Öffentliches Recht III Flashcards
Führe die Prüfung der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten durch, wenn es um die abstrakte Normenkontrolle (kantonales Gesetz, das gegen kantonale Verfassung verstösst) geht.
SV: Gemäss GOG 36 Abs. 3 sind engere Voraussetzungen an Personen gestellt, die sich als Handelsrichter wählen lassen wollen, als dies gemäss KV 40 Abs. 1, zur Wahl in oberste kantonale Behörden vorgesehen ist.
I. Zuständigkeit
1. Anfechtungsobjekt (BGG 82)
- kantonaler Erlass (BGG 82 Bst. b)
2. Ausnahmen (BGG 83 - 84a)
3. Vorinstanz (BGG 86 - 88)
- BGG 87: Gegen kantonale Erlasse ist unmittelbar die Beschwerde zulässig, sofern kein kantonales Rechtsmittel ergriffen werden kann.
II. Beschwerderecht:
1. Partei- und Prozessfähigkeit
2. Beschwerdelegitimation (BGG 89)
- formelle Beschwer
- materielle Beschwer
3. Aktuelles und praktisches Interesse (BGer)
- Ausnahme
4. Beschwerdegründe / Kognition (BGG 95 - 98)
- Das BGer hat eingeschränkte Kognition: Rüge von Rechtsverletzungen und unrichtiger Feststellung des Sachverhalts, sofern Willkür gegeben ist.
- Verletzung von kantonalen verfassungsmässigen Rechten (BGG 95 Bst. c)
- Es handelt sich um einen zulässigen Beschwerdegrund.
5. Form (BGG 42 i.V.m. BGG 106) und Frist (BGG 100)
III. Fazit: Eintreten / Nichteintreten
Wie ist bei der materiellen Prüfung zu entscheiden (Rüge, dass GOG 36 Abs. 3 KV 40 Abs. 1 verletzt)?
Regelungsinhalt:
- Der Regelungsinhalt von KV 40 Abs. 1 umfasst die Wählbarkeitsvoraussetzungen für oberste kantonale Gerichte, wozu das Handelsgericht (GOG 36 Abs. 3) gehört.
- In GOG 36 Abs. 3 sind zusätzliche (zu den in KV 40 Abs. 1 genannten) Wählbarkeitsvoraussetzungen statuiert.
- GOG 36 Abs. 3 verlangt eine Voraussetzung, welche die Kantonsverfassung nicht vorsieht. Zusätzliche Voraussetzungen auf tieferer Gesetzesstufe sind nicht zulässig.
Fazit: Entschieden wird danach, ob der kantonalen Norm ein Sinn beigemessen werden kann, der sie als mit den angerufenen Verfassungsgarantien vereinbar erscheinen lässt. Sofern dies nicht der Fall ist, ist die Bestimmung aufzuheben.
Wie wirkt sich die ungültig zustandegekommene Wahl eines Richters auf die Gültigkeit des Entscheides des entspr. Gerichtes aus?
Mögliche Folgen sind die Nichtigkeit und die Anfechtbarkeit des Entscheides. Die Prüfung muss folgendermassen durchgeführt werden:
-
Rüge der Verletzung von BV 30 Abs. 1 Satz 1
- Anspruch auf ein durch Gesetz geschaffenes Gericht,
- d.h. auf eine korrekte Besetzung des Gerichts
- I.c. ist die Besetzung des Gerichts nicht korrekt, da Richter X die Voraussetzungen für die Wahl gemäss KV 22 nicht erfüllt.
-
Nichtigkeit? Evidenztheorie: Anfechtbarkeit ist die Regel, Nichtigkeit stellt die Ausnahme dar. (kumulativ:)
- Der Mangel muss offensichtlich/ leicht erkennbar sein.
- Der Mangel muss schwer sein
- Die Rechtssicherheit darf durch die Nichtigkeit nicht beeinträchtigt werden.
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Anfechtbarkeit
- I.c. sind die Voraussetzungen zur Nichtigkeit nicht gegeben.
Was ist bei der Erteilung von Konzessionen sehr wichtig?
Es besteht kein Anspruch auf die Erteilung einer Konzession.
Worauf kann man sich berufen, wenn einem keine Konzession erteilt wurde (anderen Anbietern schon)?
- Dass sich die Behörde von unsachlichen Kriterien leiten lassen hat (und begründen, wo man selber den Anforderungen besser gerecht wird).
Wann kann die Willkür im Rahmen der subsidiären Verfassungsbeschwerde gerügt werden?
- Beschwerdegrund: Willkür BV9 ist ein zulässiger Beschwerdegrund gem. BGG 116, kann somit also grds. immer gerügt werden.
-
Beschwerdelegitimation: Voraussetzung ist aber, dass der Beschwerdeführer materiell beschwert ist; im Rahmen der subsidiären Verfassungsbeschwerde ist die qualifizierte materielle Beschwer erforderlich (d.h. es braucht ein rechtlich geschütztes Interesse):
- gemäss BGer vermittelt das Willkürverbot BV 9 für sich alleine noch kein rechtlich geschütztes Interesse i.S.v. BGG 115 Bst. b.
- Der Beschwerdeführer ist nur dann legitimiert, wenn die Norm, deren Anwendung als willkürlich gerügt wird, ihm einen Rechtsanspruch einräumt oder jedenfalls den Schutz seiner Interessen bezweckt.
Welche Beschwerdegründe können bei der subsidiären Verfassungsbeschwerde geltend gemacht werden?
BGG 116
Mit der subsidiären Verfassungsbeschwerde kann die Verletzung von verfassungsmässigen Rechten gerügt werden. Das Bundesgericht versteht unter verfassungsmässigen Rechten Verfassungsnormen, welche dem Bürger einen individuellen Rechtsanspruch vermitteln.
Kann im Rahmen der subsidiären Verfassungsbeschwerde die Verletzung von einfachem Gesetzesrecht (Bund/Kanton), die Verletzung von Verordnungen oder die fehlerhafte Sachverhaltsfeststellung gerügt werden?
Gemäss BGG 116 kann lediglich die Verletzung von verfassungsmässigen Rechten gerügt werden. Folge:
- Um die fehlerhafte Sachverhaltsfeststellung oder die Verletzung von Gesetzesrecht/Verordnungen zu rügen, muss der Beschwerdeführer Willkür (BV 9) geltend machen
- “Einkleidung” in eine Rüge gemäss BV 116 ist vorausgesetzt
Prüfschema subsidiäre Verfassungsbeschwerde
BGG 113ff.
