03418 Flashcards

1
Q

Warum ist Psychologische Diagnostik wichtig?

A

Psychologische Diagnostik als zentrale Methodenlehre und Querschnittsdisziplin, da sie sich durch alle Grundlagen und Anwendungsfächer zieht
Mit welchen Methoden und bei welchen Fragestellungen werden relevante Daten sachgerecht erhoben, weiterverarbeitet und interpretiert

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2
Q

Garbage in – garbage out / GIGO

A

Die sachgemäße und valide Feststellung von psychischen Zuständen und Eigenschaften ist eine zentrale Voraussetzung für psychologische Forschung und für die Vorbereitung von praktisch-psychologischen Entscheidungen, d.h. wer Datenmüll erhebt, der wird auch ungültige Ergebnisse erzielen (in der Forschung als auch in der psychologischen Praxis)

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3
Q

Warum Diagnostik - Verminderung von Leiden, Verhinderung finanzieller Verluste und Ressourcenorientierung

A
  • Valide Diagnostik welche Störung vorliegt und Behandlung mit einer passenden, effizienten Methodik
  • Fundierte Eignungsdiagnostik zur Auswahl der richtigen Person für eine Besetzung und Vermeidung finanzieller Einbußen durch Fehlbesetzung
  • Aufdecken von Ressourcen und Potentialen von Individuen und Gruppen
  • Verstärkt ressourcenorientierte Sichtweise durch das Positive Psychology Movement mit Ansätzen zur Diagnostik menschlicher Stärken (z.B. Optimismus, Hoffnung, Selbstwirksamkeit, Mut, Selbstwert, Empathie, Kreativität etc.) (Shane Lopez und C.R. Snyder „Positive Psychological Assessment“, 2003)
  • Diagnostische Kompetenzen werden von Psychologen erwartet
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4
Q

Definition Diagnostik Amelang & Schmidt-Atzert, 2006, S. 3

A

Psychodiagnostik ist eine Methodenlehre im Dienste der Angewandten Psychologie. Soweit Menschen die Merkmalsträger sind, besteht ihre Aufgabe darin, interindividuelle Unterschiede im Verhalten und Erleben sowie intraindividuelle Merkmale und Veränderungen einschließlich ihrer jeweils relevanten Bedingungen so zu erfassen, [dass] hinlänglich präzise Vorhersagen künftigen Verhaltens und Erlebens sowie deren evtl. Veränderungen in definierten Situationen möglich werden

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5
Q

Definition Diagnostik Eid & Petermann, 2006

A

Die Inhalte und Methoden der Psychologischen Diagnostik beziehen sich auf die regelgeleitete Sammlung und Verarbeitung von gezielt erhobenen Informationen, die für das Verständnis menschlichen Erlebens und Verhaltens bedeutsam sind.

Aus den gewonnenen Informationen sollen Fragestellungen (eines Auftraggebers) bearbeitet und Entscheidungen getroffen werden. Die Prinzipien der Entscheidungsfindung müssen wissenschaftlichen Kriterien entsprechen. Die Schritte der Entscheidungsfindung müssen nachvollziehbar sein und die Schlussfolgerungen ethischen Standards genügen.

Die Fragestellungen der Psychologischen Diagnostik können sich dabei beziehen auf die

  1. Beschreibung 

  2. Klassifikation, 

  3. Erklärung, 

  4. Vorhersage (Prognose)
  5. Evaluation von Zuständen und/oder Verläufen
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6
Q

Definition Diagnostik Jäger und Petermann, 1999

A

Psychologische Diagnostik ist das systematische Sammeln und Aufbereiten von Informationen mit dem Ziel Entscheidungen und daraus resultierende Handlungen zu begründen, zu kontrollieren und zu optimieren. Die Entscheidungen basieren auf einem komplexen Informationsverarbeitungsprozess. In diesem Prozess wird auf Regeln, Anleitungen, Algorithmen usw. zurückgegriffen. Man gewinnt damit psychologisch relevante Charakteristika von Merkmalsträgern und integriert die gegebenen Daten zu einem Urteil (Diagnose, Prognose). Als Merkmalsträger gelten Einzelpersonen, Gruppen, Institutionen, Situationen, Gegenstände etc. .

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7
Q

Definition Diagnostik Krohne & Hock, 2007

A

Beim psychologischen Diagnostizieren geht es (…) nicht, wie der psychologische Laie vielleicht meinen könnte, um das Erkennen des „Wesens“ eines Menschen, sondern um das Erfüllen eines praktischen (und damit eingegrenzten) Auftrags. Tatsächlich ist Diagnostizieren überhaupt kein Erkenntnisvorgang (im Alltagsverständnis dieses Begriffs), sondern (…) ein Handlungs- und Entscheidungsprozess (…). In einen Entscheidungsprozess mündende Aufträge können etwa darin bestehen, unter mehreren Bewerbern den für eine bestimmte Position geeignetsten herauszufinden, Eltern hinsichtlich des für ihr Kind passenden Schulzweigs zu beraten, gesundheitsrelevante Einstellungen einer Person zu er- heben, um evtl. ein Programm zur Modifikation ungünstiger Einstellungen einzuleiten, oder zu bestimmen, ob bei einem Klienten eine behandlungsbedürftige Ausprägung von Depression vorliegt (…)

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8
Q

Definition Diagnostik Kubinger, 2006

A

Psychologisches Diagnostizieren ist ein Prozess, der unter Zuhilfenahme verschiedener Verfahren zielgerichtete Informationen über psychische Eigenschaften einer Person gewinnen will. Der Prozess bezieht sich auf

  1. Klärung der Fragestellung 

  2. Auswahl diagnostischer Verfahren 

  3. Anwendung und Auswertung der Verfahren 

  4. Interpretation und Gutachtenerstellung 

  5. Festsetzen der Intervention 


Psychologische Diagnostik ist die wissenschaftliche Disziplin („Lehrfach“), die psychologisches Diagnostizieren für die Praxis vorbereitet

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9
Q

Bestimmungsstücke der Psychologischen Diagnostik

A
  1. Die Psychologische Diagnostik ist eine Methodenlehre im Dienste der Angewandten Psychologie.
  2. Ihr Gegenstand ist die gezielte und regelgeleitete Sammlung und Verarbeitung von Daten, die für die Bearbeitung von Fragestellungen relevant sind. Spezielle diagnostische Verfahren (z.B. Tests, Fragebögen, Interview, Verhaltensbeobachtung), die sowohl empirisch und praktisch bewährt, als auch theoretisch fundiert sein müssen, werden zur Datensammlung eingesetzt. Da nicht nur in der Angewandten Psychologie, sondern auch in der Grundlagenforschung Daten erhoben und verarbeitet werden, ist die Psychologische Diagnostik auch für die Grundlagendisziplinen, insbesondere die Differentielle Psychologie, bedeutsam. 

