1/2 (Grundlagen; Parteien, Inhalt und Störungen des Arbeitsverhältnisses) Flashcards

1
Q

Allgemein: Merkmale des Arbeitsverhältnisses

A
  1. Dauerschuldverhältnis
    - > Höchstpersönlichkeit, § 613
  2. Existenzgrundlage
    - > Schutz hinsichtlich Vergütung, Gesundheit, Arbeitsplatzerhaltung (Kündigungsschutz)
  3. Machtungleichgewicht zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer
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2
Q

Allgemein: Begriff der Arbeit und systematische Einordnung des Arbeitsrechts

A
  • Arbeit = alle Dienstleistungen i. S. des § 611 I BGB, die auf privatrechtlicher Basis in persönlicher Abhängigkeit [unselbständige Dienste] zu erbringen sind (§ 611a I BGB)

I. Individuelles Arbeitsrecht
- v.a. Arbeitsvertragsrecht

II. Kollektives Arbeitsrecht
-> Koalitionen, Tarifverträge, Arbeitskämpfe, Betriebsverfassung, Unternehmensmitbestimmung

III. Arbeitsgerichtsbarkeit

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3
Q

Allgemein: Rahmenbedingungen des Arbeitsrechts

A
  • Marktwirtschaft
  • > Eigentumsgarantie aus Art. 14 I GG
  • > kein absoluter Kündigungsschutz (auch zu beachten: Kündigungsschutz wirkt als Zugangshindernis für Arbeitssuchende)
  • Berufsfreiheit
  • > auch für Unternehmer aus Art. 12 I GG
  • > bspw. gewisse Beurteilungsspielräume für unternehmerische Entscheidungen
  • Sozialstaatsprinzip
  • > aus Art. 20, 28 GG
  • > Ausgleich mit Art. 12, 14 GG: “Soziale Marktwirtschaft”
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4
Q

Allgemein: Ebenen des Interessensausgleichs zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber

A

I. Vertragsfreiheit und Gesetzesrecht

  • > aus strukturellem Machtungleichgewicht: Arbeitsrecht als “einziges großes Kontrollsystem gegenüber der Vertragsfreiheit”
  • > Arbeitsrecht historisch und teleologisch als Arbeitsschutzrecht

II. Koalitionsfreiheit und Tarifautonomie

  • > Art. 9 GG, auch Schutz der Arbeitskampfmaßnahmen von Art. 9 III GG umfasst (Aussperrungsurteil, BVerfG)
  • > negative Koalitionsfreiheit: Art. 9 III S. 1 GG
  • > Industrieverbandsprinzip: Gewerkschaften nicht tätigkeitsspezifisch, sondern branchenspezifisch
  • > (notwendiger) Tarifbezug des Arbeitskampfes: ansonsten rechtswidrig

III. Betriebs- und Unternehmensverfassung

  • Betriebsrat hinsichtlich sozialer, personeller und wirtschaftlicher Entscheidungen (mehr oder weniger umfassend und mit unterschiedlicher Bindungswirkung) einzubeziehen, BetrVG
  • Konkurrenz zum kollektiven ArbeitsR/Gewerkschaften: tarifvertragliche Vereinbarungen könne nicht durch Betriebsvereinbarungen geändert werden, außer wenn der Tarifvertrag das ausdrücklich zulässt, § 77 III BetrVG
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5
Q

Rechtsquellen: Zwingende gesetzliche Bestimmungen

A
  • Selten RVO
  • Vor allem: formelle Gesetze
    a. Nach Anwendungsbereich: allgemein vs. nur für besonders Schutzbedürftige (bspw. MuSchG)
    b. Nach Wirkung: Zwingende
    aa. Einseitig zwingend (Abweichung zugunsten des Arbeitnehmers möglich)
    bb. Beidseitig zwingend
    vs. dispositive Regelungen
    aa. Tarifdispositiv (nur Tarifparteien dürfen disponieren)
    bb. Uneingeschränkt dispositiv
  • Gewohnheitsrecht
  • > str. bzgl. Arbeitskampfrecht und Arbeitnehmerhaftung
  • Richterrecht
  • > faktische Bindung durch BAG-Rspr.
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6
Q

Rechtsquellen: Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen

A
  • Tarifvertrag = schriftlicher Vertrag zwischen einem Arbeitgeberverband (oder einem einzelnen Arbeitgeber) und einer Gewerkschaft (§ 2 I TVG), der im normativen Teil u. a. den Inhalt, den Abschluss und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnen kann (§ 1 I TVG)
  • Betriebsvereinbarung = schriftlicher Vertrag zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber (§ 77 I, II BetrVG)
  • > erstrecken sich auf Gegenstände, in denen ein Beteiligungsrecht des Betriebsrats besteht
  • > nach § 77 IV 1 BetrVG gelten sie – wie Rechtsnormen eines Tarifvertrags (§ 4 I TVG) – unmittelbar und zwingend (normative Wirkung)
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7
Q

Rechtsquellen: Gesamtzusage und betriebliche Übung

A
  • auf arbeitsvertraglicher Ebene
  1. Gesamtzusage = eine Willenserklärung des Arbeitgebers, die an alle Arbeitnehmer des Betriebs (oder einen nach abstrakten Merkmalen abgegrenzten Teil von ihnen) in allgemeiner Form gerichtet ist und ihnen einen Vorteil verspricht (= zusätzliche Arbeitgeberleistung, bspw. Weihnachtsgeld)
    - > Angebot (Annahme erforderlich bzw. § 151)
    - > Später Hinzutretende: §§ 133, 157 BGB hinsichtlich des Erstreckung der Gesamtzusage, sofern nicht explizit auf später Hinzutretende bezogen
  2. Betriebliche Übung = regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers, aus denen die Arbeitnehmer schließen dürfen, dass ihnen eine Leistung oder eine Vergünstigung auf Dauer gewährt werden soll
    - > mind. dreimalige vorbehaltlose Gewährung einer Arbeitgeberleistung i. d. R. ausreichend zur Begründung eines Rechtsanspruchs der Arbeitnehmer auf künftige Weitergewährung (Rspr.) - AGL: Arbeitsvertrag iVm betrieblicher Übung
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8
Q

Rechtsquellen: Gesamtzusage und betriebliche Übung: P: Voraussetzungen neben der regelmäßigen Wiederholung für die Annahme einer betrieblichen Übung

A
  • BAG: Vertragstheorie: konkludentes Vertragsangebot auf Beibehaltung oder Fortsetzung des Verhaltens in der Zukunft, das der Arbeitnehmer nach § 151 Satz 1 BGB stillschweigend annehmen kann
  • > nach §§ 133, 157 BGB zu klären, ob Wiederholung einen Verpflichtungswillen zum Ausdruck bringt
  • ältere Lit: Vertrauenstheorie: Grund für die Rechtsbindung ist das im Arbeitnehmer erweckte Vertrauen auf die Fortsetzung des bisherigen Verhaltens
  • > nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) sei der Arbeitgeber für die Zukunft an den Vertrauenstatbestand gebunden („Erwirkung“)
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9
Q

Rechtsquellen: Gesamtzusage und betriebliche Übung: Beendigung der betrieblichen Übung

A
  • früher: Gegenläufige betriebliche Übung möglich -> (explizite oder konkludente) Ersetzung durch andere Leistung
    -> dreimalige widerspruchslose Entgegennahme der neuen Leistung; Verlust des ursprünglichen Anspruchs
    con (heute): Verbot fingierter Erklärungen in AGB, § 308 Nr. 5 BGB (Ersetzung(serklärung) durch Arbeitgeber als AGB!)
  • heute: Änderungsvertrag bzw. Betriebsvereinbarung nötig
    pro: nach BAG liegt ein Vertragsangebot vor, von dem sich Arbeitgeber nicht einseitig lossagen kann
  • > Angebot auf Änderung und Fiktion der Annahme durch Arbeitnehmer, indem diese weiterarbeiten (konkludent), wiederum wegen § 308 Nr. 5 BGB idR (-)
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10
Q

AGB-Kontrollen, § 310 IV S. 2: Vorliegen von AGB, § 305 I BGB

A
  1. Vertragsbedingungen: alle Regelungen, die den Inhalt des Arbeitsvertrags gestalten sollen, ohne Rücksicht auf Haupt- oder Nebenleistungen
  2. Gestellt: Anwendung der Regeln des Verbraucherschutzrechts (Arbeitnehmer als Verbraucher iSd § 13 BGB) - Vermutungsregel nach § 310 III Nr. 1
  3. Vorformuliert: auch, wenn Verband als Ersteller der Vertragsbedingungen mehrmalige Verwendung vorsieht
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11
Q

AGB-Kontrollen, § 310 IV S. 2: Einbeziehung

A
  • Einbeziehung: § 305 II, III treten gem. § 310 IV S. 2 iVm § 2 NachwG zurück
  • > übereinstimmende WE ausreichend für Einbeziehung
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12
Q

Arbeitsverhältnis und Arbeitnehmer: Arbeitsvertrag (I. Vertrag - II. Dienstvertrag - III. Arbeitsvertrag): I. Vertrag

A

I. Vertrag

  1. RBW
  2. Privatrechtlicher Vertrag: (-) bei Beamten, Strafgefangenen, Familienangehörigen (Erfüllung der ehelichen Beistandspflicht, § 1353 I 2 BGB; Verpflichtung der Kinder zu Dienstleistungen in „Hauswesen und Geschäft“ der Eltern, § 1619 BGB)
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13
Q

Arbeitsverhältnis und Arbeitnehmer: Arbeitsvertrag (I. Vertrag - II. Dienstvertrag - III. Arbeitsvertrag): II. Dienstvertrag

A

II. Dienstvertrag

  1. Entgeltlichkeit, §§ 611, 612 BGB
  2. Dienstleistung (vs. Werkleistung - beim Arbeitsvertrag maßgeblich über Weisungsabhängigkeit: wer nach Weisung des anderen arbeitet, kann gerade keinen Erfolg garantieren)
  3. Für einen anderen (vs. Gesellschaftsvertrag, wo auch Gesellschafter nach § 706 III BGB Dienstverpflichtung haben kann, dann jedoch für gemeinsamen Gesellschaftszweck)*
  • auch „Arbeitnehmer-Gesellschafter“ möglich, wenn Gesellschafter keine gesellschaftsrechtliche Leitungsmacht hat (Stimmrechte, Sperrminorität)
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14
Q

Arbeitsverhältnis und Arbeitnehmer: Arbeitsvertrag (I. Vertrag - II. Dienstvertrag - III. Arbeitsvertrag): III. Arbeitsvertrag

A

III. Qualifikation des Dienstvertrages als Arbeitsvertrag nach § 611a I S. 5, 6 BGB

  1. “Unselbständige Dienste” insb. zu bestimmen nach § 611a I S. 1-4 BGB
    a. Weisungsgebundenheit (vgl. Weisungsrecht nach § 611a I S. 2 BGB)
    b. Fremdbestimmtheit
    c. Persönliche Abhängigkeit
  2. Wertende Gesamtbetrachtung, § 611a I S. 5
    - > Zusatzkriterien der Rspr. (aus der § 611a gebildet wurde - § 611a I S. 1-4 keine abschließende Normierung der Voraussetzungen), vor allem auch “Eingliederung in eine fremdbestimmte Arbeitsorganisation” maßgeblich (bspw. Chefarzt)
  3. Maßgeblich ist die tatsächliche Durchführung, § 611a I S. 6 BGB
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15
Q

Arbeitsverhältnis und Arbeitnehmer: Klassifikationen

A
  • Arbeiter und Angestellte: historische Differenzierung ohne rechtliche Unterschiede
  • Leitende Angestellte = Arbeitnehmer, die bestimmte Arbeitgeberfunktionen ausfüllen
  • > § 5 III, IV BetrVG
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16
Q

