Kriminologie II Flashcards

1
Q

Wie lautet eine Definition von Kriminologie?

A

„Criminology is the body of knowledge regarding crime as a social phenomenon. It includes within its scope the processes of making laws, of breaking laws, and of reacting toward the breaking of laws. … The objective of criminology is the development of a body of general and verified principles and of other types of knowledge regarding this process of law, crime, and treatment.“

(Sutherland/Cressey)

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2
Q

Was möchte Kriminologie erreichen?

A

Die Kriminologie versucht, die Entstehung von Kriminalität zu erklären, vorherzusagen und präventiv zu vermeiden.

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3
Q

Welche zwei wichtigen Forschungsmethoden (-gruppen) werden in der Kriminologie unterschieden?

A
  • Qualitative Methoden
  • Quantitative Methoden
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4
Q

Welche Methoden werden unter den quantitativen Methoden zusammengefasst und welche Instrumente bestehen?

A
  • Experimente, Quasi-Experimente, Querschnitt- und Längsschnitterhebung, Sekundäranalyse, Evaluationen
  • Instrumente: Befragung (face-to-face, telefonisch, schriftlich, online), Beobachtung, Inhaltsanalyse, nicht-reaktive Instrumente (Feldexperimente)
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5
Q

Welche Methoden werden unter den qualitativen Methoden zusammengefasst und welche Instrumente bestehen?

A
  • Einzelfallstudie (case study), Dokumentenanalyse, Handlungs- und Feldforschung
  • Instrumente: Interview (problemzentriert, narrativ, teilnehmend Gruppendiskussion), Inhaltsanalyse (Text, Bild, Ton), Sekundäranalyse, oral history
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6
Q

Welche Arten von Hypothesen werden unterschieden? Wie werden sie falsifiziert?

A
  • Deterministische Hypothesen: „Wenn…dann-Sätze“ (Naturwissenschaften) → werden mit einer konträren Erfahrung widerlegt («Praxis» genügt)
  • Probabilistische Hypothesen: „Je…desto“-Sätze (Sozialwissenschaften) → werden mit Statistik (und systematischer Beobachtung) widerlegt
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7
Q

Welche Gruppen kriminologischer Theorien werden Unterschieden?

A
  • Biologische Theorien
  • Soziale Lerntheorien
  • Kontrolltheorien
  • «Rationale» Theorien
  • Kritische Theorien
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8
Q

Welche sind berühmte Vertreter der Kriminalanthropologie und was ist ihre wesentliche Aussage?

A
  • Cesare Lombroso (1835-1909) (L’uomo delinquente, 1876)
  • Enrico Ferri (1856-1929) (Sociologia criminale, 1892)
  • Raffaele Garofalo (1852-1934) (Criminologia, 1885)

→ Glaube, dass Kriminelle verschiedene physische Anormalitäten aufweisen; «atavistische» resp. degenerierte Natur von Straftätern

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9
Q

Was ist die Kernaussage der sozialen Lerntheorien? Welche drei wichtigen Formulierungen gibt es?

A
  • Kriminelles Verhalten wird im sozialen Kontext erlernt
  • Es erfolgt keine Unterscheidung zwischen verschiedenen Deliktsformen

3 einflussreiche Formulierungen:

  • Theorie der differentiellen Assoziation (Differential Association Theory), Edwin Sutherland, 1939/1947
  • Lernen am Modell (Observational learning), Albert Bandura, 1977
  • Soziale Lerntheorie (Social learning theory) Ronald Akers, 1998
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10
Q

Was ist die Aussage der Theorie der differentiellen Assoziation? Von wem stammt sie? Unter welchen Umständen wird gemäss dieser Theorie eine Person kriminell?

A

Kriminelles Verhalten ist erlernt

  • Deviantes Verhalten wird im sozialen Umfeld erlernt (genau gleich wie konformes Verhalten)
  • Zwei Grundlagen werden gelernt:
    • Techniken (wie begehe ich Delikte)
    • Definitionen (Werte, Motivation, Haltungen, Rationalisierungen…)

Die Theorie stammt von Sutherland.