  3. Zu den grundlegenden Fragestellungen der Diagnostik zählen die Beschreibung, Klassifikation, Vorhersage und Evaluation von Unterschieden zwischen und innerhalb von Personen im Hinblick auf psychische Zustände (z.B. Angst), Eigenschaften (z.B. Intelligenz) und deren Veränderungen sowie damit einhergehender relevanter Bedingungen. 

  4. Psychologische Diagnostik untersucht nicht nur Einzelpersonen, sondern auch Gruppen, Organisationen, Situationen und andere Merkmalsträger. 
(keine Gegenstände, Institutionen, Situationen, da das auch einen Ausweitung der Methoden bedeuten würde)
  5. Psychologische Diagnostik bereitet Entscheidungen (z.B. zur Berufseignung, zur Wirksamkeit von Interventionsprogrammen) nach wissenschaftlichen Kriterien und ethischen Standards vor. 

  6. Psychologisches Diagnostizieren ist ein Prozess, der mehrere Phasen umfasst:
    a) Klärung der Fragestellung
    b) Auswahl von psychologisch- diagnostischen Verfahren
    c) Anwendung
    d) Auswertung
    e) Interpretation
    f) Gutachtenerstellung
    g) Interventions- bzw. Maßnahmenvorschlag.
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10
Q

Enge Verbindung zwischen Diagnostik und Intervention

A

Intervention (enger Begriff): systematische, auf Veränderung abzielende therapeutische oder pädagogische Maßnahme ;

Intervention (erweiterter Begriff): jede Maßnahme ein, die für den Probanden eine Wirkung nach sich zieht, z.B. auch die Entscheidung für eine bestimmte Berufsausbildung oder einen Arbeitsplatz, die jemand aufgrund psychologisch-diagnostischer Beratung trifft

Übergänge sind fließend zw. Diagnostik und Intervention: z.B. kann das Ausfüllen eines Fragebogens durch die Iteminhalte Reflexionen auslösen und in einer anschließenden Therapie oder Maßnahme genutzt werden), besonders auch bei der Selbstbeobachtung z.B. beim Verhaltenstagebuch zur Raucherentwöhnung wirkt sich die Beobachtung auf das Beobachtete aus, d.h. die Beobachtung und Registrierung des eigenen Verhaltens führt häufig schon zu einer Veränderung des Verhaltens

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11
Q

Diagnostische Aufgabenfelder und Fragestellungen

A
  1. ABO-Psychologie, z.B. Personalselektion und –entwicklung, POA , Hilfe bei der Berufswahl

  2. Pädagogische Psychologie
, z.B. Eignung für weiterführende Schulen und 
Studiengänge, Erziehungsprobleme, Leistungsstand messen, Teilleistungsstörungen und Verhaltensprobleme erkennen , Hochbegabtendiagnostik
  3. Klinische Psychologie, z.B. Diagnose psychischer Störungen (kategoriale Diagnostik), Auswahl und Evaluation von Interventionsmaßnahmen, therapiebegleitende Diagnostik 

  4. Forensische Psychologie, z.B. Glaubwürdigkeitsdiagnostik, Bewährungsprognose, Schuldfähigkeit von Tätern, Sorgerecht, Rückfallprognose bei Straftätern

  5. Markt- und Werbepsychologie, z.B. Diagnose der „Anmutungsqualität“ eines neuen Artikels 

  6. Ökologische Psychologie, z.B. subjektive Wahrnehmung von Wohn-, Arbeits-, und Schulumwelten 

  7. Verkehrspsychologie, z.B. Erfassung der Fähigkeit zum Führen von Fahrzeugen, Fahreignung nach Entzug der Fahrerlaubnis, Fahreignung von Bus u. Taxifahrern 

  8. Gesundheitspsychologie, Stress- und Krankeitsbewältigung und Prävention.
  9. Entwicklungsdiagnostik, Gerontopsychologie, Neuropsychologie, Entwicklungsstand feststellen, Leistungsfähigkeit nach Hirnschädigung messen
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12
Q

Zwei grundlegende Arten bzw. Strategien der Diagnostik

A

Selektionsdiagnostik

Modifikationsdiagnostik

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13
Q

Selektionsdiagnostik

A

Zielt im Rahmen personal-, organisations-, oder pädagogisch-psychologischer Aufgaben darauf ab, geeignete Personen oder Bedingungen auszuwählen (zu selegieren)

Personalselektion: es sollen geeignete Kandida- tinnen und Kandidaten ermittelt werden, die bestimmten Anforderungen genügen, die z.B. mit einem Arbeitsplatz, einer Schulart oder einem Studienfach verbunden sind. Bei der Personenselektion sind die Anforderungen fixiert und die Personen sozusagen variabel

Bedingungsselektion: Für Personen mit einem bestimmten Fähigkeits- und Merkmalsprofil, das als stabil angenommen wird, sollen geeignete Bedingungen ausgewählt werden, die zu dem jeweils persönlichen Profil passen. So können beispielsweise Empfehlungen für bestimmte Berufe oder geeignete Arbeitsplätze ausgesprochen werden

Basiert hauptsächlich auf dem Eigenschaftsmodell

Normorientierte Statusdiagnostik zur Messung bzw. Schätzung des Ausprägungsgrades von Eigenschaften

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14
Q

Modifikationsdiagnostik

A

Im Mittelpunkt stehen klinisch-psychologische Fragestellungen. Bei dieser Form der Diagnostik soll ermittelt werden, welche Erlebens- und Verhaltensweisen einer Person verändert (Verhaltensmodifikation) werden sollen oder welche externen Bedingungen verändert (Bedingungsmodifikation) werden müssen, damit ein Problemverhalten reduziert werden kann.