Arbeitsverhältnis und Arbeitnehmer: Beschäftigungsformen

A
  • Normalarbeitsverhältnis = vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer; auf unbestimmte Dauer geschlossen; auf das Erreichen der (Renten-)Altersgrenze befristet
  • Berufsausbildungsverhältnis = kein Arbeitsverhältnis, sondern ein privatrechtlicher Vertrag mit arbeitsrechtlichen Bezügen, bei dem der Ausbildungszweck im Vordergrund steht
  • Praktikum - legaldefiniert, § 22 I S. 3 MiLoG
  • Arbeitnehmerüberlassung, §§ 1 ff. AÜG
  • > Aufspaltung der Arbeitgeberfunktion:
  • -> Entleiher: Weisungsrecht und Schutzpflichten
  • -> Verleiher: Lohnzahlungsverpflichtung
  • > abzugrenzen vom Erfüllungsgehilfen, der im Rahmen eines Werk-/Dienstleistungsvertrags tätig wird (objektiv nach der Frage, für wen Arbeitnehmer tätig wird bzw. wer die Verantwortung für dessen Arbeitsleistung trägt)
  • Teilzeitbeschäftigung, § 2 I TzBfG
  • > s. Teilzeitanspruch
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17
Q

Arbeitsverhältnis und Arbeitnehmer: Beschäftigungsformen: Teilzeitanspruch, § 8 TzBfG

A
  1. Anwendbarkeit der Anspruchsnorm
    a) idR mehr als 15 Arbeitnehmer (§ 8 VII TzBfG)
    b) Bestehen eines Arbeitsverhältnisses (§ 8 I TzBfG)
    c) Sechsmonatige Wartezeit (§ 8 I TzBfG)
  2. Ordnungsgemäße Geltendmachung des Anspruchs
    a) Textform und hinreichende Bestimmtheit
    b) Vorlaufzeit von mindestens drei Monaten (§ 8 II TzBfG)
    c) Zweijährige Sperrfrist vor erneutem Verlangen (§ 8 VI TzBfG)
  3. Zustimmungsfiktion des § 8 V TzBfG
    a) Keine rechtzeitige schriftliche Ablehnung (ein Monat, § 8 V 1 TzBfG)
    b) Verringerungsfiktion (§ 8 V 2 TzBfG)
    c) Verteilungsfiktion (§ 8 V 3 TzBfG)
  4. Keine entgegenstehenden betrieblichen Gründe (§ 8 IV TzBfG)
    a) Darlegungslast des Arbeitgebers (§ 8 IV 1 TzBfG)
    aa. Feststellung des Organisationskonzepts
    bb. Betriebliche Gründe aus diesem Organisationskonzept
    cc. Hinreichendes Gewicht dieser Gründe
    b) Regelbeispiele des § 8 IV 2 TzBfG (nicht abschließend)
    c) Tarifliche Konkretisierungen (§ 8 IV 3, 4 TzBfG)
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18
Q

Arbeitgeber: Begriff

A

= jeder, der mindestens einen Arbeitnehmer beschäftigt (Korrelatbegriff)

  • natürliche oder juristische Personen bzw. Personenhandelsgesellschaften können Arbeitgeber sein
  • tw. auch als Unternehmer bezeichnet (bspw. BetrVG)
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19
Q

Arbeitgeber: Vertretung

A
  • durch natürliche Personen, v.a. Geschäftsführer (bei GmbH)
  • Geschäftsführer der GmbH
  • > keine Arbeitnehmereigenschaft iSd § 5 ArbGG, selbst wenn ausnahmsweise (wegen starker Weisungsgebundenheit) kein freier Dienstvertrag, sondern ein Arbeitsvertrag gem. § 611a I BGB besteht (-> ordentliche Gerichtsbarkeit)
  • > kein Kündigungsschutz, § 14 I KSchG
  • -> früher: Arbeitsvertrag “ruht” nach Beförderung zum Geschäftsführer, solange Geschäftsführerdienstvertrag besteht
  • -> heute: einvernehmliche (konkludente) Beendigung des vorherigen Arbeitsverhältnisses (schriftlicher Geschäftsführerdienstvertrag wahrt Form für Auflösungsvertrag nach § 623 BGB)
20
Q

Arbeitgeber: Organisation

A
  1. Betrieb = organisatorische Einheit, innerhalb derer der Arbeitgeber zusammen mit Arbeitnehmern durch Einsatz sächlicher oder immaterieller Mittel bestimmte arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt, die sich nicht in der Befriedigung von Eigenbedarf erschöpfen (BAG - Grunddefinition für BetrVG, aber auch weitere Gesetze)
    - > Abänderung v.a. im KSchG: Betriebsbegriff verfassungskonform auszulegen, sodass Anzahl allein bei der Kleinbetriebsklausel nicht entscheidet - maßgeblich ist dem Telos nach v.a. eine enge persönliche Zusammenarbeit
  2. Unternehmen = die organisatorische Einheit, mit welcher der Unternehmer seine wirtschaftlichen oder ideellen Zwecke verfolgt (BAG)
    - > kann einen oder mehrere Betrieb umfassen
    - -> bei einem Betrieb: Unternehmen bezeichnet wirtschaftliche, Betrieb arbeitstechnische Einheit
    - > eine juristische Person kann nur ein Unternehmen haben („Einheit des Rechtsträgers“: die „Gesellschaft“ ist mit dem „Unternehmen“ identisch; eine doppelte unternehmerische Betätigung der Gesellschaft ist nicht möglich)
  3. Konzern = Zusammenfassung mehrerer rechtlich selbständiger Unternehmen unter einheitlicher Leitung
    - > geringe Bedeutung im Arbeitsrecht, Verweis auf §§ 15 ff. AktG
21
Q