-
Subsidiarität BGG 113
- absolute Subsidiarität
- relative Subsidiarität
-
Zuständigkeit
- Spezialgesetzlich geregelter Instanzenzug/ Anwendbarkeit BGG
- Vorinstanzen BGG 86 i.v.m. BGG 114
- Beschwerdeobjekt BGG 90-93 i.V.m. BGG 113
-
Beschwerderecht
- Partei- und Prozessfähigkeit
- Beschwerdelegitimation BGG 115
- aktuelles und praktisches Interesse (BGer)
- Kognition und Beschwerdegründe BGG 116
- Form BGG 117 i.V.m. BGG 42
- FristBGG 117 i.V.m. BGG 100 I
Welche Bestimmungen können den Instanzenzug auf Bundesebene spezialgesetzlich regeln?
- Nur Bundesgesetze können diesen spezialgesetzlich regeln. (vlg. BV 49)
- Auch die Zulässigkeit der Beschwerde von Verfügungen kantonaler Instanzen ans BVGer muss in einem Bundesgesetz vorgesehen sein (siehe VGG 33 lit. i)
- Spezialgesetzliche Regelungen durch den kantonalen Gesetzgeber würden eine Verletzung von BV 49 darstellen.
- Das Kantonale Recht kann lediglich auf kantonaler Ebene Rechtsmittel gegen Verfügungen/ Erlasse vorsehen.
Welche Voraussetzungen sind vom Erfordernis der Subsidiarität gem. BGG 113 umfasst?
absolute Subsidiarität =
sämtliche andere Rechtsmittel der Bundesrechtspflege gehen der subsidiären Verfassungsbeschwerde vor.
- Verhältnis zur BöA: SVB kommt nur zum Zug, wenn die Streitigkeit unter den Ausnahmekatalog von BGG 83 fällt oder in einer vermögensrechtlichen Streitigkeit gem. BGG 85 die Streitwertgrenze nicht erreicht wird, ohne dass sich eine Rechtsfrage von grds. Bedeutung stellt.
- Auch in Zivil- und Strafsachen subsidiäres Rechtsmittel
- Verhältnis Beschwerde ans BVGer: Sofern Beschwerde ans BVGer vorgesehen ist, kommt SVB nicht zur Anwendung (spezialgesetzliche Regel schliesst SVB in diesem Fall aus)
- Verhältnis zur Verwaltungsbeschwerde an verwaltungsinterne Rechtsmittelinstanz: s.o.
relative Subsidiarität =
kantonaler Instanzenzug muss ausgeschöpft sein (Anfechtungsobjekt somit Entscheid einer letzten kantonalen Instanz)
Welche zulässigen Anfechtungsobjekte bestehen bei der subsidiären Verfassungsbeschwerde?
BGG 113; Entscheide letzter kantonaler Instanzen
-
Entscheide:
- sämtliche Verfügungen, unbesehen ihrer materiellen Rechtsgrundlage
- End-, Teil- sowie Vor- und Zwischenentscheide gem. BGG 90 - 93
- Auch Beschwerde gem. BGG 94
- kantonale Instanzen = Organe, die ihre Entscheidungsgewalt aus der kantonalen Hoheitsgewalt ableiten
Vorinstanzen subsidiäre Verfassungsbeschwerde:
BGG 114; letzte kantonale Instanzen (sinngemässe Anwendung BGG 75 bzw. 86)
- in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten also: BGG 86 II und BGG 86 I lit. d i.V.m. BGG 114
- oder Ausnahme BGG 86 III i.V.m. BGG 114
Wann sind die Partei- und Prozessfähigkeit bei der subsidiären Verfassungsbeschwerde gegeben?
Gleiche VSS wie BöA:
-
Parteifähig sind sämtliche Personen, die rechtsfähig sind:
- natürliche Personen (ZGB 11)
- juristische Personen: Gründung/Eintragung
-
Prozessfähig sind sämtliche Personen, die nach privatem und öffentlichem Recht handlungsfähig sind:
- natürliche Personen: Volljährigkeit und Urteilsfähigkeit (ZGB 12ff.)
- juristische Personen: wenn die nach Gesetz und Statuten unentbehrlichen Organe bestellt sind (ZGB 54)
Beschwerdelegitimation gemäss BGG 115:
-
formelle Beschwer BGG 115 lit. a (siehe BöA)
- wer am Verfahren vor der Vorinstanz teilgenommen hat oder keine Möglichkeit zur Teilnahme hatte und mit seinen Vorbringen mind. teilweise unterlegen ist.
→ Verfügungsadressat hat am Verfahren vor der Vorinstanz teilgenommen (verfügungserlassende Behörde = Vorinstanz)
- wer am Verfahren vor der Vorinstanz teilgenommen hat oder keine Möglichkeit zur Teilnahme hatte und mit seinen Vorbringen mind. teilweise unterlegen ist.
-
materielle Beschwer BGG 115 lit. b: qualifizierte materielle Beschwer (!)
- rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheids ist vorausgesetzt (rein faktisches Berührtsein reicht nicht);
- rechtlich geschütztes Interesse muss sich aus einem verfassungsmässigen Recht ergeben, bei der Willkürrüge muss sich das rechtlich geschützte Interesse aus der willkürlich angewendeten Norm ergeben.
Welche Voraussetzungen sind an das aktuelle und praktische Interesse (subsidiäre Verfassungsbeschwerde) gestellt?
Es gelten dieselben VSS wie bei der BöA:
-
aktuelles Interesse = Der Nachteil muss im Urteilszeitpunkt noch bestehen;
→ Subsum.! -
praktisches Interesse = Der Nachteil muss durch eine erfolgreiche Beschwerdeführung beseitigt werden können
→ Subsum.!
Welche Rechte gehören zum Kreis der verfassungsmässigen Rechte (BGG 116)?
- Grundrechte der BV und der Kantonsverfassungen
- justiziable Garantien internationaler Menschenrechtsverträge
- gew. Verfassungsnormen primär rechtstaatlicher und föderalistischer Natur:
- Grundsatz der Gewaltenteilung
- Grundsatz des Vorrangs von Bundesrecht
- Legalistätsprinzip im Abgaberecht
- Verbot der interkantonalen Doppelbesteuerung
- …
Wo ist das Recht auf ein unparteiisches Gericht/Ausstand geregelt?
BV 30 I, VwVG 10, BGG 34
Was sind die durch Rechtsprechung entwickelten Fallkonstellationen zum Ausstand?
Ausstandsgründe gem. VwVG 10, BGG 34,
- Vorbefassung
- Persönliche Äusserungen
- Persönliche Beziehungen
- Konkurrenzverhältnisse
Wann ist ein Behördenmitglied vorbefasst?
VwVG 10 lit. c, BGG 34 lit. b
- Wenn sich dasselbe Behördenmitlglied bereits in einem früheren Zeitpunkt in amtl. Funktion mit derselben Angelegenheit befasst hat und dabei eine ähnliche Frage zu beantworten hatte.
-
Vorbefassung begründet solange keinen Ausstand, als der Fall noch als offen erscheint (d.h. die zu entscheidenden Sach- und Rechtsfragen noch als offen erscheinen.
- Der Fall erscheint als noch offen, wenn die Gerichtsperson lediglich über vorsorliche Massnahmen oder die unentgeltliche Rechtspflege entschieden hat, nicht aber wenn sie sich schon abschliessend festgelegt hat (= dass sie also einer anderen Bewertung der Sach- und Rechtslage nicht mehr zugänglich erscheint).
Was umfasst der Ausstandsgrund der Persönlichen Äusserungen? Was fällt nicht darunter?
- Der Anschein der Befangenheit ist dann gegeben, wenn sich eine Amtsperson in Rechtsfragen, die mit der konkreten Streitsache zusammenhängen, vorgängig abschliessend festgelegt hat (mit der Äusserung) oder in diesem Sinne negative Äusserungen über eine Verfahrenspartei gemacht hat.
- Meinungsäusserung allgemeiner Art über aktuelle gesellschaftliche und politische Fragen, die nicht im Zusammenhang mit dem konkreten Verfahren gemacht wurden, fallen nicht darunter.
Wann ist der Ausstandsgrund der “Persönlichen Beziehungen” einschlägig?
VwVG 10 I lit. b, BGG 34 lit. c
Für Anschein der Befangenheit bedarf es gewisser Intensität der Beziehung. Darunter fallen besondere Freundschaften oder persönliche Feindschaften. Dazu gehören auch ehemalige enge Verbindungen zu einer Partei.
Was fällt unter den Ausstandsgrund“Konkurrenzverhältnisse”?
Direkte Konkurrenzverhältnisse zwischen einer Partei und dem Entscheidungsträger sind geeignet, den Anschein der Befangenheit zu wecken.
Was liegt vor, wenn eine Norm im Zusammenhang mit einem Entscheid bemängelt wird?
Vorfrageweise Überprüfung der Rechtmässigkeit der Norm.
Welche Norm ist in Zusammenhang mit der der Verhältnismässigkeitsrüge zu erwähnen?
Wann ist die Verhältnismässigkeitsrüge in der BöA zulässig?
BV 5 II
- Bei der Anwendung von Bundesrecht zulässiger Rügegrund
- Bei der Kontrolle von kantonalen Erlassen od. Akten in Anwendung von kantonalem Recht kann nur Willkür (nicht Unverhältnismässigkeit) gerügt werden.
Kann das unrechtmässige Verweigern oder Verzögern eines kantonalen Erlasses im Rahmen einer abstrakten Normenkontrolle gemäss Art. 82 Bst. b BGG beim Bundesgericht angefochten werden?
Ja, sofern ein bundes- oder völkerrechtlicher Gesetzgebungsauftrag den kantonalen Gesetzgeber zum Tätigwerden verpflichtet. (Für das Eintreten genügt ein vertretbar begründeter, potenzieller Anspruch).
Besonderheiten bei der foremellen Beschwer Art. 89 Abs. 1 Bst. a BGG bei der abstrakten Normenkontrolle (gegen kantonale Erlasse)
Teilnahme am vorinstanzlichen Verfahren und Ausschöpfung des kantonalen Instanzenzugs ist nur Voraussetzung, wenn gemäss kantonalem Recht eine Normenkontrolle existiert. (Teilweise gibt es keine Vorinstanzen)
Besonderheiten bei der materiellen Beschwer gemäss Art. 89 Abs. 1 Bst. b BGG für die Anfechtung kantonaler Erlasse:
Ein virtuelles Berührtsein in schutzwürdigen Interessen reicht aus.
(= Wer vom Erlass in Zukunft mit einer minimalen Wahrscheinlichkeit besonders betroffen sein kann.)
Bedeutung Art. 190 BV
- Schweiz hat auf Bundesebene (bzw. für Bundesgesetze) keine Verfassungsgerichtsbarkeit (= Möglichkeit, Erlasse auf ihre Übereinstimmung mit der Verfassung zu überprüfen).
-
Verordnungen des Bundes können grundsätzlich auf ihre Übereinstimmung mit der Verfassung überprüft werden.
- Ausnahme: Immunisierung von Verordnungen des Bundes durch das jeweilige Bundesgesetz.
Wie könnte ein Dispositiv bei einem reformatorischen Entscheid aussehen?
- Gutheissung: Die Beschwerde wird gutgeheissen.
- Rechtsfolge: Die Verfügung der Vorinstanz wird aufgehoben.
- Tatsächliche Folge: Dem Beschwerdeführer wird bewilligt…
Wann können Verordnungen des Bundes nicht auf ihre Übereinstimmung mit der Verfassung überprüft werden?
Immunisierung durch das zu Grunde liegende Bundesgesetz:
- Wenn das der Verordnung zu Grunde liegende Bundesgesetz bereits verfassungswidrig ist und die Verordnung das entsprechende Bundesgesetz umsetzt, kann diese nicht auf Übereinstimmung mit der Verfassung überprüft werden.
- ABER: Wenn die Verordnung aber den Delegationsrahmen sprengt oder anderweitig das ihr zugrunde liegende Bundesgesetz nicht korrekt umsetzt, kann es auf Übereinstimmung mit der Verfassung überprüft werden.
Wann ist eine Partei nach BGer virtuell berührt?
Wer vom Erlass in Zukunft mit einer minimalen Wahrscheinlichkeit besonders betroffen sein kann.
= Wenn die beschwerdeführende Partei unter den territorialen Anwendungsbereich des angefochtenen Erlasses fällt (d.h. dort wohnt oder glaubhaft macht, sich dort niederzulassen). Dazu muss aber auch aufgrund des persönlichen oder sachlichen Anwendungsbereich wahrscheinlich sein, dass die Person davon einmal in schutzwürdigem Interesse betroffen sein wird.
Kann sich die materielle Beschwer auch aus der Konkurrentenstellung ergeben? (Sofern Beschwerdeführer nicht Adressat des Erlasses ist?)
Ja, sofern der angefochtene Erlass einen direkten Konkurrenten begünstigt.
Sind Gemeinden und andere öffentlich-rechtliche Körperschaften zur Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten berechtigt?
- Ja, gemäss Art. 89 Abs. 2 Bst. c BGG können diese die Verletzung von Garantien rügen, die ihnen die Bundesverfassung gewährt.
- materielle Beschwer = Körperschaft erfährt eine Verletzung ihrer Autonomie
- Ja, sie können gemäss Art. 89 Abs. 1 BGG zur Beschwerde berechtigt sein, wenn sie gleich oder ähnlich wie ein Privater betroffen sind oder in qualifizierter Weise in eigenen hoheitlichen Interessen berührt sind.
Kann im Rahmen einer abstrakten Normenkontrolle die Verletzung des Verhältnismässigkeitsprinzips oder des Legalitätsprinzips als solches gerügt werden?
- Sofern es nicht um Grundrechte geht (Art. 36 BV), beschränkt sich das BGer bei der Rüge der Verletzung des Verhältnismässigkeitsprinzips oder Legalitätsprinzips auf die Willkürprüfung.
- Das Verhältnismässigkeits- und Legalitätsprinzip sind keine verfassungsmässigen Rechte nach Art. 116 BGG.
Was sind die zulässigen Beschwerdegründe im Rahmen einer abstrakten Normenkontrolle?
Art. 95ff. BGG, wobei sich die Rügen faktisch auf die Verletzung von Schweizerischem Recht beschränken.
Innerhalb welcher Frist sind Beschwerden gegen einen Erlass einzureichen?
Art. 101 BGG; innerhalb einer Frist von 30 Tagen. Massgeblich ist die im kantonalen Recht vorgesehene Publikationsart.
Kann ein Erlass auch nach der in Art. 101 BGG statuierten Frist von 30 Tagen noch angefochten werden?
Durch eine abstrakte Normenkontrolle nicht, hingegen durch eine konkrete Normenkontrolle anlässlich eines Anwendungsaktes.
Was bedeutet “Kassatorisches Urteil”?
Die überprüfende Instanz kann den fehlerhaften Entscheid bloss kassieren (also aufheben) und hat den Streitgegenstand zur erneuten Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Was bedeutet “reformatorisches Urteil”?
Die überprüfende Instanz hat die Kompetenz, in der Sache einen neuen Entscheid zu fällen, den alten also zu reformieren
Wie ist die Urteilswirkung bei der abstrakten Normenkontrolle?
- Grundsätzlich kann bei Beschwerden in öffentlich-rechltichen Angelegenheiten nach Art. 107 Abs. 2 BGG ein reformatorisches oder kassatorisches Urteil ergehen.
- Das BGer beschränkt sich bei der abstrakten Normenkontrolle regelmässig auf die Kassation des angefochtenen Erlasses.
Was besagt der Grundsatz der Normerhaltung?
Dass das BGer eine kantonale Norm nur aufhebt, wenn sie sich jeglicher verfassungs- und konventionskonformer Auslegung entzieht.
Was sind Anfechtungsobjekt und Prüfgegenstand der konkreten Normenkontrolle?
- Anfechtungsobjekt bildet ein konkreter Rechtsanwendungsakt
- Prüfgegenstand ist sowohl die Rechtmässigkeit des Rechtsanwendungsaktes wie auch vorfrageweise die Übereinstimmung der Rechtsnorm, auf die sich der Rechtsanwendungsakt stützt mit höherrangigem Recht.
Ist das Verfassungsrecht dasselbe wie die verfassungsmässigen Rechte?
Nein, der Begriff des Verfassungsrechtes ist weiter als der Begriff der verfassungsmässigen Rechte nach Art. 116 BGG.
Bsp.: Das Verhältnismässigkeitsprinzip ist Verfassungsgrundsatz aber kein verfassungsmässiges Recht.
Was ist die Folge davon, wenn bei der vorfrageweisen Prüfung (konkrete Normenkontrolle) ein Verstoss der Norm gegen höherrangiges Recht festgestellt wird?
Die Norm wird im konkreten Fall nicht angewendet und der Rechtsanwendungsakt wird aufgehoben (Art. 107 Abs. 2 BGG). Da die fehlerhafte Norm nicht Anfechtungsobjekt ist, kann diese nicht aufgehoben werden.
Ist die vorfrageweise Prüfung der Verfassungswidrigkeit eines Bundesgesetzes erlaubt? (Art. 190 BV)
-
Konkrete Normenkotrolle: Ja, allerdings muss das Bundesgesetz auch dann angewendet werden, wenn es sich jeder Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung entzieht.
(= Anwendungsgebot nach Art. 190 BV)
→ Entzieht sich die Norm jeder Möglichkeit der verfassungsmässigen Auslegung, muss sie trotzdem angewendet werden und die darauf basierende (angefochtene) Verfügung darf nicht aufgehoben werden - Abstrakte Normenkontrolle von Bundesrecht ist hingegen nicht möglich (ergibt sich auch aus BGG 83, VGG 31 sowie VwVG 44 e contrario)
- BV 190 umfasst Bundesrecht sowie unselbständige Verordnungen, die lediglich eine Regelung übernehmen, die bereits im übergeordneten Bundesgesetz angelegt ist (das Anwendungsgebot erstreckt sich in diesem Fall auf die Verordnung)
Welche Möglichkeit hat die aufgerufene Justizbehörde festgestellter Verfassungswidrigkeit eines Bundesgesetzes?
Die Möglichkeit, den Gesetzgeber aufzufordern, die fragliche Norm zu ändern. (Anwendungsgebot nach Art. 190 BV)
Was fällt unter den Begriff des Bundesgesetzes i.S.v. Art. 190 BV?
- Alle von der Bundesversammlung in der Form des Bundesgesetzes erlassene Bestimmungen (Art. 163 Abs. 1 BV), so auch dringlich erklärte Bundesgesetze.
- Nicht darunter fallen Verordnungen und übrige Erlasse.
- Kantonale Gesetzesbestimmungen fallen ausnahmsweise darunter, wenn sie unmittelbar Bundesrecht ausführen.
In welchem Verhältnis stehen Bundesgesetz und Völkerrecht zueinander? (Art. 190 BV)
- Völkerrechtliche Verträge mit menschenrechtlichem Inhalt gehen dem Landesrecht vor.
- Gemäss neuerer Rechtsprechung besteht auch bei Staatsverträgen ohne menschenrechtlichen Inhalt Vorrang des Völkerrechts gegenüber Bundesrecht.
Erstreckt sich das Anwendungsgebot aus Art. 190 BV auch auf Verordnungen?
- Grundsätzlich nicht. (Wenn bei der vorfrageweisen Überprüfung die Verfassungswidrigkeit einer Verordnung festgestellt wird, muss diese nicht angewendet werden.)
- Wenn die Verordnung aber eine Regelung übernimmt, die im übergeordneten Bundesgesetz angelegt ist, erstreckt sich das Anwendungsgebot auf die Verordnung.
Welche Behörden sind zur vorfrageweisen Normenkontrolle von Bundesverordnungen befugt?
- Grundsätzlich alle rechtsanwendenden Behörden des Bundes und der Kantone.
- Aunsahme: Dem Bundesrat untergeordnete Verwaltungseinheiten sowie kantonale Verwaltungseinheiten, die Bundesratsverordnungen vollziehen.
Welche Arten der Verfassungswidrigkeit können bei Verordnungen vorliegen?
- Verletzung des Gewaltenteilungsgrundsatzes (wenn der Verordnungsgeber ohne ausreichende Ermächtigung legiferiert hat)
- Materielle Verfassungswidrigkeit
Welche zwei Möglichkeiten der Völkerrechtswidrigkeit von Verordnugnen sind zu unterscheiden?
- Bundesverordnung widerspricht Völkerrecht, ohne dass dieser Widerspruch durch ein Bundesgesetz abgedeckt ist.
- Bundesverordnung widerspricht dem Völkerrecht, wobei der Widerspruch bereits im Bundesgesetz angelegt ist.
Wann sind Völkerrechtsverletzende Bundesverordnungen nicht anwendbar?
- Wenn der Widerspruch (Verordnung - Völkerrecht) nicht durch Bundesgesetz abgedeckt ist.
- Wenn der Widerspruch abgedeckt ist aber das Völkerrecht menschenrechtlichen Gehalt aufweist.
Wie ist das Prüfschema zur konkreten Normenkontrolle von Verordnungen des Bundes aufgebaut?
1. Rechtsanwendung: Wurde die Verordnung richtig angewendet?
- Nein: Aufhebung des Einzelakts
- Ja: (weiter)
2. Gewaltentrennung: Einahltung des Delegationsrahmens? (Gewaltentrennungsprinzip)
- Nein: Nichtanwendung der Verordnung und Aufhebung des Einzelakts
- Ja: (weiter)
3. Verfassungskonformität: Verstösst die Verordnung anderweitig gegen die Verfassung?
- Nein: Punkt 5
- Ja: (weiter)
4. Ermächtigung: Ist die Verfassungswidrigkeit durch das Gesetz gedeckt?
- Nein: Nichtanwendung der Verordnung und Aufhebung des Einzelakts
- Ja: (weiter)
5. Völkerrechtskonformität: Verstösst die Verordnung gegen Völkerrecht? (Justiziabel und menschenrechtlicher Gehalt)
- Nein: Anwendung der Verordnung (Art. 190 BV)
- Ja: Nichtanwendung der Verordnung und Aufhebung des Einzelakts
Wann können kantonale Verfassungsnormen trotzdem auf Übereinstimmung mit übergeordnetem Recht überprüft werden?
- Im Rahmen der konkreten Normenkontrolle und
- sofern das übergeordnete Recht im Zeitpunkt der Gewährleistung durch die Bundesversammlung (siehe Art. 51 Abs. 2 BV) noch nicht in Kraft getreten und deshalb nicht zu berücksichtigen war.
Was ist das Anfechtungsobjekt bei der abstrakten vs. bei der konkreten Normenkontrolle vs. bei der Anwendungskontrolle?
- abstrakte Normenkontrolle = Erlass
- konkrete Normenkontrolle = Einzelakt
- Anwendungskontrolle = Einzelakt
Was ist der Unterschied zwischen der abstrakten und der konkreten Normenkontrolle?
- Abstrakte Normenkontrolle = Es erfolgt die Überprüfung einer Norm unabhängig von einem konkreten Anwendungsfall. Somit sind Anfechtungs- und Prüfobjekt identisch. Im Falle der Gutheissung der Beschwerde wird die angefochtene Norm aufgehoben.
- Konkrete Normenkontrolle = Angefochten wird ein Einzelakt, wobei vorfrageweise ein Verstoss des Rechtssatz, auf den sich die Verfügung stützt, gegen übergeordnetes Recht geprüft wird. Die fehlerhafte Norm bleibt formell in Kraft, wird in der Praxis aber nicht mehr angewendet und die angefochtene Verfügung wird aufgehoben.
Was bewirkt das System der diffusen Normenkontrolle (welches in der Schweiz Anwendung findet)?
Prinzipiell sind alle Behörden berechtigt und verpflichtet, auf entsprechende Rüge hin die Vereinbarkeit eines Rechtssatzes mit höherrangigem Recht zu prüfen. (Relativierung durch Art. 190 BV)
Welche Erlasse können mittels abstrakter Normenkontrolle im Bund angefochten werden?
Art. 82 Bst. b BGG
Es können kantonale Akte angefochten werden.
–> Gemäss Art. 189 Abs. 4 BV können rechtsetzende Akte von Organen des Bundes nicht mit Beschwerde abstrakt angefochten werden.
Was gilt als kantonaler Erlass i.S.v. Art. 82 Bst. b BGG?
-
Erlass = Anordnugnen generell abstrakter Natur
- für eine unbestimmte Vielzahl von Personen
- für eine unbestimmte Vielheit von Tatbeständen
- d.h. Allgemeinverbindlichkeit beanspruchend
kantonale Gesetze, Dekrete und Verordnungen (auch von Gemeinden), nicht aber die Kantonsverfassungen
Wann können kantonale Verwaltungsverordnungen als Erlasse angefochten werden (abstrakte Normenkontrolle)?
- Wenn sie aus privater Sicht einer Rechtsverordnung gleichkommt (= indirekt werden auch Rechte und Pflcihten der Bürger berührt und damit Aussenwirkung entfaltet) und
- gestützt auf die Verwaltungsverordnung keine Verfügung ergeht, deren Anfechtung zumutbar ist.
- d.h. im Einzelfall kein genügender Rechtsschutz
- bspw., wenn einer Person schon aus zeitlichen Gründen nicht zuzumuten ist, ein RM zu ergreifen.
Ist die abstrakte Normenkontrolle kantonaler Verfassungsnormen möglich? Wieso?
Nein, weil die Kontrolle im Rahmen der Gewährleistung durch die Bundesversammlung nach Art. 51 Abs. 2 i.V.m. Art. 172 Abs. 2 BV bereits erfolgt.
Wann wird eine kantonale Norm im Rahmen der abstrakten Normenkontrolle vom Bundesgericht aufgehoben?
Wenn sich die kantonale Norm jeder verfassungskonformen Auslegung entzieht, nicht jedoch, wenn sie einer solchen in vertretbarer Weise zugänglich bleibt.
Welche drei Arten von Beschwerdegründen gibt es?
- Rechtsverletzungen
- falsche oder unvollständige Sachverhaltsfeststellung
- Unangemessenheit
Was ist mit der freien Kognition (in Abgrenzung zur Willkürkognition) gemeint?
- Freie Kognition = Die Rechtmässigkeit kann uneingeschränkt überprüft werden.
