1/4 (Willenserklärungen, Vertragsschluss, AGB) Flashcards
P: Fehlen des Geschäftswillens
- WE ohne Geschäftswillen ist anfechtbaren nach Maßgaben der §§ 119 ff.
- Wäre Geschäftswille für die Wirksamkeit einer WE erforderlich, wären §§ 119 ff. überflüssig
P: Fehlen des Erklärungsbewusstsein
eA (Subjektive Theorie):
- Erklärungsbewusstsein als notwendiger Bestandteil der WE
- Privatautonomie: Geltungsgrund im subjektiven Willen der Vertragsparteien
- a fortiori § 118: Wenn die WE schon nichtig ist, wenn sie entgegen dem Willen des Erklärenden ernst genommen wird, dann erst recht, wenn der Erklärende sich nicht einmal bewusst war, eine rechtsfolgenerhebliche Äußerung zu tätigen
aA (Objektive Theorie)
- Erklärungsbewusstsein nicht notwendiger Bestandteil
- Verkehrsschutz wird ggü Privatautonomie Vorrang eingeräumt
- Gleichstellung mit fehlendem Geschäftswillen mit Hinblick auf den Erklärungsempfänger: Akte der Selbstbestimmung sind jeweils gestört, unterscheiden sich aber für Rechtsverkehr nicht voneinander (Anwendung der § 119)
aA (Lehre vom potentiellen Erklärungsbewusstsein/Erklärungsfahrlässigkeit):
- WE kann auch ohne EB vorliegen, wenn Erklärung dem Erklärenden zugerechnet werden kann
- Zurechnung, wenn der Erklärende bei Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen und vermeiden können, dass in seinem Verhalten nach Trau und Glauben und der Verkehrssitte nach als WE aufgefasst werden kann, und der Empfänger dies auch getan hat
- Interessensausgleich zwischen Privatautonomie und Rechtsverkehrsschutz
Streitentscheid
- 118: keine vergleichbare Situation, da sich anders als der Scherzerklärende der Erklärende ohne EB keinen Willen über das Geschäft gebildet hat -> abzulehnen
- aA kommen beide zum Ergebnis der anfechtbaren WE
- > Anfechtung idR nach 119 I analog (kein Auseinanderfallen von subjektiven und objektiven Teilen der WE, sondern fehlendes EB)
P: Zugang bei Falschübermittlung unter Anwesenden
eA (Vernehmungstheorie)
- Zugang liegt nur dann vor, wenn der Empfänger die Erklärung zutreffend versteht (Erklärender trägt das Risiko einer möglichen Falschübermittlung)
aA (eingeschränkte Vernehmungstheorie)
- Zugang, wenn der Erklärende bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt keine Anhaltspunkte für ein Verständnisproblem seines Geschäftspartners hatte und somit damit rechnen durfte, richtig verstanden zu werden
- wenn er sie deutlich und vollständig abgegeben hat - Empfänger ist ggf. Nachfrage zumutbar
Streitentscheid
- eA lastet Risiko einseitig dem Erklärenden auf, obwohl Vernehmungshindernisse auf Empfängerseite für ihn gar nicht erkennbar
- aA: angemessene Risikoverteilung und Interessensberücksichtigung
P: Verweigerung
- Berechtigte Verweigerung: geht zulasten des Erklärenden
- Unberechtigte Verweigerung: geht zulasten des Empfängers
P: Zugangsverzögerung / -verhinderung
- Wer mit dem Eingang RGlicher WE rechnen muss, muss grds. durch geeignete Vorkehrungen sicherstellen, dass ihn die Erklärungen auch erreichen (Verzögerungsrisiko beim Empfänger)
- Erklärender muss allerdings alles Erforderliche und Zumutbare tun, damit seine Erklärung den Adressaten erreicht
- Wiederholte Zustellung dann entbehrlich, wenn der Adressat die Annahme grundlos verweigert oder den Zugang arglistig vereitelt (keine Schutzwürdigkeit) -> Zugangsfiktion nach § 242 im Zeitpunkt, in dem WE ohne Vereitelungsmaßnahme zugegangen wäre
P: Falsa demonstratio non nocet
Die Auslegung von Willenserklärungen richtet sich gemäß §§ 133, 157 BGB nach dem objektiven Empfängerhorizont
unter Berücksichtigung der Verkehrssitte und von Treu und Glauben; der innere Wille ist dabei grundsätzlich unbeachtlich, wenn er in der Erklärung nicht zum Ausdruck kommt. Da X Y bedeutet, wäre der Vertrag demnach über Y geschlossen worden.
