1/2 (Rechtsquellen, Struktur, Organe, Prinzipien, Handlungsformen, Rechtsschutz) Flashcards

1
Q

Prüfung: Vorabentscheidungsverfahren, Art. 267 AEUV

A

A. Annahmefähigkeit der Vorlagefrage
I. Zuständigkeit EuGH
-> nicht EuG
-> EuGH-Satzung macht von der Übertragungsermächtigung in Art 256 I UAbs 1 S 2 AEUV keinen Gebrauch

II. Vorlagegegenstand
1. Auslegung Primär- o. SekundärR (Art 267 I lit a/b) oder 2. Gültigkeitsvorlage (Art 267 I lit b)

III. Vorlageberechtigung

  • „jedes Gericht eines MS“ (Art 267 I)
  • > „Gericht“ = autonom auszulegender Begriff des EU-Rechts (“ein auf gesetzlicher (hoheitlicher) Grundlage eingerichteter ständiger Spruchkörper, dessen Zuständigkeit obligatorisch ist und der dazu berufen ist, auf der Grundlage eines rechtsstaatlich geordneten Verfahrens in richterlicher (sachlicher) Unabhängigkeit Rechtsstreitigkeiten verbindlich zu entscheiden”)
  • Vorlagepflicht für im konkreten Rechtszug: letztinstanzliche Gerichte (Art 267 II)
  • > entfällt, wenn der Fall vom EuGH bereits entschieden wurde (acte éclairé-Doktrin) oder die richtige Auslegung offensichtlich ist (acte clair-Doktrin)
  • Vorlagepflicht für alle Gerichte, wenn ein EU-Rechtsakt unangewendet gelassen werden soll (Foto-Frost-Doktrin – Verwerfungsmonopol des EuGH für Unionsrecht)

IV. Entscheidungserheblichkeit
Maßstab: Einschätzung des MS-Gerichts vom EuGH nur auf pot. Missbrauch überprüft

V. Formulierung der Vorlagefrage
- Vorlagefrage muss auf die Auslegung oder die Gültigkeit des Unionsrechts gerichtet sein,
also nicht: „Ist § XYZ des deutschen Futtermittelgesetzes EU-rechtskonform“,
sondern:
„Ist eine Regelung, die vorsieht, dass Futtermittel auch von Menschen verzehrbar sein müssen – wie in § XYZ des dt. Futtermittelgesetzes angeordnet – mit Art. 1234 des AEUV vereinbar?“

B. Beantwortung der Vorlagefrage
→ materielle Rechtslage prüfen und idR Antwort formulieren

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Q

Prüfung: Vertragsverletzungsverfahren, Art. 258, Art. 259 AEUV

A

A. Zulässigkeit
I. Zuständigkeit EuGH (+)
Art 258 II, EuGH-Satzung macht von Übertragungsermächtigung in Art 256 I UAbs 1 S 2 keinen Gebrauch

II. Parteifähigkeit

  • aktiv: Komm (Art 258) u. jeder MS (Art 259)
  • passiv: jeder MS (Artt 258, 259)

III. Vorverfahren

  • Art 258 AEUV:
    a. Art 258 I 2. Hs: Mahnschreiben der Komm = Mitteilung der Tatsachen und verletzten EU- Rechtsvorschriften + Frist zur Äußerung
    b. Art 258 I 1. Hs, II: nach Fristablauf begründete Stellungn. + erneute Frist
  • Art 259 AEUV:
    a. Art 259 II, III 2. Hs: Bef. der Komm durch MS + kontradiktorisches Verf. vor der Komm
    b. Art 259 III 1. Hs: begr. Stellungn. der Komm oder Ablauf von drei Monaten seit Antrag des MS c. Art 259 I: Klage vor dem EuGH

IV. Klagegegenstand
- Behauptung der Komm oder des klagenden MSes, der beklagte MS habe gegen eine Verpflichtung aus
Unionsrecht (Primär- oder SekundärR) verstoßen
- späterer Klagegegenstand vor dem EuGH darf gegenüber dem Vorverfahren nicht erweitert werden!

