1/2 (Grundlagen; Parteien, Inhalt und Störungen des Arbeitsverhältnisses) Flashcards
Allgemein: Merkmale des Arbeitsverhältnisses
- Dauerschuldverhältnis
- > Höchstpersönlichkeit, § 613 - Existenzgrundlage
- > Schutz hinsichtlich Vergütung, Gesundheit, Arbeitsplatzerhaltung (Kündigungsschutz) - Machtungleichgewicht zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer
Allgemein: Begriff der Arbeit und systematische Einordnung des Arbeitsrechts
- Arbeit = alle Dienstleistungen i. S. des § 611 I BGB, die auf privatrechtlicher Basis in persönlicher Abhängigkeit [unselbständige Dienste] zu erbringen sind (§ 611a I BGB)
I. Individuelles Arbeitsrecht
- v.a. Arbeitsvertragsrecht
II. Kollektives Arbeitsrecht
-> Koalitionen, Tarifverträge, Arbeitskämpfe, Betriebsverfassung, Unternehmensmitbestimmung
III. Arbeitsgerichtsbarkeit
Allgemein: Rahmenbedingungen des Arbeitsrechts
- Marktwirtschaft
- > Eigentumsgarantie aus Art. 14 I GG
- > kein absoluter Kündigungsschutz (auch zu beachten: Kündigungsschutz wirkt als Zugangshindernis für Arbeitssuchende)
- Berufsfreiheit
- > auch für Unternehmer aus Art. 12 I GG
- > bspw. gewisse Beurteilungsspielräume für unternehmerische Entscheidungen
- Sozialstaatsprinzip
- > aus Art. 20, 28 GG
- > Ausgleich mit Art. 12, 14 GG: “Soziale Marktwirtschaft”
Allgemein: Ebenen des Interessensausgleichs zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber
I. Vertragsfreiheit und Gesetzesrecht
- > aus strukturellem Machtungleichgewicht: Arbeitsrecht als “einziges großes Kontrollsystem gegenüber der Vertragsfreiheit”
- > Arbeitsrecht historisch und teleologisch als Arbeitsschutzrecht
II. Koalitionsfreiheit und Tarifautonomie
- > Art. 9 GG, auch Schutz der Arbeitskampfmaßnahmen von Art. 9 III GG umfasst (Aussperrungsurteil, BVerfG)
- > negative Koalitionsfreiheit: Art. 9 III S. 1 GG
- > Industrieverbandsprinzip: Gewerkschaften nicht tätigkeitsspezifisch, sondern branchenspezifisch
- > (notwendiger) Tarifbezug des Arbeitskampfes: ansonsten rechtswidrig
III. Betriebs- und Unternehmensverfassung
- Betriebsrat hinsichtlich sozialer, personeller und wirtschaftlicher Entscheidungen (mehr oder weniger umfassend und mit unterschiedlicher Bindungswirkung) einzubeziehen, BetrVG
- Konkurrenz zum kollektiven ArbeitsR/Gewerkschaften: tarifvertragliche Vereinbarungen könne nicht durch Betriebsvereinbarungen geändert werden, außer wenn der Tarifvertrag das ausdrücklich zulässt, § 77 III BetrVG
Rechtsquellen: Zwingende gesetzliche Bestimmungen
- Selten RVO
- Vor allem: formelle Gesetze
a. Nach Anwendungsbereich: allgemein vs. nur für besonders Schutzbedürftige (bspw. MuSchG)
b. Nach Wirkung: Zwingende
aa. Einseitig zwingend (Abweichung zugunsten des Arbeitnehmers möglich)
bb. Beidseitig zwingend
vs. dispositive Regelungen
aa. Tarifdispositiv (nur Tarifparteien dürfen disponieren)
bb. Uneingeschränkt dispositiv - Gewohnheitsrecht
- > str. bzgl. Arbeitskampfrecht und Arbeitnehmerhaftung
- Richterrecht
- > faktische Bindung durch BAG-Rspr.
