18. Essstörungen Flashcards
Gemeinsamkeiten von Essstörungen (Bruch, 1973)
- Störung des Körperbildes
- Gefühl der Unzulänglichkeit
- Störung der Wahrnehmung (interozeptiv, propriozeptiv, emotional)
Anorexia Nervosa / Bulimia Nervosa
Übertriebene Beschäftigung mit Diät, Nahrung, Gewicht und Körperfett
Unbehagen beim Essen mit anderen
Emotionale Veränderungen (z.B. Depressivität)
Psychosoziale Veränderungen (z.B. Rückzug)
Körperliche Beschwerden
Essstörungen: Deskription
Anorexia Nervosa: Untergewicht Krankheitsverleugnung Eher perfektionistisch Eher introvertiert Stark verzerrtes Körperschema Drang nach Gewichtsabnahme
Anorexia Nervosa / Bulimia Nervosa:
Übertriebene Beschäftigung mit Diät, Nahrung, Gewicht und Körperfett
Unbehagen beim Essen mit anderen
Emotionale Veränderungen (z.B. Depressivität)
Psychosoziale Veränderungen (z.B. Rückzug)
Körperliche Beschwerden
Bulimia Nervosa: Normalgewicht Krankheitsbewusstsein Eher labil/impulsive Eher extravertiert Mäßig verzerrtes Körperschema Streben nach Idealgewicht
Essstörungen: Klassifikation
Essstörungen (ICD-10)
Anorexia Nervosa
– Anorexia Nervosa mit oder ohne aktive Maßnahmen zur Gewichtsreduktion (F50.00/01)
– Atypische Anorexia Nervosa (F50.1)
Bulimia Nervosa
– Bulimia Nervosa (F50.2)
– Atypische Bulimia Nervosa (F50.3)
Andere Essstörungen
– Essattacken bei anderen psych. Störungen (F50.4)
– Erbrechen bei anderen psych. Störungen (F50.5)
Nicht näher bezeichnete Essstörungen (F50.9) – Binge-Eating-Störung
Psychologische Faktoren und Verhaltensfaktoren bei andernorts klassifizierten Krankheiten
– Adipositas (54.4)
Essstörungen: Klassifikation
Essstörungen (DSM-IV)
Anorexia Nervosa
– Binge-Eating/Purging1-Typus oder Restriktiver Typus (307.1)
Bulimia Nervosa
– Purging Typus oder Non-Purging-Typus (307.51)
Nicht näher bezeichnete Essstörungen – Binge-Eating-Störung (307.50)
Gesundheitsgefährdende psychische Faktoren mit Einfluss auf medizinischen Krankheitsfaktor – Adipositas (316.00)
Klassifikation, Essstörungen
- Anorexia Nervosa
- Anorexia Nervosa mit oder ohne Maßnahmen
- Atypische Anorexia Nervosa - Bulimia Nervosa
- Bulimia Nervosa
- Atypische Bulimia Nervosa - Andere Essstörungen
- Essanfälle bei anderen psychischen Störungen
- Brechanfälle bei anderen psychischen Störungen
Anorexia Nervosa (F50.0, ICD-10)
A
Gewichtsverlust oder bei Kindern fehlende Gewichtszunahme
Körpergewicht von mindestens 15% unter dem normalen oder Alter und Körpergröße angemessenen Gewicht (BMI ≤ 17.5 bei Erwachsenen)
B
Selbst herbeigeführter Gewichtsverlust durch Vermeidung von fettmachenden Speisen
C
Körperschema-Störung: Selbstwahrnehmung als zu „fett“ mit sich aufdrängender Furcht „zu dick“ zu werden
D
Umfassende endokrine Störung der Hypothalamus-Hypophysen-Gonaden-Achse
– Frauen: Amenorrhoe (Ausnahme: Frauen mit Hormonsubstitution)
– Männer: Libidoverlust und Impotenz
– Kinder und Jugendliche vor Beginn der Pubertät: Wachstumsstörung
E
Keine Erfüllung der A und B Kriterien der Bulimia Nervosa (F50.2)
Anmerkung: Unterscheidung von nicht-restriktiven (F50.00) und restriktiven Typus (F50.01)
Atypische Anorexia Nervosa (F50.1, ICD-10)
Keine vollständige Erfüllung der A-E Kriterien der Anorexia Nervosa
A
Gewichtsverlust oder bei Kindern fehlende Gewichtszunahme
