Starter Deck Flashcards
Schulungsmaterial für neue Mitarbeiter*innen der Arolsen Archives (work in progress). Mache dich vertraut mit verschiedenen Aspekten der NS-Verfolgung, der Zeit der Befreiung, der Versorgung von DPs, der Gründung des CTB bzw. ITS und der Tätigkeit des Suchdiensts bis hin zu den heutigen Arolsen Archives.
Wer waren Displaced Persons?
Als Displaced Persons (DPs) wurden nach 1945 überwiegend Überlebende der NS-Verfolgung bezeichnet, die keine Deutschen waren.
Daneben gab es noch weitere Gruppen, die DP-Status erhielten, z.B. Menschen, die bei Kriegsende aus den baltischen Staaten vor der Roten Armee nach Deutschland flohen, oder ehemalige Kriegsgefangene, wenn sie nach Kriegsende zu Zivilisten wurden (z.B. ehemalige Angehörige der königlich-jugoslawischen Armee, weil diese infolge der Abschaffung der Monarchie in Jugoslawien nicht mehr existierte).
Opfer der NS-Verfolgung - wie viele Gruppen kannst du nennen?
Im Folgenden findest du eine Auswahl mit den 12 wichtigsten Gruppen:
- Jüdische Personen (Opfer und Überlebende des Holocaust bzw. der Schoah)
- Sinti und Roma (Opfer und Überlebende des Porajmos)
- Politische Verfolgte (z.B. Sozialisten, Kommunisten, Pazifisten, auch Schriftsteller:innen)
- Homosexuelle
- Religiös Verfolgte (v.a. Katholiken, Zeug:innen Jehovas)
- Menschen mit körperlicher oder geistiger Behinderung (z.B. „Aktion T4“)
- Sogenannte “Asoziale” (Wohnungslose, Bettler:innen, Landstreicher:innen, Zuhälter, Prostituierte, Fürsorgeempfänger*innen)
- Sogenannte “Berufsverbrecher:innen” (in der Regel mehrfach vorbestrafte Personen, die ihre Strafen aber bereits verbüßt hatten)
- Menschen im Widerstand (Einzelpersonen und Gruppen, auch Partisanen in besetzten Gebieten)
- Weitere Zivilisten in besetzten Gebieten (z.B. Elitenmord, Umsiedlungen, Mordaktionen)
- Kriegsgefangene (besonders brutale Behandlung sowjetischer KGF) und “Militärinternierte” (v.a. “Italienische Militärinternierte”)
- Kinder, inkl. jener, die der NS-Politik der „Germanisierung“ zum Opfer fielen (“Lebensborn”)
Welche Orte der NS-Verfolgung gab es?
Die NS-Verfolgung in ihren zahlreichen Ausprägungen fand an ganz unterschiedlichen Orten statt. Hier eine Auswahl der wichtigsten Orte:
Konzentrationslager (mit Außenlagern) sowie Vernichtungslager
Ghettos
Lager für Sinti und Roma
Haftstätten und Straflager der Justiz (Gefängnisse, Zuchthäuser usw.)
Zwangsarbeitslager
Andere Orte der Zwangsarbeit (Landwirtschaft, Industrie, städtische Betriebe, Privathaushalte…)
Weitere Schauplätze von Verbrechen (Massenerschießungen, Gaswägen, Todesmärsche…)
Welche zwei Akteure waren grob gesagt für die Versorgung von DPs im Nachkriegseuropa zuständig?
- Alliiertes Militär bzw. Militärregierungen/Besatzungsbehörden
- Internationale Hilfsorganisationen (z.B. UNRRA, IRO, AJDC, AFSC…)
Wie viele DPs gab es nach dem Zweiten Weltkrieg in Europa ungefähr?
ca. 10-12 Millionen, die Zahl ist in der Forschung umstritten bzw. nicht eindeutig zu bestimmen, u.a. weil nicht alle Menschen im Chaos der letzten Kriegswochen/Befreiung registriert wurden
Wofür steht UNRRA?
United Nations Relief and Rehabilitation Administration
[Nothilfe- und Wiederaufbauverwaltung der Vereinten Nationen]
= größte Hilfsorganisation nach dem 2. WK, kümmerte sich um DPs in Europa
Wofür steht IRO?
International Refugee Organization
[Internationale Flüchtlingsorganisation]
= Nachfolgeorganisation der UNRRA, von 1947–1951 für die Betreuung von DPs zuständig
Was waren die wichtigsten Funktionen von DP Camps nach dem 2. WK?
- Unterbringung von DPs
- Registrierung von DPs
- Bereitstellung von Kleidung, Nahrung, medizinischer Versorgung
- Vorbereitung der Repatriierung (v.a. UNRRA-Jahre) oder des Resettlements (v.a. IRO-Jahre)
- Beitrag zur Re-Sozialisation von DPs durch politische und kulturelle Aktivitäten sowie Schule und Berufsausbildungen
Was war nach 1945 der wichtigste Schlüssel zur Vermisstensuche und Schicksalsklärung?
Dokumente, v.a. Täterdokumente, die die Wege der Verfolgung belegen konnten
Warum war es schwierig für die Alliierten, Dokumente zur NS-Verfolgung zu sammeln?
- Zerstreut in ganz Europa (Täterdokumente im vormaligen Reich vs. in den zuvor von den Deutschen besetzten Gebieten, überwältigende Zahl der Haftorte usw.)