Arbeitgeber: Betriebsübergang

A
  1. Übergang eines Betriebs oder Betriebsteils
    a) Betrieb oder Betriebsteil
    aa) Betrieb: Wirtschaftliche Einheit (EU-Richtlinie)
    bb) Betriebsteil: Abgrenzbare Einheit des Betriebs
    b) Übergang
    aa) Übernahme sächlicher oder immaterieller Betriebsmittel
    bb) Übernahme einer Gesamtheit von Arbeitnehmern
  2. Übergang auf einen anderen Inhaber: maßgeblich ist allein der Wechsel des Rechtsträgers
    - > auch zwischen Konzernunternehmen
    - > auch, wenn Kfm Betrieb auf GmbH überträgt, an der er 100% der Anteile hält
  3. Übergang durch Rechtsgeschäft
    - > RLkonform auch durch Gesetz oder sonstigen Hoheitsakt (legal transfer)
    - > Universalsukzession (v.a. § 1922 I) nicht erfasst
    - > keine unmittelbare vertragliche Beziehung erforderlich; auch durch Einschaltung eines Dritten möglich
  4. Kein Widerspruch nach § 613a VI
    - > Rechtsfolge des Widerspruchs: Weiterbeschäftigung, hier aber nach § 613a IV 1 BGB betriebsbedingte Kündigung wegen Wegfall des Arbeitsplatzes möglich
  5. Rechtsfolge
    a. Vertragsübergang kraft Gesetz, § 613a I S. 1
    b. Kollektivrechtliche Folgen nach § 613a I 2–4 BGB
    c. Haftungsrechtliche Folgen nach § 613a II, III BGB
    d. Beschränktes Kündigungsverbot nach § 613a IV BGB
22
Q

Inhalt des Arbeitsverhältnisses: Hauptleistungspflicht des Arbeitnehmers

A
  1. Schuldner
    a. Arbeitnehmer im Zweifel persönlich, § 613 S. 1
    b. Bei Vereinbarung, dass Dritter leisten darf: idR auch Arbeitsverhältnis mit Drittem (Job-Sharing, § 13 TzBfG)
  2. Gläubiger
    a. Arbeitgeber im Zweifel persönlich, § 613 S. 2
    b. Abbedingung bei Arbeitnehmerüberlassung (echter Vertrag zugunsten Dritter, § 328)
  3. Weisungsrecht (Direktionsrecht) hinsichtlich Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung, § 106 S. 1 GewO
    a. Konkretisierung der rahmenmäßigen Umschreibung des Arbeitsvertrags
    b. Wiederholt ausübbares Gestaltungsrecht
    c. Umfang begrenzt (§ 106 S. 1 GewO aE), jedoch auch auf Ordnung und Verhalten im Betrieb erweitert, § 106 S. 2 GewO
23
Q

Inhalt des Arbeitsverhältnisses: Hauptleistungspflicht des Arbeitnehmers: Folgen pflichtwidriger Nichtleistung

A
  • Charakter der absoluten Fixschuld:
    1. Erlöschen der Hauptleistungspflicht, § 275 I BGB
  1. Zurückbehaltungsrecht des Arbeitsentgelts, § 326 I BGB
    a. Wenn Unmöglichkeit von Arbeitnehmer zu vertreten
    b. Wenn Unmöglichkeit von keiner Partei zu vertreten
    c. Jedoch zahlreiche Ausnahmen bei b
  2. SEA, §§ 280 I, III, 283
    a. Differenzbetrag für höhere Vergütung von Aushilfskraft
    b. Ansonsten allenfalls normativer Schaden denkbar
24
Q

Inhalt des Arbeitsverhältnisses: Hauptleistungspflicht des Arbeitnehmers: Vereinbarung einer Vertragsstrafe

A
  1. Grundsätzliche Zulässigkeit
    - > striktes Klauselverbot des § 309 Nr. 6 BGB, aber Besonderheiten des Arbeitsrechts (§ 310 IV 2 BGB): anders als bei anderen Austauschverträgen hat der Gläubiger wegen § 888 III ZPO nicht die Möglichkeit, den Anspruch auf die Hauptleistung zu vollstrecken
  2. Unangemessene Höhe, § 307
  3. Unbestimmter Verwirkungsgrund, § 307 I S. 2 (Transparenzgebot)
25
Q

Inhalt des Arbeitsverhältnisses: Nebenleistungspflichten des Arbeitnehmers

A
  1. Herausgabepflichten
    - > ggf. ist Arbeitgeber bereits nach § 950 Eigentümer geworden
    - > v.a. § 667 Var. 2 (bezüglich Arbeitswerk und sonstigen Vorteilen im Rahmen und durch die Arbeit, bspw. Bonusmeilen)
  2. Rücksichtnahmepflichten, § 241 II BGB
    - > abhängig von Art und Umfang der Tätigkeit sowie Stellung im Betrieb (je höher, desto stärkere Pflichten)
  3. Unterlassungspflichten
    - > arbeitsvertraglich vereinbart
    - > allgemein: aus § 241 II BGB: Arbeitnehmer ist verpflichtet, alles zu unterlassen, was (a) die Erreichung der arbeitsvertraglichen Ziele gefährdet oder (b) den berechtigten Interessen des Arbeitgebers zuwiderläuft
    - > Verbot der Vorteilsnahme, vgl. § 299 StGB
    - > Verschwiegenheitspflicht, § 203 StGB bzw. allgemein aus § 241 II
    - > Wettbewerbsverbot, § 60 HGB (analog)
    - > Nebentätigkeitsverbot: vertraglich vereinbar, aber Grenzen nach Art. 12 GG
26
Q

Inhalt des Arbeitsverhältnisses: Hauptleistungspflicht des Arbeitgebers: Vergütungspflicht

A
  • Ob:
  • > aus § 611a II BGB (ggf. iVm § 612 BGB)
  • Wie/Höhe:
  • > Bezugnahmeklausel möglich (auf Tarifvertrag, §§ 3, 4 TVG)
  • > § 20 MiLoG (Mindesthöhe des Arbeitentgelts)
  • > § 138: Sittenwidrig ist (oberhalb der Mindestlohngrenze), wenn die vereinbarte Vergütung unter 2/3 der üblichen Vergütung liegt (-> teleologische Reduktion des § 138 BGB: Anpassung auf übliche Vergütung)
  • Zuschläge/Zulagen: Bedingbarkeit abhängig davon, ob Zuschlag/Zulage im Synallagma mit der Arbeitsleistung steht (dann (-))
  • Sonderzuwendungen
  • > Provision: abhängig von individuellen Leistungen des Arbeitnehmers
  • > Tantieme: abhängig vom wirtschaftlichen Erfolg des Betriebes
  • > Gratifikation: abhängig von bestimmten Ereignissen (Weihnachtsgeld)
27
Q