Körpergewicht von mindestens 15% unter dem normalen oder Alter und Körpergröße angemessenen Gewicht (BMI ≤ 17.5 bei Erwachsenen)
B
Selbst herbeigeführter Gewichtsverlust durch Vermeidung von fettmachenden Speisen
C
Körperschema-Störung: Selbstwahrnehmung als zu „fett“ mit sich aufdrängender Furcht „zu dick“ zu werden
D
Umfassende endokrine Störung der Hypothalamus-Hypophysen-Gonaden-Achse – Frauen: Amenorrhoe (Ausnahme: Frauen mit Hormonsubstitution)
– Männer: Libidoverlust und Impotenz
– Kinder und Jugendliche vor Beginn der Pubertät: Wachstumsstörung
E
Keine Erfüllung der A und B Kriterien der Bulimia Nervosa (F50.2)
Anmerkung: Unterscheidung von nicht-restriktiven (F50.00) und restriktiven Typus (F50.01)
Bulimia Nervosa (F50.2, ICD-10)
A
Episoden von Fressattacken/Esstaumel mindestens zweimal pro Woche über mindestens drei Monate Konsum großer Nahrungsmengen in sehr kurzer Zeit
B
Andauernde Beschäftigung mit dem Essen Unwiderstehliche Gier oder Zwang zu essen (craving)
C Entgegensteuerung der Gewichtszunahme mit einer oder mehreren der folgenden Verhaltensweisen – Selbstinduziertes Erbrechen – Missbrauch von Abführungsmitteln – Zeitweilige Hungerperioden – Gebrauch von Appetitzüglern, Schilddrüsenpräparaten und Diuretika (ggf.Vernachlässigung der Insulingabe Realitätsanpassung bei Diabetikern)
D
Selbstwahrnehmung als zu „fett“ mit sich aufdrängender Furcht „zu dick“ zu werden
Atypische Bulimia Nervosa (F50.3, ICD-10)
Keine vollständige Erfüllung der A-D Kriterien der Bulimia Nervosa
A
Episoden von Fressattacken/Esstaumel mindestens zweimal pro Woche über mindestens drei Monate Konsum großer Nahrungsmengen in sehr kurzer Zeit
B
Andauernde Beschäftigung mit dem Essen Unwiderstehliche Gier oder Zwang zu essen (craving)
C
Entgegensteuerung der Gewichtszunahme mit einer oder mehreren der folgenden Verhaltensweisen
– Selbstinduziertes Erbrechen
– Missbrauch von Abführungsmitteln
– Zeitweilige Hungerperioden
– Gebrauch von Appetitzüglern, Schilddrüsenpräparaten und Diuretika (ggf.Vernachlässigung der Insulingabe
bei Diabetikern)
D
Selbstwahrnehmung als zu „fett“ mit sich aufdrängender Furcht „zu dick“ zu werden
Essanfälle bei anderen psychischen Störungen (F50.4, ICD-10)
Übermäßiges Essen als Reaktion auf belastende Ereignisse (Trauerfälle, Unfälle, Geburt, etc.)
Anmerkung: Essanfälle bei Binge Eating Störung nicht als Reaktion auf belastende Ereignisse
Nicht näher bezeichnete Essstörungen: Binge Eating Störung (F50.9, ICD-10, 307.50, DSM-IV)
A
Wiederholte Episoden von Essanfällen
– Verzehr ungewöhnlicher großer Nahrungsmengen innerhalb eines bestimmten Zeitraums
– Gefühl des Kontrollverlusts über das Essverhalten
B
Auftreten der Essanfälle mit mindestens drei der folgenden Symptome
– Wesentlich schnelleres Essen als normal
– Essen bis zu einem unangenehmen Völlegefühl
– Essen großer Nahrungsmengen bei fehlendem körperlichen Hungergefühl
– Alleine Essen aus Scham über die Nahrungsmenge
– Selbstekel, Deprimiertheit oder Schuldgefühle nach den Essattacken
C
Leidensdruck aufgrund der Essanfälle
D
Auftreten der Essanfälle mindestens zweimal pro Woche über mindestens 6 Monate
E
Auftreten von Essanfällen nicht gemeinsam mit kompensatorischen Maßnahmen wie bei Bulimia Nervosa und nicht ausschließlich im Verlauf einer Bulimia Nervosa oder Anorexia Nervosa
Erbrechen bei anderen psychischen Störungen (F50.4, ICD-10)