Bezieht sich in erster Linie auf verhaltensdiagnostische Prinzipien

Kriteriumsorientierte Prozessdiagnostik zur Entscheidungs- und Behandlungsoptimierung

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15
Q

Eigenschaftsmodell

A

Geht davon aus, dass Personen auf bestimmten (eignungsrelevanten) Dimensionen (z.B. Intelligenz, soziale Kompetenz, Gewissenhaftigkeit) verglichen werden können. Individuelle Ausprägungen einer Eigenschaft werden zu den Ausprägungen einer Normstichprobe in Beziehung gesetzt und es kann abgeschätzt werden, ob die Person unter-, über-, oder durchschnittliche Werte auf der interessierenden Dimension aufweist. Wegen der relativen zeitlichen Stabilität und transsituativen Konsistenz von Eigenschaften sind Prognosen möglich

( siehe Big Five Modell der Persönlichkeit, Konzept der Allgemeinen Intelligenz, gesichert durch zahlreiche Forschungsarbeiten und in Metaanalysen zusammengefasst)

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16
Q

Modellannahmen der Verhaltensdiagnostik

A

Die wesentlichen Modellannahmen der Verhaltensdiagnostik besagen, dass Verhalten erlernt ist, von Situation zu Situation variiert und sich prinzipiell verändern lässt. Eine zentrale diagnostische Frage ist es zu identifizieren, welche situativen Bedingungen ein Verhalten auslösen und aufrechterhalten

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17
Q

Vier Dimensionen und damit verbundenen diagnostischen Zielsetzungen

A
  1. Status- vs. Prozessdiagnostik:
    a. Statusdiagnostik zielt auf die Erfassung eines Ist-Zustandes ab. In der Regel werden mehrere als stabil angenommene Eigenschaftsausprägungen gemessen, die eine probabilistische Vorhersage zukünftiger Erlebens- und Verhaltensweisen ermöglichen.
    b. Dagegen ist es das Ziel der Prozessdiagnostik, Veränderungen interessierender Ver- haltensweisen (z.B. Häufigkeit aggressiver Handlungen) im Zeitverlauf zu erheben. Das Verhalten muss daher zu mehreren Zeitpunkten registriert werden.
  2. Normorientierung vs. Kriteriumsorientierung:
    a. Wie oben bereits skizziert, wird in der Eigenschaftsdiagnostik ein individuelles Untersuchungs- ergebnis mit dem Durchschnittswert einer Normstichprobe verglichen. Eine Norm- oder Eichstichprobe ist eine möglichst repräsentative Vergleichsstichprobe von Personen, bei denen die interessierende Eigenschaft ebenfalls erhoben wurde.
    b. In der Verhaltensdiagnostik wird eine Person im Hinblick auf ein vorgegebenes Erlebens- oder Verhaltensziel (z.B. ein pädagogisches Ziel oder Therapieziel), das sogenannte Kriterium, untersucht. Kann beispielsweise ein Klient nach einem Selbstsicherheitstraining bestimmte Kriteriumssituationen (z.B. sich beschweren; die eigene Meinung vertreten) erfolgreich bewältigen? Ist die Fehlerzahl in einem Diktat nach einem Rechtschreibtraining bei einem Schüler unter eine bestimmte Grenze abgesunken?
  3. Testen vs. Inventarisieren:
    a. Eigenschaftsausprägungen werden ermittelt („getestet“), indem aus der Grundgesamtheit des Erlebens- und Verhaltensrepertoires eine Stichprobe gezogen wird. Um eine latente Eigenschaft zu erfassen, wird einer Person in einem Fragebogen z.B. eine Reihe von Items mit Aussagen vorgelegt, die die zu diagnostizierende Eigenschaft indizieren. Der Proband wird gebeten, sich selbst auf Feststellungen wie „In sozialen Situationen werde ich leicht unsicher“ oder „Ich habe Schwierigkeiten, anderen in die Augen zu schauen“ einzuschätzen (z.B. auf einer Skala mit den Abstufungen trifft gar nicht zu – trifft etwas zu – trifft weit- gehend zu – trifft vollständig zu). Die unterschiedlichen Feststellungen repräsentieren eine Stichprobe relevanter Erlebens- und Verhaltensweisen, die in unserem Beispiel die Eigenschaft soziale Ängstlichkeit indizieren.
    b. In der Verhaltensdiagnostik geht es im Gegensatz dazu um eine möglichst vollständige Inventarisierung des gesamten, für eine Fragestellung relevanten Verhaltensrepertoires und der damit verbundenen auslösenden und aufrechterhaltenden Bedingungen, z.B. welche aggressiven Verhaltensweisen führt ein Kind wie häufig gegen wen unter welchen Bedingungen aus?
  4. Diagnostik als Messung vs. Diagnostik als Information für und über Behandlung:
    a. Ziel der Eigenschaftsmessung ist es, die Ausprägung eines Persönlichkeitsmerkmals vor dem Hintergrund bestimmter Testgütekriterien (Objektivität, Reliabilität, Validität) möglichst genau und valide abzuschätzen.
    b. In der Verhaltensdiagnostik ist das Ziel dagegen, Informationen zu erfassen, die helfen sollen, eine bestimmte Interventionsmaßnahme auszuwählen und/oder deren Effektivität zu bestimmen.
18
Q

Psychologische Diagnostik (PL: Schmidt-Atzert, L. & Amelang, M. (2012). Psychologische Diagnostik (Kapitel 1). Berlin: Springer )

A

ist eine Teildisziplin der Psychologie. Sie dient der Beantwortung von Fragestellungen, die sich auf die Beschreibung, Klassifikation, Erklärung oder Vorhersage menschlichen Verhaltens und Erlebens beziehen. Sie schließt die gezielte Erhebung von Informationen über das Verhalten und Erleben eines oder mehrerer Menschen sowie deren relevanter Bedingungen ein. Die erhobenen Informationen werden für die Beantwortung der Fragestellung interpretiert. Das diagnostische Handeln wird von psychologischem Wissen geleitet. Zur Erhebung von Informationen werden Methoden verwendet, die wissenschaftlichen Standards genügen.

19
Q

Abgrenzung der Diagnostik vom Testen, medizinischer Diagnostik und Evaluation

A

Testen: Der Begriff »Test« bezieht sich nur auf eine Methode der Datenerhebung. Im Rahmen von Psychologischer Diagnostik werden auch andere Methoden wie etwa das Interview oder die Verhaltensbeobachtung eingesetzt. Hinzu kommt, dass mit der Anwendung verschiedener Methoden notwendigerweise auch die Integration von Ergebnissen einhergeht, also eine Interpretation.