Fraglich ist aber, ob es genügt, wenn beide Vertragsparteien subjektiv das Gleiche meinen und nur
gemeinsam eine Bezeichnung wählen, die objektiv etwas anders bedeutet. Die Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont dient dem Schutz des Erklärungsempfängers. Er bedarf aber dieses Schutzes nicht, wenn er erkannt hat, was der Erklärende meint. Es besteht daher kein Anlass, den Parteien ein Verständnis der Erklärung aufzudrängen, das beide so nicht wollten. Deshalb schadet eine übereinstimmende Falschbezeichnung der Parteien nicht, unabhängig davon, ob sie bewusst oder wie hier irrtümlich gewählt wurde (falsa demonstratio non nocet)
P: Abhandengekommene WE
(Abgabe: liegt vor, wenn der Erklärende alles Erforderliche getan hat, damit die Erklärung unter gewöhnlichen Umständen dem Empfänger zugehen kann: Abgabehandlung und Abgabewille)
eA (hM):
- für Abgabe der WE ist Abgabewille erforderlich
- ohne Abgabewille ist WE nicht wirksam entstanden
aA:
- Abgabe wird fingiert, wenn der Erklärende bei ausreichender Sorgfalt hätte erkennen können, dass seine WE ohne seinen Willen in den Verkehr gelangen könnte, wenn er sie so wie geschehen behandelt (Erklärungsfahrlässigkeit)
Streitentscheid
- pro aA: Verkehrsschutz und Privatautonomie des Erklärenden werden in Ausgleich gebracht
- pro aA: Parallele zum fehlenden Erklärungsbewusstsein: rechtserhebliches Handeln (noch) nicht gewollt
- pro eA: Rechtsgedanke des § 935
- pro eA: es fehlt mangels Abgabewillens an einer tragfähigen Zurechnungsgrundlage
- pro eA: Verkehrsschutz über cic oder § 122 analog möglich
P: Bloße Abgabe einer anfechtbaren WE als Pflichtverletzung
eA: con
- Umgehung des Systems des § 122 (Ausgleichsentscheidung für diesen Fall wird bereits getroffen)
aA: pro
- § 241 II stellt umfassenden Schutzpflichtenkatalog auf
- Fahrlässig oder bewusst falsch Erklärender soll auf diesem Wege haften müssen (unabhängig vom § 123 entstünde ein zu großes Missbrauchspotential)
(Zurechnung ggf. über 278 analog, da dort nur Zurechnung des Verschuldens)
Rechtsgeschäft
= Tatbestand aus mindestens einer Willenserklärung, an den die Rechtsordnung allein oder in Verbindung mit zusätzlichen Merkmalen Rechtsfolgen knüpft, weil diese vom Urheber gewollt sind
Rechtshandlungen
= die Rechtswirkungen treten unabhängig vom Willen des Handelnden kraft Gesetzes ein
- > geschäftsähnliche Handlungen
- > Realakte
Rechtsgeschäftsähnliche Handlung
= private Willensäußerung, jedoch treten die Rechtsfolgen kraft Gesetzes ein, ohne dass sie vom Äußernden gewollt sein müssen. (bspw. Mahnung)
- Da geschäftsähnliche Handlungen i.d.R. in dem Bewusstsein vorgenommen werden, dass sich an sie Rechtsfolgen knüpfen, finden nach herrschender Ansicht die Vorschriften über Rechtsgeschäfte grundsätzlich
entsprechende (analoge) Anwendung, soweit dies Zweck und Eigenart der Erklärung zulassen
Realakte
= Handlung, an die die Rechtsordnung unabhängig vom etwaigen Willen des Handelnden eine Folge knüpft. Sie unterscheiden sich von den geschäftsähnlichen Handlungen dadurch, dass sie keine Erklärungen sind - Auf Realakte finden Vorschriften über Rechtsgeschäfte grundsätzlich keine Anwendung, da es an der Vergleichbarkeit fehlt
Willenserklärung
= private Willensäußerung, die auf die Herbeiführung eines Rechtserfolges gerichtet ist
Vertrag
= mindestens zwei übereinstimmende, mit Bezug
aufeinander abgegebene WE
Anspruchsprüfung - Einzeln
- Tatbestandsbegründende Merkmale
(z.B. Kaufvertrag, § 433) - Rechtshindernde Einwendungen
(z.B. Sittenwidrigkeit, § 138 I) - Rechtsvernichtende Einwendungen
(z.B. Erfüllung, § 362 I) - Rechtshemmende Einwendungen (=
Einreden, z.B. Verjährung, § 194)
Einschränkungen des Trennungs- und Abstraktionsprinzips
- Fehleridentität: derselbe Unwirksamkeitsgrund betrifft sowohl Verpflichtungs- als auch Verfügungsgeschäft (Irrtum; arglistige Täuschung; Gesetzesverstoß / Sittenverstoß)
- Bedingungszusammenhang (die Parteien haben von der ihnen grundsätzlich eröffneten Freiheit Gebrauch gemacht, die Wirksamkeit des Verfügungsgeschäfts von der Wirksamkeit des Verpflichtungsgeschäfts abhängig zu
machen, § 158 Abs. 1 (sog. aufschiebende Bedingung); aber auch: bedingungsfeindliche RGe!) - Geschäftseinheit (Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft werden durch Parteivereinbarung zu einer Einheit verknüpft (vgl. § 139), was nach herrschender Auffassung zulässig ist, wenn der Einheitlichkeitswille sich aus konkreten Anhaltspunkten ergibt (a.A.: unzulässige Verletzung des Abstraktionsprinzips, das dem Verkehrsschutz dient und damit nicht zur Disposition des Parteiwillens steht)
Tatbestand der Willenserklärung: Objektiver Erklärungstatbestand
- Willensäußerung: Verlautbarung des Willens nach außen
- Objektive Anhaltspunkte für einen Rechtsbindungswillen: auf die Herbeiführung von Rechtsfolgen gerichtet
- Bezeichnung bestimmter Rechtsfolgen (essentialia negotii): hinreichend bestimmt oder bestimmbar
Ausnahmen: Schweigen/ Nichtstun als Kundgabeakt bei einer Willenserklärung
- per Gesetz:
• in §§ 108 Abs. 2 S. 2; 177 Abs. 2 S. 2; 415 Abs. 2 S. 2 BGB
(Schweigen als Ablehnung)
• oder in §§ 416 Abs. 1 S. 2, 455 S. 2, 516 Abs. 2 S. 2 BGB
(Schweigen als Zustimmung)
• oder in § 362 Abs. 1 HGB
(Schweigen als Annahme des Antrags) - beredetes Schweigen (Parteivereinbarung über Bedeutung von Schweigen)
- nach Treu und Glauben (§ 242): qui tacet, consentire videtur, ubi loqui debuit atque potuit
- Schweigen bei Empfang eines kaufmännischen Bestätigungsschreibens
Objektiver Empfängerhorizont
Auslegung 1. unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles sowie 2. nach Treu und Glauben und 3. mit Rücksicht auf die Verkehrssitte
(Vertragsverhandlungen prägen den objektiven Empfängerhorizont mit)
Gefälligkeitsverhältnisse (keinerlei Rechtspflichten)
vs.
Schuldverhältnis ohne Leistungspflichten, aber Sorgfaltspflichten nach § 241 II
- > in Form eines (Gefälligkeits-) Vertrages (BGH)
- > als gesetzliches Schuldverhältnis iSd § 311 II
vs.
Unentgeltlicher Vertrag (Gefälligkeitsvertrag mit Leistungspflichten)
- unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere:
- > besondere wirtschaftliche oder persönliche Bedeutung (vorherige Geschäftsbeziehungen)
- > Zumutung des Haftungsrisikos