Wiederholtes Erbrechen bei dissoziativen Störungen (F44.X) und Hypochondrie (F45.2)
Erbrechen, das nicht unter andere Zustandsbilder außerhalb des Kapitels V/F-Gruppen klassifiziert werden kann
Essstörungen: Differentialdiagnostik
Diagnose: Anorexia Nervosa Symptome: Gewichtsverlust Veränderung von Essverhalten und Appetit Differentialdiagnose: Andere Essstörungen: Bulimia Nervosa / Binge Eating Störung – Normalgewicht / Übergewicht – Streben nach Idealgewicht – Essanfälle – Mäßig verzerrtes Körperbild Realitätsanpassung – Mehr Krankheitsbewusstsein/Krankheitseinsicht
Diagnose: Bulimia Nervosa Symptome: Gewichtsverlust Erbrechen Veränderung von Essverhalten und Appetit Differentialdiagnose: Andere Essstörungen: Anorexia Nervosa – Untergewicht – Streben nach Gewichtsabnahme – Stark verzerrtes Körperbild – Weniger Krankheitsbewusstsein/Krankheitseinsicht
Diagnose: Binge Eating Störung Symptome: Gewichtszunahme Veränderung von Essverhalten und Appetit Differentialdiagnose: Andere Essstörungen: Bulimia Nervosa – Maßnahmen gegen Gewichtszunahme – Streben nach Idealgewicht – Mäßig verzerrtes Körperbild – Mehr Krankheitsbewusstsein/Krankheitseinsicht
Essstörungen: Differentialdiagnostik
Differentialdiagnose: Andere Psychische Störungen
Diagnose: Anorexia Nervosa Symptome: Gewichtsverlust Veränderung von Essverhalten und Appetit Differentialdiagnose: Andere Psychische Störungen: – Anorektische Reaktionen oder psychogenes Erbrechen bei Belastungs- und Anpassungsstörungen – Somatoforme Störungen
Diagnose: Bulimia Nervosa Symptome: Gewichtsverlust Erbrechen Veränderung von Essverhalten und Appetit Differentialdiagnose: Andere Psychische Störungen: – Dissoziative Störungen – Borderline Persönlichkeitsstörung – Zwangsstörungen – Angststörungen
Diagnose: Binge Eating Ströung
Symptome: Gewichtszunahme
Veränderung von Essverhalten und Appetit
Differentialdiagnose: Andere Psychische Störungen: – Depressive/Manische Störungen
– Schizophrenie und schizophrenieforme Störungen/Psychosen/wahnhafte Störungen
Essstörungen: Differentialdiagnostik
Differentialdiagnose: Psychische Störungen
Anorexia Nervosa
Gewichtsverlust
Veränderung von Essverhalten und Appetit
Differentialdiagnose: Psychische Störungen:
– Keine Maßnahmen gegen Gewichtszunahme (anders motivierte Handlungen bei Zwangsstörung)
– Motivation zum Essen und ungewollter
Bulimia Nervosa
Gewichtsverlust Erbrechen
Veränderung von Essverhalten und Appetit
Differentialdiagnose: Psychische Störungen
– Motivation zum Essen und ungewollter Gewichtsverlust (Appetitlosigkeit bei Depression, Appetitsteigerung bei Manie)
– Keine übermäßige Beschäftigung mit Körpergewicht
Realitätsanpassung
(anders motivierte Beschäftigung bei Zwangsstörung, Angststörungen oder Psychosen)
Binge Eating Ströung
Gewichtszunahme
Veränderung von Essverhalten und Appetit
Differentialdiagnose: Psychische Störungen
– Keine übermäßige Bedeutung von Körpergewicht oder Figur für Selbstwert (andere Bedeutung bei Zwangsstörung, Angststörungen oder Psychosen)
– Keine FuTricebhbtefvrieodirgudngem Dickwerden (aAnbwdeehrrs motivierte Furcht bei Zwangsstörung, Angststörungen oder Psychosen)
Essstörungen: Differentialdiagnostik
Differentialdiagnose: Somatische Störungen
Anorexia Nervosa
– Endokrinologische Erkrankungen
– Gastrointestinale Erkrankungen