Medizinische Diagnostik: Der Mensch ist auch Gegenstand der medizinischen Diagnostik. Hier stehen allerdings körperliche Merkmale im Fokus und nicht – oder zumindest seltener – Verhalten und Erleben. Die Diagnostik psychischer Störungen stellt einen Überlappungsbereich dar, mit dem sich psychologische und medizinische Diagnostik befassen können.

Evaluation: Evaluiert werden Maßnahmen wie etwa ein Training oder ein Therapieprogramm. Unter Umständen benötigt man dazu keine psychologisch-diagnostischen Verfahren. Dienen die Maßnahmen dazu, psychische Merkmale von Menschen (Beispiel: Depressivität) oder deren Verhalten (Beispiel: Zwangsverhalten) zu verändern, können diese Veränderungen mithilfe psychologisch-diagnostischer Methoden (Tests, Fragebögen, Interview etc.) erfasst werden. Diagnostik ist also ein Mittel zum Zweck der Evaluation.

20
Q

Eigenschaften als Erklärung für Verhalten

A

Die grundlegende Annahme eigenschaftstheoretischer Konzepte besteht darin, dass sich das Erleben und Verhalten von Menschen in Form von Eigenschaften (»traits«) beschreiben lässt. Diese werden aufgefasst als »relativ breite und zeitlich stabile Dispositionen zu bestimmten Verhaltensweisen, die konsistent in verschiedenen Situationen auftreten« (Stemmler et al., 2010, S. 51).

Eigenschaften sind nicht direkt beobachtbar. Sie stellen hypothetische, gedankliche, konstruierte Gebilde dar, somit Konstrukte, die aus direkt beobachtbaren Verhaltensäußerungen nur erschlossen werden.

Die Verhaltensweisen haben für die Eigenschaften die Funktion von Indikatoren, d. h., sie stehen dazu in einem Verhältnis wie Zeichen zu Bezeichnetem.

21
Q

Zustand / state

A

Bestimmte Verhaltensweisen verändern sich offensichtlich sehr stark über die Zeit und sind stark situationsabhängig. Für diese Klasse von Verhaltensweisen wurde der Begriff »Zustand« (»state«) geprägt. Typische Beispiele für Zustände sind Emotionen (Angst, Freude, Traurigkeit, Ärger etc.), mentale Zustände wie Müdigkeit, Wachheit oder Konzentration sowie Erregungszustände (Erregtheit, Ruhe). Das Eigenschaftsmodell schließt Zustände explizit aus. Zustände können für bestimmte Fragestellungen diagnostisch relevant sein.

22
Q

Situationsspezifisches Verhalten

A

Der Eigenschaftsansatz wird durch eine andere Argumentation infrage gestellt (Mischel, 2004): Eigenschaften werden oft so breit definiert, dass sie eine zu geringe Vorhersagekraft für Verhalten in konkreten Situationen haben.
An Stelle breiter Eigenschaften, bei denen Verhalten über viele Situationen gemittelt wird, sind situa- tionsspezifische Verhaltensdispositionen zu fordern. Die höchsten Zusammenhänge zwischen einer Vorhersagevariablen (Prädiktor) und einem Kriterium sind dann zu erwarten, wenn beide ähnlich spezifisch bzw. generell sind. Soll Verhalten in einer spezifischen Situation vorhergesagt werden, ist dazu ein spezifisches Instrument besser geeignet als ein globales. Die Angst vor Hunden lässt sich mit einem Hundeangstfragebogen (wenn es ihn gäbe) besser vorhersagen als mit einem allgemeinen Angst- fragebogen. Der Hundeangstfragebogen ist dagegen ziemlich unbrauchbar, wenn sich die Vorhersage auf die Angst im Alltagsleben beziehen soll. Dazu wäre ein allgemeiner Angstfragebogen prädestiniert. Die (Symmetrie zwischen Prädiktor und Kriterium)

23
Q

Eigenschaftsmodell - empirische Fundierung durch verschiedene Studien und Metaanalysen

A

Siehe Big Five Modell der Persönlichkeit und das Konzept der Allgemeinen Intelligenz, gesichert ist das Eigenschaftsmodell durch zahlreiche Forschungsarbeiten und in Metaanalysen zusammengefasst

  • Aggregierte Verhaltensmaße korrelieren höher mit Eigenschaften (Analyse von Fleeson und Galllagher (2009) zu 15 Studien: Wurden Mittelwerte über viele Situationen herangezogen, korrelierten die gleichen Persönlichkeitsmerkmale deutlich höher mit den Verhaltensmaßen (r = .42 und .56). (Die Korrelationen für Neurotizismus, Verträglichkeit und Gewissenhaftigkeit lagen zwischen diesen Extremen.)
  • Selbst- und Fremdbeurteilungen sind zeitlich stabil (Metaanalyse (Roberts & DelVecchio, 2000) wurden Längsschnittuntersuchungen zu Persönlichkeitsmerkmalen ausgewertet und sie zeigten sich über die Jahre hinweg als stabil (Die Korrelationen lagen zwischen r = .67 (Gewissenhaftigkeit) und .77 (Extraversion))
  • Intelligenz korreliert mit Leistungen im Leben Anhand der Intelligenz lässt sich der sozioökonomische Erfolg eines Menschen vorhersagen. Ein »harter« Test dieser Annahme besteht darin, die Intelligenz zu messen, bevor der Erfolg im Leben schon sichtbar ist und zusätzlich den Erfolg viele Jahre später zu überprüfen (Metaanalyse (Strenze, 2007): Intelligenz sagte den akademischen Erfolg (Studienleistungen), den erreichten beruflichen Status und das Einkommen voraus (r = .56, .45 bzw. .23))
  • Intelligenz ist stabil Erstaunlicherweise liegen keine Metaanalysen zur Stabilität der Intelligenz vor. Charter (2003) hat überwiegend in Testbeschreibungen nach Reliabilitätskoeffizienten gesucht und 22 Retest-Reliabilitäten für Intelligenztests gefunden. Der Mittelwert lag bei .80. In einer Studie mit über 10.000 Schülern konnte Strand (2004) eine Korrelation von r = .89 zwischen zwei Messungen im Alter von zehn und 13 Jahren ermitteln
24
Q

Behaviorismus und Verhaltenstheorie

A

Die Forderung, Verhalten zu erforschen und damit auch zu messen, ist eng mit dem Behaviorismus verbunden. Diese Forschungstradition hat sich konsequent mit dem beobachtbaren Verhalten und den ebenfalls beobachtbaren situativen Bedingungen des Verhaltens (Auslöser und Konsequenzen) befasst. Alles, was nicht der direkten Beobachtung zugänglich ist, also was nicht mit den Sinnen erfahrbar ist (technische Hilfsmittel sind selbstverständlich erlaubt), soll nicht Gegenstand der Forschung sein. Damit wurden etwa geistige Prozesse und Gefühle von der Forschung ausgeschlossen. Aber auch Konstrukte (und damit Persönlichkeitseigenschaften), die per Definition nicht der Beobachtung zugänglich sind, wurden als nutzlos angesehen.