→ Eine Person wird kriminell, weil die positiven Definitionen bezüglich des Normbruchs die negativen überwiegen.

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11
Q

Was ist die Aussage der Lerntheorie von Bandura? Worin besteht der Unterschied zu Sutherland?

A

Es gibt 3 Einflussfaktoren für eine Verhaltensmotivation:

  • Externe Verstärkung (operante Konditionierung)
  • Vikariierende Verstärkung (Lernen durch Beobachtung der Belohnung oder Bestrafung des Verhaltens anderer Menschen)
  • Selbstverstärkung (positive Emotionen im Zusammenhang mit eigenen Handlungen, die als Verhaltensmotivator für das zukünftige Verhalten wirken

→ Man lernt nicht nur anhand der direkten Interaktion mit einer Gruppe, auch Lernen am Modell ist möglich

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12
Q

Wo findet Lernen am Modell gemäss Bandura insbesondere statt?

A

V.a. in drei Kontexten:

  • In der Familie
  • In der vorherrschenden Subkultur, Peergruppe
  • Durch kulturelle Symbole wie Fernsehen und andere Medien

Besonders bei Kindern ist das Lernen am Modell und Imitieren von Vorbildern häufig.

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13
Q

Was besagt die soziale Lerntheorie von Akres?

A
  • Weiterentwicklung von Sutherland’s Theorie der differentiellen Assoziation
  • Nicht nur kognitive Inhalte („Definitionen“) werden gelernt, sondern Verhalten wird durch soziales Lernen auch direkt angenommen (Anlehnung an Banduras Lernen am Modell)
  • Lernprozesse finden nicht nur in sozialen Gruppen statt → Lernen funktioniert auch mittels operanter Konditionierung (Verhalten wird durch seine Konsequenzen verstärkt, der Lernende ist aktiv im Gegensatz zur klassischen Konditionierung)
  • Der Lernprozess läuft in zeitlichen Sequenzen ab und wird durch Rückkopplungen verstärkt oder abgeschwächt
  • Bei Jugendlichen ist die Peergruppe sehr wichtig
    • Es gibt Jugendliche ohne Freundeskreis
    • Solche mit einem guten Freundeskreis
    • Solche mit Freunden, welche ab und zu ein Delikt begehen
    • Gangs
  • Alle Jugendliche aus 3 und 4 Gruppe begehen viel öfter Delikte
  • Wahrscheinlichkeit delinquent zu werden steigt enorm
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14
Q

Wovon gehen die Kontrolltheorien aus? Welche wichtigen Kontrolltheorien gibt es?

A

Wenn keine eingreifenden Umstände bestehen, ist grds. jeder kriminell.

  • Travis Hirschi 1969, Social control theory
  • Michael R. Gottfredson / Travis Hirschi 1990, Self-control theory
  • Robert Sampson / John Laub 1993, Life course theory
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15
Q

Welche wichtigen Gruppen sozialer Bindungen, welche der Entstehung von Kriminalität entgegenwirken, bestehen gemäss der Kontroll- / Bindungstheorie Hirschis?

A
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16
Q

Wann und weshalb entsteht Kriminalität gemäss Hirschi?

A
  • Kriminalität entsteht dort, wo die genannten Bindungen geschwächt sind.
  • Soziale Bindungen verhindern, dass es zu äusseren Gelegenheiten für kriminelle Handlungen kommt, und sie sind auch innere Hemmfaktoren.
  • Konsenstheorie, d.h. es besteht Einigkeit über die zentralen Verhaltensnormen (Tötung, Raub, Diebstahl)
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17
Q

Was ist die Aussage der self-control-theory von Gottfredson/Hirschi? Wodurch sind Personen mit niedriger Selbstkontrolle charakterisiert?