V. Klageberechtigung
Komm/MS von Vertragsverletzung überzeugt

VI. Rechtsschutzbedürfnis
Entfällt, wenn der MS den gerügten Verstoß innerhalb der Frist behoben hat

B. Begründetheit
OS: Die Klage ist begründet, soweit
I. die behaupteten Tatsachen zutreffen, diese
II. eine Vertragsverletzung darstellen und
III. diese Vertragsverletzung dem beklagten Mitgliedstaat zuzurechnen ist

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Q

Prüfung: Nichtigkeitsklage, Art. 263, 264 AEUV

A

A. Zulässigkeit
I. Zuständigkeit
- EuGH: grds für Klagen der privilegierten Kläger, Art. 256 I UAbs 1 2. Hs AEUV iVm Art 51 EuGH-Satzung
- EuG: Klagen von nat. und jur. Personen, Art 256 I

II. Parteifähigkeit

  • aktiv: Art 263 II, III und IV
  • passiv: Art 263 I

III. Klagegegenstand und -befugnis

  • privilegierte Kläger, Art 263 II AEUV: verbindliche Rechtsakte, keine weitere Klagebefugnis (str. Ausnahmereg. in Art 275 AEUV für GASP-Maßnahmen)
  • Kläger nach Art 263 III AEUV (teilprivilig. Kläger): EZB, Rechnungshof und Ausschuss d. Regionen: verb. Rechtsakte, sofern Organrechte verletzt
  • Individual-Klagen (nat./jur. Pers), Art 263 IV AEUV
    a. Handlungen „an sie [die Person] gerichtet“ o.
    b. Handlungen, die Person „unmittelbar und individuell betreffen“ oder
    c. unmittelbar betreffende „Rechtsakte mit VO- Charakter“ ohne Durchführungsmaßnahmen

IV. Klagefrist: 2 Monate (Art 263 VI AEUV)

B. Begründetheit
Die Klage ist (nur) begründet, wenn einer der in Art. 263 Abs. 2 AEUV genannten Nichtigkeitsgründe vorliegt:
1. Unzuständigkeit
2. Verfahrens- oder Formfehler
3. Verletzung des Vertrages oder einer bei seiner Durchführung anzuwendenden Rechtsnorm
4. Ermessensmissbrauch

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4
Q

Prüfung: Untätigkeitsklage, Art. 265 AEUV

A

A. Zulässigkeit
I. Zuständigkeit
- EuGH: grds für privilegierte Kläger, Art 256 I AEUV iVm Art 51 EuGH-Satzung
- EuG: für Klagen nat. und jur. Pers. Art 256 I AEUV

II. Parteifähigkeit

  • aktiv: Art 265 I und III AEUV
  • passiv: Art 265 I AEUV

III. Klagegegenstand und -befugnis

  • privilegierte Kläger, Art 265 I AEUV: vollständiges Unterlassen einer Beschlussfassung; keine (ges.) Klagebefugnis erforderlich
  • nat. und jur. Pers., Art 265 III AEUV: Unterlassen einer Beschlussfassung, wenn
  • > Kläger Adressat des unterlassenen verbindlichen Aktes wäre oder
  • > wenn verbindlicher Akt Kläger „unmittelbar und individuell betreffen würde“

IV. Vorverfahren
- Schriftliche Aufforderung, tätig zu werden, und Inaussichtstellen der Klage bei fortgesetzter Untätigkeit sowie fehlende Stellungnahme des Organs über zwei Monate (Art 265 II AEUV)

V. Klagefrist
- 2 Monate nach Ablauf der Antwortfrist (Art 265 II S 2)

VI. Rechtsschutzbedürfnis
fehlt, wenn das beklagte Organ eine Maßnahme (wenn auch nicht die gewünschte) getroffen hat –
dann Nichtigkeitsklage! → Subsidiarität der UK

B. Begründetheit
Die UK ist begründet, wenn das beklagte Organ aufgrund von Unionsrecht verpflichtet war, den begehrten Beschluss zu fassen (Abs 1) oder
einen Rechtsakt an den Kläger zu richten (Abs 3) oder
einen Rechtsakt zu erlassen, der den Kläger unmittelbar und individuell betrifft (Art 263 IV analog)
-> Untätigkeitsklage nur bei keinerlei (!) Tätigwerden des Organs einschlägig

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5
Q

Richtlinien: vertikale unmittelbare Anwendbarkeit

A
  1. Verstoß gegen die Umsetzungsverpflichtung
    = MS hat nicht rechtzeitig o. fehlerhaft umgesetzt
  2. hinreichend bestimmter Inhalt der RL
  3. Unbedingtheit der Vorschrift

con: Art. 288 II, III AEUV: richten sich nur an MS, e con zu VO gerade keine unmittelbare Wirkung
pro: Art. 4 III EUV, effet utile

