03418 Flashcards
Warum ist Psychologische Diagnostik wichtig?
Psychologische Diagnostik als zentrale Methodenlehre und Querschnittsdisziplin, da sie sich durch alle Grundlagen und Anwendungsfächer zieht
Mit welchen Methoden und bei welchen Fragestellungen werden relevante Daten sachgerecht erhoben, weiterverarbeitet und interpretiert
Garbage in – garbage out / GIGO
Die sachgemäße und valide Feststellung von psychischen Zuständen und Eigenschaften ist eine zentrale Voraussetzung für psychologische Forschung und für die Vorbereitung von praktisch-psychologischen Entscheidungen, d.h. wer Datenmüll erhebt, der wird auch ungültige Ergebnisse erzielen (in der Forschung als auch in der psychologischen Praxis)
Warum Diagnostik - Verminderung von Leiden, Verhinderung finanzieller Verluste und Ressourcenorientierung
- Valide Diagnostik welche Störung vorliegt und Behandlung mit einer passenden, effizienten Methodik
- Fundierte Eignungsdiagnostik zur Auswahl der richtigen Person für eine Besetzung und Vermeidung finanzieller Einbußen durch Fehlbesetzung
- Aufdecken von Ressourcen und Potentialen von Individuen und Gruppen
- Verstärkt ressourcenorientierte Sichtweise durch das Positive Psychology Movement mit Ansätzen zur Diagnostik menschlicher Stärken (z.B. Optimismus, Hoffnung, Selbstwirksamkeit, Mut, Selbstwert, Empathie, Kreativität etc.) (Shane Lopez und C.R. Snyder „Positive Psychological Assessment“, 2003)
- Diagnostische Kompetenzen werden von Psychologen erwartet
Definition Diagnostik Amelang & Schmidt-Atzert, 2006, S. 3
Psychodiagnostik ist eine Methodenlehre im Dienste der Angewandten Psychologie. Soweit Menschen die Merkmalsträger sind, besteht ihre Aufgabe darin, interindividuelle Unterschiede im Verhalten und Erleben sowie intraindividuelle Merkmale und Veränderungen einschließlich ihrer jeweils relevanten Bedingungen so zu erfassen, [dass] hinlänglich präzise Vorhersagen künftigen Verhaltens und Erlebens sowie deren evtl. Veränderungen in definierten Situationen möglich werden
Definition Diagnostik Eid & Petermann, 2006
Die Inhalte und Methoden der Psychologischen Diagnostik beziehen sich auf die regelgeleitete Sammlung und Verarbeitung von gezielt erhobenen Informationen, die für das Verständnis menschlichen Erlebens und Verhaltens bedeutsam sind.
Aus den gewonnenen Informationen sollen Fragestellungen (eines Auftraggebers) bearbeitet und Entscheidungen getroffen werden. Die Prinzipien der Entscheidungsfindung müssen wissenschaftlichen Kriterien entsprechen. Die Schritte der Entscheidungsfindung müssen nachvollziehbar sein und die Schlussfolgerungen ethischen Standards genügen.
Die Fragestellungen der Psychologischen Diagnostik können sich dabei beziehen auf die
- Beschreibung
- Klassifikation,
- Erklärung,
- Vorhersage (Prognose)
- Evaluation von Zuständen und/oder Verläufen
Definition Diagnostik Jäger und Petermann, 1999
Psychologische Diagnostik ist das systematische Sammeln und Aufbereiten von Informationen mit dem Ziel Entscheidungen und daraus resultierende Handlungen zu begründen, zu kontrollieren und zu optimieren. Die Entscheidungen basieren auf einem komplexen Informationsverarbeitungsprozess. In diesem Prozess wird auf Regeln, Anleitungen, Algorithmen usw. zurückgegriffen. Man gewinnt damit psychologisch relevante Charakteristika von Merkmalsträgern und integriert die gegebenen Daten zu einem Urteil (Diagnose, Prognose). Als Merkmalsträger gelten Einzelpersonen, Gruppen, Institutionen, Situationen, Gegenstände etc. .