A

Individuen begehen mit grösserer Wahrscheinlichkeit Delikte, wenn sie eine geringe Selbstkontrolle haben, mangels Berücksichtigung der (langfristigen) Konsequenzen. Personen mit niedriger Selbstkontrolle:

  • haben eine Hier-und-jetzt-Orientierung. Sie suchen nach sofortiger, nicht aufgeschobener Bedürfnisbefriedigung.
  • bevorzugen einfache, leicht zu erfüllende Aufgaben und haben eine Abneigung gegen Aktivitäten, die Konzentration, Planung und Ausdauer verlangen.
  • begeben sich in riskante Situationen und suchen den «Kick».
  • sind unfähig, die längerfristigen Vorteile einer Einbindung in soziale Institutionen zu erkennen.
  • sind selbstbezogen und gefühllos, unemphatisch gegenüber anderen
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18
Q

Was ist die Grasmick-Skala?

A

Die Grasmick et al. Skala enthält 24 Fragen über Einstellungen zu sechs symptomatischen Merkmalen der Selbstkontrolle:

  1. Impulsivität
  2. VorliebefüreinfacheAufgabenstellungen
  3. Risikoverhalten(SuchenachdemKick)
  4. KörperbetonteAktivitäten
  5. Selbstbezogenheit
  6. Temperament/Reizbarkeit

4-stufige Likert-Skala (4 = stimme ganz zu, 3 = stimme etwas zu, 2 = stimme eher nicht zu, 1 = stimme gar nicht zu)

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19
Q

Was sagt die life-course-theory? Von wem stammt sie?

A
  • Die Entstehung von Bindungen endet nicht in der Kindheit
  • Es gibt turning points im Lebenslauf eines Karrierekriminellen. Zwei davon sind sehr einflussreich: beruflicher Einstieg und später Eheschliessung = Sozialkapital
  • Neuauswertungen der Kohortenstudie von Glueck/Glueck aus den 1940er Jahren bestätigen diese Hypothesen. Kriminelles Verhalten ist dynamisch und abhängig vom Lebenslauf

Die Theorie stammt von Sampson/Laub.

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20
Q

Was sagt die rational-choice-Theorie? Was ist die Kritik daran?

A
  • Homo oeconomicus als Prinzip auf die Kriminologie angewandt → Nutzenmaximierung
  • Tat als rationale Entscheidung des Täters, womit kriminelles Verhalten nicht Ausdruck eines „kriminellen Charakters“, sondern einfach eine Funktion aus „Werten“ und „Erwartungen“ der Person ist.

Kritik:

  • Soziale, psychische und biologische Einflussfaktoren bleiben bei dieser Theorie als Entscheidungsvariabel unberücksichtigt
  • Kriminalität oft gerademal Ausdruck von Plan- und Ziellosigkeit und nicht von rationalem Kalkül
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21
Q

Von wem stammt der routine activity approach (situative Ansätze) und was besagt er?

A
  • „Routine Activity Approach“ stützt sich auf die Verteilung und Entwicklung krimineller Gelegenheiten
  • Danach kommt es zu einer Straftat, wenn…
    • (1) ein potenzieller Täter auf ein
    • (2) geeignetes und attraktives Tatobjekt trifft, das
    • (3) nicht ausreichend geschützt ist

Dieser approach stammt von Cohen/Felson.

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22
Q

Was sagen die kritischen Kriminalitätstheorien?

A

Kriminalität ist das Resultat eines Machtgefüges, von Hierarchien oder Ungleichheit.

23
Q

Welche Erklärungsansätze existieren für die Abnahme der Kriminalitätsraten in den USA während der letzten 25 Jahre?

A
  • Demografisch; nach der Babyboomer-Generation wurde der Anteil an jungen Männern in der Gesellschaft stark minimiert
  • Markt für Hehlerei wurde verkleinert
  • Crackepidemie nahm ab; Leute sind weniger süchtig
    • Kann aber nicht alleine die Ursache sein; da die Entwicklung auch in anderen Ländern analog verlief, welche nicht solche Crackprobleme hatten
  • Mehr Polizei, bessere technische Möglichkeiten (Handy, Alarmanlagen); weniger Gelegenheiten
  • Legalisierung von Abtreibung → weniger problematische Kinder
24
Q

Welche sind die wichtigsten Kriminalitätsmessinstrumente?