Die Verhaltenstheorie als Kind des Behaviorismus erlebte in den späten 60er und frühen 70er Jahren des 20. Jahrhunderts einen großen Aufschwung (Ollendick et al., 2004). Im Jahr 1978 wurde sogar eine Zeitschrift gegründet, die sich explizit mit der Diagnostik von Verhalten befasste: Behavioral Assessment. Anfangs beschränkte sich die Messung von Verhalten auf gut beobachtbare motorische Reaktionen. Mit dem Aufkommen von kognitiven Ansätzen in der Verhaltenstherapie erweiterte sich der Messgegenstand bald auf Gedanken und Gefühle. Später fand eine Ausweitung auch auf familiäre, schulische Einflüsse oder Arbeitsplatzbedingungen statt. Messinstrumente wurden um Selbst- und Fremdberichte erweitert und gleichzeitig ging das Interesse an Beobachtungsmethoden zurück. Blütezeit zw. 1980-1990, Zeitung wurde 1992 eingestellt, 1997 wurde praktisch nichts mehr veröffentlicht zur Verhaltensttheorie.

25
Q

Die direkte Verhaltensbeobachtung war einst der Königsweg

A

Heute werden weiterhin Methoden zur Erfassung von Verhalten eingesetzt. Während in der Blütezeit der Verhaltenstheorie die direkte Verhaltensbeobachtung als Königsweg galt, sind heute auch Methoden wie
Selbstbeobachtung, Beurteilungsskalen und Fragebögen zu bestimmten Aspekten des Verhaltens, Tagebücher und Protokolle sowie verhaltensbezogene Interviews »zulässig«.

Als ein klassisches Beispiel für ein Verfahren, das ganz der verhaltenstheoretischen Tradition verpflichtet ist, sei die Fear Survey Schedule genannt. Das Verfahren wird weiterhin eingesetzt. Die Diagnostik im Rahmen der Verhaltenstherapie umfasst heute auch Merkmale, die nur entfernt mit Verhalten in Beziehung stehen, so etwa körperliche und psychische Symptome, erlebte Belastungen, angstbezogene Kognitionen, Einstellungen zur Krankheit oder Zufriedenheit (Hoyer et al., 2009). Auch

Eigenschaftstheoretiker nutzen die Verhaltensbeobachtung als Methode.

26
Q

Funktionale Verhaltensanalyse zur Erklärung von Problemverhalten S-O-R-K-C

A

Das wichtigste Instrument der Verhaltenstheoretiker ist die funktionale Verhaltensanalyse (s. Tuschen-Caffier & Gemmeren, 2009). Das Problemverhalten wird mithilfe der S-O-R-K-C-Verhaltensgleichung zu erklären versucht

S Stimulus Reiz, der auf die Person einwirkt; Beispiel: Mitschüler hänseln das Kind.

O Organismus Körperliche und psychische (!) Merkmale der Person; Beispiel: körperlich unterlegen, geringes Selbstvertrauen.

R Reaktion Das zu erklärende Problemverhalten; Beispiel: zieht sich von anderen Kindern zurück.

K Kontingenz Regelmäßigkeit, mit der die Konsequenzen eintreten; Beispiel: gelegentlich.

C Konsequenz Reaktionen auf das Problemverhalten; positive oder negative Verstärkung; Beispiel: Mutter »tröstet« das Kind mit starker Zuwendung und Süßigkeiten.

27
Q

Bedeutung von Situation und Eigenschaften – Interaktionismus und Haupteffekte

A

Verhaltenstheoretiker wollen Verhalten primär als Funktion der Situation erklären. In die Organismusvariable ihrer Verhaltensgleichung sind aber bereits Eigenschaften eingedrungen. Eigenschaftstheoretiker dagegen ignorieren die Situation eher und betonen die Bedeutung von stabilen Eigenschaften in der Person. Beide Ansätze ergänzen einander! Verhalten wird durch Situationen beeinflusst. Genauso richtig ist aber auch, dass sich Menschen in ein und derselben Situation unterschiedlich verhalten, was wir mit ihren Persönlichkeitseigenschaften erklären. Endler und Magnusson (1976) hatten in einer damals viel beachteten Publikation argumentiert, dass weder eine situative Erklärung noch eine eigenschaftstheoretische Erklärung dem Phänomen gerecht wird, dass sich Menschen unterschiedlich verhalten. Sie hatten deshalb eine interaktionistische Betrachtung vorgeschlagen: Situation und Persönlichkeitseigenschaften bestimmen das Verhalten gemeinsam. Der Interaktionismus hat sich auf Dauer nicht durchgesetzt. Zumindest ist er heute nicht einflussreich. Verhalten wird durch zwei Faktoren beeinflusst: Situation und Eigenschaft.

Der Interaktionismus betont die Interaktion beider Faktoren, ignoriert aber die Haupteffekte. Manchmal ist der pure Einfluss der Situation übermächtig, manchmal geht von der Situation kaum ein Einfluss aus, und fast alle Variation im Verhalten ist auf Eigenschaften zurückzuführen.