Definition Diagnostik Krohne & Hock, 2007
Beim psychologischen Diagnostizieren geht es (…) nicht, wie der psychologische Laie vielleicht meinen könnte, um das Erkennen des „Wesens“ eines Menschen, sondern um das Erfüllen eines praktischen (und damit eingegrenzten) Auftrags. Tatsächlich ist Diagnostizieren überhaupt kein Erkenntnisvorgang (im Alltagsverständnis dieses Begriffs), sondern (…) ein Handlungs- und Entscheidungsprozess (…). In einen Entscheidungsprozess mündende Aufträge können etwa darin bestehen, unter mehreren Bewerbern den für eine bestimmte Position geeignetsten herauszufinden, Eltern hinsichtlich des für ihr Kind passenden Schulzweigs zu beraten, gesundheitsrelevante Einstellungen einer Person zu er- heben, um evtl. ein Programm zur Modifikation ungünstiger Einstellungen einzuleiten, oder zu bestimmen, ob bei einem Klienten eine behandlungsbedürftige Ausprägung von Depression vorliegt (…)
Definition Diagnostik Kubinger, 2006
Psychologisches Diagnostizieren ist ein Prozess, der unter Zuhilfenahme verschiedener Verfahren zielgerichtete Informationen über psychische Eigenschaften einer Person gewinnen will. Der Prozess bezieht sich auf
- Klärung der Fragestellung
- Auswahl diagnostischer Verfahren
- Anwendung und Auswertung der Verfahren
- Interpretation und Gutachtenerstellung
- Festsetzen der Intervention
Psychologische Diagnostik ist die wissenschaftliche Disziplin („Lehrfach“), die psychologisches Diagnostizieren für die Praxis vorbereitet
Bestimmungsstücke der Psychologischen Diagnostik
- Die Psychologische Diagnostik ist eine Methodenlehre im Dienste der Angewandten Psychologie.
- Ihr Gegenstand ist die gezielte und regelgeleitete Sammlung und Verarbeitung von Daten, die für die Bearbeitung von Fragestellungen relevant sind. Spezielle diagnostische Verfahren (z.B. Tests, Fragebögen, Interview, Verhaltensbeobachtung), die sowohl empirisch und praktisch bewährt, als auch theoretisch fundiert sein müssen, werden zur Datensammlung eingesetzt. Da nicht nur in der Angewandten Psychologie, sondern auch in der Grundlagenforschung Daten erhoben und verarbeitet werden, ist die Psychologische Diagnostik auch für die Grundlagendisziplinen, insbesondere die Differentielle Psychologie, bedeutsam.
- Zu den grundlegenden Fragestellungen der Diagnostik zählen die Beschreibung, Klassifikation, Vorhersage und Evaluation von Unterschieden zwischen und innerhalb von Personen im Hinblick auf psychische Zustände (z.B. Angst), Eigenschaften (z.B. Intelligenz) und deren Veränderungen sowie damit einhergehender relevanter Bedingungen.
- Psychologische Diagnostik untersucht nicht nur Einzelpersonen, sondern auch Gruppen, Organisationen, Situationen und andere Merkmalsträger. (keine Gegenstände, Institutionen, Situationen, da das auch einen Ausweitung der Methoden bedeuten würde)
- Psychologische Diagnostik bereitet Entscheidungen (z.B. zur Berufseignung, zur Wirksamkeit von Interventionsprogrammen) nach wissenschaftlichen Kriterien und ethischen Standards vor.
- Psychologisches Diagnostizieren ist ein Prozess, der mehrere Phasen umfasst:
a) Klärung der Fragestellung
b) Auswahl von psychologisch- diagnostischen Verfahren
c) Anwendung
d) Auswertung
e) Interpretation
f) Gutachtenerstellung
g) Interventions- bzw. Maßnahmenvorschlag.