A
  • Dunkelfeldforschung
    • Möchte alle Delikte erforschen, nicht nur die Angezeigten
    • Opfer-, Täter-, Expertenbefragung
  • Polizeiliche Kriminalstatistik
    • Misst alle polizeilich bekannt gewordenen Delikte
    • Misst die Delikte nicht, welche nicht angezeigt wurden
  • Verurteiltenstatistik
    • Von Strafgerichten ausgesprochene Urteile
  • Strafvollzugsstatistik
    • Insassen, verbüsste Sanktionsdauer, Rückfallstatistik
25
Wie wird Kriminalität **im internationalen Kontext** gemessen? Welche Probleme bestehen?
* **Polizei- und Strafurteilstatistik** * Problem der **unterschiedlichen Erhebung** durch Polizei und Justiz * Problem der **unterschiedlichen rechtlichen Definitionen** * Problem des **Dunkelfelds** * Lösung: Internationale Koordination und Vereinheitlichung * Wichtigste Quelle: European Sourcebook of Crime and Criminal Justice Statistics, ESB, bisher 5 Ausgaben → misst allerdings die Dunkelziffern *nicht*
26
Wie sind **Opferbefragungen** charakterisiert? Welches Beispiel gibt es?
**Opferbefragungen** * Decken das Dunkelfeld besser ab * Einheitliche Deliktsdefinitionen möglich (zwecks internationalen Vergleichs) * Aber auch hier Fehlerquellen: * Geschäfte als «Opfer» * opferlose Delikte * Mehrfachopfer sowie seltene Delikte sind schwierig zu erfassen * Zudem: Sampling-Fehler und «Vergessen» von Delikten * Beispiel in Europa: ICVS (International Crime Victim Survey)
27
Wie sind **Täterbefragungen** charakterisiert? Welches Beispiel gibt es?
**Täterbefragungen** * Decken das Dunkelfeld besser ab * Einheitliche Deliktsdefinitionen möglich (zwecks internationalnm Vergleichs) * Allerdings nur bei Jugendlichen möglich * Siehe dazu die International Self Reported Delinquency Study (ISRD)
28
Wie hat sich die (relative) Zahl der **Tötungsdelikte in der Schweiz** über die Zeit entwickelt?
* Zahl getöteter Kinder nahm in letzten 150 Jahren stark ab * Selbes gilt für Männer * Allerdings Anstieg in den 70ern und 80ern * Drogenmarkt als Erklärung * 68er Bewegung * Zahl der getöteten Frauen ist jedoch konstant * Bei den Tötungsdelikten kommt es stark auf die Art des Tötungsdelikts an → bei Frauen handelt es sich meist um Beziehungsdelikte * Unterstützt die Theorie des Zivilisierungsprozesses nicht unbedingt, da dieser auch die Frauen betreffen müsste
29
Wie verläuft die Entwicklung **in anderen Deliktskategorien in der Schweiz**?
**Körperverletzungen** * Parallele Entwicklung zu Tötungsdelikten (bis ca. 1995), dann **Anstieg** * **Raufhandel** * Stark und bleibend zurückgegangen * Anzeige seitens der Polizei wohl nicht mehr so stark weiterverfolgt **Ehrverletzung** * Stark zurückgegangen, da Ehrbegriff heute nicht mehr eine solch grosse Bedeutung hat * Ehre ist nicht mehr ein derart hochgewichtetes Rechtsgut **Raub** * **Stieg seit den 70ern stark an** * Wahrscheinlich dem **Drogenhandel** geschuldet * Markt für Kleingegenstände beeinflusst die Kriminalitätsrate; bspw. ist das Handy lukrativ für Diebstähle **Vergewaltigung** * **Ebenfalls Anstieg seit den 70ern** **Diebstahl** * „Explosion“ ab 1970, stabil ab 1980, ab 1995 rückläufig → Auch Überlagerung von SUVA-Statistik und PKS im Bereich Körperverletzungen / Gewaltfälle zeigt einen Anstieg bis 2010, danach einen Rückgang
30