  • greift idR nicht zulasten des Bürgers, v.a. nicht bei Strafvorschriften (Rs. Berlusconi)
    pro: Art. 49 I S. 1 GRCh
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6
Q

Richtlinien: horizontale unmittelbare Anwendbarkeit

A
  • Rs. Faccini Dori
  • pro:
  • > effet utile, Art 288 III AEUV iVm Art 4 III EUV
  • contra:
  • > estoppel-Gedanke greift nicht, da anderer Privater nichts für die fehlende Umsetzung kann
  • > er/sie darf sich vielmehr auf das geschr. nat. Recht verlassen → allg. Rechtsgrundsatz „Rechtssicherheit“
  • > Arg. Individualrechtsschutz ambivalent/neutralisiert: auf beiden Seiten des Streits Private

=> keine horizontale uA, aber SEA gegen MS (Francovich)

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7
Q

“Gericht” iSd Unionsrechts

A

= jede ständige und. durch/aufgrund Gesetzes
eingerichtete Instanz,
-> mit obligatorischer, dh nicht bloß gewillkürter Zuständigkeit (≠ Schiedsgerichte), die
-> unabhängig, und
-> in rechtsstaatlich geordnetem Verfahren
-> bindende Entscheidungen unter Anwendung von Rechtsnormen (≠ Billigkeit) trifft,
-> die Rechtsprechungscharakter besitzen

  • vgl. Art. 47 II GRCh
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8
Q

Prinzipien: Wahrung des Subsidiaritätsgrundsatzes, Art 5 III EUV

A
  1. keine ausreichende Ziel-Verwirklichung durch MSen (sog Effizienztest → negative Abgrenzung) und
  2. Ziel kann auf EU-Ebene besser verwirklicht werden (sog Mehrwerttest → positive Abgrenzung)
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9
Q

Prüfung: Nichtigkeitsklage, Art. 263, 264 AEUV: Klagebefugnis, Art. 263 IV AEUV

A
  1. an sie gerichtete oder sie unmittelbar und individuell betreffende Handlung
    a. an sie gerichtet (direkte Adressaten der Handlung)
    b. unmittelbar und individuell betreffend
    aa. betreffend: wenn Rechtsakt in Interessenkreis des/der Kl eingreift
    bb. unmittelbar: wenn Rechtsakt selbst, nicht erst Durchführungsakt (zB durch MS) in Interessenkreis des Betr. eingreift (auch: wertend unmittelbar, bspw. VO, aber Regelungsdichte wie RL)
    cc. individuell: wenn „die streitige Vorschrift den Kläger wegen bestimmter persönlicher Eigenschaften oder besonderer, ihn aus dem Kreis aller übrigen Personen heraushebender Umstände berührt und ihn daher in ähnlicher Weise individualisiert, wie den Adressaten einer Entscheidung“ (Plaumann-Formel) -> (auch zukünftig) abgeschlossener Personenkreis
  2. ohne Durchführungsmaßnahme unmittelbar betreffender Rechtsakt mit VO-Charakter
    -> EuGH: VO-Charakter historisch auszulegen = alle Rechtsakte mit allgemeiner Geltung außer Gesetzgebungsakten (!)
    –> in VerfassungsVertrag waren VOen „untergesetzliche Normen“, dh nicht in einem GesetzgebungsVerf (insb Art 289) verabschiedet – Art 267 AEUV wurde ggü VerfVertrag-Entwurf nicht (mit)geändert
    → VO-Charakter haben nur untergesetzliche Normen nach alter Lesart → insb. Artt 290, 291
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10
Q

Organe: Rücknahmebefugnis der KOM

A
  • Verstoß gegen Art. 13 II EUV?

A. Rücknahmerecht der Komm?

  • grds anerkannt! gestützt teils auf Gesetzes- Initiativmonopol der Komm (Art 17 II EUV), teils auf das Vorschlags-ÄnderungsR (Art 293 II AEUV)
  • > EuGH verbindet beide Ansichten, weil/indem auch Art 293 II Unterfall der Garantie des Initiativrechts sei

B. Grenzen des Rücknahmerechts

  • > EuGH: Rücknahmebefugnis dürfe kein faktisches Vetorecht sein, verstoße gg Grundsatz des inter- institutionellen Gleichgewichts
  • > daher Begründung für Rücknahme erforderlich, wobei es reicht, wenn Beteiligte Gründe kennen
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