Enge Verbindung zwischen Diagnostik und Intervention
Intervention (enger Begriff): systematische, auf Veränderung abzielende therapeutische oder pädagogische Maßnahme ;
Intervention (erweiterter Begriff): jede Maßnahme ein, die für den Probanden eine Wirkung nach sich zieht, z.B. auch die Entscheidung für eine bestimmte Berufsausbildung oder einen Arbeitsplatz, die jemand aufgrund psychologisch-diagnostischer Beratung trifft
Übergänge sind fließend zw. Diagnostik und Intervention: z.B. kann das Ausfüllen eines Fragebogens durch die Iteminhalte Reflexionen auslösen und in einer anschließenden Therapie oder Maßnahme genutzt werden), besonders auch bei der Selbstbeobachtung z.B. beim Verhaltenstagebuch zur Raucherentwöhnung wirkt sich die Beobachtung auf das Beobachtete aus, d.h. die Beobachtung und Registrierung des eigenen Verhaltens führt häufig schon zu einer Veränderung des Verhaltens
Diagnostische Aufgabenfelder und Fragestellungen
- ABO-Psychologie, z.B. Personalselektion und –entwicklung, POA , Hilfe bei der Berufswahl
- Pädagogische Psychologie , z.B. Eignung für weiterführende Schulen und Studiengänge, Erziehungsprobleme, Leistungsstand messen, Teilleistungsstörungen und Verhaltensprobleme erkennen , Hochbegabtendiagnostik
- Klinische Psychologie, z.B. Diagnose psychischer Störungen (kategoriale Diagnostik), Auswahl und Evaluation von Interventionsmaßnahmen, therapiebegleitende Diagnostik
- Forensische Psychologie, z.B. Glaubwürdigkeitsdiagnostik, Bewährungsprognose, Schuldfähigkeit von Tätern, Sorgerecht, Rückfallprognose bei Straftätern
- Markt- und Werbepsychologie, z.B. Diagnose der „Anmutungsqualität“ eines neuen Artikels
- Ökologische Psychologie, z.B. subjektive Wahrnehmung von Wohn-, Arbeits-, und Schulumwelten
- Verkehrspsychologie, z.B. Erfassung der Fähigkeit zum Führen von Fahrzeugen, Fahreignung nach Entzug der Fahrerlaubnis, Fahreignung von Bus u. Taxifahrern
- Gesundheitspsychologie, Stress- und Krankeitsbewältigung und Prävention.
- Entwicklungsdiagnostik, Gerontopsychologie, Neuropsychologie, Entwicklungsstand feststellen, Leistungsfähigkeit nach Hirnschädigung messen
Zwei grundlegende Arten bzw. Strategien der Diagnostik
Selektionsdiagnostik
Modifikationsdiagnostik
Selektionsdiagnostik
Zielt im Rahmen personal-, organisations-, oder pädagogisch-psychologischer Aufgaben darauf ab, geeignete Personen oder Bedingungen auszuwählen (zu selegieren)
Personalselektion: es sollen geeignete Kandida- tinnen und Kandidaten ermittelt werden, die bestimmten Anforderungen genügen, die z.B. mit einem Arbeitsplatz, einer Schulart oder einem Studienfach verbunden sind. Bei der Personenselektion sind die Anforderungen fixiert und die Personen sozusagen variabel
Bedingungsselektion: Für Personen mit einem bestimmten Fähigkeits- und Merkmalsprofil, das als stabil angenommen wird, sollen geeignete Bedingungen ausgewählt werden, die zu dem jeweils persönlichen Profil passen. So können beispielsweise Empfehlungen für bestimmte Berufe oder geeignete Arbeitsplätze ausgesprochen werden
Basiert hauptsächlich auf dem Eigenschaftsmodell
Normorientierte Statusdiagnostik zur Messung bzw. Schätzung des Ausprägungsgrades von Eigenschaften
Modifikationsdiagnostik
Im Mittelpunkt stehen klinisch-psychologische Fragestellungen. Bei dieser Form der Diagnostik soll ermittelt werden, welche Erlebens- und Verhaltensweisen einer Person verändert (Verhaltensmodifikation) werden sollen oder welche externen Bedingungen verändert (Bedingungsmodifikation) werden müssen, damit ein Problemverhalten reduziert werden kann.
Bezieht sich in erster Linie auf verhaltensdiagnostische Prinzipien
Kriteriumsorientierte Prozessdiagnostik zur Entscheidungs- und Behandlungsoptimierung
Eigenschaftsmodell
Geht davon aus, dass Personen auf bestimmten (eignungsrelevanten) Dimensionen (z.B. Intelligenz, soziale Kompetenz, Gewissenhaftigkeit) verglichen werden können. Individuelle Ausprägungen einer Eigenschaft werden zu den Ausprägungen einer Normstichprobe in Beziehung gesetzt und es kann abgeschätzt werden, ob die Person unter-, über-, oder durchschnittliche Werte auf der interessierenden Dimension aufweist. Wegen der relativen zeitlichen Stabilität und transsituativen Konsistenz von Eigenschaften sind Prognosen möglich
( siehe Big Five Modell der Persönlichkeit, Konzept der Allgemeinen Intelligenz, gesichert durch zahlreiche Forschungsarbeiten und in Metaanalysen zusammengefasst)
Modellannahmen der Verhaltensdiagnostik
Die wesentlichen Modellannahmen der Verhaltensdiagnostik besagen, dass Verhalten erlernt ist, von Situation zu Situation variiert und sich prinzipiell verändern lässt. Eine zentrale diagnostische Frage ist es zu identifizieren, welche situativen Bedingungen ein Verhalten auslösen und aufrechterhalten
Vier Dimensionen und damit verbundenen diagnostischen Zielsetzungen
- Status- vs. Prozessdiagnostik:
a. Statusdiagnostik zielt auf die Erfassung eines Ist-Zustandes ab. In der Regel werden mehrere als stabil angenommene Eigenschaftsausprägungen gemessen, die eine probabilistische Vorhersage zukünftiger Erlebens- und Verhaltensweisen ermöglichen.