Welche Aussagen lassen sich über die zukünftige Entwicklung der Kriminalitätsraten treffen?
* Körperverletzungen nehmen eher zu * Tötungsdelikte haben sich zurückentwickelt * Technische Erfindungen beeinflussen unser Leben sehr stark * Digitalisierung hat grossen Einfluss auf Jugenddelikte * Digitalisierung wurde in der Kriminologie stark vernachlässigt * Heute können bspw. Bitcoins gestohlen werden * Kreditkartenbetrug stieg bspw. exponentiell an * Wechsel von offline zu online * 1/3 bis zu ½ der Delikte werden online begangen
31
Wie verhalten sich **Alterskurve, Geschlecht und Delinquenz**?
* Kriminalität ist ein Phänomen **junger Männer** (in allen Kulturen) * Höhepunkt der Delinquenz heute bei etwa **17 Jahren** * **Ab 25** Jahre steter **Rückgang** * Eine kleine Gruppe der Jugendlichen sind «hochproduktive» Delinquenten (6% in Cambride-Studie) * «Hochproduktive» Jugendliche delinquierenhäufig auch weit über die Adoleszenz hinaus weiter
32
Was sind die Charakteristika von **Querschnittstudien**?
**Querschnittstudien** * Punktuelle Erhebung * Werden alle paar Jahre wiederholt; nicht immer dieselben Personen, sondern immer dieselbe Altersgruppe * Erlauben die Feststellung von Korrelationen (z.B., dass Delinquenz mit Alkoholkonsum korreliert), jedoch nicht von Kausalitäten * Beispiele: * International Self Reported Delinquency Study (ISRD) * Zürcher Jugendbefragung
33
Welche sind die Charakteristika von **Längsschnittstudien**?
**Längsschnittstudien** * Untersuchung einer Kohorte über mehrere Jahre * Erleichtern die Feststellung kausaler Prozesse * Beispiele: * Cambridge Somerville Youth Studie (Cabot, später neu analysiert von McCord) * z-Proso * Cambridge Study in Delinquent Development
34
Wie sieht die Entwicklung der **Jungendkriminalität im Hellfeld** (offizielle Statistiken) aus?
* «Knick» im Jahre 2011 (Inkrafttreten der JStPO) * Sowohl polizeilich registrierte Straftaten als auch Verurteilungen von Jugendlichen seit 2011 deutlich gesunken * Seit 2016 steigen Delikte wieder * Statistik bezieht sich auf absolute Zahlen * Weniger Jugendliche (minus ca. 10%), keine genauen Altersangaben * Schwere Gewaltdelikte: Trend eher flach * Gewaltdelikte insgesamt wieder zunehmend
35
Wie sieht die Entwicklung der **Jungendkriminalität im Dunkelfeld** aus?
* _ISRD-Studien:_ Konsistente Trends (**mehr** begangene/erlittene Delikte) in der ISRD-Studie (ISRD-1 bis -3) * _Zürcher Studie:_ **Abnahme** der selbst berichteten und erlebten Delinquenz * Anzeigeraten in beiden Studien stabil oder teils sinkend (gilt auch bei Erwachsenen) * Studien nicht unbedingt vergleichbar: * unterschiedliche Definitionen der Delikte * ungleiche Stichprobe (Kanton Zürich vs. gesamte Schweiz) * ungleicher Zeitraum
36
Was sind **Erklärungsansätze** für die in der ISRD-Studie bzw. in der Zürcher Studie?
**Trends in der ISRD-Studie (seit 1992 bis ca. 2012):** * Häufigkeit des Ausgehens (14-16-jährige) * Man bleibt länger weg * Eltern legen seltener Zeitlimitefest * Eltern wissen seltener, was „Kinder“ tun * Gewaltdarstellungen (Videos, Internet) * Schuleschwänzen, Rumhängen * Cannabis-Konsum, Binge-drinking **Trends in Zürcher Studie:** * Massiv weniger Gewalt im öffentlichen Raum * Internet hat Ausgehen vermindert * Jugendliche weniger häufig draussen * Weniger Alkoholkonsum * Jugendliche «angepasster» als früher?
37