28
Q

Zielgerichtetheit von Diagnostik 


A

Psychologische Diagnostik wird nicht zum Selbstzweck betrieben, sondern dient immer der Beantwortung von vorgegebenen, konkreten Fragestellungen. Diese Fragestellungen können nach Inhaltsbereichen (klinische, forensische, eignungsdiagnostische etc. Fragestellungen), aber auch nach abstrakten Zielen unterteilt werden, die unabhängig von den inhaltlichen Themen verfolgt werden.
• Diagnostik zu Behandlung 

• Diagnostik zur Beratung

29
Q

Zeitliche Einordnung: Erklären, Beschreiben, Vorhersagen

A
  1. Beschreiben und Klassifizieren:
    Wenn sich Diagnostik auf die Beschreibung des momentanen Zustandes bezieht, wird sie auch als Statusdiagnostik bezeichnet. Dabei spielt es keine Rolle, ob sich die Beschreibung auf Eigenschaften (trait und state) oder Verhalten (qualitativ und quantitativ) bezieht. Häufig ergänzen beide Arten der Beschreibung einander. Ein Spezialfall der Beschreibung ist die Klassifikation. In der Klinischen Psychologie und der Psychiatrie sind Klassifikationssysteme (DSM-IV, ICD-10) gebräuchlich. Sie dienen dazu, psychische Störungen anhand von Symptomen zu diagnostizieren. Eine Klassifikation setzt immer genau definierte und voneinander abgegrenzte Klassen voraus. Die Klassifikationssysteme DSM- IV und ICD-10 erfüllen diese Voraussetzung. Aber auch in anderen Bereichen wird klassifiziert. Von einer Klassifikation wird man auch sprechen, wenn Bewerber nach einer Eignungsuntersuchung in die Kategorien »ungeeignet«, »bedingt geeignet« oder »geeignet« eingeteilt werden. Natürliche Klassen sind beispielsweise Geschlecht, Beruf, Schulart.
  2. Erklären:
    Sucht man Erklärungen für eine herausragende Leistung, eine psychische Störung oder ein Problemverhalten, so liegt es auf der Hand, dass dem zu erklärenden Phänomen eine Ursache vorausgegangen sein muss. Bei einigen Störungen wird sogar per Definition angenommen, dass ein früheres Ereignis zu den aktuell vorhandenen Symptomen geführt hat (z.B. posttraumatische Belastungstörung (F43.1) –Krieg, Unfall, Vergewaltigung). Diagnostik, die zum Zweck der Erklärung durchgeführt wird, wird sich daher stark auf die Vorgeschichte beispielsweise einer Störung beziehen. Ein diagnostisches Interview oder die Analyse von vorhandenen Akten sind in diesem Fall geeignete Erhebungsinstrumente. Oftmals bestehen die Ursachen fort, und die Diagnostik kann sich auf die Gegen- wart beziehen. So wird etwa nach Bedingungen gesucht, die ein Fehlverhalten aufrechterhalten. Durch experimentelle Variationen von Bedingungen oder Weglassen oder Verstärken von vermeintlichen Verstärkern kann erfasst werden, inwieweit das die Ursache des Fehlverhaltens ist.
  3. Vorhersagen:
    In vielen Fällen wird vom Diagnostiker erwartet, dass er eine Prognose abgibt. Vorhersagen können sich auf Schul- oder Berufserfolg oder etwa auf den Verlauf einer psychischen Störung beziehen. Die Antwort kann immer nur eine Wahrscheinlichkeitsaussage sein (»sehr wahrscheinlich wird Herr Schmitt den Anforderungen des Berufs gewachsen sein«). Die Variation eines Kriteriums kann nie vollständig aufgeklärt werden (realistisch sind Varianzaufklärungen von maximal 25 % durch einen Prädiktor). Für einige Prädiktoren gibt es empirische Belege (Intelligenz und Erfolg im Beruf, Motivation und Gewissenhaftigkeit). Situative (Lebens-)Ereignisse sind jedoch nicht vorhersehbar und sind weitere wichtige Faktoren, die das Verhalten von Menschen beeinflussen.
    Eine begrenzte Varianzaufklärung ist besser als keine, daher ist eine 25% Wahrscheinlichkeit besser, als die Entscheidung dem Zufall oder „Anderen“ ohne die entsprechende Expertise zu überlassen.
30
Q

Status- vs. Veränderungsdiagnostik

A

Diagnostik wird häufig durchgeführt, um zu prüfen, ob eine Intervention erforderlich ist. Da sie notwendigerweise vor der Intervention stattfindet, spricht man auch von einer Eingangsdiagnostik. Auf jeden Fall wird der aktuelle Stand erfasst; deshalb handelt es sich eine Statusdiagnostik. Bei der Intervention kann es sich beispielsweise um eine Personalentwicklungsmaßnahme (z. B. Training von Verhandlungstaktik), eine pädagogische (z. B. Einzelunterricht zur Verbesserung des Leseverständnisses) oder eine klinische Maßnahme (z. B. Verhaltenstherapie zum Abbau von Zwängen) handeln. Die Statusdiagnostik dient dazu, festzustellen, ob bestimmte Maßnahmen indiziert sind. Es handelt sich dabei in der Regel um eine einmalige Messung. Im Idealfall findet eine Evaluation der Maßnahme statt. Diese Evaluation kann als Erfolgskontrolle (Überprüfung der Zielerreichung) konzipiert sein oder als begleitende Verlaufs- oder Prozessdiagnostik.

31
Q

Gesellschaftliche Relevanz der Psychologischen Diagnostik

A

Viele Laien, aber auch manche Psychologen glauben daher, dass Psychologische Diagnostik eher wenig effektiv sei. Ist beispielsweise der Zusammenhang zwischen dem Ergebnis in einem Studierfähigkeitstest und Studienerfolg hoch oder niedrig? Die Korrelation ist bekannt (r = .39; ohne Korrektur für die Reliabilität des Kriteriums r = .37) – aber sie ist schwer zu beurteilen. Viele machen den Fehler und beurteilen Korrelationen an dem maximal möglichen Wert von 1.0. Quadriert man den Korrelationskoeffizienten, so sieht man, wie viel Varianz aufgeklärt wird. Der Erkenntnisgewinn scheint zu schrumpfen – der Abstand zur magischen Zahl 1.0 wird nämlich größer. Die besagte Korrelation von r = .39 besagt, dass 15 Prozent der Varianz der Studienleistungen mit dem Test aufgeklärt werden. Skeptiker heben hervor, dass man den Studienerfolg nur zu einem kleinen Teil erklären oder vorhersagen kann, der größte Teil bleibt somit im Dunkeln und kann durch einen Test nicht aufgeklärt werden.

Ein Vergleich mit Korrelationen aus anderen Disziplinen ist sehr aufschlussreich. Meyer et al. (2001) haben Korrelationen und Effektstärken (die sie zur Vergleichbarkeit in Korrelationen umgerechnet haben) aus anderen Disziplinen gesichtet und sie Korrelationen aus dem Bereich der Psychologischen Diagnostik gegenübergestellt. Sie konnten sich dabei meist auf große Metaanalysen beziehen. Die Ergebnisse sind zum Teil verblüffend.