b. Dagegen ist es das Ziel der Prozessdiagnostik, Veränderungen interessierender Ver- haltensweisen (z.B. Häufigkeit aggressiver Handlungen) im Zeitverlauf zu erheben. Das Verhalten muss daher zu mehreren Zeitpunkten registriert werden. - Normorientierung vs. Kriteriumsorientierung:
a. Wie oben bereits skizziert, wird in der Eigenschaftsdiagnostik ein individuelles Untersuchungs- ergebnis mit dem Durchschnittswert einer Normstichprobe verglichen. Eine Norm- oder Eichstichprobe ist eine möglichst repräsentative Vergleichsstichprobe von Personen, bei denen die interessierende Eigenschaft ebenfalls erhoben wurde.
b. In der Verhaltensdiagnostik wird eine Person im Hinblick auf ein vorgegebenes Erlebens- oder Verhaltensziel (z.B. ein pädagogisches Ziel oder Therapieziel), das sogenannte Kriterium, untersucht. Kann beispielsweise ein Klient nach einem Selbstsicherheitstraining bestimmte Kriteriumssituationen (z.B. sich beschweren; die eigene Meinung vertreten) erfolgreich bewältigen? Ist die Fehlerzahl in einem Diktat nach einem Rechtschreibtraining bei einem Schüler unter eine bestimmte Grenze abgesunken? - Testen vs. Inventarisieren:
a. Eigenschaftsausprägungen werden ermittelt („getestet“), indem aus der Grundgesamtheit des Erlebens- und Verhaltensrepertoires eine Stichprobe gezogen wird. Um eine latente Eigenschaft zu erfassen, wird einer Person in einem Fragebogen z.B. eine Reihe von Items mit Aussagen vorgelegt, die die zu diagnostizierende Eigenschaft indizieren. Der Proband wird gebeten, sich selbst auf Feststellungen wie „In sozialen Situationen werde ich leicht unsicher“ oder „Ich habe Schwierigkeiten, anderen in die Augen zu schauen“ einzuschätzen (z.B. auf einer Skala mit den Abstufungen trifft gar nicht zu – trifft etwas zu – trifft weit- gehend zu – trifft vollständig zu). Die unterschiedlichen Feststellungen repräsentieren eine Stichprobe relevanter Erlebens- und Verhaltensweisen, die in unserem Beispiel die Eigenschaft soziale Ängstlichkeit indizieren.
b. In der Verhaltensdiagnostik geht es im Gegensatz dazu um eine möglichst vollständige Inventarisierung des gesamten, für eine Fragestellung relevanten Verhaltensrepertoires und der damit verbundenen auslösenden und aufrechterhaltenden Bedingungen, z.B. welche aggressiven Verhaltensweisen führt ein Kind wie häufig gegen wen unter welchen Bedingungen aus? - Diagnostik als Messung vs. Diagnostik als Information für und über Behandlung:
a. Ziel der Eigenschaftsmessung ist es, die Ausprägung eines Persönlichkeitsmerkmals vor dem Hintergrund bestimmter Testgütekriterien (Objektivität, Reliabilität, Validität) möglichst genau und valide abzuschätzen.
b. In der Verhaltensdiagnostik ist das Ziel dagegen, Informationen zu erfassen, die helfen sollen, eine bestimmte Interventionsmaßnahme auszuwählen und/oder deren Effektivität zu bestimmen.
Psychologische Diagnostik (PL: Schmidt-Atzert, L. & Amelang, M. (2012). Psychologische Diagnostik (Kapitel 1). Berlin: Springer )
ist eine Teildisziplin der Psychologie. Sie dient der Beantwortung von Fragestellungen, die sich auf die Beschreibung, Klassifikation, Erklärung oder Vorhersage menschlichen Verhaltens und Erlebens beziehen. Sie schließt die gezielte Erhebung von Informationen über das Verhalten und Erleben eines oder mehrerer Menschen sowie deren relevanter Bedingungen ein. Die erhobenen Informationen werden für die Beantwortung der Fragestellung interpretiert. Das diagnostische Handeln wird von psychologischem Wissen geleitet. Zur Erhebung von Informationen werden Methoden verwendet, die wissenschaftlichen Standards genügen.