- Willkürkognition = Es kann nur überprüft werden, ob das Recht willkürfrei (d.h. nicht offensichtlich falsch) angewendet wurde.
Was bedeutet “Kognition”?
Prüfungszuständigkeit resp. Prüfungsbefugnis. Gleichzeitig muss eine Beschwerdeinstanz aber die Kognition auch ausschöpfen.
Darf die Beschwerdeinstanz die Beurteilung einer bestimmten Rüge mit dem Hinweis verweigern, der Beschwerdeführer sei zu dieser Rüge nicht legitimiert?
Nein, wenn die Beschwerdelegitimation gegeben ist, kann der Beschwerdeführer sämtliche gesetlich zulässigen Rügen im Rahmen des Streitgegenstandes erheben.
Was ist die Aussage von Art. 111 BGG (Einheit des Verfahrens)?
Die Beschwerdegründe dürfen sich im Verlauf des Instanzenzugs nur verengen und nicht erweitern. Die kantonale Vorinstanz muss mindestens dieselben Rügen prüfen können wie das BGer.
Wie ist die Kognition für Beschwerdeinstanzen auf Bundesebene, die dem VwVG unterstehen, ausgestaltet?
Art. 49 VwVG
Sämtlichen Beschwerdeinstanzen (namentlich auch BVGer s. Art. 37 VGG) kommt die volle Kognition zu.
Welche Kognition kommt dem BGer zu?
Das BGer hat beschränkte Kognition. Gerügt werden können:
-
Rechtsverletzungen Art. 95 und 96 BGG
- Im Rahmen der subsidiären Verfassungsbeschwerde können nur Verletzungen verfassungsmässiger Rechte gerügt werden Art. 116 BGG
- Beschränkte Überprüfung des Sachverhalts Art. 97 BGG
- Keine Angemessenheitsprüfung
Was ist mit der Prüfungsdichte gemeint?
Damit ist die Intensität/ Genauigkeit gemeint, mit der die Beschwerdeinstanz ihre Kognition wahrnimmt.
Wann besteht eine Zurücknahme der Prüfungsdichte?
- Wenn die Vorinstanz über bessere Sachkenntnis bzw. Sachnähe verfügt und eine konkrete Frage deswegen besser beantworten kann.
- Insbesondere bei der Sachverhaltswürdigung oder bei der Angemessenheitskontrolle kann die Zurücknahme bei der Prüfungsdichte erfolgen.
Was fällt unter Rechtsverletzungen?
Die Verletzung von generell-abstrakten, dem Staat zurechenbaren Normen (oder auch von Privaten gesetzte Normen, sofern diese in irgendeiner Form staatlich anerkannt sind).
Kann die Verletzung von Bundesrecht vor allen Beschwerdeinstanzen des Bundes gerügt werden?
Ja;
- Art. 49 Bst. a VwVG (BVGer und andere Beschwerdeinstanzen, die dem VwVG unterstehen)
- Art. 95 Bst. a BGG (BGer)
Was fällt alles unter Bundesrecht (dessen Verletzung vor allen Beschwerdeinstanzen des Bundes gerügt werden kannn)?
- Unmittelbar anwendbare Bestimmungen der BV
- Bundesgesetze (Art. 163 Abs. 1 BV)
- Rechtsverordnungen (Art. 163 Abs. 1 BV, Art. 182 Abs. 1 und Art. 164 Abs. 2 BV)
- von Privaten erlassene Normen, sofern sie sich auf eine Rechtsetzungsdelegation des Bundes stützen
- Ausnahmsweise Verwaltungsverordnungen
Kann die Verletzung von Völkerrecht sowohl nach BGG als auch nach VwVG in den Verfahren der Bundesrechtspflege gerügt werden?
Ja;
- Art. 95 Bst. b BGG
- Art. 49 Bst. a VwVG (es wird unter den Begriff des Bundesrechts subsumiert)
Was ist mit Völkerrecht i.S.v. Art. 95 Bst. b BGG gemeint und auf welche Normen können sich Private berufen?
- Mit Völkerrecht ist das verbindliche Völkerrecht gemeint (also Staatsverträge und Völkergewohnheitsrecht sowie allgemeine Rechtsgrundsätze des Völkerrechts).
- Berufen können sich Private auf direkt anwendbare Normen, somit also nur auf Normen, die
- inhaltlich hinreichend bestimmt und klar sind um im Einzelfall Grundlage eines Entscheides bilden zu können.
Kann grundsätzlich die Verletzung von kantonalem Recht (durch Verfügungen gestützt auf kantonales Recht) in bundesrechtlichen Verfahren direkt gerügt werden?
Nein (Organisationsautonomie der Kantone), es gibt allerdings Ausnahmen.
Wie kann das BGer die Anwendung kantonale Rechts überprüfen?
- Willkürkognition: Das Bundesgericht überprüft die Anwendung kantonalen Rechts indirekt im Rahmen der Prüfung einer Bundes- oder Völkerrechtsverletzung i.S.v. Art. 95 Bst. a und b BGG
- Die Verletzung kantonaler verfassungsmässiger Rechte kann überprüft werden Art. 95 Bst. c BGG
- Die Verletzung kantonaler Bestimmungen über die politischen Rechte kann überprüft werden Art. 95 Bst. d BGG
- Die Verletzung von interkantonalem Recht kann überprüft werden Art. 95 Bst. e BGG
Wann überprüft das Bundesgericht bei der indirekten Prüfung kantonalen Rechts dieses nicht nur auf Willkür sondern ohne Beschränkung?
Wenn der angefochtene kantonale Entscheid schwer in Grundrechte eingreift. Es wird dann ohne Beschränkung geprüft, ob die kantonale Rechtsgrundlage richtig angewendet wurde.
Wann kann auch nach VwVG die Verletzung von kantonalem Recht gerügt werden?
Wenn die entsprechende Bundesverwaltungsbehörde unmittelbare Vorinstanz des Bundesgerichts ist.
–> Einheit des Verfahrens; Art. 111 Abs. 3 i.V.m. Art. 95 BGG
Was sind zulässige Beschwerdegründe bei Beschwerden gegen Entscheide über vorsorgliche Massnahmen?
Art. 98 BGG
Es können nur verfassungsmässige Rechte gerügt werden.
Welche Arten der Rechtsverletzung gibt es?
1. Unrichtige Anwendung des richtigen Rechtssatzes
- insbesondere falsche Auslegung
- unzutreffende Rechtsfolge wird angeordnet
- Anwendung eines unzutreffenden Rechtssatzes
- Rechtssatz der falschen Ebene
- Anwendung eines unzutreffenden Erlasses oder einer unzutreffenden Bestimmung
- Anwendung von rechtswidrigem Recht
* d.h. ein rechts- oder verfassungswidriger Rechtssatz wird angewendet (die Überprüfung erfolgt mittels konkreter Normenkontrolle) - Qualifiziert falsche Ermessensbetätigung
- Qualifiziert falsche Sachverhaltsermittlung
Wann handelt es sich im Rahmen der Ermessensausübung um Rechtsfehler (und nicht um die sachliche Richtigkeit)?
