2/2 (Grundfreiheiten, Unionsgrundrechte) Flashcards

1
Q

Schema: Verletzung von Grundfreiheiten

A

I. Schutzbereich (Sb) der Grundfreiheit

  1. Sachlicher Sb
    a. kein abschließendes Sekundärrecht
    b. grenzüberschreitender SV
    c. tatbestandl. Vss. der jeweiligen GF (zB „Ware“)
    d. ggf. Abgrenzung bei Konkurrenzen (Schwerpunkt)
    e. keine Schutzbereichs-Ausnahme, zB/v.a.
    - > Artt 45 IV, 51: Ausnahme bei Anwendung öff. Gewalt
    - > Art 58: DienstleistungsF gilt nicht für Verkehr (Art 92 AEUV daneben schreiben!)
  2. Pers. Sb
    a. bei nat. Personen mit Unionsbürgersch. immer (+)
    b. bei nat. Personen aus Nicht-EU-Ausland?
    - > AN-, Niederlassungs- und DienstleistungsF (-)
    - > Warenverkehr und Kapitalverkehr (str) (+), da Wortlaut rein gegenstandsbezogen schützt (zum Warenverkehr ausdr. Art 28 II AEUV)
    c. bei jur. Personen (wäre im GG Art 19 III-Frage)
    - > für Niederlassungs- und DienstleistungsF
    ausdr. Art 54 (iVm Art 62) AEUV
    - > für Waren und Kapital: ja, siehe soeben a)
    - > für AN-Freizügigkeit nach EuGH: auch AG (nicht begründbar)

II. Beeinträchtigung des Sb
1. Handeln, Dulden, Unterlassen eines Verpflichteten
(wäre unter GG Art 1 III-Frage)
a. Staatl. Maßnahme: Adressat sind grds MSen;
nach EuGH auch Union selbst (str., aber praktische Relevanz klein, da EuGH EU großen „Ermessenspielraum“ zubilligt)
b. aber Bindung von Sport- oder anderen regelsetzenden ( mächtigen) Kollektivverbänden
c. nach GFen differenzierende Bindung auch sonstiger Privaten
2. Diskriminierung = klassische Funktion der GFen, die insoweit bereichsspezifische Konkretisierung von Art 18 AEUV darstellen
a. offene Diskriminierung: Anknüpfung an Herkunft der Ware bzw Nationalität
b. versteckte Diskriminierung: Anknüpfung an MS- spezifische Merkmale wie Wohnsitz o. Sprache, sodass „typischerweise“ Waren/Personen/ Dienstleistungen/Kapital aus anderem MS stärker betroffen sind.
-> NB: sog. Inländerdiskriminierung durch Unionsrecht nicht verboten!
ODER
3. Beschränkung
a. Dassonville-Formel bei Warenverkehrsfreiheit = „jede, auch jede unterschiedslos auf inländische und ausl. Waren anwendb. Maßnahme, die geeignet ist, den Handel in der EU mittelbar o. unmittelbar, tatsächlich o. potentiell zu behindern“
-> alle anderen GFen (Gebhard): „jede nationale Maßnahme, die die Inanspruchnahme einer GF verhindert, behindert o. weniger attraktiv macht“
b. Korrektur nach Keck-Formel?
-> Korrektur notwendig/geboten, da Dassonville auch solche Regeln in EU- Recht „zieht“, die mit der Wirtschaftsregulierung praktisch nichts zu tun haben (vgl. bei Art 12 I GG, „obj. Berufsregelnden Tendenz“)
= Keine „Maßn. gleicher Wirkung“ iSd Art. 34 sind unterschiedslos auf inländ. und ausl. Produkte anwendbare, bloß vertriebs- im Gegensatz zu produkt-bezogenen Maßnahmen, sofern sie den Absatz inländischer und eingeführter Produkte rechtlicher und tatsächlich gleich berühren bzw. den Marktzugang spezielle für ausl. Waren etc. nicht erheblich behindern.
-> Keck-Rechtsprechung auf die anderen GFen übertragbar (str.)
ODER
4. Beschränkung durch Unterlassen = Schutzplichten-Dimension der GFen, GF i.V.m. Art 4 III EUV (Grundsatz der
„Unionstreue“)
= verpflichtet MS, alle geeigneten und erforderlichen Maßnahmen gegen Handlungen Privater (!) zu ergreifen, die den freien Warenverkehr beeinträchtigen, sofern MS nicht nachweist, dass sein Tätigwerden Folgen für die öff. Ordnung hätte, die er nicht bewältigen könnte (kann und sollte unter RF geprüft werden)
-> bislang nur für Warenverkehrsfreiheit

