Konstitutionalismus (1867-1918) Flashcards
Konstitutionalismus
= bezeichnet den Zeitraum der Jahre nach dem sog. Ausgleich zwischen Österreich
und Ungarn 1867 bis zum Zusammenbruch der Doppelmonarchie nach dem 1. WK
1918. Kennzeichen des Konsitutionalismus ist eine Verfassung im formellen Sinn, die
auf Grundlage einer Vereinbarung zwischen Monarch und Volksvertretung erlassen
wurde.
Ausgleich mit Ungarn 1867
Durch das Scheitern des Februarpatents und die Niederlage gegen Preußen im
Deutschen Krieg 1866 stand die Monarchie vor vielen ungelösten Problemen und
Franz Joseph I. befürchtete ein gewaltsames Auseinanderfallen des Reiches. So
suchte der Kaiser den Ausgleich mit der zweitgrößten Volksgruppe des Reiches, den
Ungarn, und stellte somit am 18. Februar 1867 die im Revolutionsjahr 1849
erlassene Verfassung für Ungarn wieder her, was nun auch die Wiederherstellung
vieler wesentlicher unabhängiger Rechte und des ungarischen Reichstags zur Folge
hatte. De facto wurde nun das Kaiserreich Österreich in die Doppelmonarchie
Österreich-Ungarn umgebaut. Franz Joseph war infolge Kaiser von Österreich und
König von Ungarn (k.u.k) und damit das gemeinsame Staatsoberhaupt dieser zwei
Staaten. (Cisleithanien - Ö/Transleithanien - U). Die österreich-ungarische
Doppelmonarchie bestand nun (abgesehen vom Staatsoberhaupt und der
Ministerien) aus zwei voneinander komplett getrennten Staaten. Es gab zwei
Hauptstädte (Wien und Budapest), zwei Regierungen und zwei Parlamente, die auch
beide ihre eigenständige Politik machten. Jedoch gab es 3 gemeinsame Ministerien,
die die pragmatischen Angelegenheiten erledigen: Das Außen-, das Kriegs- und das
Finanzministerium.
Dualistische Angelegenheiten betrafen insbesondere Wirtschaftsfragen.
Dezemberverfassung 1867 - die StGG
Im Zuge des Ausgleichs mit den Ungarn und dem daher einhergehenden Umbau zur
Doppelmonarchie Österreich-Ungarn erließ Kaiser Franz Joseph 1867 eine neue
Verfassung, die Österreich diesmal mit Erfolg zum Verfassungsstaat machte (was
das Oktoberdiplom und das Februarpatent nicht geschafft hatten). Die Verfassung
bestand aus der Neuregelung der Ministerverantwortlichkeit, dem Grundgesetz über
die Reichsvertretung und den 4 Staatsgrundgesetzen, die den Aufbau des Staates
Österreich regelten. Diese Gesetze stellten einen Kompromiss zwischen den
monarchischen Ansprüchen des Kaisers und den liberal-konstitutionellen Ideen der
Abgeordneten dar. Rechtliche Grundlagen bildeten die Pragmatische Sanktion,
sowie das Delegationsgesetz 1867 für Österreich und der Gesetzesartikel XII von
1867 für Ungarn.
Die Staatsgrundgesetze
- StGG über die Einsetzung eines Reichsgerichts
Dieses sollte in Angelegenheiten des öffentlichen Rechts entscheiden, also wenn es
zu einem Rechtsstreit zwischen einer Privatperson und dem Staat kam. - StGG über die richterliche Gewalt (Judikative)
Garantierte ua. die Unabhängigkeit der Gerichte und die Wiedereinführung der
Geschworenenprozesse. - StGG über die Ausübung der Regierung und Vollzugsgewalt (Exekutive)
Regelte die Kompetenzen der Regierung bzw. der Minister und des Kaisers. - StGG über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger
Dieses Grundgesetz war das für die Bürger am wichtigsten. Es stellte sozusagen
einen liberalen Grundrechtskatalog dar, der heutzutage noch zum Großteil Bestand
in der österr. Verfassung hat. Darin festgelegt sind ua. Gleichheit aller Bürger vor
dem Gesetz, die Unverletzbarkeit des Eigentums, Presse-, Vereins-, Versammlungsund Glaubensfreiheit. Die in Art 20 normierte Möglichkeit der Aussetzung der
Grundrechte der Freiheit der Person und des Hausrechts, des Briefgeheimnisses,
der Versammlungs- und Vereinsfreiheit sowie der Meinungsfreiheit stellten jedoch
eine gravierende Schwäche dieses Grundrechtskatalogs dar.
