II EMRK und Schuldprinzip iVm § 261
- Öffentlichkeitsgrundsatz, Art. 6 EMRK, § 169 GVG
- Beschleunigungsgrundsatz, Art. 20 III GG, Art. 6 I EMRK
- Nemo tenetur se ipsum accusare, Art. 2 I iVm Art. 1 I GG (spezielle Ausformungen, bspw. § 136 I S. 2)
- Grundsatz des fair trial, Art. 1 I, 20 III, 101 I S. 2, 103 I GG
Prozessmaximen: Offizialprinzip
= Einleitung und Durchführung des Strafverfahrens obliegt dem Staat allein; Strafverfolgung erfolgt von Amts wegen (ex officio)
- Antragsdelikte: Ermittlungsverfahren kann auch ohne Antrag begonnen werden, jedoch bedarf es eines solchen für die Erhebung der Anklage
- > reine Antragsdelikte (bspw. § 123 StGB): Antrag zwingend
- > relative Antragsdelikte (bspw. § 230 StGB): durch öffentliches Interesse kompensierbar (muss durch StA zumindest konkludent ausgedrückt werden)
Prozessmaximen: Akkusationsprinzip
- Anklagemonopol bei StA
- > strikte Trennung von Gerichten und StA
- > Bindung des Gerichts an Tat in Anklage = das gesamte Verhalten des Beschuldigten, soweit es mit dem in der Anklage beschriebenen SV nach allgemeiner Lebensauffassung einen einheitlichen Vorgang bildet (strafprozessualer Tatbegriff)
Prozessmaximen: Legalitätsprinzip
= rechtliche Pflicht der StA, bei zureichendem tatsächlichen Anhaltspunkten (Anfangsverdacht) Ermittlungen aufzunehmen und sofern sich diese Anhaltspunkte zu einem hinreichendem Tatverdacht verdichten, Anklage zu erheben, §§ 152 II, 160, 170 I
- Anfangsverdacht = wenn aufgrund konkreter tatsächlicher Anhaltspunkte das Vorliegen einer verfolgbaren Straftat nach kriminalistischer Erfahrung möglich erscheint
- Einschränkungen nach Opportunitätsprinzip
Prozessmaximen: Legalitätsprinzip: P: außerdienstlich erlangtes Wissen
- eA: vollständige Ablehnung einer Verfolgungspflicht
- hM: Differenzierungen, dabei:
- > eA: Pflicht auf Katalogstraftaten aus § 138 StGB oder § 100a StPO beschränkt
- > aA: nur bei Verbrechen, nicht bei Vergehen
- BGH: auch jenseits von hM-Differenzierung, wenn Straftat nach Art und Umfang öffentliche Interessen in besonderem Maß berührt
- wA: Abwägung zwischen Art und Schwere der Straftat (obere Ansichten) und Persönlichkeitsrecht des StA
Prozessmaximen: Legalitätsprinzip: P: Bindung der StA an höchstrichterliche Rspr
- eA: (-), außer idF von § 31 II BVerfGG
pro: § 150 GVG (von Gerichten unabhängiges Rechtspflegeorgan)
pro: Art. 20 III (Bindung an Recht und Gesetz, nicht Rspr) - aA: Differenzierung
- > wenn StA Verhalten entgegen Rspr für strafbar hält, darf sie anklagen
pro: ansonsten keine Rspr-Änderung möglich - > wenn StA Verhalten entgegen Rspr für straflos hält, muss sie dennoch anklagen
pro: bei gefestigter Rspr ist einheitliche Rechtsanwendung gefährdet - BGH: (+)
pro: Gewaltenteilungsprinzip weist Entscheidung darüber, ob ein Strafgesetz verletzt ist, den Gerichten zu
pro: Einheit der Rechtsordnung
Prozessmaximen: Freie richterliche Beweiswürdigung: P: Würdigung eines prozessual zulässigen Schweigens
- Vollständiges Schweigen: (-)
pro: Nemo-tenetur - Zeitweises Schweigen: (-)
- Teilweises Schweigen: (+), hM
pro: durch teilweise Einlassung zur Sache macht sich der Angeklagte selbst zum Beweismittel und setzt sich der freien Beweiswürdigung aus
Prozessmaximen: In dubio pro reo: P: Anwendungsbereich
- Tatsachen, die die Schuld- und Straffrage betreffen: unstr. (+)
- Gesetzesinterpretation: unstr. (-)
- sonstige materielle und prozessuale Rechtsfragen (bspw. Vorliegen von Verfahrensfehlern): hM (-)
- Prozessvoraussetzungen:
con: historisch wird der Grundsatz auf das Schuldprinzip bezogen
pro: Prozessvoraussetzungen als fundamentale rechtsstaatliche Bedingungen eines Sachurteils - > BGH: Einzelprüfung, (+) für Verjährung, Verhandlungsfähigkeit und Strafklageverbrauch
Gerichtszuständigkeit und -organisation: P: Verfasssungswidrigkeit der beweglichen Zuständigkeit nach § 24 I Nr. 3 GVG
- hM: kein Verstoß gegen Art. 101 I S. 2 GG
pro: kein Ermessensspielraum der StA; bei Vorliegen der Voraussetzungen in StA verpflichtet, vor dem LG anzuklagen
pro: Entscheidung der StA voll überprüfbar
Verfahrensbeteiligte: StA
- Aufgaben:
- Leitung des Ermittlungsverfahrens
- Vertretung der Anklage
- Strafvollstreckung - StA als monokratische und hierarchische Behörde (§§ 145 ff. GVG)
- Devolutivrecht des ersten Beamten (Behördenleiter) hinsichtlich jeder einzelnen Amtshandlung oder des gesamten Falls
- Substitutionsrecht mit einem anderen als dem urspr. betrauten Staatsanwalt
- Weisungsrecht (auch des Justizministers)
Verfahrensbeteiligte: StA: P: Reichweite der Weisungsgebundenheit
- unstr.: zunächst Remonstration
- bei Bestätigung: grds. Ausführungspflicht
- > Ausnahmen: keine Bindung, wenn durch Ausführungshandlung eine Straftat oder OWi begangen würde oder Menschenwürde verletzt würde