Rechtsquellen: Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen
- Tarifvertrag = schriftlicher Vertrag zwischen einem Arbeitgeberverband (oder einem einzelnen Arbeitgeber) und einer Gewerkschaft (§ 2 I TVG), der im normativen Teil u. a. den Inhalt, den Abschluss und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnen kann (§ 1 I TVG)
- Betriebsvereinbarung = schriftlicher Vertrag zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber (§ 77 I, II BetrVG)
- > erstrecken sich auf Gegenstände, in denen ein Beteiligungsrecht des Betriebsrats besteht
- > nach § 77 IV 1 BetrVG gelten sie – wie Rechtsnormen eines Tarifvertrags (§ 4 I TVG) – unmittelbar und zwingend (normative Wirkung)
Rechtsquellen: Gesamtzusage und betriebliche Übung
- auf arbeitsvertraglicher Ebene
- Gesamtzusage = eine Willenserklärung des Arbeitgebers, die an alle Arbeitnehmer des Betriebs (oder einen nach abstrakten Merkmalen abgegrenzten Teil von ihnen) in allgemeiner Form gerichtet ist und ihnen einen Vorteil verspricht (= zusätzliche Arbeitgeberleistung, bspw. Weihnachtsgeld)
- > Angebot (Annahme erforderlich bzw. § 151)
- > Später Hinzutretende: §§ 133, 157 BGB hinsichtlich des Erstreckung der Gesamtzusage, sofern nicht explizit auf später Hinzutretende bezogen - Betriebliche Übung = regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers, aus denen die Arbeitnehmer schließen dürfen, dass ihnen eine Leistung oder eine Vergünstigung auf Dauer gewährt werden soll
- > mind. dreimalige vorbehaltlose Gewährung einer Arbeitgeberleistung i. d. R. ausreichend zur Begründung eines Rechtsanspruchs der Arbeitnehmer auf künftige Weitergewährung (Rspr.) - AGL: Arbeitsvertrag iVm betrieblicher Übung
Rechtsquellen: Gesamtzusage und betriebliche Übung: P: Voraussetzungen neben der regelmäßigen Wiederholung für die Annahme einer betrieblichen Übung
- BAG: Vertragstheorie: konkludentes Vertragsangebot auf Beibehaltung oder Fortsetzung des Verhaltens in der Zukunft, das der Arbeitnehmer nach § 151 Satz 1 BGB stillschweigend annehmen kann
- > nach §§ 133, 157 BGB zu klären, ob Wiederholung einen Verpflichtungswillen zum Ausdruck bringt
- ältere Lit: Vertrauenstheorie: Grund für die Rechtsbindung ist das im Arbeitnehmer erweckte Vertrauen auf die Fortsetzung des bisherigen Verhaltens
- > nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) sei der Arbeitgeber für die Zukunft an den Vertrauenstatbestand gebunden („Erwirkung“)
Rechtsquellen: Gesamtzusage und betriebliche Übung: Beendigung der betrieblichen Übung
- früher: Gegenläufige betriebliche Übung möglich -> (explizite oder konkludente) Ersetzung durch andere Leistung
-> dreimalige widerspruchslose Entgegennahme der neuen Leistung; Verlust des ursprünglichen Anspruchs
con (heute): Verbot fingierter Erklärungen in AGB, § 308 Nr. 5 BGB (Ersetzung(serklärung) durch Arbeitgeber als AGB!) - heute: Änderungsvertrag bzw. Betriebsvereinbarung nötig
pro: nach BAG liegt ein Vertragsangebot vor, von dem sich Arbeitgeber nicht einseitig lossagen kann - > Angebot auf Änderung und Fiktion der Annahme durch Arbeitnehmer, indem diese weiterarbeiten (konkludent), wiederum wegen § 308 Nr. 5 BGB idR (-)
AGB-Kontrollen, § 310 IV S. 2: Vorliegen von AGB, § 305 I BGB
- Vertragsbedingungen: alle Regelungen, die den Inhalt des Arbeitsvertrags gestalten sollen, ohne Rücksicht auf Haupt- oder Nebenleistungen
- Gestellt: Anwendung der Regeln des Verbraucherschutzrechts (Arbeitnehmer als Verbraucher iSd § 13 BGB) - Vermutungsregel nach § 310 III Nr. 1
- Vorformuliert: auch, wenn Verband als Ersteller der Vertragsbedingungen mehrmalige Verwendung vorsieht
AGB-Kontrollen, § 310 IV S. 2: Einbeziehung
- Einbeziehung: § 305 II, III treten gem. § 310 IV S. 2 iVm § 2 NachwG zurück
- > übereinstimmende WE ausreichend für Einbeziehung
Arbeitsverhältnis und Arbeitnehmer: Arbeitsvertrag (I. Vertrag - II. Dienstvertrag - III. Arbeitsvertrag): I. Vertrag
I. Vertrag
- RBW