III. Rechtfertigung von Diskriminierung oder Beschränkung

  1. Ermächtigungsgrundlage (bei Unterlassen irrelev.)
  2. normierte Rf.-Gründe (Artt 36, 45 III, 52, 62, 65 I)
  3. EU-Grundrechte als Schranken
  4. ungeschrieben: „zwingende Gründe des Allgemeinwohls“ (Cassis)
    - > nur anwendbar bei Beschränkungen und bei versteckten Diskriminierungen (str.)
    - > unanwendbar bei offenen Diskriminierungen (pro: eigentlich implizieren normierte Rf.-Gründe einen numerus clausus)
  5. Schranken-Schranken
    a. Verhältnismäßigkeit
    aa. Beförderung des anvisierten Allgemeininteresses
    bb. Erforderlichkeit der Maßnahme
    b. EU-Grundrechte als Schranken-Schranke
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2
Q

Grundfreiheiten: Grenzüberschreitender Sachverhalt

A

= wenn Waren oder Kapital von einem Mitgliedstaat in einen anderen Mitgliedstaat ausgeführt werden sollen oder sich ein Unionsbürger zwecks Dienstleistungserbringung, Niederlassung oder Arbeits- aufnahme in einen anderen Mitgliedstaat begeben will

  • weite Auslegung (wenigstens irgendeine (ggf. auch nur potentielle) Berührung einer grenzüberschreitenden Tätigkeit)
  • auch Rückkehrerfälle umfasst
  • (-) bei Unionsbürger ggü einer Maßnahme ihres eigenen Mitglied- bzw. Aufenthaltsstaats, soweit diese sich räumlich auf den Bereich dieses Mitgliedstaats beschränkt
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3
Q

Grundfreiheiten: Warenverkehrsfreiheit: Ware

A

= jdf körperliche Sache mit Geldwert, die Gegenstand von Handelsgeschäften sein kann (auch Abfall; EuGH: auch Strom)

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4
Q

Grundfreiheiten: Arbeitnehmerfreizügigkeit: sachlicher Schutzbereich

A
  1. Unionsrechtlicher Arbeitnehmerbegriff:
    a. Erbringung von Leistungen von wirtschaftlichem Wert für einen Dritten
    b. weisungsabhängig
    c. gegen Vergütung
  2. Abgrenzung zu Dienstleistungs-/ Niederlassungsfreiheit durch Krit. der Weisungsunterworfenheit
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5
Q

Grundfreiheiten: Arbeitnehmerfreizügigkeit: GF-Bindung Privater

A
  • EuGH: Bindung Privater an das Diskriminierungsverbot aus Art 45 II AEUV
    pro: Wortlaut/Systematik: AN-Freizügigkeit allg. formuliert („innerhalb der Union“) im Gegensatz zu Waren-/Kapitalverkehrsfreiheit („zwischen den MSen“)
    pro: effet utile
    pro: Art 45 II AEUV ist personenbezogenes Diskrimi.Verbot, sollte daher wie Artt. 18, 157 AEUV auch für Private gelten
    con: Privatautonomie wird zu wenig berücksichtigt
    con: Art. 157 ist anders als Art 45 AEUV ein GR
  • Lit zT: BindungPrivateranalle Diskriminierungsverbote
  • ghM: keine Bindung an Beschränkungs-Verbote
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6
Q

Grundfreiheiten: Niederlassungsfreiheit: sachlicher Schutzbereich

A

= grenzüberschreitende Aufnahme / Ausübung einer Erwerbstätigkeit, und zwar
a. selbstständig
→ Abgrenzung zur Arbeitnehmerfreizügigkeit (weisungsunterworfen)
und
b. mittels fester und ständiger Einrichtung in dem anderen MS auf unbestimmte Zeit
→ Abgrenzung zur Dienstleistungsfreiheit (Auffangtatbestand, meist zeitl. begrenzt)

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7
Q

Grundfreiheiten: Kapitalverkehrsfreiheit: sachlicher Schutzbereich

A

= jeder Transfer von Geld- o. Sachkapital primär zu Anlagezwecken

  • > Anlagebeteiligung an AG (Portfolio-Investition) umfasst
  • > aber Erwerb von Aktien kann auch Niederlassung sein (wenn ausl. Investor Anteil erwirbt, der ihm sicheren Einfluss auf die Ges gibt)
  • P: Niederlassungsfreiheit spezieller oder kumulativ anwendbar?
    pro kumulativ: Art. 65 II AEUV
    pro spezieller: weiterreichender Schutz der Niederlassungsfreiheit; Niederlassungsfreiheit nur auf EU-Angehörige anwendbar
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8
Q

Grundfreiheiten: allgemeines Diskriminierungsverbot, Art. 18 AEUV: “im Anwendungsbereich der Verträge”

A
  • eA: formelles Verständnis (Gesetzgebungskompetenzen aus Art. 3, 4 EUV)
  • EuGH: materielles, weites Verständnis: schon wenn irgendeine Regelung des UnionsR „berüht“
    → sehr weit, v.a. Ausübung von GFen
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9
Q