Gesetz über die Verantwortlichkeit der Minister
07/1867; Gesetz über die Verantwortlichkeit der Minister für die im Reichsrat
vertretenen Länder: Jeder Regierungsakt des Kaisers musste vom verantwortlichem
Minister gegengezeichnet werden. Die Minister konnten für vorsätzliche oder grob
fahrlässige Verletzung vom Reichsrat zur Verantwortung gezogen werden.
Ministeranklage hatte vor dem Staatsgerichtshof zu erfolgen. Eine Verurteilung hatte
den Amtsverlust, die Entlassung aus dem Staatsdienst und den Verlust der
politischen Rechte zur Folge.
Gesetz über die Reichsvertretung
Diese regelte vor allem die Rechte und Kompetenzen des österr. Parlaments
(Reichsrat). Wie bisher bestand der Reichsrat aus Herren- und Abgeordnetenhaus.
Ein gültiger Gesetzesbeschluss bedurfte der Zustimmung beider Häuser und der
Sanktion des Kaisers (absolutes Veto).
Diese Verfassung bestand jedoch nur für den österr. Teil der Monarchie. Ungarn
hatte seine eigene (weit weniger fortschrittliche) Verfassung.
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Mit der Einführung eines gewählten Parlaments (Reichsrat), wurde auch ein
Wahlrecht eingeführt. Dies war jedoch ein sogenanntes Zenzuswahlrecht: wählen
durfte nur (Männer!), wer gewisse Finanzmittel nachweisen konnte. (10 Gulden)
Frühkonstitutionelle Elemente der Dezemberverfassung waren ua. das absolute
Vetorecht und das Notverordnungsrecht des Kaisers, der Reichsrat hatte kein
Selbstversammlungsrecht und die volle Staatsgewalt lag beim Kaiser.
Maigesetze 1868
Als Maigesetze werden drei Kirchengesetze bezeichnet, die im Mai 1868 vom
Reichsrat beschlossen und von Kaiser Franz Joseph I. bestätigt wurden. Darin wurde
das Verhältnis zwischen Staat und Kirche neu geregelt und die Bestimmungen des
Konkordats von 1855 aufgehoben. Zu den wichtigsten Neuerungen zählten:
- Weltliche Gerichte wurden zuständig für die Ehegerichtsbarkeit und erstmals
gab es die Möglichkeit einer „Notzivilehe“, wenn religiöse, aber keine
staatlichen Ehehindernisse vorlagen (zB interkonfessionelle Ehen)
- Das Unterrichts- und Erziehungswesen wurde unter die Leitung des Staates
gestellt
- Für alle Personen ab dem 14. Lebensjahr wurde die Option eines Austritts aus
einer Kirche oder Religionsgemeinschaft geschaffen
Wahlrechtsentwicklung des Abgeordnetenhauses
Die Wahl des Abgeordnetenhauses des Reichsrats erfolgte mittels Entsendung
durch die ständischen Landtage. Nur in Ausnahmefällen konnte der Monarch eine
Volkswahl anordnen, wenn die Landtage die Beschickung verweigerten.
Entwicklung des Wahlrechts
Fasst man die Wahlrechtsdebatten im Konstitutionalismus zusammen, so fallen
zunächst drei grundlegende Wahlrechtsprinzipien auf:
Ø 1. Das Zensuswahlrecht, wonach das Wahlrecht von der Steuerleistung
abhängig zu machen war, da politische Mitwirkungsrechte wirtschaftliche
Unabhängigkeit voraussetzten. Dahinter stand die politische Zielsetzung die
bürgerliche Oberschicht zu privilegieren.
Ø 2. Das Kurienwahlrecht, wonach die Wahlberechtigten zusätzlich in
Wählerklasse zu bündeln und den Kurien unterschiedliche Mandatszahlen
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zuzuweisen sei. (1. Kurie: Großgrundbesitzer, 2. städtische
Gemeindemitglieder, 3. Mitglieder der Handels- und Gewerbekammern und 4.
Mitglieder der Landgemeinden) Die Wahlberechtigten besaßen also kein
gleiches Wahlrecht.
Ø 3. Der grundsätzliche Ausschluss der Frauen vom Wahlrecht, mit dem
Argument, Frauen könnten die Eigenschaft eines sog. „Staatsbürgers“ nicht in
Anspruch nehmen, da sie keinen Militärdienst leisteten.
Ø Taaff’sche Wahlrechtsreform: 1882 wurde der Steuerzensus
(Steuerleistung zur Wahlrechtsteilnahme) auf 5 Gulden gesenkt.