32
Q

Wirtschaftlicher Nutzen durch valide diagnostische Verfahren

A

Der Nutzen Psychologischer Diagnostik lässt sich manchmal in Geldeinheiten messen. Durch Einsatz eines validen Verfahrens gegenüber dem üblichen Standard kann ein großes Unternehmen einen wirtschaftlichen Nutzen in Höhe von mehreren Millionen Euro erzielen (7 Abschn. 6.6). In anderen Fällen, etwa wenn es gelingt, gefährliche Straftäter zu erkennen und damit eine vorzeitige Entlassung zu verhindern, müssen ähnliche Maßstäbe angelegt werden wie beim Erkennen von schweren behandelbaren Krankheiten oder der Verminderung von Sterblichkeitsraten.

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Gesetzliche Rahmenbedingungen und ethische Richtlinien

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Rechtliche Rahmenbedingungen folgen einer Systematik >> Normenpyramide, dass Recht, das über einem anderen in der Pyramide steht hat immer Vorrang
1. EU-Recht
2. Deutsches Grundgesetz
3. Strafgesetz + Bürgerliches Gesetzbuch
Rechtsverordnungen
4. Weitere Rechtsnormen
1.	Europäische Menschenrechtskonvention
Artikel 8 (1):
»Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz.« 
  1. Grundgesetz (Schutz der Menschenwürde und das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit )
    a. Artikel 1 (1):
»Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt …«
(» keine herabsetzenden Formulierungen in Gutachten)
    b. Artikel 2:
»(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.« (» Recht auf informationelle Selbstbestimmung)
  2. Strafgesetzbuch (Paragrafen zum Geheimnisverrat und zur Offenbarungspflicht für die Tätigkeit von Psychologen)
    Strafgesetzbuch, § 203 (Verletzung von Privatgeheimnissen):

    »(1) Wer unbefugt ein fremdes Geheimnis, namentlich ein zum persönlichen Lebensbereich gehörendes Geheimnis oder ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis, offenbart, das ihm als …
(2) Berufspsychologen mit staatlich anerkannter wissenschaftlicher Abschlussprüfung
[weitere Berufsgruppen werden genannt]
anvertraut worden oder sonst bekanntgeworden ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.«
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Geheimnisse und Schweigepflicht

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  1. Nicht geschützt sind Geheimnisse, die einem Berufspsychologen im privaten Bereich anvertraut werden. Die Schweigepflicht bezieht sich auf die Ausübung der Berufstätigkeit.

  2. »Offenbaren« bedeutet, dass eine Identifizierung der betroffenen Person möglich ist. Wer also Daten in anonymisierter Form weitergibt, offenbart kein Geheimnis.
  3. Die Schweigepflicht gilt auch gegenüber Personen, die selbst der Schweigepflicht unterliegen (Kollegen, Ärzte, Anwälte etc.).
  4. Zulässig ist die Weitergabe persönlicher Informationen, wenn der Betroffene dem zustimmt. Es genügt die mündliche oder sogar die stillschweigende Einwilligung. Angesichts der Konsequenzen, die bei einer Klage drohen, kann eine schriftliche Erklärung sinnvoll sein.
  5. Auch Kinder werden durch die Schweigepflicht geschützt. Da die Eltern auch ein Informationsrecht haben, sind im Einzelfall Schweigepflicht und Informationsrecht gegeneinander abzuwägen.
  6. Vor Gericht besteht in zivilrechtlichen Prozessen ein Zeugnisverweigerungsrecht. Berufspsychologen haben das Recht, Aussagen über ihnen anvertraute Geheimnisse zu verweigern. In Strafprozessen besteht dieses Schweigerecht nur für psychologische Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten und bei ihnen auch nur für Informationen, die sie im Rahmen einer Untersuchung oder Heilbehandlung erfahren haben.
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Offenbahrungspflicht

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Strafgesetzbuch, § 138 (Nichtanzeige geplanter Straftaten):
»(1) Wer von dem Vorhaben oder der Ausführung

1. einer Vorbereitung eines Angriffskrieges …,

2. eines Hochverrats …,
3. eines Landesverrats oder einer Gefährdung der äußeren Sicherheit …,

4. einer Geld- oder Wertpapierfälschung … oder einer Fälschung von Zahlungskarten mit Garantiefunktion und Vordrucken für Euroschecks …,

5. eines Mordes … oder Totschlags … oder eines Völkermordes … oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit … oder eines Kriegsverbrechens …,

6. einer Straftat gegen die persönliche Freiheit … soweit es sich um Verbrechen handelt …,

7. eines Raubes oder einer räuberischen Erpressung … oder

8. einer gemeingefährlichen Straftat …

zu einer Zeit, zu der die Ausführung oder der Erfolg noch abgewendet werden kann, glaubhaft erfährt und es unterlässt, der Behörde oder dem Bedrohten rechtzeitig Anzeige zu machen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer

1. von der Ausführung einer Straftat nach § 89a [Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat] oder

2. von dem Vorhaben oder der Ausführung einer Straftat nach § 129a [Bildung terroristischer Vereinigungen] …
zu einer Zeit, zu der die Ausführung noch abgewendet werden kann, glaubhaft erfährt und es unterlässt, der Behörde unverzüglich Anzeige zu erstatten. …

(3) Wer die Anzeige leichtfertig unterlässt, obwohl er von dem Vorhaben oder der Ausführung der rechtswidrigen Tat glaubhaft erfahren hat, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.«

Entscheidend bei der Offenbarungspflicht ist, dass die Straftat, von der man erfährt, noch abgewendet werden kann. Berichtet beispielsweise ein Klient, dass er gerade jemanden im Affekt umgebracht hat, so besteht keine Offenbarungspflicht.