– Kardiovaskuläre Erkrankungen
Bulimia Nervosa – Neurologische Erkrankungen – Infektionskrankheiten – Stoffwechselstörungen – Tumorkrankheiten
Binge Eating Ströung
– Medikamente und Drogen
Somatisch bedingte Essstörungen
Endokrinologische Erkrankungen
– Nebenierenrindenstörungen (Cushing-Syndrom, Morbus Addison, Urämie) – Schilddrüsenfunktionsstörungen
– Bauchspeicheldrüsenstörungen (Diabets mellitus)
– Hypophysenvorderlappestörungen (Morbus Simmonds)
Gastrointestinale Erkrankungen
– Morbus Cohn, Collitis Ulcerose, Gastritis, Ulcus ventriculi, Ulcus duodeni,
Gastrointestinale Stenosen, Darmparasiten
– Dysphagien und andere Erkrankungen im Hals-Nasen-Ohren-Bereich
– Lebererkrankungen (Hepatitis)
– Bauchspeicheldrüsen- und Gallenwegserkrankungen
Kardiovaskuläre Erkrankungen
– Schwere Herzinsuffizienz
Neurologische Erkrankungen
– Intracranielle Raumforderungen
Infektionskrankheiten
– Chronische Infektionen (Tuberkolose, HIV, Endokarditits)
Stoffwechselstörungen
– Anämie
– Hypercalciämie – Urämie
Tumorkrankheiten
Medikament und Drogen
– Psychopharmaka
– Andere Medikamente – Drogen
Essstörungen: Diagnostische Verfahren
Interviews (allgemein):
Strukturiertes Klinische Interview für DSM-IV (SKID, Wittchen et al. 1997; DSM-IV) Standardisiertes Interviewsystem (DIA-X-CIDI, Wittchen & Pfingster 1997; DSM-IV, ICD-10) Diagnostische Interview für psychische Störungen (DIPS, Margraf et al., 1994; DSM-IV)
Interviews (spezifisch):
Eating Disorder Examination (EDE, Cooper & Fairburn, 1987)
Strukturiertes Inventar für Anorexia und Bulimia Nervosa (SIAB; Fichter & Quadflieg, 1999)
Fragebögen (spezifisch):
Strukturiertes Inventar für Anorexia und Bulimia Nervosa - Selbsteinschätzung (SIAB-S; Fichter & Quadflieg, 1999)
Eating Disorder Inventory (EDI, Garner 1991)
Body Shape Questionnaire (BSQ, Cooper et al., 1987)
Weight Concerns Scale (WCS, Killen et al., 1993)Triebbefriedigung Abwehr Fragebogen zum Essverhalten (FEV, Pudel & Westenhöfer, 1989)
Verhaltens- beobachtung: Marburger Essanfallstagebuch (Tuschen et al., 2002) Marburger Ernährungstagebuch (Tuschen et al., 2002)
Somat. Anamnese:
Medizinische Anamnese inkl. körperlicher und labordiagnostischer Routineuntersuchung
Komorbide Störungen
Affektive Störungen:
Depressive Störungen (50-75%)
Dysthymie
Angststörungen:
Zwangsstörung (AN > BN) Soziale Phobie (BN > AN)
Persönlichkeitsstörungen
(Cluster B: BN > AN, Cluster C: AN > BN):
Vermeidend-unsichere Persönlichkeitsstörung (AN > BN)
Zwanghafte Persönlichkeitsstörung (AN > BN) Borderline Persönlichkeitsstörung (BN > AN)
Substanzmittelmissbrauch/-abhängigkeit
Risikofaktoren,
Beschreibung
Geschlecht:
Weibliches Geschlecht: Frauen > Männer
Geburt:
Schwangerschafts- und Geburtskomplikationen
Kindheit: Gesundheitsprobleme Ess- und Fütterungs- und gastrointestinale Probleme (AN) Esskonflikte (AN) Sexuelle Missbrauch (BN/BS) Adoptiv- oder Pflegeunterbringung (AN)
Adoleszenz:
Adoleszentes Alter
Früher Pubertätsbeginn
Negative Lebensereignisse inklusive sexueller/physischer Missbrauch
Mangelnde Unterstützung
Diäthalten und Fasten / gezügeltes Essverhalten
Übermäßige Beschäftigung mit (Ideal-)Figur bzw. Gewicht / Schönheitsideal / Rollen
Kritik bzgl. Figur bzw. Gewicht
Familie:
Psychische Störungen der Eltern
Essstörungen und Essverhalten der Eltern (BN/BS) Elterlicher Erziehungsstil: Überbehütung/Druck (AN) Mangelnde Fürsorge/Unterstützung