Welche sind die **Charakteristika der jungendlichen Straftäter**?
* **Männer** sind auch bei den Jugendlichen krimineller als die Frauen * Frauen aber auf dem Vormarsch * **Migrationshintergrund?** * Jugendliche mit Migrationshintergrund (unabhängig vom Herkunftsland) delinquieren in der Schweiz sehr viel häufiger als einheimische Jugendliche (Vertiefungsstudie zu ISRD-3) * **Aber:** Jugendliche aus den untersuchten Balkanländern delinquierendort sehr viel weniger als ihre Altersgenossen in der Schweiz mit Migrationshintergrund aus dem Balkan * Erhöhte Delinquenz muss mit der Migration an sich und nicht mit den Migranten zusammenhängen * Migration löst Schwierigkeiten und Stress aus (Spekulation) * Feststellung: Es gibt keine importierte Gewaltkultur (cultural conflict theory ist deshalb abzulehnen) * Delinquenzrateim Balkan übrigens auch geringer bei den Schweizern ohne Migrationshintergrund * Viktimisierung: viel kleinere Unterschiede​ * Aber: Höhere Opferraten in den Balkanstaaten; vielleicht trauen sich die Jugendlichen in den Balkanstaaten weniger ihre Delikte zu zugeben? * Kann eigentlich nicht sein (wieso nicht?)
38
Wie verhält sich **Alkohol- und Drogenkonsum** zu Jugendkriminalität?
* ISRD: * Alkoholkonsum, insbesondere von hochprozentigen Getränken hat zugenommen * Selbiges gilt für den Cannabiskonsum * Zürcher Studie * Rückgang von Bier und Wein * Rückgang bei Tabak * Rückgang von hochprozentigem Alkohol * Aber auch Zunahme beim Cannabis * Korrelation * Bei Cannabis ist die Korrelation relativ stark * Gefolgt von hochprozentigem Alkohol
39
Wie verhalten sich **Freizeitverhalten und Jugenddelinquenz**?
* Bei delinquenten Gangs signifikant höhere Kriminalitätsrate (Walser/Killias) * Gang; feste Gruppe, die sich zusammenschliesst, um geplante Delikte zu begehen * Delinquente Clique; Gruppe, welche ab und zu ein Delikt begehen * Delinquenz korreliert stark mit einem delinquenten Freundeskreis * Unstrukturiertes Freizeitverhalten: In den Ausgang gehen korreliert stark mit schweren Delikt * Sport * Gewisse Sportarten korrelieren mit Delinquenz * Kampfsportler geben sehr viel häufiger an, dass sie schon mal ein Delikt begangen haben * Andere Sportarten korrelieren mit einer tieferen Delinquenz (Sportarten mit Beteiligung Erwachsener oder mit ästhetischer/individualistischer Komponente) * Shootergames: Es lässt sich keine Korrelation feststellen; aber ethische Grenzen spielen hier eine Rolle
40
Welche internationalen Datenquellen für Tötungen (Homizide) bestehen?
* WHO-Daten * Südamerika weist viele Tötungsdelikte auf * Misst die Rate pro 100 000 Einwohner * CH hat 0.8 pro 100 000 Einwohner * Keine juristische Datenbank; von Mediziner als Tötungen durch Fremdeinwirkung qualifiziert * UNODOC-Daten * Auch wiederum Südamerika und afrikanische Länder an der Front * Basieren neben gesundheitlichen Daten auch auf nationalen Erhebungen * European Sourcebook-Daten * Offizielle Statistiken der verschiedenen Länder (meist eher oberflächlich → Typologie nicht möglich) * European HomicideMonitor (EHM, zur Zeit Finnland, Schweden und Holland) * European homicide research group
41
Welche **Erkärungsansätze** gibt es für die hohen **Homizidraten in Südamerika**?