Abgrenzung der Diagnostik vom Testen, medizinischer Diagnostik und Evaluation
Testen: Der Begriff »Test« bezieht sich nur auf eine Methode der Datenerhebung. Im Rahmen von Psychologischer Diagnostik werden auch andere Methoden wie etwa das Interview oder die Verhaltensbeobachtung eingesetzt. Hinzu kommt, dass mit der Anwendung verschiedener Methoden notwendigerweise auch die Integration von Ergebnissen einhergeht, also eine Interpretation.
Medizinische Diagnostik: Der Mensch ist auch Gegenstand der medizinischen Diagnostik. Hier stehen allerdings körperliche Merkmale im Fokus und nicht – oder zumindest seltener – Verhalten und Erleben. Die Diagnostik psychischer Störungen stellt einen Überlappungsbereich dar, mit dem sich psychologische und medizinische Diagnostik befassen können.
Evaluation: Evaluiert werden Maßnahmen wie etwa ein Training oder ein Therapieprogramm. Unter Umständen benötigt man dazu keine psychologisch-diagnostischen Verfahren. Dienen die Maßnahmen dazu, psychische Merkmale von Menschen (Beispiel: Depressivität) oder deren Verhalten (Beispiel: Zwangsverhalten) zu verändern, können diese Veränderungen mithilfe psychologisch-diagnostischer Methoden (Tests, Fragebögen, Interview etc.) erfasst werden. Diagnostik ist also ein Mittel zum Zweck der Evaluation.
Eigenschaften als Erklärung für Verhalten
Die grundlegende Annahme eigenschaftstheoretischer Konzepte besteht darin, dass sich das Erleben und Verhalten von Menschen in Form von Eigenschaften (»traits«) beschreiben lässt. Diese werden aufgefasst als »relativ breite und zeitlich stabile Dispositionen zu bestimmten Verhaltensweisen, die konsistent in verschiedenen Situationen auftreten« (Stemmler et al., 2010, S. 51).
Eigenschaften sind nicht direkt beobachtbar. Sie stellen hypothetische, gedankliche, konstruierte Gebilde dar, somit Konstrukte, die aus direkt beobachtbaren Verhaltensäußerungen nur erschlossen werden.
Die Verhaltensweisen haben für die Eigenschaften die Funktion von Indikatoren, d. h., sie stehen dazu in einem Verhältnis wie Zeichen zu Bezeichnetem.
Zustand / state
Bestimmte Verhaltensweisen verändern sich offensichtlich sehr stark über die Zeit und sind stark situationsabhängig. Für diese Klasse von Verhaltensweisen wurde der Begriff »Zustand« (»state«) geprägt. Typische Beispiele für Zustände sind Emotionen (Angst, Freude, Traurigkeit, Ärger etc.), mentale Zustände wie Müdigkeit, Wachheit oder Konzentration sowie Erregungszustände (Erregtheit, Ruhe). Das Eigenschaftsmodell schließt Zustände explizit aus. Zustände können für bestimmte Fragestellungen diagnostisch relevant sein.
Situationsspezifisches Verhalten
Der Eigenschaftsansatz wird durch eine andere Argumentation infrage gestellt (Mischel, 2004): Eigenschaften werden oft so breit definiert, dass sie eine zu geringe Vorhersagekraft für Verhalten in konkreten Situationen haben.
An Stelle breiter Eigenschaften, bei denen Verhalten über viele Situationen gemittelt wird, sind situa- tionsspezifische Verhaltensdispositionen zu fordern. Die höchsten Zusammenhänge zwischen einer Vorhersagevariablen (Prädiktor) und einem Kriterium sind dann zu erwarten, wenn beide ähnlich spezifisch bzw. generell sind. Soll Verhalten in einer spezifischen Situation vorhergesagt werden, ist dazu ein spezifisches Instrument besser geeignet als ein globales. Die Angst vor Hunden lässt sich mit einem Hundeangstfragebogen (wenn es ihn gäbe) besser vorhersagen als mit einem allgemeinen Angst- fragebogen. Der Hundeangstfragebogen ist dagegen ziemlich unbrauchbar, wenn sich die Vorhersage auf die Angst im Alltagsleben beziehen soll. Dazu wäre ein allgemeiner Angstfragebogen prädestiniert. Die (Symmetrie zwischen Prädiktor und Kriterium)
Eigenschaftsmodell - empirische Fundierung durch verschiedene Studien und Metaanalysen
Siehe Big Five Modell der Persönlichkeit und das Konzept der Allgemeinen Intelligenz, gesichert ist das Eigenschaftsmodell durch zahlreiche Forschungsarbeiten und in Metaanalysen zusammengefasst
- Aggregierte Verhaltensmaße korrelieren höher mit Eigenschaften (Analyse von Fleeson und Galllagher (2009) zu 15 Studien: Wurden Mittelwerte über viele Situationen herangezogen, korrelierten die gleichen Persönlichkeitsmerkmale deutlich höher mit den Verhaltensmaßen (r = .42 und .56). (Die Korrelationen für Neurotizismus, Verträglichkeit und Gewissenhaftigkeit lagen zwischen diesen Extremen.)
- Selbst- und Fremdbeurteilungen sind zeitlich stabil (Metaanalyse (Roberts & DelVecchio, 2000) wurden Längsschnittuntersuchungen zu Persönlichkeitsmerkmalen ausgewertet und sie zeigten sich über die Jahre hinweg als stabil (Die Korrelationen lagen zwischen r = .67 (Gewissenhaftigkeit) und .77 (Extraversion))
- Intelligenz korreliert mit Leistungen im Leben Anhand der Intelligenz lässt sich der sozioökonomische Erfolg eines Menschen vorhersagen. Ein »harter« Test dieser Annahme besteht darin, die Intelligenz zu messen, bevor der Erfolg im Leben schon sichtbar ist und zusätzlich den Erfolg viele Jahre später zu überprüfen (Metaanalyse (Strenze, 2007): Intelligenz sagte den akademischen Erfolg (Studienleistungen), den erreichten beruflichen Status und das Einkommen voraus (r = .56, .45 bzw. .23))
- Intelligenz ist stabil Erstaunlicherweise liegen keine Metaanalysen zur Stabilität der Intelligenz vor. Charter (2003) hat überwiegend in Testbeschreibungen nach Reliabilitätskoeffizienten gesucht und 22 Retest-Reliabilitäten für Intelligenztests gefunden. Der Mittelwert lag bei .80. In einer Studie mit über 10.000 Schülern konnte Strand (2004) eine Korrelation von r = .89 zwischen zwei Messungen im Alter von zehn und 13 Jahren ermitteln
Behaviorismus und Verhaltenstheorie
Die Forderung, Verhalten zu erforschen und damit auch zu messen, ist eng mit dem Behaviorismus verbunden. Diese Forschungstradition hat sich konsequent mit dem beobachtbaren Verhalten und den ebenfalls beobachtbaren situativen Bedingungen des Verhaltens (Auslöser und Konsequenzen) befasst. Alles, was nicht der direkten Beobachtung zugänglich ist, also was nicht mit den Sinnen erfahrbar ist (technische Hilfsmittel sind selbstverständlich erlaubt), soll nicht Gegenstand der Forschung sein. Damit wurden etwa geistige Prozesse und Gefühle von der Forschung ausgeschlossen. Aber auch Konstrukte (und damit Persönlichkeitseigenschaften), die per Definition nicht der Beobachtung zugänglich sind, wurden als nutzlos angesehen.
Die Verhaltenstheorie als Kind des Behaviorismus erlebte in den späten 60er und frühen 70er Jahren des 20. Jahrhunderts einen großen Aufschwung (Ollendick et al., 2004). Im Jahr 1978 wurde sogar eine Zeitschrift gegründet, die sich explizit mit der Diagnostik von Verhalten befasste: Behavioral Assessment. Anfangs beschränkte sich die Messung von Verhalten auf gut beobachtbare motorische Reaktionen. Mit dem Aufkommen von kognitiven Ansätzen in der Verhaltenstherapie erweiterte sich der Messgegenstand bald auf Gedanken und Gefühle. Später fand eine Ausweitung auch auf familiäre, schulische Einflüsse oder Arbeitsplatzbedingungen statt. Messinstrumente wurden um Selbst- und Fremdberichte erweitert und gleichzeitig ging das Interesse an Beobachtungsmethoden zurück. Blütezeit zw. 1980-1990, Zeitung wurde 1992 eingestellt, 1997 wurde praktisch nichts mehr veröffentlicht zur Verhaltensttheorie.