Persönlichkeit:
Negativer Affekt/Neurotizismus (BN/BS) Negativer Affekt/Depressivität (AN) Perfektionismus und Zwang (AN)
Soziale Ängstlichkeit/Scham/Schüchternheit (AN) Selbstwertproblematik (AN/BN)
Dysfunktionale Affektregulation: Flucht-Vermeidungs-Coping (BN/BS) /
Substanzmittelmissbrauch
Kognition:
Dysfunktionale Gedanken und Schemata bzgl. Figur bzw. Körpergewicht und/oder Essen
Lernen:
Klassische Konditionierung: Dysregulation metabolischer Prozesse inklusive Verschiebung homoöstatischer Set-Points (Sättigungsgefühl) durch gezügeltes Essverhalten
Essstörungen: Verlauf
Auftreten:
Erstmaliges Auftreten in der Adoleszenz und frühen Erwachsenenalter (15-25 LJ, AN > BN)
– Erhöhtes Risiko in der Pubertät/Adoleszenz mit den dazugehörigen Veränderungen im Körperbau/Gewicht
– Erkrankungsgipfel in Pubertät/Adoleszenz: AN: 15-17 LJ, BN: 18-19 LJ
Behandlung:
Eingeschränkte/späte Inanspruchnahme der fachspezifischen Versorgung aufgrund
mangelnder Krankheitseinsicht und mangelnder Behandlungsmotivation
► Schlechte Prognose bei später Behandlung, vor allem bei AN: Chronifizierungsrisiko
Hohe Inanspruchnahme der allgemein-medizinischen Versorgung aufgrund somatischer Folgestörungen
Verlauf:
Ungünstigerer Verlauf der AN als der BN, unter anderem aufgrund der hohen
Morbidität/Mortalität der AN
Verlauf AN:
Ungünstiger Verlauf der AN mit hoher Mortalität, vor allem bei Erwachsenen
– Hohe Mortalität: 5% Mortalität nach 5-6 Jahren aufgrund von Suizid/Morbidität
– Mittlere Remission: 47% Vollremission (70% Vollremission bei Adoleszenten), 33% Teilremission, 20% chronischer Verlauf nach 4- 10 Jahren
– Hohe Komorbidität mit anderen psychischen und somatischen Störungen
– Seltene Entwicklung einer BN (5-10%)
Prognose AN:
Günstige Prognose:
– Junges Alter und/oder kurze Krankheitsdauer
– Histrionische Persönlichkeitszüge/-störung Ungünstige Prognose
– Hohes Alter und/oder lange Krankheitsdauer
– Heißhungeranfälle
– Erbrechen
– niedriges Gewicht
– Zwanghafte Persönlichkeitszüge/-störung
Verlauf BN/BS:
Günstiger Verlauf der BN
– Hohe Remission: 50-75% Vollremission, 30% Teilremission, 20% Chronischer Verlauf Günstiger Verlauf der BS mit Spontanremissionen
– Hohe Remission: 60-80% Vollremission nach 6 Jahren
Prognose BN: Günstige Prognose: – Geringe Symptomatik (?) – Geringe Komorbidität (?) Ungünstige Prognose – lange Krankheitsdauer – Substanzmittelmissbrauch – Impulsivität
Konsequenzen,
Beschreibung
Leid und Beeinträchtigung:
Persönliches Leid
Einschränkung der privaten, sozialen, familiären und schulischen/beruflichen Leistungsfähigkeit
Hohe Belastung des Gesundheitswesen und hohe Gesundheitskosten, vor allem bei AN
Komorbidität:
Entwicklung komorbider psychischer Störungen
– Affektive Störungen (Depressive Störungen)
– Angststörungen (Zwangsstörung)
– Persönlichkeitsstörungen (Vermeidende, Zwanghafte, Borderline Persönlichkeitsstörung)
– Substanzmittelmissbrauch/-abhängigkeit
Entwicklung komorbider organischer Störungen / somatischer Folgestörungen
– Vielzahl somatischer Komplikationen (Starvation Modell)
– Rückgang einiger, nicht aber aller somatischer Komplikationen bei Remission
Mortalität:
Erhöhtes Mortalitätsrisiko aufgrund von Morbidität und Suizidalität AN: Höchstes Mortalitätsrisiko aller psychischer Störungen!