* ​Drogenhandel * Routen über Mexiko nach Amerika * Viele Milieutötungsdelikte * Hohe Jugendarbeitslosigkeit * Organisierte Kriminalität * Grosses Gefälle zwischen Arm und Reich
42
Wie verhalten sich die **Homizidraten in Europa**?
* Ost-West-Gefälle * Je östlicher, desto mehr Tötungsdelikte. Gründe könnten sein: * Alkoholkonsum * Allenfalls die Armut
43
Was lässt sich über den **Homizidrate und** **Homizidtypus** in der Schweiz und in anderen Ländern aussagen? Was ist die Quelle dafür?
* USA an der Spitze der Homizidrate (56 / 1 Mio. Einwohner) * Finnland in Europa an der Spitze (24 / 1 Mio. Einwohner) * CH: sehr tiefe Rate (10 / 1 Mio. Einwohner) * Tötungen innerhalb der Familie * In CH sehr hoher Anteil (43% aller Homizide) * Viel mehr als andere Länder * Tötungen, welche einen Suizid zur Folge haben * In CH ebenfalls sehr hoher Anteil (14% aller Homizide) (Killias, Redondo & Sarnecki)
44
Was ist in der **Swiss Homicide Database** enthalten?
* Datenbank mit sämtlichen Tötungsdelikten der Schweiz zwischen 1990 und 2014 * Teilerhebung zwischen 1980 und 1990 * Daten basierend auf Unterlagen der Rechtsmedizin, Polizei, Staatsanwaltschaft und Gerichte * Nur vorsätzliche Tötungen (keine Fahrlässigkeitsdelikte, keine Körperverletzung mit Todesfolge) * Versuchte Tötungen: Teilerhebung * Total 1330 Fälle, 1426 Täter und 1491 Opfer
45
Wie entwickelt sich die **Homizidrate in der Schweiz**?
* Tötungsdelikte nahmen ab * Beide Datenquellen (SHD / BFS) zeigen signifikanten Rückgang der Tötungsdelikte (beinahe Halbierung über die letzten 30 Jahre) * Selbe Entwicklung in anderen europäischen Ländern * Gründe: * Demografische Gründe; weniger junge Männer * Versuchte Tötungsdelikte nahmen zu (wohl wegen besserer medizinischer Notfallhilfe) * Anteil von Tötungsdelikten innerhalb der Partnerschaft * Seit 1990 nahm der Anteil stark zu * Sehr hoher Anteil * Innerhalb der übrigen Familie (d.h. nicht Partnerschaftstötungen) * Peak nicht beachten, da gewisse Untersuchungen noch nicht abgeschlossen sind * In der CH sind familiäre Tötungsdelikte mit Abstand die häufigsten * Tötungen im kriminellen Milieu in der CH eher von untergeordneter Bedeutung * Private Streitigkeiten * Pöbeleien im Ausgang * Streit um Schulden oder sonstige Konflikte unter Freunden * Tendenz eher rückläufig * Neuere Fälle sind noch nicht aufgenommen; deshalb starker Rückgang in vergangenen zwei Jahren
46
Wer ist typischerweise **Täter** und **Opfer** eines Homizids in der Schweiz?
**Täter** * V.a. Männer (90.2%) * Unterschiede in Abhängigkeit vom Homizidtypus * Frauenanteil bei der Kategorie "andere Familie" höher als in anderen Typen * Ebenso bei Kindstötungen (100%); kann per Gesetz nur von Frauen begangen werden * Alter * Nicht v.a. Jugendliche * Peak zwischen 18 und Anfang 30 * Durchschnittsalter höher als bei anderen Taten **Opfer** * Geschlechter in etwa ausgeglichen * Nach Homizidtypus * Übervertretung der Frauen im Bereich der Partnerschaft * Eifersucht oder nicht Akzeptanz einer Trennung * Übervertretung der Männer im kriminellen Milieu * Alter der Opfer * Bereich zwischen 20 und 40 * Und Kindstötung im ersten Lebensjahr
47
Wie sieht die Verteilung der **Tatwaffen** bei Homiziden in der Schweiz aus?