Inhalt des Arbeitsverhältnisses: Hauptleistungspflicht des Arbeitgebers: Vergütungspflicht: Anspruch auf Mindestlohn

A

AGL: § 1 I, II i.V. m. § 20 MiLoG

  • > limitierte Anspruchskonkurrenz neben sonstigem Vergütungsanspruch
  • > Mindestlohnhöhe in jeder Vergütungsvereinbarung enthalten, sodass § 3 MiLoG stets für diesen Sockel gilt (und nicht nur im Niedriglohnsektor)
  1. Anwendbarkeit des Gesetzes
    a) Persönlicher Anwendungsbereich (§ 22 MiLoG)
    b) Räumlicher Anwendungsbereich (§ 20 MiLoG)
  2. Bestehen eines Mindestlohnanspruchs
    a) Im Kalendermonat geleistete Arbeitsstunden
    b) Multiplikation mit dem gesetzlichen Mindestlohnsatz
    c) Mindestlohnwirksame Bezüge für den Kalendermonat
    d) Negatives Ergebnis bei Subtraktion b) von c)
  3. (Anteiliges) Erlöschung nach § 362 BGB durch Erfüllung mittels mindestlohnrelevanter Zahlungen
    a. Trinkgelder (-), § 267 (-)
    b. Trinkgeldermöglichung als Sachleistung (-), da keine entsprechende Vereinbarung
    c. Überstundenzuschlag (+)
    d. Einmalzahlungen (Weihnachtsgeld) str.
    pro: sofern im Synallagma mit Arbeitsleistung (EuGH)
    con: Monatszeitraum maßgeblich, § 2 MiLoG (auch Telos der monatlichen Grundsicherung)
  4. Fälligkeit des Mindestlohnanspruchs
    a) Vereinbarte Fälligkeit (§ 2 I 1 Nr. 1 MiLoG)
    b) Gesetzliche Regelung (§ 2 I 1 Nr. 2 MiLoG)
  5. Durchsetzbarkeit des Anspruchs
    a) Unabdingbarkeit des Mindestlohns (§ 3 MiLoG)
    b) Eintritt der Verjährung (§§ 194 I, 195 BGB)
28
Q

Inhalt des Arbeitsverhältnisses: Hauptleistungspflicht des Arbeitgebers: Vergütungspflicht: Erfüllung, § 362 BGB

A
  • Fälligkeit nach § 614 (nach Leistung): dispositiv
  • Überzahlungen: condictio indebiti
  • Vorschusszahlungen
  • > idR (konkludente) Vorschussvereinbarung (auf deren Grundlage ggf. bei nicht erbrachter Leistung rückabgewickelt wird - keine condictio indebiti)
  • Rückzahlungsvereinbarungen
  • > für den Fall, dass der Arbeitnehmer innerhalb einer bestimmten Frist aus dem Betrieb ausscheidet
  • > Abwägung von Art. 2 I GG und Art. 12 I GG (Freiheit des Arbeitnehmers, Arbeitsplatz zu wechseln, wird faktisch erschwert)
  • > Richterliche Rechtsfortbildung
  • -> Grds. sind Rückzahlungsvereinbarungen zulässig, wenn ursprüngliche Zahlung freiwillig
  • -> Ausschluss der Rückzahlungspflicht, wenn Zahlung auch an Arbeitsleistung anknüpft (keine reine “Halteprämie”)
  • -> AGB-Kontrolle: insb. § 308 Nr. 4
29
Q

Inhalt des Arbeitsverhältnisses: Nebenleistungspflicht des Arbeitgebers: Freistellung von der Arbeit

A

a) Mutterschutz, Eltern- und Pflegezeit, MuSchG u.a.
b) Anspruch auf Erholungsurlaub, BUrlG
c) Bildungs- und Sonderurlaub, LandesG
d) Freistellung an Feiertagen, § 2 EFZG (Entgeltfortzahlung)

30
Q

Inhalt des Arbeitsverhältnisses: Nebenleistungspflicht des Arbeitgebers: Wahrung von Arbeitnehmerinteressen

A
  • Fürsorgepflicht: Pflicht des Arbeitgebers, auf Rechte, Rechtsgüter oder Interessen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen (§ 241 II BGB)
  • > insb. auch Schutz des Arbeitsnehmers vor Persönlichkeitsrechtsverletzungen (BDSG, AGG, Schutz vor Mobbing aus BGB-Vorschriften)
  • > ggf. Ansprüche aus Vertragsverletzung durch Arbeitgeber selbst oder andere Arbeitnehmer (§ 278): Gesamtbetrachtung unter der Maßgabe, dass Konfliktsituationen am Arbeitsplatz in gewisser Hinsicht nicht vermeidbar sind, ob ein konkreter rechtswidriger Eingriff in Persönlichkeitsrecht vorliegt
  • Deliktischer Schutz: § 823 I (sonstiges Recht), ggf. iVm Art. 2, 1 GG
  • Auch Schutz durch spezielle SEA: § 628 II BGB (Kündigung durch vertragswidriges Verhalten des Arbeitgebers, insb. relevant bei “Hinausekeln”)
31
Q

Inhalt des Arbeitsverhältnisses: Nebenleistungspflicht des Arbeitgebers: Beachtung von Differenzierungsverboten

A
  1. Allgemeiner Gleichbehandlungsgrundsatz = verletzt, wenn Arbeitgeber eine Regel aufstellt, bei der Aufstellung oder Durchführung der Regel aber aus sachfremden Gründen einzelne oder Gruppen von Arbeitnehmern ausnimmt
    - > Anspruch des Arbeitnehmers auf die Leistung („Anpassung nach oben“)
  2. Allgemeines Maßregelungsverbot, § 612a BGB
    - > Schutzt der Willensfreiheit des Arbeitnehmers (soll seine Rechte ohne Furcht vor wirtschaftlichen oder sonstigen Repressalien des Arbeitgebers ausüben können)
    - > AGL (!), Benachteiligung im Wege der Naturalrestitution zu beseitigen
32
Q