Starvation Modell:
Neuroendokrinologische und metabolische Veränderungen bei Nahrungsrestriktion
– Störung des HPA-Systems: CORT-Hyperkonzentration, NA-Hypokonzentration
– Störung des HPG-Systems: Reduktion nächtlicher PRL-Spikes, Regression des 24-h LH- und FSH-Sekretionsmusters
– Störung des TSH-Systems: T3 und TSH-Hypotransmission
► Verminderung des Energiebedarfs bei gleichzeitiger Erhöhung der Metabolismus-Effizienz (Gewichtszunahme bei normaler Nahrungszufuhr)
Somatische Folgestörungen:
Metabolische Störungen Endokrinologische Störungen Kardiovaskuläre Störungen Gastrointestinale Störungen Orale Störungen
Neurobiologische Faktoren
Genetik:
Unklare Heritabilität (AN > BN)
Beitrag bestimmter Gene bzw. von Gen x Gen oder Gen x Umwelt Interaktionen (AN > BN) – 5-HT2A, ERβ, Erβ x 5-HT2A, Chromosom 1p
– Leptin-Genorte
Neuroendokrinologie:
Störung des HPA-Systems: CORT-Hypertransmission
– AN: CORT-Hypertransmission aufgrund von CRH-Dysregulation ähnlich wie bei Mangelernährung
Störung der HPG-Systems: ER- und P-Hypotransmission, LH- und FSH-Hypotransmission
– AN: ER-/P-Hypotransmission mit der Folge von Amenorrhö
– AN/BN: Ovarielle Funktionsstörungen (Zyklusunregelmäßigkeiten)
Normalisierung der Störung der HPA-HPG-Systeme bei Normalernährung
Neuroendokrinologie:
Störung von Systemen mit Relevanz für Nahrungsaufnahme: Energie-Defizit
– Verringerung der Nahrungsaufnahme: CRH-Dysregulation, INS- und GLUC- Hyperkonzentration, 5-HT-Dysregulation, Leptin-Dysregulation
– Erhöhung der Nahrungsaufnahme: NA-Dysregulation, Grehlin-Dysregulation
Neurotransmission:
Störung des Katecholamin-Systems: NA- und NE-Hypotransmission
– AN: NA- und NE-Hypotransmission mit der Folge des Energiedefizits (Hypoaktivität des sympathischen Nervensystems: Bradykardie, Hypotonie, Hypothermie)
Störung des Serotonin-Systems: 5-HT-Hypotransmission
– AN: 5-HT-Hypotransmission mit der Folge des Energiedefizits
Neurophysiologie:
Störungen in präfrontalen und temporalen Kortexarealen
Störungen im Hypothalamus und anderen Hirnstammregionen
Metabolismus:
Störung des Metabolismus im Kontext der Nahrungsaufnahme: Energiedefizit bzw. Reduktion der Energiebedarfs
– Metabolische Dysregulation bei Mangelernährung/gezügeltem Essverhalten:
Hyperkonzentration von freien Fettsäuren und Ketonkörpern, INS- und GLUC-
Hyperkonzentration, CORT-Hyperkonzentration, 5-HT-Hypokonzentration, NA- und NE- Hypotransmission, Leptin- und Peptid-Dysregulation
– Kurzfristige De-Kalibirierung von Set-Points für Sättigung mit der langfristigen Folge der Re-Kalibrierung zur Aufhebung der Mangelernährung und Herstellung der Homoöstase (Gewichtszunahme bei. normaler Ernährung aufgrund reduzierten Energiebedarfs)
Psychologische Faktoren
Geschlecht:
Weibliches Geschlecht: Frauen > Männer
Geburt:
Schwangerschafts- und Geburtskomplikationen
Kindheit: Gesundheitsprobleme Ess- und Fütterungs- und gastrointestinale Probleme (AN) Esskonflikte (AN) Sexuelle Missbrauch (BN/BS) Adoptiv- oder Pflegeunterbringung (AN)
Adoleszenz:
Adoleszentes Alter
Früher Pubertätsbeginn
Negative Lebensereignisse inklusive sexueller/physischer Missbrauch
Mangelnde Unterstützung
Diäthalten und Fasten / gezügeltes Essverhalten
Übermäßige Beschäftigung mit (Ideal-)Figur bzw. Gewicht / Schönheitsideal / Rollen
Kritik bzgl. Figur bzw. Gewicht
Familie:
Psychische Störungen der Eltern
Essstörungen und Essverhalten der Eltern (BN/BS) Elterlicher Erziehungsstil: Überbehütung/Druck (AN) Mangelnde Fürsorge/Unterstützung
Persönlichkeit:
Negativer Affekt/Neurotizismus (BN/BS) Negativer Affekt/Depressivität (AN) Perfektionismus und Zwang (AN)
Soziale Ängstlichkeit/Scham/Schüchternheit (AN) Selbstwertproblematik (AN/BN)
Dysfunktionale Affektregulation: Flucht-Vermeidungs-Coping (BN/BS) /
Substanzmittelmissbrauch
Kognition:
Dysfunktionale Gedanken und Schemata bzgl. Figur bzw. Körpergewicht und/oder Essen