Bei einer qualifiziert falschen Ermessensbetätigung:
- Ermessensüberschreitung: Die Behörde beansprucht Ermessen, ohne dass sich die konkrete Massnahme auf eine Ermessensgrundlage zurückführen lässt. Art. 49 Bst. a VwVG bzw. Art. 95 Bst. a BGG
-
Ermessensmissbrauch: Ermessen wird verfassungswidrig ausgeübt, indem die Grundrechte (Willkürverbot) oder Verfassungsprinzipien (Gebot der Verhältnismässigkeit) verletzt werden.
Bsp.: Weigerung, Ermessensspielraum nach den Umständen des Einzelfalls differenziert auszuüben. Art 95 Bst. a BGG und Art. 49 Bst. a VwVG
Wann liegt eine qualifiziert falsche Sachverhaltsermittlung vor?
Wenn die Behörde Verfahrensgrundrechte oder gesetzliche Beweis- und Verfahrensvorschriften verletzt oder Beweise offensichtlich falsch würdigt (willkürlich).
Bsp.: Es wird willkürlich auf die Erhebung bestimmter Beweismittel verzichtet.
Art. 49 Bst. a VwVG und Art. 97 BGG
Wann kommt es bei der Beschwerdeinstanz zu einer Reduktion der Prüfungsdichte?
1. Bei der Überprüfung von Rechtsverletzungen (unbestimmten Rechtsbegriffen):
Wenn die Vorinstanz aufgrund ihres besonderen Fachwissens oder der Kenntnis der örtlichen Verhältnisse sachgerechter beurteilen kann als die Beschwerdeinstanz.
Bsp.: Technisches Ermessen bei Fachfragen
2. Bei Sachverhaltsfragen:
Wenn die verfügende Verwaltungsbehörde fachtechnische Sachverhaltsabklärungen vorgenommen hat. (Die Beschwerdeinstanz beschränkt sich auf den Nachvollzug der vorinstanzlichen Festlegung).
3. Bei der Angemessenheitskontrolle:
Wenn sich die Vorinstanz durch besondere Fachkenntnisse auszeichnet, auferlegen sich die Rechtsmittelbehörden Zurückhaltung bei der Angemessenheitskontrolle. So reduziert sich diese im Ergebnis auf eine reine Willkürprüfung.
Kann vor Bundesverwaltungsgericht und vor Bundesgericht die fehlerhafte Sachverhaltsfeststellung gerügt werden?
- Bundesverwaltungsgericht und andere dem VwVG unterstehende Beschwerdeinstanzen: Der Beschwerdeführer kann die unrichtige oder unvollständige Feststellung des Sachverhalts geltend machen (Art. 49 Bst. b VwVG).
- Bundesgericht: Die Rüge ist nur möglich, wenn die Sachverhaltsfeststellung offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung beruht und zudem die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG, Art. 95 Bst. a BGG).
Welche Arten der fehlerhaften Sachverhaltsfeststellung gibt es?
- Unrichtige Feststellung des Sachverhalts Art. 49 Bst. b VwVG
- Unvollständige Feststellung des Sachverhalts Art. 49 Bst. b VwVG
- Offensichtlich unrichtige bzw. offensichtlich unvollständige Feststellung des SV Art. 97 Abs. 1 BGG
- Fehlerhafte Feststellung des SV Art. 97 Abs. 1 BGG und Art. 95 Bst. a BGG
Was ist die Unterscheidung von unrichtiger und unvollständiger Sachverhaltsfeststellung?
-
Unrichtige Sachverhaltsfeststellung = Der Verfügung liegen falsche, aktenwidrige Tatsachen zugrunde, über rechtserhebliche Umstände wurde kein Beweis geführt oder Beweise wurden falsch gewürdigt.
* Bsp.: In einem Asylverfahren wird die Flüchtlingseigenschaft von X verneint, da er nach seiner Folterung noch 5 Monate in seinem Heimatsdorf wohnte. Tatsächlich lebte er aber nichtmal mehr einen Monat dort, die Stelle des Protokolls sei falsch protokolliert worden.* -
Unvollständige Sachverhaltsfeststellung = Es wurden nicht alle entscheidrelevanten Tatsachen eruiert und berücksichtigt.
* Bsp.: Es wurde versäumt, den auf einen Betrieb anfallenden Arbeitsaufwand festzustellen, obwohl dies für den Erhalt von Direktzahlungen eine notwendige Information wäre.*
Wann ist die Sachverhaltsfeststellung fehlerhaft?
Art. 95 Bst. a BGG
Wenn sie unter Verletzung von Verfahrensvorschriften erfolgte. Dies ist der Fall, wenn Rechtsgrundsätze des Beweisrechts verletzt wurden, wozu auch die Teilgehalte des rechtlichen Gehörs zählen (Art. 29 Abs. 2 BV).
Es liegt in diesem Fall eine Rechtsverletzung nach Art. 95 Bst. a BGG und im Fall der Betroffenheit von Verfahrensgrundrechten eine Verletzung nach Art. 116 BGG vor.
Was bedeutet der letzte Teilsatz von Art. 97 Abs. 1 BGG?
Dass es wahrscheinlich sein muss, dass die fehlerhafte Sachverhaltsfeststellung einen Einfluss auf den angefochtenen Entscheid gehabt hat bzw. bei richtiger Sachverhaltsfeststellung ein anderer Entscheid in der Sache ergangen wäre.
Welche Möglichkeiten hat die Rechtsmittelinstanz, wenn sie zum Schluss kommt, die Vorinstanz hat den Sachverhalt unrichtig festgestellt?
- Rückweisungsentscheid (die Streitsache wird zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückgewiesen).
- Reformatorischer Entscheid (die Sache wird von der Rechtsmittelinstanz entschieden).
Welche Ermessensfragen können vor Bundesgericht, welche vor Bundesverwaltungsgericht und anderen dem VwVG unterstehenden Verwaltungsbehörden gerügt werden?
1. Bundesgericht: Gerügt werden kann die Überschreitung oder der Missbrauch von Ermessen gemäss Art. 95 Bst. a BGG (Es handelt sich dabei um eine Rechtsfrage und ist demnach als Rechtsverletzung zu rügen).