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Betriebsverfassungsgesetz

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Zu den vom Parlament erlassenen Gesetzen gehört auch das Betriebsverfassungsgesetz. Darin werden diagnostische Verfahren und allgemeine Beurteilungsgrundsätze direkt angesprochen:
§ 94 BetrVG – Personalfragebogen, Beurteilungsgrundsätze

»(1) Personalfragebogen bedürfen der Zustimmung des Betriebsrats. …

(2) Absatz 1 gilt entsprechend … für die Aufstellung allgemeiner Beurteilungsgrundsätze.«

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Beurteilungsgrundsätze

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Beurteilungsgrundsätze sind allgemeine Grundsätze, nach denen alle Bewerber oder auch bereits eingestellte Arbeitnehmer in fachlicher oder persönlicher Hinsicht beurteilt werden. Beispielsweise könnte festgelegt werden, dass die Belastbarkeit der Bewerber zu beurteilen ist.
Unter Auswahlrichtlinien versteht man üblicherweise abstrakt formulierte Regeln. Darin wird festgelegt, welche Voraussetzungen bei einem Bewerber vorliegen müssen oder nicht vorliegen dürfen. Dabei kommen fachliche, persönliche und soziale Kriterien infrage. Beispielsweise könnte in einer Auswahlrichtlinie festgelegt sein, dass Bewerber nur eingestellt werden, wenn sie mindestens einen IQ von 100 aufweisen. Dies wäre mitbestimmungspflichtig – nicht aber die Entscheidung, wie die Intelligenz gemessen wird (Hoyningen-Huene, 1997). Ein Unternehmen oder eine Behörde könnten aber auch entscheiden, die Norm DIN 33430 zur berufsbezogenen Eignungsbeurteilung zur Auswahlrichtlinie zu erklären (Reimann, 2010).

§ 95 Auswahlrichtlinien:

»(1) Richtlinien über die personelle Auswahl bei Einstellungen, Versetzungen, Umgruppierungen und Kündigungen bedürfen der Zustimmung des Betriebsrats. …
(2) In Betrieben mit mehr als 500 Arbeitnehmern kann der Betriebsrat die Aufstellung von Richtlinien über die bei Maßnahmen des Absatzes 1 Satz 1 zu beachten- den fachlichen und persönlichen Voraussetzungen und sozialen Gesichtspunkte verlangen. …«

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Personalfragebogen

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In der Rechtsprechung ist im Einzelnen geklärt, welche Fragen dabei überhaupt zulässig sind und dass Bewerber unzulässige Fragen (auch solche im Einstellungsgespräch) nicht wahrheitsgemäß beantworten müssen. Unzulässig ist beispielsweise die Frage nach dem Vorliegen einer Schwangerschaft oder einer Gewerkschaftsmitgliedschaft. Persönlichkeitsfragebogen sind zulässige Verfahren, soweit sie helfen, die Eignung eines Bewerbers festzustellen und ihn nicht unangemessen ausforschen. Entscheidend ist, dass der Arbeitgeber nicht erfährt, wie ein Bewerber die einzelnen Fragen beantwortet. Wenn ein Psychologe die Auswertung vornimmt und dem Arbeitgeber nur das Ergebnis mitteilt, handelt es sich definitiv nicht um einen Personalfragebogen (Hoyningen-Huene, 1997).

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Ethische Richtlinien

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Von der Deutschen Gesellschaft für Psychologie e.V.( DGPs) und dem Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen e.V. (BDP) (Berufsordnung) herausgegeben.
Unter der Überschrift »Umgang mit Daten« finden sich mit Verweis auf § 203 des Strafgesetzbuches (s.o.) Hinweise auf die Einhaltung der Schweigepflicht sowie zum Umgang mit Daten. Ein eigener Abschnitt befasst sich mit Gutachten und Untersuchungsberichten.
Bei der Erstellung von Gutachten und Untersuchungsberichten ist zu beachten:
• Sorgfaltspflicht: Sachliche und wissenschaftliche Fundiertheit sowie Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit.

• Transparenz für Adressaten: Für den Adressaten inhaltlich nachvollziehbar.

• Einsichtnahme gewähren: Einsichtnahme durch den Klienten ermöglichen bzw. darauf hinwirken. Wenn keine Einsichtnahme möglich, vorab darüber informieren.
• Keine Gefälligkeitsgutachten: Nicht zulässig, ebenso Gutachten, die ohne eigene Mitwirkung zustande gekommen sind.
• Stellungnahmen zu Gutachten von Kollegen zulässig: Dabei soll jedoch kollegiales Verhalten gezeigt werden (z. B. keine unsachliche Kritik).

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Ethische Richtlinien und Verantwortung gegenüber Klienten/ Patienten

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Psychologen haben eine besondere Verantwortung gegenüber ihren Klienten/Patienten. Konkret werden in diesem Zusammenhang verlangt:

• Vertrauensverhältnis: Wenn das Vertrauensverhältnis gestört ist, können Psychologen einen Auftrag ablehnen oder beenden. Ist der Klient nicht selbst Auftraggeber (beispielsweise bei forensischen Fragestellungen), besteht eine besondere Verpflichtung, im wohlverstandenen Interesse aller Beteiligten zu handeln.
• Aufklärung und Einwilligung: Klienten/Patienten über alle wesentlichen Maßnahmen unterrichten und Einwilligung dazu einholen.

Bei Verstößen gegen die Ethischen Richtlinien kann das Ehrengericht einer der beiden Berufsverbände eingeschaltet werden. Dieses kann im Extremfall den Ausschluss aus dem Berufsverband beschließen (die Mitgliedschaft im Berufsverband ist freiwillig, daher führt ein Ausschluss nicht zu einem Berufsverbot o. ä.).

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Ethische Richtlinien international

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Die gemeinsamen Ethischen Richtlinien der DGPs und des BDP sind zum Teil an denen des großen amerikanischen Berufsverbandes American Psychological Association APA (www.apa.org/ethics/code/index.aspx ) angelehnt. Diese Richtlinien sind detaillierter und enthalten auch weitergehende Forderungen wie etwa die nach Beachtung der eigenen Kompetenzen beim Anbieten von Dienstleistungen, Aufrechterhaltung und Weiterentwicklung dieser Kompetenzen oder Minimierung des Eindringens in die Privatsphäre.
Für die Psychologische Diagnostik hoch relevant sind ferner die »Internationalen Richtlinien für die Testanwendung« der International Test Commission. Eine deutsche Fassung entstand in Zusammenarbeit mit dem BDP (www.zpid.de/index.php?wahl =products&uwahl=printed&uuwahl=guidelines ). Darin finden sich u.a. Forderungen nach Sicherstellen der eigenen Fachkompetenz (Kenntnisse über den Test etc.) oder nach Verantwortung für die Testanwendung (Testauswahl, Transparenz).