Lernen:
Klassische Konditionierung: Dysregulation metabolischer Prozesse inklusive Verschiebung homoöstatischer Set-Points (Sättigungsgefühl) durch gezügeltes Essverhalten
Dysfunktionale Gedanken und Schemata
- Absolutes Denken / Dichotomes Denken
- Denken in Extremen
- „Wenn ich einmal die Kontrolle über das Essen verliere, verliere ich die Kontrolle für immer und werde fett.“
- Übertreibung / Katastrophisierung
- Überbewertung einzelner (negativer) Ereignisse oder Informationen
- „Wenn ich zwei Pfund zunehme, kann ich keine Shorts mehr tragen“
- Selektive Verallgemeinerung
- Schlussfolgerung aufgrund einzelner Informationen bei gleichzeitiger Missachtung anderer Informationen
- „Ich bin nur etwas besonderes, wenn ich dünn bin.“
- Übergeneralisierung
- Überschätzung einzelner Ereignisse
- „Früher habe ich Fleisch gegessen und es hat mich fett gemacht. Deshalb darf ich kein Fleisch mehr essen.“
- Magisches Denken
- Verzerrte Wahrnehmung und Interpretation von Ursache-Wirkung- Zusammenhängen
- „Wenn ich ein Stück Schokolade esse, verwandelt es sich sofort in Fettpolster.“
Behandlungsstrategien
Pharmakotherapie:
Keine Empfehlung als alleinige Behandlung bei AN oder BN/BS
– Keine Verbesserung des Essverhaltens und der Essprobleme
– Keine Verbesserung von psychischen Problemen mit Einfluss auf das Essverhalten
– Kein Kompetenzerwerb
Psychotherapie:
Empfehlung als alleinige Behandlung, vor allem bei AN
– Verbesserung des Essverhaltens und der Essprobleme
– Verbesserung von psychischen Problemen mit Einfluss auf das Essverhalten – Kompetenzerwerb
Psycho- und Pharmakotherapie:
Möglichkeit der Kombination bei BN/BS
– Verbesserung des Essverhaltens und der Essprobleme
– Verbesserung von psychischen Problemen (Depressivität) mit Einfluss auf das Essverhalten
– Kompetenzerwerb
Pharmakotherapie: Ablauf
Medikamente: AN: Bandbreite unterschiedlicher Medikamente ohne Wirksamkeit – Antidepressiva (SSRI, TZA) – Neuroleptika – Appetitstimulanzien – Lithium BN/BS: Eingeschränkte Bandbreite unterschiedlicher Medikamente mit geringer Wirksamkeit – Antidepressiva (SSRI, SNRI, TZA, MAOI) – Anorektika (SSRI)
Auswahl:
Auswahl nach pragmatischen und evidenzbasierten Kriterien
– Wirk- und Nebenwirkungsprofil
– Präferenz/Expertise und Compliance des Patienten
Gabe:
Empfehlung bei Gabe zur Behandlung
– 1. Wahl BN/BS: Antidepressiva (SSRI, TZA / SSRI, SNRI)
► Mangelnde Evidenz für Empirie geleitetes Vorgehen bei Auswahl und Gabe
Pharmakotherapie: Antidepressiva
- Generation:
-Trizyklische Antidepressiva (TZA):
Imipramin (Tofranil)
Amitryptilyn (Saroten)
-Monaminoxidase-Hemmer (MAOI):
Moclobemid (Aurorix)
Tranylcypromin (Jatrosom) - Generation:
-Selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRI):
Fluoxetin (Fluctin)
Sertalin (Sertralin Hexal)
Citalopram (Citalopram)
-Selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRI) /Anorektika:
Sibutramin (Sibutramin)
-Selektive Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahme-Hemmer (SNRI):
Venlafaxin (Trevilor)
► Keine Empfehlung von MAOI aufgrund von Vergiftungsgefahr bei nicht Einhalten einer tyramin-armen Ernährung
► Keine Empfehlung von TZA aufgrund von Nebenwirkungen (Appetit- und Gewichtsteigerung)
► Keine Empfehlung von Anorektika aufgrund von Nebenwirkungen
Psychotherapie: Ablauf
Verfahren:
Einsatz unterschiedlicher Verfahren der Kognitiven Verhaltenstherapie
– Psychoedukation (Informationen, Aufklärung)
– Problem- und Verhaltensanalysen (Anamnese, Selbstbeobachtung)
– Kognitive Interventionen (Abbau dysfunktionaler und Aufbau funktonaler Denkweisen)
– Behaviorale Interventionen (Abbau dysfunktionaler und Aufbau funktonaler Verhaltensweisen,
Stimuluskontrolle, Exposition mit Reaktionsverhinderung)
– Kompetenztraining (Soziale Kompetenz, Emotionsregulation, Körperwahrnehmung, etc.)