* Ca. die Hälfte Schusswaffen * Danach Stichwaffen und Strangulation * In anderen europäischen Länder wie viel weniger Delikte mit der Schusswaffe * Waffengebrauch in der Typologie * Bei der Familie oft legale Schusswaffen * Im Milieu oft illegal erworbene Waffen * Stichwaffen oft bei privaten Streitigkeiten * Entwicklung der Tatwaffen * In den letzten 10 Jahren haben die Schusswaffen abgenommen * Heute ist Stichwaffe etwa gleichauf
48
Was lässt sich zusammenfassend über die **Tötungsdelikte in der Schweiz** sagen?
* Tiefe Homizidrateder Schweiz im internationalen Vergleich * Allerdings hoher Anteil an familiären Tötungsdelikten * Deutlicher Rückgang der Anzahl Tötungsdelikte in der Schweiz * Allerdings Rückgang insb. bei Tötungsdelikten im kriminellen Milieu und bei Streitigkeiten unter Privaten * Tötungsdelikte in der Familie relativ konstant * Einsatz von Schusswaffen ist zurückgegangen * Alkohol-und Drogenkonsum bei Täter und Opfer häufig
49
Wie verhalten sich die **Aufklärungsraten** bei Tötungsdelikten? Quelle?
* Bei den Tötungsdelikten insgesamt sehr hoch * 85-100% in CH * Im internationalen Vergleich: * In den meisten Ländern sehr hohe Aufklärungsrate * Je mehr familiäre Tötungsdelikte, desto höhere Aufklärungsrate * In den USA nur 65%; aber dort auch viel mehr Street-Crime; sind viel schwieriger aufzuklären (Liem et al.)
50
Wo und wie ist **häusliche Gewalt** definiert?
* Gewaltschutzgesetz ZH (§ 2 GSG) * Gewalt im Rahmen einer bestehenden oder aufgelösten familiären oder partnerschaftlichen Beziehung * Nicht nur körperliche sondern auch psychische Integrität verletzt * Durch Ausübung oder Drohung von Gewalt oder mehrmaliges Belästigen, Auflauern oder Nachstellen; gewisse Intensität muss erreicht werden * Nicht nur Frauen sind Opfer; Gesetz erfasst auch Männer als Opfer
51
Wie wird häusliche Gewalt in der Kriminologie definiert?
* _Crime VictimizationSurveys (ICVS):_ Täter ist: (Ex-)(Ehe)Partner, (Ex-)Freund(in), verwandte Person (Vater, Mutter, Sohn, Tochter, andere Verwandte Person) → **Mitbewohner(in)** * _Bundesamt für Statistik, PKS:_ Anwendung oder Androhung von Gewalt unter Paaren in bestehender oder aufgelöster ehelicher oder partnerschaftlicher Beziehung, zwischen (Stief-/Pflege-) Eltern-Kind oder zwischen weiteren Verwandten
52
Welche internationalen Zahlen gibt es zu häuslicher Gewalt?
* European Union Agency for Fundamental Rights, 2014: «Violence against women: an EU-wide survey» * 22% körperliche und/oder sexuelle Gewalt in Partnerschaft * 43% psychische Gewalt in Partnerschaft * 9% Stalking in Partnerschaft * 14% meldeten den schwerwiegendsten Vorfall der Polizei * 35% der Frauen: Vor 15. Lebensjahr Gewalt durch Erwachsene (27% körperliche, 12% sexuelle, 10% psychische Gewalt) * WHO-Studie, 2013 «Global and regional estimates of violence against women» * 30% aller Frauen weltweit: Physische oder sexuelle Gewalt in Partnerschaft * International Violence against Women Surveys (IVAWS) * Auch in der CH vergleichsweise hohe Zahl * Jahresprävalenz; haben sie im letzten Jahr Gewalt erlebt? * Häusliche Gewalt in der Paarbeziehung * CH hat hier eine der geringsten Quoten * Bei allgemeiner Gewalt gegen Frauen sind die Quoten in der CH nicht so gering
53
In welchem Rahmen wird häusliche Gewalt in der Schweiz erfasst?
54