–> Nicht gerügt und überprüft werden kann die Angemessenheit vor Bundesgericht (vgl. Art. 95 ff. BGG)
–> Unverhältnismässigkeit hingegen ist ein Rechtsfehler i.S.v. Art. 95 Bst. a BGG
2. Nach VwVG: Gerügt werden kann sowohl die Überschreitung und der Missbrauch von Ermessen (Art. 49 Bst. a VwVG) wie auch die Unangemessenheit (Art 49 Bst. c VwVG).
Wann liegt Unangemessenheit (i.S.v. Art. 49 Bst. c VwVG) vor?
Wenn sich ein Entscheid innerhalb des gesetzlich eingeräumten Ermessensspielraums bewegt, das Ermessen jedoch nicht einzelfallgerecht gehandhabt wird. (Wenn also den konkreten Umständen nicht genügend Rechnung getragen wird).
Welche Beschwerdeinstanz kann die Angemessenheit überprüfen?
I.d.R. die verwaltungsinternen Beschwerdebehörden. Die Rüge der Angemessenheit ist aber vor Behörden, die dem VwVG unterstehen grundsätzlich zulässig, ausnahmsweise aber ausgeschlossen.
Wie ist die Begründungspflicht im VwVG geregelt?
Es gilt der Sache nach das Rügeprinzip, allerdings in abgeschwächter Form.
- Der Sachverhalt wird von Amtes wegen festgestellt (Art. 12 VwVG)
- Aufgrund der Begründungspflicht wird in Beschwerdeverfahren nur noch Beweis über die von den Parteien vorgebrachten Rechtsverletzungen geführt (Art. 52 VwVG).
Wie ist die Begründungspflicht im BGG geregelt?
- Es gilt eine allgemeine Begründungspflicht nach Art. 82 ff. BGG, Art. 42 Abs. 1 und Abs. 2 BGG.
- Bei offensichtlichen Mängeln besteht eine Ausnahme des Rügeprinzips (diese werden von Amtes wegen berücksichtigt).
- Eine qualifizierte Rügepflicht gilt bei der Verletzung von Grundrechten, von kantonalem und interkantonalem Recht und bei verfassungsmässigen Rechten überhaupt. Art. 106 Abs. 2 BGG
Was ist mit der qualifizierten Rügepflicht gemeint?
- Das Prinzip der Rechtsanwendung von Amtes wegen gilt überhaupt nicht.
- An die Begründungsdichte werden zudem besondere Anforderungen gestellt: Die Rüge muss präzise begründet werden.
- Gilt im Beschwerdeverfahren gem. BGG:
- für Verletzung von Grundrechten
- allg. für verfassungsmässige Rechte
- Verletzung von kantonalem und interkantonalem Recht
Prüfe die Eintretensvoraussetzungen des BGer auf die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten:
- Zuständigkeit:
a. Anwendbarkeit BGG/VwVG
b. Beschwerdeobjekt BGG 82
c. Vorinstanz BGG 86
d. Keine Ausnahme BGG 83
- Beschwerderecht:
a. Partei- und Prozessfähigkeit
b. Beschwerdelegitimation BGG 89
c. Aktuelles und praktisches Interesse & Ausnahme (BGer)
d. Beschwerdegründe/ Kognition BGG 95 ff.
- Rechtsverletzung
- unrichtige SV-Feststellung (nur bei Willkür)
- kein Ermessen
e. Form BGG 42
f. Frist BGG 100 I
Wann sind die Partei- und Prozessfähigkeit einer natürlichen/juristischen Person gegeben?
-
Parteifähigkeit = Rechtsfähigkeit
- natürliche Personen: Jeder Mensch ist rechtsfähig. (vgl. ZGB 11)
- juristische Personen: Die Rechtsfähigkeit beginnt mit der Gründung/HR Eintrag von juristischen Personen.
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Prozessfähigkeit = Handlungsfähigkeit
- natürliche Personen: Sind handlungsfähig, wenn sie urteilsfähig und volljährig sind (vgl. ZGB 12 ff.).
- juristische Personen: Sind handlungsähig, wenn die nach Gesetz und Statuten unentbehrlichen Organe bestellt sind (vgl. ZGB 54).
Wie ist der Aufbau für die Prüfung der Eintretensvoraussetzungen auf Rechtsmittel beim BVGer?
(Prüfung FS17, Spezialgesetz FiG)
1. Zuständigkeit
Vorliegend handelt es sich um einen Entscheid einer Bundesbehörde gestützt auf öffentliches Recht des Bundes, weswegen die Beschwerde ans BVGer zu prüfen ist.
a. Spezialgesetz:
Die Spezialgesetzliche Regelung verweist auf die allgemeinen Verfahrensbestimmungen nach VwVG. (Ansonsten absolute und relative Subsidiarität VGG/VwVG)
b. Beschwerdeobjekt (VGG 31), Verfügung (Kriterien)
c. Kein Ausschlussgrund VGG 32 I
d. Vor- und Rechtsmittelinstanz (VGG 33)
e. Relative und absolute Subsidiarität VGG 32 II
2. Beschwerderecht:
a. Partei- und Prozessfähigkeit
b. Beschwerdelegitimation VGG 37 i.V.m. VwVG 48
c. Aktuelles und praktisches Interesse
- Ausnahme
d. Beschwerdegründe/ Kognition VGG 37 i.V.m. VwVG 49
a. Volle Kognition VwVG 49 a - c
b. Spezialgesetzliche Aunsahmen
e. Form VGG 37 i.V.m. VwVG 52
f. Frist VGG 37 i.V.m. VwVG 50
Wie werden Ermessen und unbestimmte Rechtsbegriffe unterschieden?
Ermessen = Entscheidungsspielraum, den der Gesetzgeber den Verwaltungsbehörden einräumt; Entschliessungsermessen, Auswahlermessen od. Tatbestandsermessen;
- Entschliessungsermessen = Entscheidungsspielraum, ob Massnahme zu treffen ist oder nicht
- Auswahlermessen = Entscheidungsspielraum, welche von unterschiedlichen Massnahmen zu treffen ist
- Tatbestandsermessen = Entscheidungsspielraum, ob die Voraussetzungen für die Anordnung von Massnahmen erfüllt sind od. nicht.
Qualifizierte Ermessensfehler = Rechtsverletzungen; darunter fallen die Ermessensüber- und Unterschreitung bzw. der Ermessensmissbrauch.
Unbestimmter Rechtsbegriff = Rechtsfrage; es handelt sich um eine offene, unbestimmte Umschreibung der Rechtsfolge selbst oder der Voraussetzungen für die Rechtsfolge, die ausgelegt werden muss.
→ kann von Gerichten überprüft werden
→ “wichtige Gründe”, “Eignung”, “leichter Fall”, “öffentliches Interesse”,…..