Störungen im Arbeitsverhältnis: Verhinderung des Arbeitnehmers

A
  1. Feststellung der Schuld (idR absolute Fixschuld)
  2. Untergang des Anspruches des Arbeitsgebers auf Arbeitsleistung, § 275 I BGB
    - > unabhängig vom Vertretenmüssen (impossibilium nulla obligatio est)
  3. Anspruch auf Gegenleistung (Vergütung)
    a. grds. nach § 326 I, II: “Ohne Arbeit kein Lohn”
    b. zahlreiche Modifikationen zugunsten des Arbeitnehmers, v.a. §§ 615, 616
33
Q

Störungen im Arbeitsverhältnis: Verhinderung des Arbeitnehmers: Annahmeverzug des Arbeitgebers, § 615

A
  • lex specialis hinsichtlich
  • > § 326 II S. 1 Var. 2 (Annahmeverzug des Gläubigers)
  • > § 326 II S. 1 Var. 1 (zu verantwortende Unmöglichkeit), soweit es um den Wegfall des Leistungssubstrats geht (-> hier: kein Verantwortlichkeit erforderlich!)
  • keine eigene AGL, sondern Anspruchserhaltungsnorm (zu § 611a II BGB)
  • > Annahmeunwilligkeit
  • > Annahmeunmöglichkeit
  • Hauptfall neben Betriebsrisiko: Kündigungsschutzprozess (Arbeitnehmer arbeitet nach Kündigung nicht mehr, gewinnt jedoch Kündigungsschutzprozess):
    1. Arbeitnehmer leistungsfähig, § 297 BGB
  • > auch (+), wenn Arbeitnehmer zwischenzeitlich erkrankt
    2. Arbeitgeber nimmt Leistung nicht an, § 293 BGB
    3. Kein Angebot erforderlich, BAG (Kündigungsaussprache als Erklärung, Leistung nicht annehmen zu wollen - Gedanke des § 296 Nr. 1)
34
Q

Störungen im Arbeitsverhältnis: Verhinderung des Arbeitnehmers: Persönliche Hinderungsgründe, § 616

A
  • keine eigene AGL, sondern Anspruchserhaltungsnorm (zu § 611a II BGB)
  • kein zwingendes Recht
  • Voraussetzungen:
    1. Arbeitsverhinderung
  • > Arbeitsleistung unmöglich oder unzumutbar
    2. Begründung der Arbeitsverhinderung gerade in persönlichen Umständen
  • > nicht, wenn Umstände eine Vielzahl von Arbeitnehmern in gleichem Maße betreffen (schlechte Witterung)
    3. Ohne sein Verschulden
  • > dogmatisch: Verschulden gegen sich selbst (Anspruchserhaltungsnorm), kein Rückgriff auf § 276
    4. Verhältnismäßig nicht erheblich
  • > belastungsbezogene Abwägung: Art der Verhinderung; bisherige Dauer des Arbeitsverhältnisses
35
Q

Störungen im Arbeitsverhältnis: Verhinderung des Arbeitnehmers: Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall

A
  1. Voraussetzungen des Anspruchs
    a) Anspruchsberechtigter Personenkreis, § 1 II EFZG (ggf. iVm § 8 I S. 1)
    b) Erfüllung der Wartezeit, § 3 III EFZG
    c) Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit
    - > Krankheit = jeder regelwidrige körperliche oder geistige Zustand
    - > Arbeitsunfähigkeit = wenn die Krankheit den Arbeitnehmer außerstande setzt, die Arbeit zu verrichten, oder wenn er die Arbeit nur unter der Gefahr fortsetzen könnte, in absehbar naher Zeit seinen Zustand zu verschlimmern
    d) Ursache der Arbeitsverhinderung
    - > Arbeitsunfähigkeit als alleinige Ursache
    e) Kein „Verschulden“ des Arbeitnehmers
    - > “Verschulden gegen sich selbst” = wenn er in erheblichem Maße von dem Verhalten abweicht, das von einem verständigen Menschen im eigenen Interesse erwartet werden muss (nur bei leichtfertigem oder vorsätzlichem Verhalten)
    - -> Sportunfall: (+), wenn der Arbeitnehmer sich in einer Weise sportlich betätigt hat, die seine Kräfte und Fähigkeiten deutlich übersteigt, oder wenn er in besonders grober Weise gegen anerkannte Regeln der Sportart verstößt (Abkehr von typisierender Betrachtung der “gefährlichen Sportarten”)
    - -> Alkoholmissbrauch: früher hM (+), heute differenzierende Betrachtung, idR keine leichtfertige oder vorsätzliche Herbeiführung durch den Arbeitnehmer selbst (BAG)
  2. Umfang der Entgeltfortzahlung
    a) Dauer der Entgeltfortzahlung, § 3 I 1 EFZG
    b) Erneute Arbeitsunfähigkeit, § 3 I 2 EFZG
    c) Höhe der Entgeltfortzahlung, § 4 I, Ia EFZG
  3. Leistungsverweigerungsrechte
    a) Anzeige- und Nachweispflichten, § 7 I Nr. 1 EFZG
    b) Pflichten bei Legalzession, § 7 I Nr. 2 EFZG
36
Q

Störungen im Arbeitsverhältnis: Verteilung des Betriebsrisikos

A

= wenn Arbeitgeber ohne eigenes Verschulden den Arbeitnehmer aus betriebstechnischen Gründen nicht beschäftigen kann (will Leistung annehmen, kann aber nicht)

  • früher: § 615 regelt nur Annahmeunwilligkeit; Lehre vom Betriebsrisiko (BAG) iVm allgemeinem Schuldrecht regelte Annahmeunmöglichkeit
  • heute: § 615 S. 3 gibt einen Rechtsfolgenverweis auf S. 1, 2 - Rechtsgrund (“in den Fällen des Betriebsrisikos”) durch Figuren der Betriebsrisikolehre zu bestimmen, i.e. Umstände aus der Risikosphäre des Arbeitgebers
  • > Versagen von Betriebsmitteln
  • > äußere Einwirkungen („höhere Gewalt“)
  • > Betriebsunterbrechungen aufgrund behördlicher Anordnung
  • Ausnahme: wenn bei einer Lohnfortzahlung die Existenz des Betriebs bedroht wäre
37
Q

Störungen im Arbeitsverhältnis: Verteilung des Wirtschaftsrisikos

A

= wenn die Fortsetzung des Betriebs zwar technisch möglich, aber wirtschaftlich unvernünftig ist (Arbeitgeber kann Leistung annehmen, will es aber nicht)

  • § 615 S. 3 nicht (analog) anwendbar
  • nach § 615 S. 1 und 2 BGB zu lösen
  • besondere Ausprägung des Verwendungsrisikos, das allgemein der Gläubiger trägt
38
Q

Störungen im Arbeitsverhältnis: Verteilung des Arbeitskampfrisikos

A
  • Modifizierung von § 615 S. 3
    pro: Waffengleichheit (Kampfparität) der Arbeitskampfgegner würde gestört, wenn die Vergütungspflicht ohne weiteres den betroffenen Arbeitgebern aufgebürdet würde (unverhältnismäßige Bevorzugung der Arbeitnehmerseite)
  • > bei einem Teil- oder Schwerpunktstreik im selben Unternehmen entfällt der Vergütungsanspruch der nichtstreikenden Arbeitnehmer ohne weiteres, wenn ihre Beschäftigung unmöglich oder wirtschaftlich unzumutbar ist
  • > bei Fernwirkungen des Arbeitskampfs auf andere Unternehmen muss hinzukommen, dass eine Fortzahlung der Vergütung die Kampfparität beeinflussen würde
39
Q

Störungen im Arbeitsverhältnis: Innerbetrieblicher Schadensausgleich: Fallgruppen

A
  • Konstellation: Modifikation der BGB-Vorschriften, wenn Schäden bei betrieblich veranlasster Tätigkeit (!) entstehen
  1. Haftung des Arbeitnehmers für Sach-, Vermögens- und Persönlichkeitsschäden
    - > wird nach Verschuldensgrad und Zumutbarkeit sowie durch die Beweislastumkehr nach § 619a BGB gemildert
  2. Personenschaden eines Beschäftigten, den der Arbeitgeber oder ein Arbeitskollege bei betrieblicher Tätigkeit verursacht
    - > unfallversicherungsrechtlicher Schadensausgleich nach §§ 104 ff. SGB VII
  3. Haftung des Arbeitgebers für Sach- oder Vermögensschäden des Arbeitnehmers, die durch betriebliche Tätigkeit verursacht wurden (sog. Eigenschäden des Arbeitnehmers)
    - > verschuldensunabhängig analog § 670 BGB
40
Q

Störungen im Arbeitsverhältnis: Innerbetrieblicher Schadensausgleich: Arbeitnehmerhaftung: gegenüber Arbeitgeber: dogmatische Herleitung

A
  • Haftung aus Vertrag oder Delikt
  • > Beweislastumkehr nach § 619a BGB (entgegen § 280 I S. 2 BGB)
  • bei konkretem Mitverschulden des Arbeitgebers oder seiner (anderen) Arbeitnehmer: § 254 (direkt)
  • > auch bei “echtem” Organisationsverschulden (= Verantwortlichkeit für das Vorhandensein betriebsorganisatorischer Mängel, deren Abwesenheit den Schaden verhindert oder wenigstens gemindert hätte)
  • bei abstraktem Mitverschulden des Arbeitsgebers: § 254 analog (BAG)
    pro: Arbeitgeber muss sich Umstand zurechnen lassen, dass er die Arbeitsbedingungen und damit das Umfeld für Schadensrisiken gestaltet
  • > früher: gefahrgeneigte Tätigkeit (kleiner Sorgfaltspflichtverstoß kann zu großem Schaden führen)
  • > heute: betrieblich veranlasste Tätigkeit
    pro: keine schwierige Abgrenzung
    pro: Grund für Haftungsprivilegierung liegt im generellen Tätigwerden im Verantwortungsbereich eines anderen
    pro: Übertragung des Grundsatzes des Betriebsrisikos bei der Unmöglichkeit (§ 615 S. 3) auch bei Schlechtleistung angemessen
41
Q

Störungen im Arbeitsverhältnis: Innerbetrieblicher Schadensausgleich: Arbeitnehmerhaftung: gegenüber Arbeitgeber: Voraussetzungen

A
  1. Geschützte Person (Anspruchsgegner)
    - > Arbeitnehmer
    - > Auszubildende
    - > Praktikanten
  2. Betrieblich veranlasste Tätigkeit
    = alle Tätigkeiten, die dem Arbeitnehmer vertraglich übertragen wurden oder die er im Interesse des Arbeitgebers für den Betrieb ausführt
    -> auch, wenn bei wertender Gesamtbetrachtung die Verfolgung betrieblicher Zwecke die hauptsächliche Schadensursache ist
    -> (-) bei eigenwirtschaftlichem Handeln
    -> (-) bei Handeln bloß bei Gelegenheit der Arbeit (bloß räumlich-zeitlicher Zusammenhang)
42
Q

Störungen im Arbeitsverhältnis: Innerbetrieblicher Schadensausgleich: Arbeitnehmerhaftung: gegenüber Arbeitgeber: Umfang

A
  • Umfang der Haftungsbeschränkung abhängig vom Grad des Verschuldens:
    1. Vorsatz: volle Haftung
    2. Leichteste Fahrlässigkeit (levissima culpa; bei kleineren Fehlern oder Versehen): volle Enthaftung
    3. Mittlere Fahrlässigkeit: grds. Aufteilung des Schadens, anhand mehrerer Kriterien konkret zu bestimmen
  • > Betriebsrisiko, Wert des geschädigten Wirtschaftsgutes, Organisationsverschulden, Versicherbarkeit des betroffenen Risikos auf Seiten des Arbeitgebers; auf Seiten des Arbeitnehmers Verschuldensgrad, Höhe der Arbeitsvergütung, Gefahrgeneigtheit der Arbeit
    4. Grobe Fahrlässigkeit: grds. volle Haftung, ggf. Milderung entsprechend der wirtschaftlichen Zumutbarkeit für den Arbeitnehmer (BAG)
43
Q