- Vielfach durch Kriegshandlungen oder bei Kriegsende von Nazis zerstört
- Zerstörte Infrastruktur in weiten Teilen Europas
Wer leistete einen entscheidenden Beitrag zur frühen Suche und Schicksalsklärung, als die Alliierten noch keine zentrale/effiziente Stelle für die Suche und Dokumentation der NS-Verfolgung betrieben?
Überlebende, die sich an der frühen Suche und Dokumentation beteiligten, z.B. im Rahmen des International Information Office (IIO) Dachau oder des AJDC (American Jewish Joint Distribution Committee)
Was war die Vorläuferorganisation des ITS? Wo hatte diese ihren Sitz?
CTB = Central Tracing Bureau
Befand sich ab Januar 1946 in Arolsen, zuvor in Frankfurt-Höchst
Warum Arolsen als Standort ab 1946?
- Zentrale Lage an der Schnittstelle der vier Besatzungszonen (streng genommen v.a. der amerikanischen, britischen und sowj. Besatzungszone…)
- Platz und intakte Infrastruktur (u.a. Telefon- und Telegraphenleitungen), weil nicht vom Krieg zerstört
Bis wann hieß Bad Arolsen nur “Arolsen” (ohne “Bad”)?
1997
Welcher internationalen Organisation unterstand das CTB in Arolsen?
Der UNRRA (bzw. ab 1947 der IRO).
Arolsen in der NS-Zeit - wichtigstes Merkmal?
Standort einer SS-Kaserne mit Außenkommando des KZ Buchenwald (Deckname Arthur)
Was sind die drei Sammlungsschwerpunkte der Arolsen Archives/des früheren ITS?
- INHAFTIERUNG
(Dokumentenbestand zu Konzentrations- und Vernichtungslagern, Ghettos und Gestapogefängnissen sowie anderen Haftstätten, enthält z.B. Registrierungsunterlagen von Häftlingen) - ZWANGSARBEIT
(Unterlagen zur NS-Zwangsarbeit, u.a. Listen, Arbeitsbücher, Meldekarten…) - DISPLACED PERSONS
(Dokumente zu DPs, z.B. Registrierungsunterlagen, Listen aus DP Camps usw.)
In den Jahren unmittelbar nach dem 2. WK nahm man an, dass die Suche nach NS-Opfern eine Aufgabe sei, die nach wenigen Jahren enden würde. Deshalb plante man das heutige Hauptgebäude der Arolsen Archives für eine spätere Nachnutzung als…?
Hotel.
Der Großteil der Dokumente in den Arolsen Archives lässt sich in zwei grobe Typen/Formate einteilen. Welche?
- “Individuelle Dokumente” (v.a. KZ- und DP-Unterlagen)
2. “Listenmaterial” (v.a. zu NS-Zwangarbeit*innen)
Welcher Bestand im Archiv galt über Jahrzehnte als reines Arbeitsmaterial, wird aber heute als wertvoller historischer Quellenbestand erachtet? Und warum?
T/D-Akten (Tracing and Documentation Files)
T/D-Akten enthalten Anfragen zu einzelnen Personen. Werden bis heute (digital) für jede Personenanfrage angelegt. Wird später noch einmal nach derselben Person angefragt, wird dieselbe Akte weitergeführt.
T/D-Akten enthalten oft wertvolle Informationen zu NS-Verfogten, die das “eigentliche” Archiv nicht enthält, z.B. Briefe von Verwandten oder auch Selbstzeugnisse von ehemals Vefolgten, die Verfolgungswege beschreiben.
Was ist bzw. war die ZNK?
Zentrale Namenkartei = Schlüssel zum Archiv
–> eine nach Namen von Verfolgten alphabetisch-phonetisch sortierte Kartei mit verschiedenen Karten (z.B. Anfragekarten mit Informationen zu gesuchten Personen – oder Hinweiskarten, die auf Informationen zu NS-Verfolgten in den Archivdokumenten verweisen).
Die ZNK enthält ca. 50 Mio Karten.
(Die ZNK wird inzwischen nicht mehr fortgeführt und ist auf Papier nicht mehr “im Einsatz”, weil komplett digitalisiert bzw. durch Indizierung von einzelnen Dokumenten im digitalen Archivsystem zunehmend obsolet.)
Grober Workflow, wenn in analogen Zeiten eine Anfrage den Suchdienst erreichte?
- Anfrage zu einer Person traf ein
- Anfrage wurde “verkartet”, d.h. wesentliche Informationen zur angefragten Person wurden auf eine Anfragekarte übertragen, diese wurde in die ZNK eingelegt.
- Dabei auch Prüfung der ZNK auf evtl. bereits vorhandene Hinweiskarten zu der angefragten Person (“Meeting of Cards”).
- Falls Informationen im Archiv vorhanden sind (= “positiver Fall”), werden die Dokumente ausgehoben und ausgewertet (= Informationen zur gesuchten Person werden zusammengefasst bzw. von den Dokumenten abgeschrieben)
- ggf. weitere Recherchen/Suchmaßnahmen (z.B. in Zusammenarbeit mit anderen Suchstellen, Einwohnermeldeämtern usw.)
- zum Schluss –> Auskunft wird erteilt, d.h. alle gesammelten Informationen/gewonnenen Erkenntnisse werden an Anfragende übermittelt
Welche Körperschaften leiteten den ITS zwischen 1948 und 1955?
IRO (1948-1951)
HICOG (High Commission for Occupied Germany = Alliierte Hochkommission, 1951-1955)
Wer war Träger (= stellte den Direktor für) den ITS von 1955 bis 2012?
Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK)