Handelsrecht Flashcards
- Wie verhält sich das Handelsrecht zum allgemeinen Privatrecht?
Das HGB ist lex specialis gegenüber dem BGB, vgl. Art. 2 I EGHGB. Oftmals ergänzt das HGB aber nur die Regelungen des BGB.
- An welcher Stelle erlangt der Kaufmannsbegriff in der Klausur Bedeutung?
Ob Sie in der Klausur Handelsrecht anzuwenden haben, hängt de lege lata davon ab, ob einer der Beteiligten Kaufmann ist. Ob dies der Fall ist, ist in den §§ 1 - 6 HGB geregelt.
- Welche beiden Kaufmannsbegriffe enthält das HGB?
Das HGB enthält zwei Kaufmannsbegriffe: Zum einen den tätigkeitsbezogenen des § 1 I HGB, zum anderen den formellen Kaufmannsbegriff der §§ 5, 6 HGB.
- Nennen Sie die Vss. des Gewerbebegriffs iSd HGB!
Gewerbe ist nach h.M. eine offene planmäßige, selbstständige (aber nicht künstlerische, wissenschaftliche oder freiberufliche) und erlaubte, von der Absicht dauernder Gewinnerzielung getragene Tätigkeit.
- Welche Norm kann bei der Abgrenzung zwischen Arbeitnehmern und Selbstständigen herangezogen werden?
§ 84 I 2 HGB (an § 1 HGB kommentiert)
- Nach wohl h.M. setzt das Vorliegen eines Gewerbes eine Gewinnerzielungsabsicht voraus. Was ist dabei bei Wirtschaftsunternehmen der öffentlichen Hand zu beachten?
Die Gewinnerzielungsabsicht wird bei Unternehmen der öffentlichen Hand im Gegensatz zu sonstigen Gewerbetreibenden nicht vermutet sondern muss konkret festgestellt werden.
- Wie sind freie Berufe von einem Gewerbe abzugrenzen?
Für eine Reihe freier Berufe ist durch Sondergesetze ausdrücklich bestimmt, dass es sich bei ihnen nicht um ein Gewerbe handelt, z.B. RA, Notare, Steuerberater, Ärzte,…
- Nach welchen Vorschriften bestimmt sich, ob das betriebene Gewerbe ein Handelsgewerbe ist?
Ob das betriebene Gewerbe ein Handelsgewerbe ist, bestimmt sich nach §§ 1 II, 2 und 3 II, III HGB.
- Was versteht man unter einem gemischten Gewerbebetrieb?
Verschiedene Tätigkeiten, z.B.: Bildhauer betreibt gleichzeitig auch einen Warenhandel –> Kaufmannseigenschaft nach Schwerpunkt feststellen
- Welche Vorschrift des BGB enthält eine Definition des Begriffs Landwirtschaft? In welchem handelsrechtlichen Zusammenhang kann diese Definition herangezogen werden?
§ 585 I 2 BGB (an § 3 HGB kommentiert)
Zur Bestimmung, ob ein landwirtschaftlicher Betrieb vorliegt für einen Kannkaufmann nach § 3 HGB.
- Wie ist § 5 HGB dogmatisch einzuordnen? In welchem Zusammenhang gilt diese Vorschrift?
Aus Gründen der Rechtssicherheit fingiert § 5 HGB die Kaufmannseigenschaft für die im Handelsregister eingetragenen Gewerbetreibenden. Der Normzweck der Beseitigung von Rechtsunsicherheit hat zur Folge, dass § 5 HGB - anders als § 15 I HGB - auch zugunsten des Eingetragenen gegenüber Dritten und zugunsten eines Gesellschafters gegen seine Mitgesellschafter gilt.
- Was versteht man unter einem Gestionskaufmann?
Gestionskaufmann (Rechtsscheinkaufmann kraft Auftretens) ist, wer durch ein nach außen gerichtetes Verhalten entgegen den tatsächlichen Verhältnissen in zurechenbarer Weise den Anschein erweckt, er betreibe als Inhaber oder als persönlich haftender Gesellschafter einer Personenhandelsgesellschaft, ein kaufmännisches Unternehmen.
- Was sind die Vss. der allgemeinen Rechtsscheinhaftung?
- Rechtsscheintatbestand
- Zurechenbarkeit
- Schutzbedürftigkeit
- Kausalität
- Welche Einschränkungen könnten bei der Anwendung der Lehre vom Scheinkaufmann zu beachten sein?
Es ergeben sich jedenfalls keine Bedenken, auf den Scheinkaufmann all die Normen anzuwenden, die keine zwingenden Schutzvorschriften zugunsten des Nichtkaufmanns sind.
Str., ob die Vorschrift des § 366 HGB, die u.a. in Erweiterung der §§ 932 ff. BGB auch den guten Glauben an die Verfügungsermächtigung eines veräußernden Kaufmannes (§ 185 I BGB) schützt, auch beim Erwerb vom Rechtsscheinkaufmann zur Anwendung kommt. Nach dem Wortlaut der Norm muss der Veräußerer wirklich Kaufmann sein. Außerdem ist zu bedenken, dass der Rechtsnachteil als Folge des § 366 HGB ja nicht den Veräußerer, sondern den wahren Rechtsinhaber trifft. Dieser hat den Rechtsschein aber gar nicht gesetzt und veranlasst.
Daher wendet die h.M. § 366 HGB auf den Scheinkaufmann NICHT an, auch nicht analog. Die Kaufmannseigenschaft ist also zwingende Vss. des § 366 HGB.
Problematisch ist auch die Frage, ob Vorschriften die ZWINGEND Nichtkaufleute schützen, auf Personen, die lediglich kraft Rechtsscheins Kaufmann sind, nicht angewendet werden können. –> insb. §§ 766, 780 BGB.
ggf. in Ausnahmefällen aber Rechtsmissbrauch § 242 BGB
- Wie verhält sich die Lehre vom Scheinkaufmann zu § 5 u. § 15 HGB?
Die Lehre vom Scheinkaufmann hat mit § 5 HGB nichts zu tun. Während es dort um absoluten Verkehrsschutz mittels einer Fiktion geht, geht es hier um Rechtsscheinschutz, was sich unter anderem daran zeigt, dass § 5 HGB auch zugunsten des Eingetragenen selbst und zugunsten Bösgläubiger wirkt. Wegen der weiterreichenden Rechtswirkungen des § 5 HGB ist die Lehre vom Scheinkaufmann insoweit subsidiär. Ebenso ist die Lehre vom Scheinkaufmann subsidiär zu § 15 HGB.
- Welche Formen typisierter rechtsgeschäftlicher Vertretungsmacht kennt das HGB?
Das HGB kennt zwei vom Umfang her typisierte Sonderformen rechtsgeschäftlicher Vertretungsmacht:
- die Prokura, § 48 HGB und
- die Handlungsvollmacht, § 54 HGB.
- Gibt es eine Duldungsprokura?
Aus dem Erfordernis der ausdrücklichen Erteilung ergibt sich, dass es keine Duldungsprokura und auch keine stillschweigend erteilte Prokura gibt. Ggf. kann die Duldung jedoch als Erteilung einer Handlungsvollmacht (§ 54 I HGB) angesehen werden. Eine Anscheinsprokura kann hingegen trotz § 48 I HGB in Ausnahmefällen aus Verkehrsschutzgründen vorliegen.
- Welche Folgen hat die Prokuraerteilung durch einen Nichtkaufmann?
Erteilt ein nicht eingetragener Kleinunternehmer “Prokura”, so erweckt er ggf. den Rechtsschein, er sei Kaufmann und muss sich nach Rechtsscheinregeln hieran festhalten lassen. Regelmäßig wird jedoch nur eine Umdeutung in eine bürgerlich-rechtliche Generalvollmacht in Betracht kommen (§ 140 BGB). Der Prokurist selbst kann keine (Unter-)Prokura erteilen, denn er ist nicht Kaufmann (vgl. auch § 52 II HGB).
- Auf welche Geschäfte erstreckt sich § 49 II HGB
Diese Beschränkung gilt nach § 49 II HGB analog auch für die entsprechenden Verpflichtungsgeschäfte, die auf Veräußerung oder Belastung eines Grundstücks gerichtet sind. Uneingeschränkt möglich ist dagegen der Erwerb von Grundstücken. Dies ergibt sich schon aus dem eindeutigen Wortlaut.
- Welche Beschränkungen der persönlichen Ausübungsbefugnis der Prokura sind zulässig?
Eine Prokura kann gem. § 50 I HGB gegenüber Dritten nicht durch eine WE des Geschäftsinhabers eingeschränkt werden.
Eine Einschränkung des sachlichen Umfangs der Prokura (Ausschluss bestimmter Rechtsgeschäfte) kann grds. nicht durch Rechtsgeschäft erfolgen (§ 50 I HGB)
§ 50 I schließt jedoch eine Einschränkung der persönlichen Ausübungsbefugnis (ohne Einschränkung ihres sachlichen Inhalts), z.B. durch Bindung des Prokuristen an die Mitwirkung anderer Personen nicht zwingend aus.
Nach h.M. ist eine rechtsgeschäftliche Beschränkung der persönlichen Ausübungsbefugnis bei der Prokura möglich durch Bindung des Prokuristen an die Mitwirkung eines anderen Stellvertreters.
Von diesen denkbaren Gestaltungsformen sind jedoch nur einige zulässig:
- Gesamtprokura (+)
- Bindung an die Mitwirkung organschaftlicher Vertreter (+)
- Inhaber des Handelsgeschäfts (-)
- Bindung an die Zustimmung einer selbst nicht vertretungsberechtigten Person (-)
- Bindung an die Zustimmung eines Handlungsbevollmächtigten (-)
- Was sind die Rechtsfolgen des Vollmachtsmissbrauchs?
Str.: Ob sich B nach § 242 nicht auf die Vertretungsmacht des P berufen kann oder in entsprechender Anwendung der § 177 ff. die Vertretungsmacht entfällt.
- -> h. Lit.: § 177 BGB analog –> Geschäft schwebend unwirksam
- -> BGH: § 242, ggf. § 254
- Welche Ausnahme von der freien Widerruflichkeit der Prokura gilt im Gesellschaftsrecht?
Ausnahmsweise ist die Prokura im Innenverhältnis nicht frei widerruflich, sondern der Widerruf an das Vorliegen eines wichtigen Grundes gebunden. Dies ist dann der Fall, wenn ein Kommanditist einer KG gesellschaftsvertraglich das Recht auf die Stellung als Prokurist hat. Dann gelten im Innenverhältnis die §§ 117, 127 HGB analog, nicht aber im Außenverhältnis.
- Welche Rechtsfolgen treten ein, wenn bei einer Gesamtprokura die Prokura eines von zwei Gesamtprokuristen erlischt?
Erlischt die Prokura eines Gesamtprokuristen, so bleibt diejenige des anderen hiervon unberührt. Die noch bestehende Gesamtprokura erstarkt nun aber nicht automatisch zur Einzelprokura. Vielmehr ist der verbleibende Gesamtprokurist zunächst nur passiv vertretungsberechtigt, denn zur Entgegennahme von WE reicht stets ein Gesamtvertreter aus. Durch Erteilung der Gesamtprokura an seinen neuen Vertreter erhält die Gesamtprokura wieder ihren ursprünglichen Umfang.
- Welche Arten der Handlungsvollmacht gibt es?
- General-HV, § 54 I Var. 1 HGB –> Betrieb eines Handelsgewerbes
- Art-HV, § 54 I Var. 2 HGB –> bestimmte Art von Geschäften
- Spezial-HV, § 54 I Var. 3 HGB –> einzelne Geschäfte
- Welche Folgen für den Klausuraufbau ergeben sich aus den verschiedenen Möglichkeiten der dogmatischen Einordnung des § 56 HGB
Str: e.A.: § 56 HGB = gesetzl. Fiktion bzw. unwiderlegbare Vermutung, a.A.: § 56 HGB = Rechtsscheintatbestand
Die unterschiedliche dogmatische Einordnung führt letztlich nicht zu unterschiedlichen Ergebnissen in der praktischen Anwendung des § 56 HGB!
- Welche Publizitätswirkungen sind in § 15 HGB angeordnet?
§ 15 I, II 2, III HGB: –> Schutz des abstrakten guten Glaubens an das Fortbestehen bestimmter Tatsachen
§ 15 II 1 HGB: –> Zerstörung des abstrakten guten Glaubens an das Fortbestehen bestimmter Tatsachen
Beim Umfang des öffentlichen Glaubens ist zu trennen zwischen der Wirkung der Bekanntmachung einer Eintragung (positive Publizität, § 15 III HGB) und der Wirkung des Fehlens einer Eintragung (negative Publizität, § 15 I HGB).
- Welche Tatsachen sind eintragungspflichtig i.S.d. § 15 HGB?
§ 15 I HGB ist nicht auf jede eintragungsfähige Tatsache anwendbar, sondern nur auf sog. eintragungspflichtige Tatsachen. Wann eine solche eintragungspflichtige Tatsache vorliegt, bestimmt das Gesetz im jeweiligen Sachzusammenhang.
Manchmal ergibt sich die Eintragungspflichtigkeit nicht aus einer konkreten Norm, sondern aus dem Zweck des Handelsregisters. Es liegt also eine ungeschriebene Eintragungspflicht vor, z.B. § 181 ist auf Geschäftsführer einer GmbH entsprechend anwendbar, § 35 III 1 GmbHG. Eine generelle Befreiung des Geschäftsführers einer GmbH von § 181 muss in der Satzung enthalten sein und im Handelsregister eingetragen werden. Nicht ausreichend ist, dass die Tatsache lediglich eintragungsfähig ist. Werden nicht eintragungsfähige Tatsachen dennoch im Handelsregister eingetragen, so entfalten sie keinerlei Rechtswirkung.
- Steht mangelnde Geschäftsfähigkeit i.R.d. § 15 I HGB einer Zurechnung des Rechtsscheins entgegen?
Nein. Da die negative Publizität des § 15 I HGB nicht an ein Verhalten anknüpft, ist die bloße Tatsache der fehlenden Eintragung oder der fehlenden Bekanntmachung ausreichend. Auf eine Zurechenbarkeit oder gar ein Verschulden des Betroffenen kommt es insoweit nicht an. Da § 15 I HGB demnach nicht auf dem Veranlassungsprinzip beruht, sondern hier der Fortbestand einer einmal wahr gewesenen Tatsache unterstellt wird, wirkt die negative Publizität gem. § 15 I HGB auch zu Lasten Minderjähriger.
- Warum ist der Vertrauensschutz in § 15 I HGB abstrakt?
Es ist nach h.M. nicht erforderlich, dass der Dritte das Handelsregister vorher tatsächlich eingesehen hat. Geschützt wird vielmehr ein abstraktes Vertrauen. Eine “echte” Kausalität zwischen der fehlenden Eintragung oder fehlenden Bekanntmachung und dem Rechtsgeschäft ist nicht erforderlich.
Der Schutz des § 15 I HGB greift aber nur ein, wenn die Möglichkeit bestand, dass der Dritte sein Handeln auf die Registereintragung einrichtete. Die Anwendung der Vorschrift ist auf Fälle beschränkt, in denen die Kenntnis der einzutragenden Tatsachen für das Verhalten des Dritten und seine durch dieses Verhalten beeinflussten Rechte oder Verbindlichkeiten von Bedeutung sein kann.
- Welche Bedeutung hat § 15 I HGB im sog. Unrechtsverkehr?
Bei rein deliktischen Schädigungen oder bei Gefährdungshaftung, die in keinem Zusammenhang mit einer geschäftlichen Beziehung zwischen den Beteiligten stehen, ist § 15 I HGB nicht anwendbar.
Die Anwendung des § 15 I HGB setzt zwar nicht den Nachweis voraus, dass der Gläubiger tatsächlich im Vertrauen auf die Richtigkeit und Vollständigkeit des Handelsregister gehandelt hat. Er muss jedoch typisiert (abstrakt) vertraut haben können.
“Niemand lässt sich gerade im Vertrauen auf das Handelsregister von einem anderen überfahren.”
- Was versteht man unter der sog. “Rosinentheorie”?
Grundsätzlich kann der Dritte sich entweder auf die wahre Rechtslage oder auf den Rechtsscheinschutz des § 15 I HGB berufen. Der Dritte hat also ein Wahlrecht, ob er sich auf die Wirkung des § 15 I HGB berufen möchte oder nicht. § 15 I HGB soll als Verkehrsschutznorm nur zugunsten des Dritten wirken.
Fraglich und umstritten ist aber, ob sich auch ein innerlich zusammenhängender Sachverhalt so aufteilen lässt, dass er einerseits nach der Wirklichkeit, andererseits aber nach dem Rechtsschein gem. § 15 I HGB beurteilt werden kann, je nachdem, was für den Dritten günstiger ist (sog. “Rosinentheorie”).
BGH: möglich
h. Lit.: nicht möglich bzgl. ein und derselben Tatsache
- Welches Prinzip liegt dem § 15 III HGB zugrunde?
Ein Dritter kann sich, wenn eine einzutragende Tatsache unrichtig bekannt gemacht worden ist, demjenigen ggü., in dessen Angelegenheiten die Tatsache einzutragen war, auf die bekannt gemachte Tatsache berufen, es sei denn, dass er die Unrichtigkeit kannte. § 15 III HGB schützt also den guten Glauben an die Richtigkeit nach § 10 HGB bekannt gemachter, eintragungspflichtiger Tatsachen (positive Publizität).
- Wie ist das Tatbestandsmerkmal der unrichtigen Bekanntmachung in § 15 III HGB zu verstehen?
(+) bei einer unrichtigen Bekanntmachung richtig eingetragener Tatsachen
h.M. (+) bei unrichtiger Eintragung und unrichtiger Bekanntmachung, arg.: entscheidend sei die Diskrepanz zw. wahrer Rechtslage und Bekanntmachung.
(-) bei unrichtiger Eintragung und richtiger bzw. nicht erfolgter Bekanntmachung
- Wie verhält sich § 15 HGB zu den allgemeinen Rechtsscheintatbeständen?
Die Grundsätze über die Haftung für veranlassten oder schuldhaft geduldeten Rechtsschein durch unrichtige Eintragungen im Handelsregister kommen nur insoweit zur Anwendung, als keine speziellen Rechtsscheintatbestände eingreifen (Subsidiarität). Derartige spezielle Rechtsscheintatbestände für Eintragungen im Handelsregister ergeben sich insbesondere aus § 5 HGB und aus § 15 III HGB.