Störungen im Arbeitsverhältnis: Innerbetrieblicher Schadensausgleich: Arbeitnehmerhaftung: gegenüber Arbeitgeber: Prüfung

A

I. Anspruch wegen Pflichtverletzung (§ 280 I 1 BGB)

  1. Schuldverhältnis (Arbeitsverhältnis)
  2. Schuldhafte Pflichtverletzung
    a) Schlechterfüllung der Hauptleistungspflicht, Verletzung einer Nebenleistungs- oder einer Rücksichtnahmepflicht (§ 241 II BGB)
    b) Rechtswidrigkeit der Pflichtverletzung
    c) Verschulden (§§ 619a, 276 I, II BGB)
  3. Konkretes Mitverschulden (§§ 254 I, II 2, 278 Satz 1 BGB)
  4. Einschränkung der Arbeitnehmerhaftung (§ 254 BGB analog)
    a) Herleitung des Haftungsprivilegs (Richterrecht)
    b) Voraussetzungen des Haftungsprivilegs
    c) Rechtsfolge (Umfang der Haftungsbegrenzung)
  5. Abdingbarkeit der Arbeitnehmerhaftung
    a) Grds. nicht möglich, § 134 BGB iVm § 254 BGB analog
    b) Ausnahme (BAG) für Mankoabrede (zulässig, wenn Arbeitnehmer für die Haftung für ein gewisses Manko (=Fehlbestand i. S. einer Differenz zwischen Soll- und Istbestand von Geldbeträgen oder Gegenständen) eine Mankovergütung erhält)

II. Anspruch aus unerlaubter Handlung (§ 823 I BGB)

44
Q

Störungen im Arbeitsverhältnis: Innerbetrieblicher Schadensausgleich: Arbeitnehmerhaftung: gegenüber Dritten

A

I. Inanspruchnahme des Arbeitgebers (nach §§ 280 I, 278 oder § 831)

  1. Regressanspruch ggü Arbeitnehmer, §§ 426 II 1; 840 I BGB
  2. Umfang bestimmt sich abzüglich des Teils, der nach dem innerbetrieblichen Schadensausgleich auf Arbeitgeber entfallen würde
    pro: kein Unterschied aus Sicht des Arbeitnehmers, ob durch betrieblich veranlasste Tätigkeit Arbeitgeber oder Dritter geschädigt wird

II. Inanspruchnahme des Arbeitnehmers

  1. Haftung nach allgemeinen Vorschriften (innerbetrieblicher Schadensausgleich gerade nicht im Außenverhältnis)
  2. Anspruch auf Quote gegen den Arbeitgeber, die nach dem innerbetrieblichen Schadensausgleich auf Arbeitgeber entfallen würde
  3. Freistellungsanspruch gegen Arbeitgeber, wenn Schaden (noch) nicht ersetzt, § 670 BGB i.V. m. § 257 BGB -> gerichtet auf Entschädigung des Dritten iH seiner Haftungsquote
    - > vom Dritten pfändbar oder an ihn abtretbar -> Freistellungsanspruch wandelt sich in Zahlungsanspruch um
45
Q

Störungen im Arbeitsverhältnis: Innerbetrieblicher Schadensausgleich: Arbeitnehmerhaftung: gegenüber Dritten: P: Insolvenz des Arbeitgebers (Freistellungsanspruch wertlos)

A
  • hL: Anwendung des innerbetrieblichen Schadensausgleichs im Außenverhältnis
    pro: Arbeitnehmerschutzes: darf nicht schlechter stehen als wenn im Eigentum des Arbeitgebers stehendes Betriebsmittel beschädigt wird
    pro: Betriebsmittelgeber sei zuzumuten, das Insolvenzrisiko des Leasingnehmers in seiner Kalkulation zu berücksichtigen und gegebenenfalls zu versichern
  • BGH: (-)
    pro: Betriebsmittelgeber hat keinen Einfluss auf Arbeitsprozesse
    pro: Insolvenz des Arbeitgebers ist Risiko des Anspruchsinhaber gegen diesen (Arbeitnehmer)
    con: “empfindliche Schutzlücke”
46
Q

Störungen im Arbeitsverhältnis: Innerbetrieblicher Schadensausgleich: Schadensersatz bei Arbeitsunfällen

A
  • Haftungsprivilegierung nach §§ 104 I, 105 I SGB VII (Unternehmer- bzw. Kollegenhaftung)
  1. Versicherter Personenkreis, § 2
  2. Versicherungsfall, § 7
  3. Personenschaden, § 8 I S. 2
  4. Schädiger, §§ 104 I, 105 I
  5. Keine Haftungsentsperrung, §§ 104 I, 105 I
    a. Vorsatz (hinsichtlich Schaden)
    b. Fahrlässige Verursachung auf einem nach § 8 II Nrn. 1 ff. SGB VII versicherten Weg
  • Rechtsfolge
  • > keine Haftung nach anderen gesetzlichen Vorschriften (insb. Vertragsrecht oder Deliktsrecht)
  • > kein Haftungsausschluss, sondern Haftungsablösung: statt der privatrechtlichen Haftung des Schädigers sind nach öffentlichem Recht Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung geschuldet
  • > insb. jedoch kein Schmerzensgeldanspruch (sieht gesetzliche Unfallversicherung nicht vor)
  • > Regressmöglichkeit der Versicherung gegen Schädiger, § 110 SGB VII
47
Q

Störungen im Arbeitsverhältnis: Innerbetrieblicher Schadensausgleich: Eigenschäden des Arbeitnehmers

A
  1. Betrieblich veranlasste Tätigkeit
  2. Einsatz von Privatvermögen
    a. Aufwendungen: § 670 analog (verschuldensunabhängig)
    b. Schäden: § 670 doppelt analog (keine unentgeltliche Tätigkeit, keine Aufwendungen)