GRCh: Anwendungsbereich: Historisch

A

A. Historisch
I. Handeln der Unionsorgane
II. aufHandeln der MSen, wenn diese „im
Anwendungsbereich des Unionsrecht handeln“, d.h.
1. beim Vollzug und der gesetzgeberischen Umsetzung
von Unionsrecht (Wachauf) sowie
2. bei MS-Maßnahmen, die eine GF einschränken (EU-
GRe als Schranken-Schranken, sog ERT-Rspr, str.)
-> GF sind wegen ihres Unionsbezuges Rahmen für den nationalen Gesetzgeber, sodass bei der GR-Relevanz dieser Artikel EU-GR anzuwenden sind, obwohl es sich um nationale Gesetze handelt

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10
Q

GRCh: Anwendungsbereich: Art. 51 I GRCh

A
  • Bindung der MS nur, wenn diese Unionsrecht „durchführen“ – str., ob dadurch Verengung des Anwendungsbereichs
    pro: dafür spricht der engere Wortlaut
    con: dagegen die Erläuterungen zu GrCh, die auf die EuGH- Rspr verweisen und die nach Art 52 VII gebührend zu berücksichtigen sind (Verweis auf historischen Anwendungsbereich)
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11
Q

GRCh: Anwendungsbereich: bei Gestaltungs-/Umsetzungsspielraum der MS

A
  • EuGH: Akerberg Fransson: Durchführung = Anwendung
    -> jeder sachliche Bezug einer Regelung zu UnionsR reicht
    -> Zurückgehen des EuGH: Siragusa: nur, wenn
    nationales Recht/Fall „hinreichenden Zusammenhang
    von einem gewissen Grad“ zu EU-Recht
  • BVerfG: Durchführung = Umsetzung/Vollzug zwingenden EU-Rechts
  • > Trennungsthese: Anwendbarkeit der EU-GR allein im sog. determinierten Bereich und Anwendbarkeit der nationalen Grundrechte allein im nicht determinierten Bereich
  • > BVerfG: Recht auf Vergessen I:
    1. GrCh exklusiv anwendbar unter vollständig vereinheitlichtem Unionsrecht (nicht-determinierter Bereich)
    2. bei nicht vollständig vereinheitlichtem Unionsrecht (determinierter Bereich): nationale GR+GrCh grundsätzlich anwendbar, GrCh kommen aber nur zur Anwendung „wenn konkrete und hinreichende Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Schutz des Grundgesetzes nicht ausreicht” (“europäisches Solange”)
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12
Q

GRCh: Anwendungsbereich: Recht auf Vergessen II

A
  • BVerfG: „Die Prüfungskompetenz des BVerfG für die Unionsgrundrechte folgt hier aus Art. 23 I GG i.V.m. den grundgesetzlichen Vorschriften über die Aufgaben des BVerfG im Bereich des Grundrechtsschutzes. Das BVerfG nimmt entspr. seiner Aufgabe, gegenüber der deutschen Staatsgewalt umfassend Grundrechtsschutz zu gewähren, im Bereich der Anwendung vollständig vereinheitlichten Unionsrechts gemäß Art. 23 I 1 GG durch eine Prüfung der Rechte der Verfahren der VerfBeschw nach Art. 93 I Nr. 4a GG seine Integrations- verantwortung wahr.“
  • > Dogmatisch: systematische Ausl. v. Art. 93 I Nr. 4a GG und Anwendungsvorrang der Unionsgrundrechte
  • > Voraussetzung: vollständig vereinheitlichtes Unionsrecht; unschädlich soll RL sein, wenn vollharmonisiert
  • > Reservevorbehalt: systematisch niedrigeres Schutzniveau durch Unionsgrundrechte (Solange II)

=> Anwendbarkeit der GRCh und nicht der deutschen GR!

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13
Q

Prüfung: Verletzung von Unionsgrundrechten nach der GRCh

A

I. Schutzbereich

  1. Sachlich
  2. Persönlich
    a. Grds. jede natürliche Person
    b. Einschränkung des persönlichen SB innerhalb des jeweiligen GR möglich
    c. Juristische Personen, wenn GR einer Person, und nicht einem Menschen zugesprochen wird, bzw. soweit GR dem Wesen nach auf juristische Person anwendbar (Rechtsgedanke Art. 19 III GG)

II. Eingriff

  1. Weiter Eingriffsbegriff = jede Beschränkung des grundrechtlichen Schutzgutes
    - > auch mittelbare Auswirkungen, wenn »hinreichend direkte und bedeutsame Auswirkung«
  2. Grundrechtsverpflichtung des Eingreifenden
    a. Art. 51 I (P)
    b. Leges speciales bzgl. Drittwirkung, etwa Art. 30, 32 GRCh

III. Rechtfertigung

  1. Gesetzlichen Ermächtigung
  2. Achtung des Wesensgehalts der GR (Art. 52 Abs. 1 S. 1 GRCh)
  3. Verhältnismäßig (Art. 52 Abs. 1 S. 2 GRCh)
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14
Q

GRCh: Zusammenhang zwischen Unionsgrundrechten und GF

A
  • Unionsgrundrechte können als Schranken, aber auch als Schranken-Schranken für Grundfreiheiten fungieren
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