- Privatrechtlicher Vertrag: (-) bei Beamten, Strafgefangenen, Familienangehörigen (Erfüllung der ehelichen Beistandspflicht, § 1353 I 2 BGB; Verpflichtung der Kinder zu Dienstleistungen in „Hauswesen und Geschäft“ der Eltern, § 1619 BGB)
Arbeitsverhältnis und Arbeitnehmer: Arbeitsvertrag (I. Vertrag - II. Dienstvertrag - III. Arbeitsvertrag): II. Dienstvertrag
II. Dienstvertrag
- Entgeltlichkeit, §§ 611, 612 BGB
- Dienstleistung (vs. Werkleistung - beim Arbeitsvertrag maßgeblich über Weisungsabhängigkeit: wer nach Weisung des anderen arbeitet, kann gerade keinen Erfolg garantieren)
- Für einen anderen (vs. Gesellschaftsvertrag, wo auch Gesellschafter nach § 706 III BGB Dienstverpflichtung haben kann, dann jedoch für gemeinsamen Gesellschaftszweck)*
- auch „Arbeitnehmer-Gesellschafter“ möglich, wenn Gesellschafter keine gesellschaftsrechtliche Leitungsmacht hat (Stimmrechte, Sperrminorität)
Arbeitsverhältnis und Arbeitnehmer: Arbeitsvertrag (I. Vertrag - II. Dienstvertrag - III. Arbeitsvertrag): III. Arbeitsvertrag
III. Qualifikation des Dienstvertrages als Arbeitsvertrag nach § 611a I S. 5, 6 BGB
- “Unselbständige Dienste” insb. zu bestimmen nach § 611a I S. 1-4 BGB
a. Weisungsgebundenheit (vgl. Weisungsrecht nach § 611a I S. 2 BGB)
b. Fremdbestimmtheit
c. Persönliche Abhängigkeit - Wertende Gesamtbetrachtung, § 611a I S. 5
- > Zusatzkriterien der Rspr. (aus der § 611a gebildet wurde - § 611a I S. 1-4 keine abschließende Normierung der Voraussetzungen), vor allem auch “Eingliederung in eine fremdbestimmte Arbeitsorganisation” maßgeblich (bspw. Chefarzt) - Maßgeblich ist die tatsächliche Durchführung, § 611a I S. 6 BGB
Arbeitsverhältnis und Arbeitnehmer: Klassifikationen
- Arbeiter und Angestellte: historische Differenzierung ohne rechtliche Unterschiede
- Leitende Angestellte = Arbeitnehmer, die bestimmte Arbeitgeberfunktionen ausfüllen
- > § 5 III, IV BetrVG
Arbeitsverhältnis und Arbeitnehmer: Beschäftigungsformen
- Normalarbeitsverhältnis = vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer; auf unbestimmte Dauer geschlossen; auf das Erreichen der (Renten-)Altersgrenze befristet
- Berufsausbildungsverhältnis = kein Arbeitsverhältnis, sondern ein privatrechtlicher Vertrag mit arbeitsrechtlichen Bezügen, bei dem der Ausbildungszweck im Vordergrund steht
- Praktikum - legaldefiniert, § 22 I S. 3 MiLoG
- Arbeitnehmerüberlassung, §§ 1 ff. AÜG
- > Aufspaltung der Arbeitgeberfunktion:
- -> Entleiher: Weisungsrecht und Schutzpflichten
- -> Verleiher: Lohnzahlungsverpflichtung
- > abzugrenzen vom Erfüllungsgehilfen, der im Rahmen eines Werk-/Dienstleistungsvertrags tätig wird (objektiv nach der Frage, für wen Arbeitnehmer tätig wird bzw. wer die Verantwortung für dessen Arbeitsleistung trägt)
- Teilzeitbeschäftigung, § 2 I TzBfG
- > s. Teilzeitanspruch
Arbeitsverhältnis und Arbeitnehmer: Beschäftigungsformen: Teilzeitanspruch, § 8 TzBfG
- Anwendbarkeit der Anspruchsnorm
a) idR mehr als 15 Arbeitnehmer (§ 8 VII TzBfG)
b) Bestehen eines Arbeitsverhältnisses (§ 8 I TzBfG)
c) Sechsmonatige Wartezeit (§ 8 I TzBfG) - Ordnungsgemäße Geltendmachung des Anspruchs
a) Textform und hinreichende Bestimmtheit
b) Vorlaufzeit von mindestens drei Monaten (§ 8 II TzBfG)
c) Zweijährige Sperrfrist vor erneutem Verlangen (§ 8 VI TzBfG) - Zustimmungsfiktion des § 8 V TzBfG
a) Keine rechtzeitige schriftliche Ablehnung (ein Monat, § 8 V 1 TzBfG)
b) Verringerungsfiktion (§ 8 V 2 TzBfG)
c) Verteilungsfiktion (§ 8 V 3 TzBfG) - Keine entgegenstehenden betrieblichen Gründe (§ 8 IV TzBfG)
a) Darlegungslast des Arbeitgebers (§ 8 IV 1 TzBfG)
aa. Feststellung des Organisationskonzepts
bb. Betriebliche Gründe aus diesem Organisationskonzept
cc. Hinreichendes Gewicht dieser Gründe
b) Regelbeispiele des § 8 IV 2 TzBfG (nicht abschließend)
c) Tarifliche Konkretisierungen (§ 8 IV 3, 4 TzBfG)
Arbeitgeber: Begriff
= jeder, der mindestens einen Arbeitnehmer beschäftigt (Korrelatbegriff)
- natürliche oder juristische Personen bzw. Personenhandelsgesellschaften können Arbeitgeber sein
- tw. auch als Unternehmer bezeichnet (bspw. BetrVG)