Ø Badenische Wahlrechtsreform: Die Badenische Wahlreform 1896 schafft
eine 5., allgemeine, an keinen Wahlzensus gebundene Wählerklasse, durch
die alle männlichen Staatsbürger wahlberechtigt sind. Abhängig war die
Ausübung des Wahlrechts von einer 6-monatigen Sesshaftigkeit in einer
Gemeinde. Die Stimmen zählen jedoch entlang der einzelnen Kurien
unterschiedlich viel; für einen Abgeordnetensitz aus der 5. Wählerkurie sind
deutlich mehr Stimmen erforderlich als dies bei der 1. Kurie der Fall ist.
Ø Beck’sche Wahlrechtsreform: 1907 wurde mit der Beck’schen
Wahlrechtsreform das Kurienwahlrecht abgeschafft und das Prinzip des
allgemeinen, gleichen, direkten und gemeinen Wahlrechts für Männer
eingeführt. Frauen bleiben von der Wahl ausgeschlossen und sie erfolgte als
absolute Mehrheitswahl. Zahlreiche Strafdelikte führten nun zum Verlust des
Wahlrechts. Ausschlaggebend für diese Reform war die Wahlrechtsagitation
(Hetze, Aufklärung) der neu entstandenen Massenparteien.
Ø Frauenwahlrecht: Für das Frauenwahlrecht war die Beck’sche Reform 1907
ein enormer Rückschritt. Alle nach 1907 gestellten Anträge auf Einführung des
allg. Frauenwahlrechts wurden im Plenum nie diskutiert. Erst 1918 wurde mit
einem Gesetz das erste (wirklich!) allgemeine Wahlrecht „ohne Unterschied
des Geschlechtes“ für Österreich beschlossen.
KWEG 1917 (außerordentliche Gesetzgebung)
= Kriegswirtschaftliches Ermächtigungsgesetz. Dies war ein aus dem Jahr 1917
stammendes Gesetz, mit dem die Regierung der österreichischen Reichshälfte
bevollmächtigt wurde, während der Dauer des 1. Weltkriegs zur Linderung der
wirtschaftlichen Notlage Notverordnungen für die Funktionsfähigkeit der Wirtschaft
und für die Versorgung der Bevölkerung zu treffen.
Staatsgerichtshof
Unter dem StGh versteht man das Verfassungsgericht eines Staates. Minister
konnten für Verletzungen der Verfassung oder sonstiger Gesetze vor dem
Staatsgerichtshof verurteilt werden (siehe Dezemberverfassung 1868).
Reichsgericht war hingegen die Bezeichnung des öffentlich-rechtlichen
Gerichtshofes der im Reichsrat vertretenen Königreiche und Länder ÖsterreichUngarn
Nationalitätenkonflikt/Dualistische und trialistische Lösung
Nach dem Ausgleich mit Ungarn fühlten sich die anderen Nationen übergangen bzw.
zu „Nationen zweiter Klasse“ degradiert. Deutsch-österreichische und ungarische
Kräfte sind jedoch zu keinem Kompromiss mehr bereit und unterdrückten nun jeder
in seiner Reichshälfte die anderen Nationalitäten.
Dualistische Lösung: Beim Ausgleich mit Ungarn spricht man von einer
dualistischen Lösung, wobei sich also zwei unabhängige Staaten
zusammenschließen.
Trialistische Lösung: Eine trialistische Lösung wäre eine Dreistaatenlösung
gewesen. Slowenien, Kroatien und Serbien wollten einen Ausgleich, wie ihn
Österreich und Ungarn bekommen hatten.
Ordentliche und außerordentliche Gesetzgebung im Konstitutionalismus
Ordentliche Gesetzgebung: Der vom Kaiser einberufene Reichsrat arbeitete die
Gesetze aus.
Außerordentliche Gesetzgebung: war ein sogenanntes „Notverordnungsrecht“.
Wenn sich die dringende Notwendigkeit etwaiger Anordnungen zu einer Zeit
herausstellt, wo der Reichsrat nicht versammelt ist, so können diese durch
kaiserliche Verordnungen erlassen werden. 1917 bestätigte der Reichsrat das
Notverordnungsrecht der Regierung als so genanntes Kriegswirtschaftliches
Ermächtigungsgesetz.
Prägorativen der Krone
Angelegenheiten, die ausschließlich dem Kaiser zustanden: zB Kriegswesen,
Verhältnis Staat – Kirche, Unterrichtswesen, Straf- und Zivilrecht.
Gründung der sozialdemokratischen Partei
Die sozialdemokratische Partei wurde 1889 in Hainfeld gegründet. Im Mai 1890
fanden die ersten von der Partei organisierten Maidemonstrationen statt. Ab 1891
stellte sich die SDP der Wahlkampfagitation, die ersten Abgeordneten zogen 1897 in
den Reichsrat ein.