– Psychotherapie psychischer Probleme
Haltung:
Unterstützung des Patienten bei Umsetzung der Verfahren
– Non-direktive Haltung (sokratischer Dialog, geleitetes Entdecken) und systematisches Vorgehen
– Vertrauensvolle und belastbare Beziehung / Beachtung mangelnder Compliance
Durchführung:
Multimodales und multidisziplinäres Vorgehen bei Durchführung
– Behandlung der Essstörung und der damit verbundenen psychischen Probleme
– Behandlung der somatischen Folgestörungen
► Evidenz für Empirie geleitetes Vorgehen bei Durchführung
Stationäre Aufnahme
Anorexia Nervosa / Bulimia Nervosa:
– Psychische bzw. somatische Komorbidität mit Indikation für eine stationäre bzw. teilstationäre Behandlung (Para-Suizidalität, Substanzmittelmissbrauch/-abhängigkeit, somatische Komplikationen)
– Nicht ausreichende Wirksamkeit ambulanter Therapie
– Therapieverhindernde Umstände im Umfeld des Patienten
Anorexia Nervosa:
– Rapider oder anhaltender Gewichtsverlust (>20 % über 6 Monate) / unzureichende Gewichtszunahme
– Gravierendes Untergewicht (BMI < 15 kg/m2)
– Schwere (bulimische) Symptomatik (kompensatorische Maßnahmen)
Bulimia Nervosa/ Binge Eating:
– Schwere Symptomatik (inkl. erheblich entgleistes Essverhalten, kompensatorischer
Maßnahmen, Elektrolytverschiebung)
– Essstörungsbedingte Komplikationen einer Schwangerschaft
Psychotherapie: Kognitive Verhaltenstherapie
Psychoedukation:
– Hunger und Essen bzw. Essstörungen
– Bedeutung eines bestimmten Körpergewichts
– Folgeschäden in Zusammenhang mit Essstörungen auf psychischer, somatischer und sozialer Ebene
– Mangelnde Wirksamkeit von kompensatorischen Maßnahmen gegen Gewichts- zunahme (Problem der metabolischen Dysregulation und Re-Kalibrierungseffekten)
– Soziokulturelle Einflüsse – Schönheitsideal / Geschlechterrollenerwartungen
Normalisierung von Ess- verhalten und Gewicht:
– Problemanalysen: Identifikation ursächlicher, auslösender und aufrechterhaltender Faktoren (Anamnese, Selbstbeobachtung)
– Normalisierung des Essverhaltens (Aufbau des normalen und Abbau des gezügelten Essverhaltens; Umgang mit „verbotenen“ Nahrungsmitteln)
– Umgang mit Heißhungeressanfällen und Erbrechen (Stimuluskontrolle, Exposition mit
Reaktionsverhinderung, Alternative Verhaltensweisen) – Ggf. stationäre Maßnahmen zur Gewichtsstabilisierung
Identifikation und Bearbeitung zugrunde liegender Probleme:
– Problemanalysen: Identifikation ursächlicher, auslösender und aufrechterhaltender Faktoren (Anamnese, Selbstbeobachtung)
– Zielorientierte Problembereichsbearbeitung
– Kognitive Umstrukturierung
– Kompetenztraining (Soziale Kompetenz, Emotionsregulation, Achtsamkeit,
Körpererfahrung, etc.)
Verbesserung der Köper- wahrnehmung/-akzeptanz:
– Köperübungen (Tanzen, Bewegen, Tasten)
– Körpererfahrungen (Abtastübungen, Spiegelkonfrontation, Entspannungs- und Atemübungen, Massageübungen)
Stabilisierung und Rückfallprophylaxe:
– Umgang mit kritischen Situationen und „Rückfällen“
– Analyse von Rückfällen
– Stabilisierung und Generalisierung der Therapiefortschritte
Essstörungen: Therapiewirksamkeit
Pharmakotherapie:
Keine Wirksamkeit von Antidepressiva bei AN
Eingeschränkte Wirksamkeit von Antidepressiva bei BN/BS
– Behandlung der psychischen (depressive) Probleme mit Einfluss auf das Essverhalten und Essprobleme
Psychotherapie:
Wirksamkeit von Kognitiver Verhaltenstherapie (allgemeine und spezifische Verfahren wie IPT,
DBT)
– Überlegenheit der Kognitiven Verhaltenstherapie gegenüber Ernährungsberatung oder unspezifischer psychotherapeutischer Behandlung bei AN, BN/BS
– Überlegenheit der Kognitiven Verhaltenstherapie gegenüber der Pharmakotherapie bei AN, BN/BS
Psycho- und Pharmakotherapie:
Keine Wirksamkeit der Kombination von Psycho- und Pharmakotherapie bei AN
Unklarheit bzgl. der Wirksamkeit der Kombination von Psycho- und Pharmakotherapie bei BN/BS
► Langfristige Überlegenheit der Psychotherapie gegenüber der Pharmakotherapie